"Überraschung, Überraschung": Kaum einer der Kommentatoren, die sich zum Ausgang der rumänischen Präsidentenwahl geäußert haben, hatte in Betracht gezogen, dass der Bukarester Bürgermeister Nicușor Dan den Rechtspopulisten George Simion schlagen könnte. Immerhin hatte Simion in der ersten Runde 41 Prozent der Stimmen erhalten, also fast doppelt so viele wie Dan (21 Prozent). In der Stichwahl aber schlug Dan schließlich Simion mit knapp 54 zu 46 Prozent.
"Aus dem erhofften Erdrutschsieg wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen und schließlich eine enttäuschende Niederlage", bedauerte die Schweizer "Weltwoche", das Leib- und Magenblatt der westeuropäischen Putinisten, das Simion gerade erst äußerst freundlich interviewt hatte.
"Der globale Deep State schlägt zurück", kommentierte die russlanddeutsche AfD-Politikerin Elena Fritz auf Facebook: "Nach einem fulminanten ersten Wahlgang schien George Simion kaum noch aufzuhalten – das Establishment geriet ins Wanken. Doch in der entscheidenden Runde wurde durchgegriffen: Wahltechnologie, Medienmacht und internationale Netzwerke sorgten für die Wende."
Auf der anderen Seite wiederholten Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron wie stets, wenn sich eine Gelegenheit bietet, ihr Mantra von einem Sieg der EU. Gleichgeschaltete Kommentatoren wollten wissen, dass Dan trotz eines "aggressiven russischen hybriden Angriffs" gewonnen habe.
Im Dezember hatte das rumänische Verfassungsgericht die Präsidentenwahl annulliert, weil der Rechtsextremist Călin Georgescu in der ersten Runde die meisten Stimmen erhielt. Dies habe er, argumentierten die Richter, lediglich der massiven Unterstützung russischer Troll-Fabriken zu verdanken gehabt. Ungeachtet dieses skandalösen Urteils, das den zweifellos gegebenen Einfluss putinistischer Influencer auf das Wahlverhalten maßlos überschätzte, hüllte sich die EU-Kommission in Schweigen. Rechtsstaatlichkeit sieht sie offenbar nur in Ländern wie Ungarn gefährdet, die sich gegen eurokratische Übergriffigkeit zu Wehr setzen.
George Simion, der sich am Sonntagabend bereits zum Wahlsieger erklärt hatte, räumte seine Niederlage ein und gratulierte Dan schließlich auf Facebook: "Er hat die Wahl gewonnen, und das war der Wille des rumänischen Volkes." In einer ersten Reaktion hatte er sich seine Niederlage noch mit "Wahlbetrug" schöngeredet und seine Anhänger zu Großdemonstrationen aufgerufen.
Diese Gefahr scheint angesichts des eindeutigen Wahlergebnisses einstweilen gebannt zu sein. Zurecht kommentierte der "European Conservative": "Nun feiert Rumänien seinen ersten Präsidenten, der nicht aus dem System kommt und eine Chance für das Land darstellt, endlich mit den letzten drei Jahrzehnten politischer Stagnation und grassierender Korruption zu brechen und den unberechenbaren Extremismus von Simion erfolgreich abzuwehren, der jede Hoffnung auf Fortschritt zunichte gemacht hätte. Der gestrige Tag war ein Sieg – nicht der Moskaus, aber auch nicht der Brüssels – es war der Sieg Rumäniens."
Und tatsächlich haben die Rumänen am Sonntag endlich mit dem "System" abgerechnet, nämlich dem Machtkartell der nationalliberalen PNL und der sozialdemokratischen PSD, dem es gelungen war, die Reformära des Präsidenten Traian (2004-2014) zu beenden und ein durch und durch korruptes Regime zu etablieren, mit dem sich der deutschstämmige Präsident Klaus Johannis (2014-2024) bedenkenlos arrangiert hatte. Der ehemalige Präsident Băsescu engagierte sich während des Wahlkampfes vehement für Nicușor Dan. Simion sei ein "Abenteurer", der von Russland ausgenutzt werde, sagte Băsescu, sein Sieg hätte Rumänien in der EU und in der Nato isoliert und damit die Sicherheit des Landes gefährdet.
Die semi-präsidentielle Verfassung gibt dem rumänischen Staatsoberhaupt weitgehende außen- und verteidigungspolitische Befugnisse. Da Simion die Waffenhilfe für die Ukraine ablehnt und einen großrumänischen Staat unter Einschluss der Moldau sowie ukrainischer und bulgarischer Territorien anstrebt, hätte sein Sieg nicht nur die strategisch überaus wichtige Südostflanke der Nato geschwächt, sondern auch zu einer weiteren Destabilisierung der Schwarzmeer-Region beigetragen.
Viktor Orbán hatte sich übrigens noch am 9. Mai für Simion ausgesprochen, denn er sei "für ein Europa der Nationen, ein christliches Europa, in dem wir für unser Recht kämpfen, europäische Bürger zu sein." Er ruderte erst zurück, als ihn Kelemen Hunor, der Vorsitzende der ungarischen UDMR in Rumänien, eindringlich davor warnte, einen deklarierten Feind der ungarischen Minderheit zu unterstützen.
Ich habe mich als Korrespondent der F.A.Z. jahrelang intensiv mit Rumänien beschäftigt und das Land häufig bereist. Mit dem Wahlsieg Dans hatte ich gerechnet. Da sich weder Dan noch Simion auf die kleptokratischen Seilschaften am Lande stützen konnten, auf denen das Machtkartell der Sozialisten und der Nationalliberalen beruht, konnten die Rumänen zum ersten Mal seit langem frei entscheiden.
Der Erfolg Simions im ersten Wahlgang, an dem sich lediglich 53 Prozent beteiligten, hatte seinen Grund in der Politikverdrossenheit der Rumänen, die vom "System" endgültig genug haben und mit den Füßen abstimmten. Im zweiten Wahlgang stieg die Beteiligung plötzlich auf 65 Prozent: Die Wähler hatten begriffen, was auf dem Spiel stand.
Wieder einmal gaben die Stimmen der "Diaspora", der rund vier Millionen Auslandsrumänen, den Ausschlag. Am ersten Wahlgang hatten sich rund 970.000 von ihnen beteiligt, am zweiten 1,6 Millionen, was etwa 14 Prozent aller abgegebenen Stimmen entspricht. Allerdings hatte Simion auch im zweiten Wahlgang noch 46 Prozent der Diaspora für sich. Für ihn dürften vorwiegend die Rumänen gestimmt haben, die in Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien zu niedrigen Löhnen unqualifizierte Arbeit verrichten und auf diese Weise ihren Protest zum Ausdruck gebracht haben.
Nicușor Dan wird es nicht leicht haben. Er wurde nicht gewählt, weil ihm die Rumänen vertrauen, sondern weil sie Simion verhindern wollten. Das Machtkartell, das die Regierung stellte, ist zerfallen, er muss also möglichst rasch eine neue Regierung bilden, was angesichts der Kräfteverhältnisse im Parlament großes Geschick erfordert. Wer Rumänien und Europa liebt, wird ihm Gottes Hilfe wünschen.
Karl-Peter Schwarz ist Autor und Journalist; er war früher bei "Presse", ORF und FAZ tätig.
Nicusor Dan dürfte in der Tat eine erfreuliche Erscheinung sein. Er ist blitzgescheit - in den Jahren 1987 und 1988 gewann er die internationale Mathematikolympiade mit Punktehöchstzahl, und in rezenten Videoclips führt er ein zahlentheoretisches Problem aus jener Zeit öffentlich vor.
Dan ist begeisterter Familienvater und ganz sicher nicht "links": Seine ersten politischen Kampagnen galten der Bewahrung der historischen Bausubstanz Bukarests, was ein buchstäblich KONSERVATIVES Anliegen ist. Als die aus diesem Anliegen hervorgegangene Partei USR (Union "Rettet Rumänien") mehrheitlich beschloss, GEGEN das Referendum gegen die "Homo-Ehe" zu agitieren, trat er aus dieser aus.
Und er ist selbstironisch: Als junger Student traute er sich zu, die berühmte Fermatsche Vermutung zu beweisen, doch sein mathematischer Doktorvater an der Pariser Sorbonne gab ihm ein beschränktes, bewältigbares Thema. Dazu bemerkt Dan: "Wenigstens er war Realist."
Laut der stellvertretenden US Außenministerin Victoria Nuland hat die USA vor dem Maidan 5 Milliarden Dollar für die politische Entwicklung der Ukraine ausgegeben. US-finanzierte NGOs beeinflussen weltweit Wahlen. Alles im Sinne der Demokratie und der guten Sache.
Die Geschichte mit Georgescu wird die EU jedenfalls nicht mehr los. Das war klassischer Betrug an dem Souverän, dem Wähler. Mit dem Ziel, Rumänien in der Allianz gegen Russland zu halten. Ob der Zweck die Mittel heiligt?
Es schreibt sich leicht wenn man als Konformist auf der EU Linie ist. Auslassungsjournalismus, wie man ihn von den Staatsmedien kennt.
Selbstverständlich hat die EU nichts unternommen, um die Wahl von Georgescu und Simion zu verhindern. Die EU, Frankreich, Deutschland, mischen sich nicht Wahlen ein.
Die EU hat das durchgesetzt was sie wollte. Eine Marionette, die ferngesteuert wird. Dan hat angekündigt, nur mit pro EU Parteien regieren zu wollen. Was bleibt ihm auch anderes übrig.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder!!!
ein solches "Wunder" geschah auch bei der Wahl des Van der Bellen zu seiner ersten Amtsperiode!!!
In manchen Medien wurde berichtet, daß sich die massiv erhöhte Wahlbeteiligung bei der Stichwahl auf die Registrierung von Verstorbenen zurückführen lasse.
Ich kann das nicht beurteilen. Ein ähnlicher Vorwurf wurde auch in den USA bei der Wahl von Katastrophen-Joe vor vier Jahren erhoben.
Was ist dran an dem Vorwurf?
Und Nicusor Dan mag wohl außerhalb des üblichen rumänischen Korruptionskartells stehen, wie der Autor sagt, aber angesichts der Unterstützung des EU-Establishments ist es nicht schwer zu sehen, daß er zu einem anderen, höherrangigen Kartell gehören muß.
Hier: Vier Millionen tote Wähler in RO:
https://www.unser-mitteleuropa.com/167869
Sehr interessant und informativ!
Ich teile zwar seine Zuschreibung zur Schweizer "Weltwoche" nicht, aber ich finde Herr Schwarz bemüht sich sehr um eine differenzierte Beschreibung. Etwas das ich bei den sehr einseitigen Berichten seines Ex-Kollegen Herrn Gelegs vermisse.
Die Weltwoche wurde offenbar von Putin "gekauft", das ist evident.
Ja freilich, Ireneo. :-)
@ Ireno
Sie wurden ganz sicher gekauft, die Frage ist nur, wer gibt Geld für ihre Meinung aus.
@ Ireneo
Bitte sagen Sie mir, wieviel Geld Sie bekommen haben. Die Herkunft bleibt natürlich vertraulich. Hat doch schon einst Berta von Suttner - in einer Werbekampagne der damals 100 % im Staatbesitz befindlichen Postsparkasse - mit verschleiertem Gesicht auf dem ihr gewidmeten Tausender, die Notwendigkeit der Geheimhaltung betont.
Gleich am Beginn des dieses Gastbeitrags entstand die Vermutung in mir, dieser könnte von einem ORF‘ler oder Falter-Journalist****In konstruiert worden sein, ich habe trotzdem weitergelesen. Im Leseverlauf wurde meine Vermutung zunehmend bestätigt. Diese Darstellung stammt von einem linken Journalist, der von „Presse", ORF und FAZ offensichtlich stark beeinflusst wurde. Das erklärt auch den ideologisch einseitigen Inhalt dieses Beitrags.
Auszug aus dem treffenden Artikel, fulminante Beschreibung: "Aus dem erhofften Erdrutschsieg wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen und schließlich eine enttäuschende Niederlage", bedauerte die Schweizer "Weltwoche".