Gastkommentare

„Inter“, „divers“ oder vielleicht „weder noch“? Womit sich österreichische Höchstgerichte beschäftigen

15. März 2020 07:24 | Autor: Wilfried Grießer
13 Kommentare

Eine Aussendung des "Rechtskomitees Lambda" (nicht zu verwechseln mit dem Lambda-Symbol der Identitären!), das sich der verdienstvollen Aufgabe widmet, die Diskriminierung "gleichgeschlechtlich l(i)ebender, transidenter und intergeschlechtlicher Menschen" in allen Rechtsbereichen zu beenden, zeigt, mit welch schwerwiegenden Grundrechtsfragen sich Österreichs Höchstgerichte zu beschäftigen pflegen: Eine intersexuelle Person, die seit der bahnbrechenden Einführung eines dritten Geschlechts als "divers" geführt wird, möchte lieber "inter" eingetragen sehen.

Aber der Reihe nach: Zunächst hat der Verfassungsgerichtshof 2018 festgestellt, dass außer "männlich" und "weiblich" jede(!) Geschlechtsbezeichnung gewählt werden könne, die einen Bezug zur sozialen Realität habe und nicht frei erfunden sei. Als ausdrücklich zulässig wurden hierbei die Begriffe "divers", "inter" sowie "offen" erklärt. Jedenfalls solange, bis nicht durch Gesetz oder Verordnung die Verwendung bestimmter Begriffe vorgeschrieben wird. Schließlich sei die selbstbestimmte Wahl der Geschlechtsidentität ein fundamentales Menschenrecht.

Nun aber tritt der böse Ex-Innenminister Herbert Kickl auf den Plan und wagt es, in einem Erlass an die Standesämter festzulegen, dass für das "dritte Geschlecht" der Begriff "divers" zu verwenden sei, und dass – horribile dictu! – auch dies nur dann zustehe, wenn ein sogenanntes "VdG-Board" (dieses Kürzel steht für "Variante der Geschlechtsentwicklung") bestätigt, dass es sich um eine intersexuelle (und nicht etwa bloß transsexuelle) Person handle.

Obwohl der VfGH also ausdrücklich auch "inter" als mögliche Geschlechtsbezeichnung zulässt, darf ein Standesamt in Dokumente nur "divers" eintragen. Glücklicherweise hat sich jedoch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Judikatur des VfGH angeschlossen, was sodann vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt und schließlich in einem weiteren Entscheid vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bekräftigt worden ist. Das Gericht habe jedoch keine Möglichkeit, "inter" gegenüber der Behörde durchzusetzen. Hinzu kommt, dass "inter" in der Software des Innenministeriums als Eingabeoption gar nicht vorgesehen ist.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen also, die sich mitten unter uns in Österreich abspielen! Doch nicht etwa, dass Standesämter sich weigerten, neben "männlich" und "weiblich" überhaupt ein drittes Geschlecht anzuerkennen. Oder dass man eine Geburtsurkunde nicht rückwirkend umschreiben könne. Nein, es geht ausschließlich darum, ob man auf den Eintrag "divers" festgelegt wird oder ob man auch "inter" sein darf.

Wohl ist es nachvollziehbar, dass eine deklariert intersexuelle Person nicht einfach nur "offen" (im Sinne von: noch nicht entschieden) und auch nicht unbestimmt "divers" sein will, wenn sie Intersexualität als die ihr eigene Geschlechtsbestimmtheit ansieht. Bloß: Warum beschließt man keine Verordnung, die das entstandene Begriffswirrwarr bereinigt? Die, nachdem es um den schmalen Personenkreis anatomisch bzw. physiologisch intersexueller Personen gehen soll, am passendsten "inter" als das "dritte Geschlecht" festlegt (oder besser "intersexuell", um nicht als vermeintlicher Fan eines italienischen Fußballklubs zwangsgeoutet zu werden).

Die Antwort scheint klar: Es ist politisch nicht gewünscht, es traut sich auch die ÖVP nicht drüber, bzw. es gibt in einer türkis-grünen Koalition keinen Konsens, das "dritte Geschlecht" tatsächlich nur auf intersexuelle Personen restringieren zu wollen. Dafür spricht auch, dass es die oben genannten "VdG-Boards" noch gar nicht gibt. Offenbar besteht kein Interesse, transsexuelle Personen von einer gleichsam freien Geschlechtswahl abhalten zu wollen.

Die klare Stoßrichtung, auch für künftige Erkenntnisse des VfGH wie VwGH, ist, dass jeder – zumindest jeder, der nicht eindeutig männlich oder weiblich ist respektive sich als eindeutig männlich oder weiblich sieht (also am Ende doch wieder jeder!) – irgendeine ihm passend scheinende Geschlechtsbezeichnung wählen können soll. Diese muss dem VfGH zufolge bloß irgendeinen Bezug zur sozialen Realität haben und darf nicht frei erfunden sein.

Wir dürfen also alsbald auf weitere richtungsweisende Judikatur hoffen. Wenn etwa das Computersystem auf der zuständigen Bezirkshauptmannschaft die gewünschte Geschlechtsbezeichnung "weder noch" nicht hergibt, stellt es mindestens für eine intersexuelle Person eine schwere Grundrechtsverletzung dar, wenn der zuständige Beamte jetzt nicht alle Hebel in Bewegung setzt, dass das schnellstens geändert wird. Und wenn für "sowohl sowohl als auch als auch weder noch, sondern einfach nur Mensch" kein Platz am Formular ist, geht die Geburtsurkunde halt ausnahmsweise schon einmal über zwei Seiten.

Aber ist es nicht gleichheitswidrig, wenn nur Intersexuelle das exklusive Recht haben, ihr Geschlecht frei zu wählen? Warum darf ein Mann statt "männlich" nicht etwa auch "maskulin" als Geschlecht angeben, wenn ihm das besser gefällt? Vielleicht argumentiert man ja, dass intersexuelle Personen es im Leben ohnehin schwer genug haben und ihnen daher – als ausgleichende Gerechtigkeit – dieses Vorrecht zustehe. So pflegt ja auch die rechtliche Bevorzugung von Frauen durch deren jahrtausendelange angebliche Benachteiligung durch die Männer gerechtfertigt zu werden.

Doch Vorsicht! Genau diese Gleichheitswidrigkeit wird auch Transsexuellen sowie politischen Käm*pfer*inn*en gegen das Diktat der Zweigeschlechtlichkeit den Weg zur selbstbestimmten Geschlechtsbezeichnung ebnen, zumal es zweifellos eine weitere schwere Menschenrechtsverletzung darstellt, Intersexualität behördlich feststellen lassen zu müssen, um "inter" sein zu dürfen. Nur Männern wird das Recht auf freie Geschlechtswahl wohl verwehrt bleiben, könnten sie sich ansonsten doch als "Frau" deklarieren und das Gleichbehandlungsgesetz für sich ausnützen. Was die "soziale Realität" ist, bestimmen immer noch die Anderen!

Endlich verstehen wir jetzt auch, weshalb die Justiz ständig über Personalmangel klagt: Nicht nur für die vielen Verhetzungs- und ähnlichen Prozesse gegen den Hass im Netz braucht es immer neue Ressourcen. Ein Schelm hingegen, wer denkt, es gebe jetzt schon zu viele Richter, wenn für derart schwerwiegende Probleme wie die geschilderten offenbar genügend Kapazitäten frei sind.

Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.

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die besten Kommentare

  1. Ausgezeichneter KommentatorIngrid Bittner
    4x Ausgezeichneter Kommentar
    15. März 2020 11:47

    Hr. Grießer danke für das penible Aufschlüsseln der so wichtigen Betätigungsfelder unserer Richter.
    Ehrlich, ich habe für mich nur mitgenommen: jetzt weiss ich, womit die Justiz so beschäftigt ist, na super, dass sehr viel Zeit "vergeudet" wird, die anderwärts dringendst gebraucht würde.
    Die Inhalte sind mir schlicht und einfach einerseits zu hoch, andererseits zu uninteressant, denn wieviele Menschen quälen sich denn ehrlich mit solchen Problemen?

  2. Ausgezeichneter Kommentatoroberösi
    3x Ausgezeichneter Kommentar
    15. März 2020 11:24

    Alles Brandbeschleuniger für den Untergang des Abendlandes.
    Gut so, denn derart Lebensfremdes, ja -widriges gehört auf den Abfallhaufen der Geschichte. Die dann stattdessen kommen und teils schon da sind, die virilen, lendenstarken, gebärfreudigen Horden aus den asiatischen und afrikanischen Steppen werden den Richter*innen (oder wie/was/wer auch immer) dann schon zeigen, wo der Bartl den Most holt.

  3. Ausgezeichneter Kommentatorotti
    3x Ausgezeichneter Kommentar
    15. März 2020 08:45

    Herr Grießer - ich glaub`Ihnen das einfach nicht.

    Es ist nicht anständig von Ihnen, uns dermaßen vera...... zu wollen.
    Fasching ist vorbei - und für Satire wäre es viel zu dick aufgetragen !

  4. Ausgezeichneter KommentatorNeppomuck
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    15. März 2020 19:01

    Vorschlag:
    "Männlich, weibliich und per- statt divers" und alle Möglichkeiten wären überschaubar dargestellt.

    Ende der Durchsage.

  1. mayerhansi (kein Partner)
    19. März 2020 23:34

    Für Normalbehirnte gibt es nur zwei Geschlechter, für Irre gibt es mehrere. So einfach ist das!



  2. fxs (kein Partner)
    17. März 2020 19:41

    Männlich, weiblich und neurum (keines von beiden) reicht



  3. Kapuzerer (kein Partner)
    17. März 2020 13:31

    @Ingrid Bittner

    In Wean is net aglei da Kastanienbam narrisch!



  4. Dr. Hans Christ (kein Partner)
    17. März 2020 12:42

    Warum darf man eigentlich nur das Geschlecht selbst wählen und nich gleicht die Spezies. Ich wäre fürt "enter"! Ich bin eine Ente!



  5. Hochwürden (kein Partner)
    17. März 2020 11:13

    Und bei den Begriffen wie "divers", "inter" sowie "offen" gibt es gar keine Feinabstufungen wie "-Innen" mehr?
    Das geht ja gar nicht!
    Demos und Entrüstungsstürme sind zu erwarten, die Richter- und Richterinnen werden sich wegen ihrer öffentlichen Kaspeleien warm anziehen müssen.



  6. Hatschi Bratschi (kein Partner)
    17. März 2020 09:39

    Vielleicht kann sich in den Köpfen mancher Schreiberlinge einmal die Erkenntnis durchsetzen, dass Intersexualität nichts mit Transsexualität zu tun hat. Sie sind nicht einmal miteinander verwandt. Auch erhält ein transsexueller Mensch das Geschlecht seiner Wahl in sämtliche Ausweise und Geburtsurkunde eingetragen, also entweder männlich oder weiblich. Kein Transidenter möchte etwas anderes sein, als eines dieser beiden Geschlechter, er/sie wollen weder divers noch inter sein. Intersexuelle Menschen hingegen haben bei ihrer Geburt die primären Geschlechtsmerkmale beider Geschlechter.
    Anbei: Erik Schinegger ist/war weder transsexuell noch intersexuell. Er war immer ein biologischer Mann.



    • Hegelianer
      17. März 2020 22:43

      Danke für diese Korrektur des Gastbeitrags. Was allerdings verhindert werden muss, ist eine freie Geschlechtswahl als ideologische Manifestation.



  7. Neppomuck
    15. März 2020 19:01

    Vorschlag:
    "Männlich, weibliich und per- statt divers" und alle Möglichkeiten wären überschaubar dargestellt.

    Ende der Durchsage.



  8. Ingrid Bittner
    15. März 2020 11:47

    Hr. Grießer danke für das penible Aufschlüsseln der so wichtigen Betätigungsfelder unserer Richter.
    Ehrlich, ich habe für mich nur mitgenommen: jetzt weiss ich, womit die Justiz so beschäftigt ist, na super, dass sehr viel Zeit "vergeudet" wird, die anderwärts dringendst gebraucht würde.
    Die Inhalte sind mir schlicht und einfach einerseits zu hoch, andererseits zu uninteressant, denn wieviele Menschen quälen sich denn ehrlich mit solchen Problemen?



  9. oberösi
    15. März 2020 11:24

    Alles Brandbeschleuniger für den Untergang des Abendlandes.
    Gut so, denn derart Lebensfremdes, ja -widriges gehört auf den Abfallhaufen der Geschichte. Die dann stattdessen kommen und teils schon da sind, die virilen, lendenstarken, gebärfreudigen Horden aus den asiatischen und afrikanischen Steppen werden den Richter*innen (oder wie/was/wer auch immer) dann schon zeigen, wo der Bartl den Most holt.



  10. otti
    15. März 2020 08:45

    Herr Grießer - ich glaub`Ihnen das einfach nicht.

    Es ist nicht anständig von Ihnen, uns dermaßen vera...... zu wollen.
    Fasching ist vorbei - und für Satire wäre es viel zu dick aufgetragen !



    • Hegelianer
      15. März 2020 10:32

      Dann lesen Sie doch hier: https://www.rklambda.at/index.php/de/395-drittes-geschlecht-gericht-bestaetigt-kickl-erlass-gesetzwidrig

      In der Tat - der Fasching ist vorbei, auch im übertragenen Sinne. Umso mehr kontrastiert das von Herrn Griessler Geschriebene mit den Problemen, die jetzt beschäftigen und die noch auf uns zukommen werden. In ein paar Wochen schon wird man sich wundern, womit sich Höchstgerichte vor kurzem noch beschäftigt haben.



    • Ingrid Bittner
      15. März 2020 11:43

      @otti:Dann beschäftigen Sie sich doch einmal mit dem Bildungsplan der Stadt Wien:
      Da drin steht u.a.: "Mädchen und Buben sind sexuelle Wesen... Was wir unter Weiblichkeit oder Männlichkeit verstehen, also das soziale Geschlecht (gender), ist gesellschaftlich konstruiert und nicht biologisch festgeschrieben, es ist erlernt und damit veränderbar."






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