Gastkommentare

Warum aus Novotnys und Pospisils Österreicher wurden

11. Mai 2019 20:00 | Autor: Robert Boder
16 Kommentare

Die Causa prima "Bevölkerungsaustausch" ist um eine Facette reicher. Bildungsminister Heinz Faßmann versuchte in einem Interview die heutige Integrationsproblematik am Beispiel Wiens zu relativieren: "Die Zuwanderer des 19. Jahrhunderts, die Novotnys und Pospisils, sind sozusagen längstens Österreicher geworden. Das unterschätzt man manchmal, die Integrationsdynamik. Man sieht hier nur eine Zuwanderung und sagt, die bleiben so wie sie sind, und das für immer, und verdrängen gleichsam die in Österreich wohnenden Menschen. Nein, sie kommen, aber werden irgendwann mal auch Österreicher werden."

Der Minister irrt hier in einem wesentlichen Punkt. Um den Zuzug nach Wien um die Wende des 19. Jahrhunderts in den Griff zu bekommen – damals zählte die Stadt rund zwei Millionen Einwohner –, waren Gesetze notwendig. Das bekannteste Gesetz ist das Wiener Gemeindestatut (LGBl. f. NÖ. Nr. 17/1900).

Unter "Angelobung der Bürgerpflichten" wurden die Auswärtigen eidlich verpflichtet, "den deutschen Charakter der Stadt nach Kräften aufrecht halten [zu] wolle[n]". Bürger wurde man erst, nachdem man mindesten zehn Jahre in Wien ansässig gewesen war und während dieser Zeit Steuern gezahlt hatte. Wurde man während dieser Zeit mittellos, drohte die Abschiebung in die Heimatgemeinden, um das städtische Sozialsystem nicht zu belasten.

Die Novotnys und Pospisils waren also gezwungen, sich zu integrieren. Sie lernten daher schnell Deutsch. Diejenigen, die es durch den Auswahlprozess schafften, gründeten in der Folge zwar ihre eigenen Schulen, Zeitungen und Vereine, vermieden es aber öffentlich, als Zugereiste aufzutreten und ungewünschte kulturellen Eigenheiten in die Gastgesellschaft zu tragen.

Die Eingebürgerten konnten so ihren Kindern das mitgegeben, was die mitteleuropäische Gesellschaft einforderte. Das ist heute nicht mehr so. Die ideologischen Vorgaben der "offenen Gesellschaft" kommen ohne Regeln zurecht, insbesondere wenn es um Neubürger geht. Während die Novotnys und die Pospisils aus kaum 200 Kilometer entfernten Orten kamen und deutlich darauf hingewiesen wurden, dass hier das Aufenthalts- und Heimatrecht an Bedingungen geknüpft war, muss man heutzutage etwa Waffenverbotszonen einrichten, um importierte kulturelle Schieflagen auszugleichen.

Es findet so ein Austausch auf kultureller Ebene statt. Mit einer Verschärfung über Jahrhunderte gewachsener Gesetze, die Demokratie, Wohlstand und Sicherheit brachten und jetzt an fremde Kulturen angepasst werden. Dass jetzt auch Bundespräsident Van der Bellen auf den Zug aufspringt und meint, das Herstellen einer homogenen Bevölkerung wäre nur mit Nazimethoden möglich, richtet sich von selbst und mag seiner späten Einbürgerung 1958 geschuldet sein. Da hat man nicht allzu engen Bezug zur österreichischen Geschichte vor den 1930er Jahren.

Bildungsminister Faßmann allerdings müsste als ehemaliges Mitglied des "Migrationsrats für Österreich" (Migrantenkommission) die Abläufe gelungener Integrationsmaßnahmen um die Wende zum 20. Jahrhundert kennen.

Robert Boder beschäftigt sich hauptsächlich mit betrieblichen und gesellschaftlichen Gleichstellungsfragen.

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die besten Kommentare

  1. Ausgezeichneter Kommentatorsimplicissimus
    9x Ausgezeichneter Kommentar
    11. Mai 2019 20:30

    Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist auch die Tatsache, dass die Pospisils und Novotnys aus einer mitteleuropaeischen Kultur stammten, die unserer nicht unaehnlich war und vor allem keineswegs diametral entgegengesetzt.

  2. Ausgezeichneter Kommentatoroberösi
    6x Ausgezeichneter Kommentar
    12. Mai 2019 07:43

    Wie groß die Schieflage inzwischen ist, wie weit der Niedergang, mitausgelöst und verstärkt durch den Bevölkerungsaustausch (die Zersetzung der relativ homogenen "europäischen", christlichen Kultur hat ja bereits mit WK1 begonnen) inzwischen fortgeschritten ist, erkennt man an der Tatsache, daß die Meinung eines Herrn Boder im Mainstream keinen Platz mehr finden würde. Dabei spricht er nichts als Selbstverständlichkeiten aus.

    Und dem Herrn Faßmann hätten zu Zeiten eines Karl Kraus die Zeitgenossen sein feiges, oportunistisches Geseire, das er (wir wollen es ihm zugute halten) wider besseres Wissen öffentlich absondert, solange um die Ohren gehauen, bis ihm ein Licht aufgegangen wäre.

    Oder er, aus einem Funken Restanstand heraus, sein Amt zur Verfügung gestellt hätte.

    Die Tatsache, daß Faßmann jedoch im Gegenteil als einer der Realos, einer der Vernünftigeren in der VP gilt, ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg dafür, daß der Zug definitiv abgefahren ist.

  3. Ausgezeichneter KommentatorIngrid Bittner
    6x Ausgezeichneter Kommentar
    11. Mai 2019 20:49

    Offensichtlich ist dem Herrn Minister die österreichische Geschichte nicht so wirklich bewusst.
    Österreich-Ungarn, Böhmen und Mähren, das waren sozusagen der Kern der Monarchie, auch wenn alle Völker ihre eigene Sprache hatten, hielten und bewahrten, so war doch Wien über allem und da sprach man deutsch. Daher war es selbstverständlich, wenn man dorthin wollte, dass man die Sprache erlernte, wenn man sie nicht ohnehin zumindest in den Grundzügen sprach. In Böhmen gab es halt Deutsche und Böhmen, die Familien waren zum Teil gemischt, also sprach man beide Sprachen und daher war das sowieso kein Thema. Da ging man dann auch in eine deutsche Schule oder eine behmische, je nachdem. Und das Prager Deutsch war ja bekanntlich das am schönsten gesprochene Deutsch.
    Natürlich wurde das zuerst durch den Zerfall der Monarchie und dann durch die Benes-Dekrete alles anders, aber die Deutschen in Behmen haben doch nicht ihre Sprache verlernt, wenn sie sie auch oft aus taktischen Gründen um des besseren Überlebens willen, mehr oder weniger verleugnen mussten. Man muss doch nur in den Familiengeschichten ein bisschen forschen, dann kommt man drauf, wie das so gelaufen ist.

  4. Ausgezeichneter KommentatorSpecht
    5x Ausgezeichneter Kommentar
    12. Mai 2019 00:04

    Der Herr Minister irrt meiner Meinung nach ganz absichtlich um seinen Beschwichtigungskurs zu fahren. Da muß man doch gar keine besondere Bildung besitzen um zu wissen wie es in der K&K Doppelmonarchie zuging und heute noch fühlen sich diese Länder verbunden. Also ist es nur ärgerlich was der Bildungsminister uns da zumutet. Man soll auch als Bildungsminister nicht dümmer denken als das Volk.

  5. Ausgezeichneter KommentatorJohann Sebastian
    2x Ausgezeichneter Kommentar
    13. Mai 2019 03:31

    Wenn ein Minister Zuwanderer aus Nachbarregionen mit sehr aehnlicher Kultur und gleicher Religion mit solchen aus anderen Kontinenten und bekanntlich extrem unanpassungsfaehiger Religion in einen Topf wirft, gibt es zwei Moeglichkeiten dafuer: 1.) Extremes Unwissen oder 2.) Extreme Unredlichkeit. Ich bin mir nicht sicher, welcher Grund schlimmer ist.

  6. Ausgezeichneter Kommentatorfxs
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    14. Mai 2019 16:45

    Insbesondere vergisst der Herr Minister die Tatsache, dass die Novotnis und Pospisils damals Staatsbürger der KuK-Monarchie waren, zu der auch die Stadt Wien gehörte. Insoferne handelt es sich bei Ihnen um keine "Zuwanderer" sondern um Staatsbürger, welche ihren Wohnsitz innerhalb ihres angestammten Staatgebiets änderten.

  7. Ausgezeichneter Kommentatorwise_wolf cee
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    14. Mai 2019 14:08

    Weil gerade alle diese Novotnys und Pospisils die Leistungsträger waren und sind in einen Topf geworfen werden, gehen sie alle langsam wieder zurück. Inkl. Ged, Firmen und Erfahrung...

  1. fewe (kein Partner)
    16. Mai 2019 22:18

    Jedenfalls in Wien hatte die Integration ganz einfach deswegen funktioniert, weil jene, die sich nicht assimilieren wollten - integrieren ist ja zu wenig - wurden einfach ignoriert. Es ist ihnen also nichts anderes übriggeblieben.

    Das ist aber heute strafbar. Deswegen ist der Vergleich zu früher - auch zu den Jugoslawen zuletzt - nicht möglich. Türken haben sich noch nie wirklich integriert. In keinem Land. Sobald deren Anteil in einem Bereich größer geworden ist, sind auch die vorher "angepassten" wieder echte Türken geworden. Mittlerweile lernen sie ja nicht einmal mehr (anständig) Deutsch. Beispielsweise in Favoriten braucht man das im Alltag auch nicht.



  2. astuga (kein Partner)
    14. Mai 2019 18:24

    Ohnehin, wer unter all diesen Novotnys und Pospischils keine echte Bindung an Österreich (oder Wien) verspürte, der ging nach Ende des 1. Weltkrieges zurück in die alte Heimat - die damals neu gegründete Tschechoslowakei.
    Die zu dem Zeitpunkt auch viel besser ökonomisch aufgestellt war (Industriestandorte, keine Reparationszahlungen etc.) als das damals noch armselige und politisch wie territorial instabile (Deutsch-)Österreich der 1. Republik.

    Folgerichtig verlor beispielsweise Wien damals einen erheblichen Anteil seiner Bewohner. Wer in schweren Zeiten im Land blieb verdiente sich auch damit die ehrenhafte Bezeichnung Staatsbürger.



    • astuga (kein Partner)
      14. Mai 2019 18:27

      Was übrigens die linken Fans slawischer Namen in der Wiener Bevölkerung gerne unter den Teppich kehren, sind die offensichtlich deutschen Namen vieler Tschechen, bzw deren deutsche Namensherkunft.



  3. fxs (kein Partner)
    14. Mai 2019 16:45

    Insbesondere vergisst der Herr Minister die Tatsache, dass die Novotnis und Pospisils damals Staatsbürger der KuK-Monarchie waren, zu der auch die Stadt Wien gehörte. Insoferne handelt es sich bei Ihnen um keine "Zuwanderer" sondern um Staatsbürger, welche ihren Wohnsitz innerhalb ihres angestammten Staatgebiets änderten.



    • astuga (kein Partner)
      14. Mai 2019 18:31

      Langweilen Sie unsere linken Geistesgrößen doch nicht mit Details!

      Die kennen weder ihre eigene Geschichte und folgerichtig haben sie auch wenig bis keine Ahnung von anderen Kulturen und deren Geschichte (im Guten wie im Schlechten).
      Die gesellschaftspolitischen Folgen davon sehen und erleiden wir heute täglich.



    • astuga (kein Partner)
      14. Mai 2019 18:36

      Ich sage bewusst links, weil das auch ein Spektrum innerhalb der schwarz-türkisen darstellt.
      So wie ja bereits Busek sich 1994 nicht entblödete als ÖVP-Bundesparteiobmann die Internationale mitzusingen.



  4. wise_wolf cee (kein Partner)
    14. Mai 2019 14:08

    Weil gerade alle diese Novotnys und Pospisils die Leistungsträger waren und sind in einen Topf geworfen werden, gehen sie alle langsam wieder zurück. Inkl. Ged, Firmen und Erfahrung...



  5. Falke (kein Partner)
    14. Mai 2019 12:35

    Der Herr Faßmann setzt also (legale) Einwanderer aus unmittelbarer Nachbarschaft, also Menschen mit gleichem Aussehen, gleicher (Aus-)Bildung, gleichem kulturellem Hintergrund, gleicher Religion, ja die sogar jahrhundertelang im selben Land mit uns gelebt haben, mit (illegalen!) Migranten aus Asien und Afrika gleich! Was soll man von so einem "Bildungsminister" halten?



  6. Christian Peter (kein Partner)
    14. Mai 2019 11:38

    Nächste Etappe in Sachen ,Bevölkerungsaustausch' : Dank der österreichischen Bundesregierung (offizielles Ziel des österr. Ratsvorsitz ,,Intensivierung der Beitrittsverhandlungen mit dem Westbalkan'') steht die EU - Erweiterung am Westbalkan bevor, was für Österreich verheerende Auswirkungen haben und die Ereignisse der Flüchtlingskrise 2015 bei weitem in den Schatten stellen wird : Mindestens 2 -3 Millionen Zuwanderer vom Balkan werden mittel- bis langfristig im Rahmen der EU - Personen- bzw. Arbeitnehmerfreizügigkeit zusätzlich nach Österreich ziehen, obwohl bereits heute etwa 1,5 Millionen Jugoslawen in Österreich leben und ganze Bezirke in Wien zu Jugo - Slums verkamen.



  7. Johann Sebastian
    13. Mai 2019 03:31

    Wenn ein Minister Zuwanderer aus Nachbarregionen mit sehr aehnlicher Kultur und gleicher Religion mit solchen aus anderen Kontinenten und bekanntlich extrem unanpassungsfaehiger Religion in einen Topf wirft, gibt es zwei Moeglichkeiten dafuer: 1.) Extremes Unwissen oder 2.) Extreme Unredlichkeit. Ich bin mir nicht sicher, welcher Grund schlimmer ist.



  8. oberösi
    12. Mai 2019 07:43

    Wie groß die Schieflage inzwischen ist, wie weit der Niedergang, mitausgelöst und verstärkt durch den Bevölkerungsaustausch (die Zersetzung der relativ homogenen "europäischen", christlichen Kultur hat ja bereits mit WK1 begonnen) inzwischen fortgeschritten ist, erkennt man an der Tatsache, daß die Meinung eines Herrn Boder im Mainstream keinen Platz mehr finden würde. Dabei spricht er nichts als Selbstverständlichkeiten aus.

    Und dem Herrn Faßmann hätten zu Zeiten eines Karl Kraus die Zeitgenossen sein feiges, oportunistisches Geseire, das er (wir wollen es ihm zugute halten) wider besseres Wissen öffentlich absondert, solange um die Ohren gehauen, bis ihm ein Licht aufgegangen wäre.

    Oder er, aus einem Funken Restanstand heraus, sein Amt zur Verfügung gestellt hätte.

    Die Tatsache, daß Faßmann jedoch im Gegenteil als einer der Realos, einer der Vernünftigeren in der VP gilt, ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg dafür, daß der Zug definitiv abgefahren ist.



  9. Specht
    12. Mai 2019 00:04

    Der Herr Minister irrt meiner Meinung nach ganz absichtlich um seinen Beschwichtigungskurs zu fahren. Da muß man doch gar keine besondere Bildung besitzen um zu wissen wie es in der K&K Doppelmonarchie zuging und heute noch fühlen sich diese Länder verbunden. Also ist es nur ärgerlich was der Bildungsminister uns da zumutet. Man soll auch als Bildungsminister nicht dümmer denken als das Volk.



  10. Ingrid Bittner
    11. Mai 2019 20:49

    Offensichtlich ist dem Herrn Minister die österreichische Geschichte nicht so wirklich bewusst.
    Österreich-Ungarn, Böhmen und Mähren, das waren sozusagen der Kern der Monarchie, auch wenn alle Völker ihre eigene Sprache hatten, hielten und bewahrten, so war doch Wien über allem und da sprach man deutsch. Daher war es selbstverständlich, wenn man dorthin wollte, dass man die Sprache erlernte, wenn man sie nicht ohnehin zumindest in den Grundzügen sprach. In Böhmen gab es halt Deutsche und Böhmen, die Familien waren zum Teil gemischt, also sprach man beide Sprachen und daher war das sowieso kein Thema. Da ging man dann auch in eine deutsche Schule oder eine behmische, je nachdem. Und das Prager Deutsch war ja bekanntlich das am schönsten gesprochene Deutsch.
    Natürlich wurde das zuerst durch den Zerfall der Monarchie und dann durch die Benes-Dekrete alles anders, aber die Deutschen in Behmen haben doch nicht ihre Sprache verlernt, wenn sie sie auch oft aus taktischen Gründen um des besseren Überlebens willen, mehr oder weniger verleugnen mussten. Man muss doch nur in den Familiengeschichten ein bisschen forschen, dann kommt man drauf, wie das so gelaufen ist.



    • jimmy1138 (kein Partner)
      20. Mai 2019 13:44

      "Offensichtlich ist dem Herrn Minister die österreichische Geschichte nicht so wirklich bewusst."

      Wie auch - der ist ja Deutscher...



  11. simplicissimus
    11. Mai 2019 20:30

    Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist auch die Tatsache, dass die Pospisils und Novotnys aus einer mitteleuropaeischen Kultur stammten, die unserer nicht unaehnlich war und vor allem keineswegs diametral entgegengesetzt.



    • Charlesmagne
      12. Mai 2019 22:52

      Das ist nicht ein weiterer wesentlicher sondern d e r entscheidende Punkt.
      Wasser kann man leicht mit vielen ähnlichen Flüssigkeiten zu einem köstlichen Getränk mischen, aber mit Öl wird es ein Problem.






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