Gastkommentare

Rechte Revolution? Warum die Umfragewerte der FPÖ zum Verhängnis werden könnten

30. April 2024 12:32 | Autor: Daniel Witzeling
8 Kommentare

Alle Parameter stehen aktuell im Zeichen eines Kanzlers Kickl. Die weiterhin hohe Inflation, die als superfiziell empfundene Corona-Aufarbeitung, sowie die emotionsgeladene Migrations- und Ausländerthematik. Fast könnte man glauben die Freiheitlichen könnten bei der kommenden Nationalratswahl ein Sensationsergebnis wie einst Sebastian Kurz erzielen und die einstigen Volksparteien ÖVP und SPÖ zu mittelgroßen Bewegungen und – in Relation zu früheren Zeiten – zu politischen Zwergen minimieren. Glauben ist bekanntlich nicht wissen. Die Gefahr eines "Overratings" der Freiheitlichen Partei Österreichs ist dabei nicht zu unterschätzen, denn Umfragen sind Umfragen und Wahlen sind Wahlen.

Der Schriftsteller Armin Mohler, Sekretär bei Ernst Jünger, und neben diesem Ikone für die "Neue Rechte", prägte zentral den Begriff der "Konservativen Revolution". Repräsentanten dieser neuen alten Zeitgeistströmung wie der immer wieder in den Medien aufflackernde "rechtsfetischisierte" Martin Sellner – Stimuluswort Geheimtreffen – sowie dessen geistiger Mentor, der neurechte Verleger Götz Kubitschek, sehen bereits eine Zeitenwende in ihrem rechtsromantischen Sinne hereinbrechen. Wie hoch ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für eine Rechte Revolution – zumindest in Österreich – vor der sich scheinbar so viele im bestehenden liberalen System fürchten?

Faktoren die gegen einen ersten Platz der FPÖ bei den kommenden Nationalratswahlen sprechen:

Herbert Kickl hat im Laufe seiner Regentschaft innerhalb der Partei durch brachiale Aktionen wesentliche Elemente in der Bewegung vergrault. Vom Konflikt mit dem Grandseigneur und Paradeintellektuellen Andreas Mölzer bis zur wenig eleganten Demontage des liberal anmutenden Norbert Hofer reicht die Liste an internen Interventionen zur eigenen Machtstabilisierung.

Dazu kommt die Eigendefinition als politischer "Herkules", der weder im physiognomisch-biophilen Auftreten noch in der mentalen Bandbreite gerade in Bezug auf den Faktor positives Lebensgefühl schwer an einstige FPÖ-Ikonen wie Jörg Haider herankommt. Weder Hegel-Zitate noch asketische Ausdauersportdemonstrationen in der Natur können das negativ konnotierte Unbewusste kompensieren. Hier sind die guten Umfragewerte der Partei eher kontraproduktiv und könnten zu einer Überraschung am Wahlabend führen.

Rahmenbedingungen, die den ersten Platz der Freiheitlichen Partei begünstigen:

Die Gegner von Herbert Kickl im Jahre 2024 lauten nicht Bruno Kreisky, Wolfgang Schüssel oder als rhetorisch brachialeres Konkurrenzbeispiel Franz Josef Strauß, der einst feststellte, dass es rechts von seiner konservativen Bewegung keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, sondern eben Karl Nehammer und Andreas Babler. Aufgrund dessen werfen, frei nach Karl Kraus, auch Zwerge lange Schatten.

 

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

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  1. LoremIpsum
    12. Mai 2024 06:41

    Aber die Zwerge hier sind Babler und Nehammer.
    Nicht Kickl, auch wenn SIe das vermutlich anders sehen.
    Von dieser "Revolution" dieser "rechten Revolution" schreiben sie überhaupt nichts.
    Klar sie deuten völlig zurecht und da teile ich auch Ihre Meinung auf den IB-Sellner und seinen Mentor in Schnellroda.
    Was das aber für eine Revolution sein soll, wem sie betrifft(die FPÖ? oder Österreich?) wie diese aussieht? Kein Wort.
    Das ist schade weil an sich ist der Artikel schnell gelesen und man fühlt sich danach wie bei einem Clickbait...



  2. Konfrater
    02. Mai 2024 02:04

    Ob die FPÖ bei der Wahl stimmstärkste Partei wird oder nicht ist gegenstandslos: Sofern sie nicht eine absolute Mehrheit erreicht - und das ist ausgeschlossen - wird sich eine Koalition aller anderen Parteien gegen die FPÖ formieren.



  3. El Dorado
    01. Mai 2024 11:05

    Gute Analyse von Herrn Witzelnig. Ich denke Herr Kickl unterschätzt die Dämonisierung, die von Parteien linksaußen (Grüne, SPÖ, KPÖ) und links der Mitte (ÖVP, Neos) im Verbund mit den Medien linksaußen (ORF TV, ORF Radio, Standard, Falter,...), den linksdominierten öffentlichen Einrichtungen (Stadt Wien, Gewerkschaften öffentlicher Dienste, Universitäten, etc.), den NGO´s und den überwiegend linksstrammen, woken Einheitsjournalisten der restlichen Mainstreammedien (Kleine Zeitung, SN, ...) ausgeht. Bekannte, die beruflich und gesellschaftlich eigentlich geerdet im Leben stehen, haben mir offenbart, nach Portugal auszuwandern, sollte Herbert Kickl Bundeskanzler werden. Wenn selbst vernunftbegabte Menschen zu diesen hysterischen Wahnvorstellungen neigen, dann macht das nachdenklich. Herr Kickl kann ja seinen Inhalten treu bleiben, aber es wäre klug, wenn seinen martialischen Nimbus´ nicht auch noch selbst befeuert, dann würde er dem Panikorchester viel Wind aus dem Segel nehmen.



    • eupraxie
      01. Mai 2024 11:17

      Ich bin der Überzeugung, dass man harte Sachpolitik machen kann, ohne das Gegenüber als Falott oder Verbrecher zu bezeichnen.



    • El Dorado
      04. Mai 2024 22:30

      @europraxie: Ja, sie bringen es auf den Punkt.



    • Volksverr2023
      12. Mai 2024 06:45

      Fragwürdig wie ernst diese Personen das meinen, denn mit der Wahl Donald Trumps und des Brexits zwei Ereignisse die in nur sehr kurzem Intervall einander folgten (nicht in dieser Reihenfolge allerdings), gab es auch immer wieder Personen die von einem Auswandern nach Kanada sprachen oder in ein EU-Land.
      WÜrde zu gerne sehen wie die Statistiken zur Bevölkerung post-Brexit vs pre-Brexit und pre-Trump bzw. 2016-2019 aussehen würden.
      Das eventuell zur Wahl 2020 in den USA die Bevölkerung anstieg würde mich nicht einmal so wundern...



  4. Si Tacuissem
    01. Mai 2024 07:23

    Ich gehe von gar nichts aus, da ich die Situation in Österreich kenne: Es gibt sehr starke unterirdische Kräfte, die die FPÖ zum Gegner hat. Diese fahren Angriffe auf mehreren Ebenen: IBIZA, Bierpatei, WKStA, ORF-Interviews,...

    Es gibt keine ausreichende Masse für die FPÖ, die das alles durchschaut.

    Letztlich gibt es aber noch ein Problem: Auch die FPÖ ist nur eine normale Partei, und die klugen Köpfe meiden die Politik (aus gutem Grund).



  5. eupraxie
    30. April 2024 18:21

    Prognosen sind Prognosen und Ergebnisse sind Ergebnisse, die aber dann auch noch der Interpretation (was waren die Faktoren) und Nutzbarmachung (was wird jetzt damit angestoßen, verändert... ) bedürfen. (siehe dazu Bgm - Wahl in Innsbruck)

    Problematisch bis gefährlich für die ganze Partei ist es, wenn FPÖ Sieg und Kickl als Kanzler gleichgesetzt wird. Das schränkt unnötig den Spielraum der FPÖ selbst ein (siehe dazu die Möglichkeit, allenfalls als Verfassungssperrminoriät in der Opposition zu wirken, wobei dieses Ergebnis natürlich schon ein Wunschtraum ist).

    Das personelle Gegenüber ist klar benannt. Auch in D sagt Krah, mein Gegenüber ist eine Baerbock oder Faeser, was stimmt aber nicht die Zielgruppe der Partei sein können. Es müssen die Wähler überzeugt werden. Besser zu sein als das schlechte Gegenüber reicht da nicht. Es braucht eine positive Identifikation mit dem Chef oder noch besser mit der Partei insgesamt.

    Es ist ein Marathon bis 2050, kein Sprint bis September.






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