Ende Mai 2025 hat sich etwas verschoben. Nicht nur ein technologischer Meilenstein, sondern vielleicht auch ein kulturelles Beben. Google präsentierte Veo 3 – und mit einem Schlag wurde die Trennung zwischen Fantasie und Filmproduktion durchlässig wie nie zuvor. Ein paar Worte, ein Bild, ein flüchtiger Gedanke – und aus dem Nichts entstehen täuschend echte Videos, Dialoge, Musik, ganze Geschichten. Kein Green Screen, keine Kameras, kein Casting. Nur eine Eingabezeile.
Veo 3 ist nicht länger ein bloßes Werkzeug, sondern ein schöpferischer Partner. Es verwandelt Texte, Skizzen oder Fragmente existierender Videos in überzeugend realistische Filmszenen. Und das nicht in Wochen harter Arbeit, sondern binnen Sekunden. Gesichter wirken lebendig, Stimmen sprechen synchron, die Kamera fährt dramatisch oder verträumt – alles präzise steuerbar. Was wie ein Traum klingt, hat bereits Form angenommen: Die Figuren in den Beispielvideos leben nicht, existieren aber digital mit einer Präsenz, die erschreckend echt wirkt. Man könnte fast sagen: Sie wirken, obwohl sie nie waren.
Doch diese technische Zauberei wirft Fragen auf, deren Echo weit über das Silicon Valley hinaus hallt. Wenn ganze Szenen mit einem Prompt entstehen, wenn Gesichter, Stimmen und Emotionen synthetisch, aber glaubhaft simuliert werden – wozu dann noch Schauspieler? Oder Kameraleute, Maskenbildner, Studios, Beleuchter, Bühnenbauer? Was passiert mit der jahrzehntelang gewachsenen Handwerkskunst des Films? Wird sie zur Nische? Oder gar zur romantischen Erinnerung?
Veo 3 ist nicht bloß ein weiteres KI-Spielzeug. Es ist eine Bühne ohne Kulissen, ein Ensemble ohne Gagen, ein Studio ohne Grenzen – und das macht vielen Angst. Denn jede Revolution hat auch Verlierer. Die klassische Filmbranche könnte vor der größten Transformation ihrer Geschichte stehen. Blockbuster aus der Retorte, Serien aus dem Prompt, persönliche Geburtstagsfilme in Kinoqualität – alles nur noch eine Frage der Eingabe. Der Beruf des Regisseurs, so wie wir ihn kannten, könnte ebenso verschwinden wie der von Filmkomponisten oder Szenenbildnern.
Gleichzeitig tut sich eine neue Welt auf. Kreative, die bisher keine Ressourcen für teure Produktionen hatten, können ihre Visionen nun verwirklichen. Ideen zählen mehr als Budgets. Die Schwelle zum Erzählen sinkt, während das Niveau der Umsetzung steigt. Ist das die Demokratisierung der Filmkunst – oder ihr Ausverkauf?
Ein kleines Experiment zeigt, wie greifbar diese neue Realität ist: In diesem Beitrag wurde die KI ChatGPT damit beauftragt, ein Drehbuch zu Goethes Ballade Der Zauberlehrling zu schreiben. 90 Sekunden Länge, animiert, mit Ton. Die Aufgabe war binnen 20 Sekunden erledigt – mit erstaunlichem Ergebnis. Figuren, Handlung, Dialoge, Musikvorschläge – alles auf Knopfdruck. Und dank Veo 3 könnte dieses Skript in wenigen Minuten zu einem Film werden, der mühelos mit Produktionen konkurriert, für die früher ein halbes Team und Wochen an Arbeit nötig gewesen wären.
Der Lehrling aus Goethes Ballade glaubte, er könne die Kräfte seines Meisters kontrollieren – und geriet schnell an die Grenzen. Die Geister, die er rief, machten sich selbständig. Heute sind diese Geister aus Silizium, Algorithmen, Code und neuronalen Netzen gemacht. Und die Frage, ob wir sie kontrollieren können oder sie uns, ist aktueller denn je.
Fazit? Vielleicht stehen wir nicht vor dem Ende der Filmindustrie, sondern vor ihrer Wiedergeburt – in digitaler, entmenschlichter, aber auch entfesselter Form. Die großen Fragen sind nicht mehr nur technischer Natur, sondern ethisch, kulturell, gesellschaftlich. Was ist ein "Film", wenn er keiner mehr ist? Was ist Kreativität, wenn sie von Algorithmen simuliert wird? Was ist ein Mensch, wenn sein digitales Abbild ihn überflüssig macht?
Goethe wusste schon vor 200 Jahren: Wer die Kräfte der Magie entfesselt, muss mit ihrer Unberechenbarkeit leben. Vielleicht sollten wir genau hinhören, wenn die Zauberlehrlinge von heute ihre Prompts tippen. Denn was sie erschaffen, könnte bald unser Kino, unsere Träume – oder unsere Realität sein.
"Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los. Besen! Besen! Seid’s gewesen!" – Johann Wolfgang von Goethe, Der Zauberlehrling
P.S.: ChatGPT wurde vom Verfasser dieses Beitrages beauftragt, ein Drehbuch über die Ballade von Goethes Zauberlehrling für ein 90 Sekunden dauerndes Video zu verfassen, um zu veranschaulichen, wie das in der Realität funktioniert. Hier das erstaunliche Ergebnis:
🎬 Titel: Der Zauberlehrling – animiert & lebendig in 90 Sekunden
🎨 Stil: Animierte Charaktere in leicht überzeichneter, märchenhafter Optik. Kostüme angelehnt an Goethes Zeit (Ende 18. Jh.), aber mit humorvoller Modernisierung (z. B. Zauberlehrling trägt Crocs und Zauberhut).
🎶 Musik: Klassische Motive mit dynamischen Elementen – leicht verspielt, dann dramatisch, am Ende feierlich.
📖 Drehbuch:
Szene 1 – "Wenn die Katze aus dem Haus …"
Innen – düstere, große Werkstatt mit Regalen voller Bücher, Kräuter, seltsamer Flaschen. Sonnenstrahlen tanzen durch die Fenster.
🎙️ Erzähler (warm und leicht schelmisch): "Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben …"
🧙 Bild: Der alte Meister (mit wehendem Bart) greift zu seinem Mantel, nickt dem jungen Lehrling kurz zu – dann rauscht er zur Tür hinaus. Tür fällt zu.
👦🏼 Der Lehrling bleibt allein zurück – schaut sich um, grinst verschmitzt.
Szene 2 – "Ich kann das auch!"
🎙️ Erzähler (neugierig): "Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben!"
🧹 Bild: Lehrling tippt mit dem Zauberstab auf einen alten Besen. Funkenschlag! Der Besen richtet sich auf.
🪣 Der Besen schnappt sich zwei Eimer und beginnt, Wasser zu holen – ganz automatisch.
🎶 Musik wird beschwingt.
Szene 3 – "Wasser marsch!"
🪣🪣🪣 Der Besen läuft immer wieder. Wasser schwappt über, der Boden wird nass, dann ganz überschwemmt.
🎙️ Erzähler (ironisch): "Walle! Walle! Manche Strecke, dass zum Zwecke Wasser fließe …"
💦 Der Lehrling hüpft auf einen Tisch, ruft Zaubersprüche, die alle scheitern. Schließlich greift er zur Axt – Schnitt!
Szene 4 – "Jetzt sind’s zwei …"
🎙️ Erzähler (atemlos): "Doch entzweigehauen – werden’s gleich zwei neue Knechte!"
🧹🧹 Zwei halbe Besen stehen auf. Jeder nimmt einen Eimer. Jetzt ist Land unter! Der Lehrling schwimmt durch die Fluten, ruft verzweifelt: "Stopp! HALT! AUS!"
Szene 5 – "Meister rettet den Tag"
Die Tür springt auf. Der Meister tritt ein – ein Lichtschein hinter ihm. Er hebt die Hand.
💫 Magische Wellen stoppen alles. Die Besen sinken zu Boden. Die Werkstatt trocknet sich wie von Zauberhand.
🎙️ Erzähler (mit Nachdruck): "In die Ecke, Besen! Besen! Seid’s gewesen."
Szene 6 – "Gelernt ist gelernt"
👦🏼 Der Lehrling sitzt patschnass am Boden. Der Meister legt ihm die Hand auf die Schulter.
🎙️ Erzähler (mit einem Augenzwinkern): "Denn der Zauber, den man rief, ist manchmal schwer zu bändigen."
📚 Der Lehrling greift nach einem Buch: "Magie für Fortgeschrittene".
🖋️ ENDE – Schwarzer Hintergrund. Weißer Text:
"Zaubern lernt man nicht auf TikTok." Goethes "Zauberlehrling" – immer noch magisch.
Franz Luger ist Jurist und 37 Jahre bei der OMV in Schwechat tätig gewesen. Er befasst sich seit drei Jahren intensiv als Autodidakt mit der Künstlichen Intelligenz und damit, wie sie unser Leben verändert. Das Video dazu kann deshalb hier noch nicht mit Google Veo 3 hergestellt werden, da dieses Programm nur in den USA zur Verfügung steht. Google hat bereits ein internationales Rollout angekündigt, aber noch ohne Datum.
Das ist vielleicht vergleichbar mit den Druckereien gegen Ende des vorigen Jahrhunderts.
Die Setzer sind weg, Druckereien gibt es kaum noch, wo doch vorher mindestens eine in jeder Kleinstadt war, trotzdem gibt es Druckprodukte zuhauf.
Da wurde eine ganze, riesige Branche, die wesentlich am Aufstieg unserer Kultur beteiligt war, wenn sie denn unser heutiges Gesellschaftsmodell nicht kulturell und technisch überhaupt ausgelöst hat, hinweggefegt.
Und? Sind wir ärmer geworden? Hat die Welt aufgehört, sich zu drehen? "Was fällt, soll man auch noch stoßen ...." um es mit Nietzsche zu sagen.
Die Theater und vor allem Opernhäuser haben versucht, mit dem Film zu konkurrieren anstatt sich auf ihr Handwerk zu besinnen. Was geschieht? Auch sie gehen gerade unter.
Opernaufführungen werden, durch diese unsäglichen Regieverunzierungen, vorsätzlich dem Publikum zu verleiden versucht!
@Pennpatrik: die Welt drehte sich vor dem Menschen und wird sich nach dem Menschen drehen. Der Mensch war und ist für das Zusammenspiel im Kosmos überflüssig. Der Mensch macht sogar selbst seine Spezies überflüssig. Er erfindet/entwickelt sich weg.
.....dieser interessante Beitrag, über zukünftig bislang kaum vorstellbaren Möglichkeiten, brachte mir den köstlich vorgetragenen "Zauberlehrling" - ab Minute 5:05 - wieder in Erinnerung:
https://www.youtube.com/watch?v=K25FMmfRYPg&list=PLgMaJWgIsdbPE0_rBOCkOT2fDOg-JSB6G&index=10