Auch ein Nichts kann ein erleichterndes Resultat sein. Nach dem schrecklich-skurrilen Treffen zwischen Donald Trump und Vladimir Putin in Alaska musste man für die Washingtoner Treffen das Schlimmste für die Ukraine befürchten. Soweit in den ersten Stunden nach den Gesprächen Trumps mit europäischen Führern und Vladimir Zelensky bekannt wurde, ist das Schlimmste nicht eingetreten – Trump hat sich und die USA nicht vollkommen aus dem Konflikt mit Russland herausgenommen. Und das ist schon ein Anlass zur Freude, auch wenn es heißt, dass der verzweifelte Abwehrkampf der Ukrainer weitergehen muss.
Donald Trump eint vor allem eines mit dem russischen Diktator Vladimir Putin: die Verachtung für Europa. Und schon deshalb war zu befürchten, dass der viel zu späte Versuch der Europäer, über den Ukraine-Krieg und seine Beendigung mitzureden, eines hätte bewirken können. Dass Putins Buddy Trump die für ihn leidige Angelegenheit den Europäern einfach vor die Füße geworfen hätte, wenn sie nicht auf die Bedingungen des Russen eingehen wollen. "Macht Euch den Frieden selber", wäre ihm leicht über die Lippen gekommen. Und das wäre ein totaler Sieg für Putin gewesen. Denn Europa auf sich allein gestellt, wäre ein Geschenk für ihn gewesen.
Dass das nicht passiert ist, ist schon das Positive an den Gesprächen der Europäer im Weißen Haus. Es wurde vorerst Zeit gewonnen. Auch wenn nicht klar ist, wie lange die "Verschnaufpause" anhält.
Denn immer noch phantasiert Trump von einem "Dreier"-Deal, obwohl Putin glasklar gemacht hat, dass er sich mit dem Ukrainer Zelensky nicht an einen Tisch setzt. Immer noch fabuliert Trump in Putins Sinne davon, dass Friedensgespräche auch ohne Waffenstillstand durchgeführt werden können, was undenkbar ist. Und immer noch spricht er von Sicherheitsgarantien für die Ukrainer, ohne zu sagen, wie die aussehen sollen.
Sicherheitsgarantien: Das können nur Worte sein, die die Groschen für das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Dass Putin sich nicht an irgendwelche papierenen Abkommen hält, wissen die Ukrainer spätestens seit dem Bruch des Budapester Memorandum von 1994, in dem ihnen mit Brief und Siegel Russlands und der USA die nationale Integrität als Gegenleistung für die Abgabe der (ehemals sowjetischen) Atomwaffen garantiert wurde.
Sicherheit kann der Ukraine wohl nur durch die Anwesenheit von Truppen garantiert werden. Und da wird (falls er es überhaupt so weit kommen lässt) Trump den Europäern den Ball zuspielen – so wie er schon vor den rezenten Treffen den Europäern die Kosten der Rüstungshilfe für die Ukrainer "umgehängt" hat.
Wenn Europa sich und die angestrebte Rolle in einer neuen Weltordnung (die über jene eines stummen Statisten hinausgeht) ernst nimmt, dann werden die Washington-Reisenden sich zu einigen gemeinsamen Entscheidungen durchringen müssen. Zwei Dinge sind dabei vordringlich:
- Ein Minimum von 10.000 europäischen Soldaten wird notwendig sein, um den hoffentlich einmal ausgehandelten Frieden in der Ukraine aufrecht zu erhalten. Woher wollen die Europäer diese Truppe nehmen? Sie haben bislang ihren Bürgern nicht schlüssig erklärt, warum die Unterstützung dieses (gar nicht so) weit entfernten Landes wichtig wäre. Gelingt ihnen nicht endlich – spät aber doch – diese Überzeugungsarbeit, kann das zu einem bösen Ende nicht nur für die Ukraine führen.
- Bei allen spektakulären Erhöhungen der eigenen Verteidigungs-Budgets muss Europa einen Weg finden, auch der Ukraine mit einer Riesensumme bei der Rüstung zu helfen. Am einfachsten wäre wohl, dass man den bisher vermiedenen Schritt wagt, die 260 Milliarden Euro der Russischen Zentralbank anzugreifen, die weltweit, aber zum Großteil in Europa eingefroren sind. Gegenwärtig wird dieses Geld aus Feigheit (um es gar nicht diplomatisch auszudrücken) nicht angetastet, nur die Erträge aus seiner Bewirtschaftung (also eine winzige Summe) gehen an die Ukraine. Der Griff nach den Milliarden aber könnte kriegsentscheidend sein.
Darüber hinaus wird sich Europa dazu aufschwingen müssen, ein Verteidigungsbündnis ohne die USA einzugehen. Am einfachsten wohl, indem sich die Europäer aus der NATO herauslösen und.sich auf die eigenen Beine stellen. Möge der Mut der Verzweiflung dazu reichen. Nur Stärke kann gegen ein aggressives Putin-Russland helfen. Um Vladimir Lenin zu zitieren: "Du probierst es mit dem Bajonett aus. Wenn Du auf Matsch triffst, stößt Du zu. Wenn Du Stahl spürst, dann ziehst Du Dich zurück."