Gastkommentare

Warum musste sich jeder 1945 befreit fühlen?

15. Mai 2025 20:40 | Autor: Günter Frühwirth
10 Kommentare

Als Zeitzeuge – ich war heute vor 70 Jahren am 15. Mai 1955 im Belvedere-Garten auf der Prinz-Eugen-Straßenseite unter den jubelnden Massen dabei – finde ich die Geschichtsverdrehung unerträglich. Wer befreit wird, muss eine solche Befreiung auch empfinden. Und das war fürs erste bei hunderttausenden Österreichern in den April- und Mai-Tagen 1945 sicherlich nicht der Fall. Kein Freiheitsgefühl, sondern größte Angst herrschte in den Wiener Bezirken und in den Familien. Schon die ersten Tage der "Befreiung" durch die Russen zeigten, dass die Angst berechtigt war. Vergewaltigungen und Raub waren an der Tagesordnung.

Ja, es gab die sehnsüchtig erwartete Befreiung. Die Befreiung der KZs, der sich in Kellern und Hinterhöfen verborgenen, von den Nazis verfolgten und politisch Verfolgten. Die Befreiung von der Gestapo und vom NS-Regime auf allen Regierungsebenen bis hinunter zum Blockwart. Warum wurde aber über die Jahre hinweg nicht differenziert? Warum musste sich jeder, und auch jede von einem russischen Soldaten missbrauchte Frau, dankbar befreit fühlen?

Warum wurde auch uns damals jungen Österreichern von nachgeborenen Politikern und journalistischen Meinungsmachern in den letzten Jahrzehnten immer stärker eingeimpft, dass wir bis zum 15. Mai 1955, dem Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrags nicht BESETZT waren, sondern befreite Bürger?

Ich bekenne mich dazu, mit dieser Geschichtslüge nicht leben zu wollen. Dabei kann ich mich z.B. auf Julius Raab berufen (für die nicht so alten Mitbürger: Raab war der ÖVP-Bundeskanzler bei den Staatsvertragsverhandlungen). Er verkündete am 15. April 1955 bei seiner Ankunft aus Moskau kommend am Flughafen Bad Vöslau: "Wir werden – was wir in diesen zehn Jahren erhofft und erstrebt haben – frei sein!"

Ich darf insbesondere auch aus der Ansprache des damaligen ÖVP-Außenministers Leopold Figl bei der Staatsvertragsunterzeichnung heute vor 70 Jahren, am 15. Mai 1955 zitieren:

"Ein siebzehn Jahre lang dauernder dornenvoller Weg der Unfreiheit ist beendet. (...) Heute ist der Tag gekommen, an dem wir den Vertrag unterzeichneten, womit Österreich seine Freiheit und Unabhängigkeit bekommt. Ich danke Ihnen allen, meine Herren Außenminister, für die Bereitschaft und für den guten Willen, den Sie in den nunmehr unterzeichneten Vertrag bekundet haben. Österreichs Volk dankt heute für die Freiheit, Österreichs Volk geht heute aber auch mit dem festen Vorsatz der Pflichterfüllung für die ganze Welt an die Arbeit. Wenn nun die Glocken von ganz Österreich, vom Bodensee bis zum Neusiedlersee, von der Taiga bis zu den Karawanken läuten, dann läuten Sie ein die Neuzeit für Österreich, dann künden sie, dass Österreich frei ist. (…) Und mit Freude künden wir heute: ,Österreich ist frei!`"

 

Dr. Günter Frühwirth ist Jurist, Familienforscher, und aktiv an der Gesellschaftspolitik interessiert.

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  1. Undine
    17. Mai 2025 20:34

    Der Einfluß Ilja EHRENBURGS auf die Sowjet-Armee (es waren ja nicht nur Russen!) hatte stark eingewirkt: Tötet, tötet,...

    Metapedia über Ilja EHRENBURG:

    https://de.metapedia.org/wiki/Ehrenburg,_Ilja



  2. Marus
    17. Mai 2025 10:16

    "O Herr! Befreie uns von den Befreiern, die uns von den Befreiern befreit haben."

    Ich fürchte, dieses Gebet aus jener Zeit hat in manchen Gebieten der Welt nichts an Aktualität verloren. Länder werden bekanntlich nie erobert sondern immer nur von den jeweiligen Machthabern befreit.



  3. rowischin
    16. Mai 2025 01:30

    Das Schreiben im Gastkommentar ist abenteuerlich.



    • Altsteirer
      16. Mai 2025 06:59

      ich empfinde den Gastkommentar als sachlich und den Tatsachen entsprechend.

      Nach Unterzeichnung des Staatsvertrags, am 15. Mai 1955 im Schloss Belvedere in Wien, sprach Außenminister Figl die Worte:

      „Österreich ist frei!“

      Zuvor waren wir nicht befreit sondern BESETZT, in Graz glücklicher Weise von den Engländern.



    • rowischin
      16. Mai 2025 17:15

      @Altsteirer: Sie haben mich falsch verstanden, der Kommentar von Frühwirt ist in Ordnung. Ich meinte, wenn man einen Gastkommentar schreibt, muss man in Service gehen, dann zur Vollversion dann schiebt sich alles hin und her, will man etwas einfúgen muss man X-Mal probieren und und. Es ist keine einfache Sache. Unwürdig für einen Internetauftritt.Vergisst man zu wechseln, ist der Text weg .Man beginnt von vorne.



    • Altsteirer
      17. Mai 2025 06:39

      sorry, liebe "Rowischin" ich hab es leider erst überlauert, als mein Kommentar schon weg war. Im Übrigen bin ich bei ihren Beiträgen meist der selben Meinung und sie tun mir gut zu lesen, scheinen wir, wenn Sie 1945 auf dem Arm ihrer Mutter waren, doch im ähnlichen Alter.



    • rowischin
      17. Mai 2025 19:57

      Lieber Altsteirer, sie nehmen zu Recht an, dass wir im ähnlichem Älter sein könnten und auch ein Altsteirer event. sind im wahrsten Sinne des Wortes????und ich lese Ihre Beiträge auch sehr gerne.



  4. rowischin
    16. Mai 2025 01:29

    Teile
    Die Russen schleppten alles fort was nicht niet- und nagelfest war, sogar den letzten Krankenwagen nahmen sie mit. Besonders beliebt waren Räder und Uhren. Die Bevölkerung hatte es in dieser Zeit bis die Engländer im Juli kamen sehr schwer, Vergewaltigungen, Übergriffe, Plünderungen, Gegrölle, Betrunkene und es gab wenig zu essen. Mit dem Einmarsch der Engländer änderte sich alles. Diese waren feine Besatzer, gut organisiert, freundlich, es ging bergauf. Daher ist der Ausspruch wir wurden 1945 befreit, ja von den Nazis, aber nur eingeschränkt richtig.



  5. rowischin
    16. Mai 2025 01:25

    Teil
    Ich gebe Ihnen Recht 1945 mussten sich nicht alle befreit fühlen, erst 1955, Dank Figl und Raab und Mitarbeiter, konnte man sich wirklich befreit fühlen. Meine Mutter erzählte: In den frühen Morgenstunden des 9. Mai 1945, getrauten sich die russischen Soldaten, über die Ries kommend, nach Graz herein, obwohl sie am Abend schon da waren. Sie hatten Angst vor den letzten Abwehrmaßnahmen der Wehrmacht und vermieden die Nacht. Die jungen Frauen im Nachbarhaus hatten sich alle versteckt gehabt, was gut war, meine Mutter mit mir am Arm, stellte sich den Russen entgegen, die ins Haus eingedrungen waren. Es waren Russen vom asiatischen Typ, sie durchsuchten jedes Haus, wenn sie Männer antrafen, schleppten sie sie in den Keller der Universität und erschossen dort auch einige. Mein Vater entkam von dort den Russen, er war am 08.Mai aus dem Süden vom Krieg nach Hause zurück gekommen, weil er sich im Gebäude der Uni und Umgebung auskannte. Die Russen schleppten alles fort was nicht niet- und



    • Altsteirer
      16. Mai 2025 06:32

      Die Russen schleppten alles fort was nicht niet- und nagelfest war......aber scheiterten beim Versuch einen Straßenbahnwagen über die Ries zu schleppen.






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