1. Sparschwein
     
    Schon bewertet [/1]
    04. September 2013 12:00 - Problemlos-Stimmung ist angeordnet

    Der kroatische Albtraum - Die Zeit

    Auf der Spur von 1,8 Milliarden verlorenen Euro führt der zweite Teil einer Reise zu den Tatorten des Hypo-Skandals bis zu einer Gespenster-Mall im Süden der dalmatinischen Küste. Von Richard Schneider
    26. August 201308:53 Uhr

    In Split, der Dalmatien-Zentrale der Hypo, flossen Millionen in eine Gespenster-Mall.

    Nach den landschaftlichen Reizen der dalmatinischen Küste sucht man in Rijeka vergeblich. Gesichtslose Plattenbauten aus der Tito-Ära prägen das Weichbild des wichtigsten Hafens von Kroatien. Die Stadt liegt im touristischen Schatten des nur 16 Kilometer entfernten Opatija, des mondänen Kurorts der ehemals habsburgischen Sonnenküste. Rijeka hat vor allem als Wirtschaftsstandort Bedeutung, der zunächst wenig Anziehungskraft auf die Finanzjongleure der heute notverstaatlichten Kärntner Hypo Group Alpe Adria ausübte. Die früheren Manager der Bankengruppe aus Klagenfurt konzentrierten sich in ihrem ungestümen Expansionsdrang vor allem auf ehrgeizige Fremdenverkehrsprojekte. Die Strategie endete schließlich im größten Bankenskandal der Zweiten Republik, der die österreichischen Steuerzahler womöglich noch bis zu sieben Milliarden Euro kosten dürfte.

    Dennoch beginnt der zweite Teil einer Reise zu den Juwelen der Hypo-Profiteure in der vergleichsweise schmucklosen Küstenmetropole. Von den Gestaden des Wörthersees bis an die Südgrenze Kroatiens führt die Route dieser Tour de ruine, auf der allein 1,8 Milliarden Euro versickerten. Der größte Teil dieser Summe floss in überdimensionierte Hotelanlagen, die oft nur in den Köpfen von fantasiebegabten Projektentwicklern existierten. Nach Rijeka verirrten sich die erweiterungshungrigen Banker vom Wörthersee aber nur auf Zuruf von Franjo Tudjman. Der autokratische Staatsgründer von Kroatien intervenierte in Klagenfurt für den Sprössling eines Kameraden aus gemeinsamen Partisanentagen während des Zweiten Weltkrieges. Der Protegé des nationalistischen Präsidenten kam mit dem Kärntner Geldhaus groß ins Geschäft: Neben dem Projekt in Rijeka finanzierte die Hypo dem kroatischen Glücksritter noch vier weitere Um- und Ausbauten alter, staatlicher Hotelburgen, die nach der kroatischen Sezession privatisiert worden waren.

    Wie bei fast allen politisch motivierten Kreditfällen der Hypo, die auszufallen drohten, kaufte auch bei diesen Pleiten die Klagenfurter Skandalbank dem Kreditnehmer die hoch verschuldeten Projektgesellschaften einfach ab und parkte sie in einem eigenen Tochterunternehmen. Im Rijeka betrug allein der Kaufpreis angeblich neun Millionen Euro, weil man es verabsäumt hatte, außer einem Pfandrecht auf die Immobilie auch die Zugriffsrechte auf die Gesellschaftsanteile im Firmenbuch eintragen zu lassen. Anschließend musste noch die ausstehende Kreditsumme von 60 Millionen Euro um mehr als die Hälfte wertberichtigt werden.

    Hausbank der Balkan-Mafia

    Auf einem 1,5 Kilometer langen Küstenstreifen, umgeben von unberührten Wäldern und dem imposanten Velebit-Massiv im Hinterland, stößt man 42 Kilometer südlich von Rijeka auf ein weiteres Kleinod aus dem Hypo-Portfolio. Die großzügig angelegte Ferienanlage des Hotel Novi schmiegt sich an einen sanften Abhang. Die meisten der 75 Zimmer und Suiten bieten einen atemberaubenden Blick auf die gegenüberliegende Insel Krk.

    Auch dieses kleine Urlaubsparadies am Stadtrand von Novi Vinodolski, einem schmucken Adriastädtchen mit kaum 5.000 Einwohnern, verdankt seine Existenz einer politischen Intervention. Begünstigter war in diesem Fall der Tennislehrer von Tudjman, der, wie es heißt, stets darauf bedacht war, dass er das letzte Match jeder Lehrstunde knapp verlor. Doch diesmal mussten die Sportsfreunde bei der Hypo tiefer in die Tasche greifen, um sich die Gunst des kroatischen Caudillo zu erhalten. Denn mit einem drohenden Kreditausfall von 146 Millionen Euro gehört das Hotel Novi, das natürlich nach dem bewährten Modell von der Bank übernommen wurde, zu den größten Pleiten in diesem Finanzskandal und ist jetzt nach einer angemessenen Wertberichtigung um 65 Millionen Euro im Sonderangebot zu haben.

    Inzwischen ist die anhaltende Pechsträhne der Klagenfurter Geldjongleure vielen verdächtig. Gerüchte, dass es bei diesen überdimensionierten Kreditfinanzierungen auch zu Kick-back-Zahlungen oder versteckten Provisionen gekommen war, kursierten bereits vor dem Platzen der Investitionsblase. Auch der Verdacht der Geldwäsche stand immer im Raum. In einem geheimen Dossier der kroatischen Korruptionsstaatsanwaltschaft wird das System, das Transaktionen und Profiteure bei der Neuverteilung der kroatischen Reichtümer im Zuge der Privatisierung miteinander verknüpft, detailliert beschrieben: "Durch den Erwerb attraktiver Standorte in Istrien, anschließend in Dalmatien und später auch in Kontinentalkroatien sicherte man mit Rückendeckung der politischen Elite durch von der Hypo Alpe Adria Bank erdachte Pseudoinvestitionen einerseits die Geldwäsche und andererseits auch das Einkommen der neuen Staatsstruktur langfristig ab." Die Kärntner Bank sei, so das Dossier, als ein "Dienstleistungsbetrieb der politischen, medialen und wirtschaftlichen Tycoon-Oligarchie konzipiert, wobei mit dieser Bank beinahe jeder kooperieren konnte, der in Verbindung zum Organisierten Verbrechen stand". Und tatsächlich: Die meisten Namen, die in diesem vertraulichen Papier aufgelistet werden, finden sich heute in den Kreditakten der Hypo wieder.

    Hypograd an der Adria

    "Gemeinsam wachsen. Wenn Ideen zu wachsen beginnen, wächst auch der Horizont", so buhlte die Klagenfurter Hypo um potenzielle Kreditkunden, als 2004 in Kroatien der Tourismusboom explodierte. Erschienen war das schmucke Inserat in einem Kroatien-Special des Hotelbau-Journals, einer Publikation des Consulting-Unternehmens Michaeler & Partner, das 1995 von Othmar Michaeler zeitgleich mit der Expansion der Hypo nach Kroatien gegründet worden war. Laut Herausgeberbrief verfügt die Beratungsfirma über "exzellente Kontakte" bei der "Finanzierungsbeschaffung sowie dem Betreiben von touristischen Großprojekten". Das schindet Eindruck. Vor allem, wenn gleich sechs geplante Hotelprojekte vorgestellt werden, die teilweise "von der Betten-Kapazität her kleinen Dörfern ähneln". Inzwischen weiß man, dass die Verwirklichung von Michaelers Träumen von der Hypo finanziert wurde und sich für den österreichischen Steuerzahler zu einem 330 Millionen Euro schweren Albtraum entwickelte. Um diesen Betrag mussten nämlich die tatsächlich aufgewendeten Investitionskredite (670 Millionen Euro) bereits abgeschrieben werden.

    Allein die Hotelresorts Punta Skala und Borik in Zadar, dem Hypograd an der Adria, wie man in der Küstenstadt mitunter sagt, verschlangen mehr als eine Viertelmilliarde Euro. Dennoch sind die beiden Luxusherbergen am nächsten Tatort des Hypo-Desasters noch heute Michaelers liebste Vorzeigeprojekte, obwohl die Schmuckstücke seit Jahren Verluste schreiben. Wie übrigens fast alle von der Falkensteiner Michaeler Tourism Group AG geführten Hotels in Kroatien. Diesmal trifft es den Südtiroler Touristiker auch persönlich, da er Punta Skala und Borik nicht nur betreibt, sondern auch zusammen mit Zdenko Zrili?, dem Ex-Repräsentanten der Hypo Alpe Adria in Zadar, deren Miteigentümer ist.

    Mit einem Kreditvolumen von fast 250 Millionen Euro war der kroatische Geschäftsmann, den lokale Medien den Paten von Zadar nennen, der größte Einzelkunde des Kärntner Geldinstituts. Gegen den Oligarchen wird derzeit noch in mindestens 15 Fällen wegen Betrugsverdachts ermittelt – für ihn gilt ebenso die Unschuldsvermutung, wie für Othmar Michaeler, der nun im Sog einer dieser Fälle ins Fadenkreuz der Klagenfurter Ermittler geriet, die derzeit die Kreditleichen im Hypo-Keller zu bergen versuchen.

    Bruderbande

    In Split sticht bereits an der Hafeneinfahrt das blau-weiße Hypo-Logo ins Auge. Es ziert die Südfassade des antiken Diokletianpalastes, in dem die Dalmatien-Zentrale der Hypo-Gruppe residiert. Im gleichen Abschnitt der ehemaligen kaiserlichen Residenz sind noch sechs weitere kroatische Unternehmen untergebracht, die laut Firmenbuch alle irgendwie mit der Mall of Split zusammenhängen, einem geplanten Einkaufszentrum mit über 200 Geschäften samt Büroturm, Casino und Multiplex Kino. Entstehen soll das Ganze auf einem 62.000 Quadratmeter großen Areal im Osten der Stadt. Die veranschlagten Investitionskosten betragen rund 180 Millionen Euro. Mit fast 50 Millionen ist die Hypo bereits vor Jahren für Grundankauf und Planung in Vorlage getreten. Trotzdem stehen dort noch immer nur ein paar verlorene Kräne in einer Baugrube. Der Kreditnehmer, ein kroatisches Konsortium, ist nämlich längst in Konkurs, und die Hypo schaute wie üblich durch die Finger.

    Inzwischen hat mit der Firma Mejaši prvi d.o.o. ein neuer Investor das Ruder übernommen, die Bank wartet hingegen weiterhin auf den Großteil ihres Geldes. Dabei sitzt der hundertprozentige Eigentümer dieser Nachfolgefirma in Österreich direkt vor ihrer Nase, was aber in Klagenfurt keiner wissen dürfte, da die Salzburger Mejaši Holding GmbH ihre kroatische Beteiligung in ihren Bilanzen verschweigt. Die Geheimniskrämerei ist rechtlich gedeckt. Die ansonsten verpflichtende Angabe von Beteiligungen von über 20 Prozent darf unterbleiben, sollte sie entweder für die Darstellung der Vermögenslage von untergeordneter Bedeutung sein oder dem Unternehmen einen "erheblichen Nachteil" zufügen.

    Da das Finanzanlagevermögen der Mejaši in Split immerhin einen Bilanz-Buchwert von 38 Millionen Euro aufweist – was zufällig auch in etwa dem noch ausständigen Kredit bei der Hypo entspricht – wird sich der Gründer und langjährige Geschäftsführer der österreichischen Holding, der Rechtsanwalt Malte Berlin, wohl dafür entscheiden müssen, "erheblichen Nachteil" als Grund für die Diskretion ins Treffen zu führen. Sein Bruder, der Investor Tilo Berlin, war drei Wochen vor der Gründung der Mejaši Holding noch Vorstandsvorsitzender der Klagenfurter Skandalbank. Kurz darauf platzte der Kärntner Milliardenskandal.

    http://www.zeit.de/2013/35/hypo-alpe-adria-skandal-reise-kroatien/komplettansicht