Die Neos, die Freiheitlichen und der seltsame Doppelagent Silberstein

17. Januar 2017 01:59 | Autor: Andreas Unterberger

Die Affäre um den SPÖ-Helfer Silberstein scheint nur zwischen SPÖ und ÖVP zu toben; die Schwarzen sehen erste Anzeichen eines neuen Dirty Campaigning der Roten. Inzwischen aber kommt, wenn auch öffentlich noch überhaupt nicht wahrgenommen, noch viel Seltsameres rund um Silberstein in Zusammenhang mit einer weiteren Partei ans Tageslicht, nämlich mit den Neos. Und indirekt auch mit der FPÖ. Ein Politiker aus dem inneren Neos-Kreis hat dem Tagebuch jedenfalls überaus Interessantes dazu zu erzählen gewusst.

Nämlich zur Tätigkeit von Tal Silberstein für die Neos. Bei der letzten Wiener Gemeinderatswahl hat er nämlich dort seine Ezzes gegeben. Und dies soll für die Neos erstaunlicherweise unentgeltlich abgelaufen sein. Das ist bei einem international sehr nachgefragten Spezialisten für (meist untergriffige) Wahlkämpfe überaus ungewöhnlich. Der Informant ist freilich inzwischen sicher, dass Silberstein dabei im Interesse und möglicherweise auch im Auftrag der SPÖ agiert hat. Tatsache ist ja, dass er nach  dem Neos-Zwischenspiel jetzt wieder zur SPÖ zurückgekehrt ist. Tatsache ist, dass er davor für Häupl und Gusenbauer gearbeitet hatte.

Ein weiteres seltsames Indiz: Zusammen mit Silberstein ist auch eine Neos-Mitarbeiterin im Gleichschritt zur SPÖ gewechselt. Auch dafür ist keine harmlose Erklärung gegeben worden. Dabei müsste eine wirklich liberale Partei von keiner anderen Konkurrenz weiter entfernt sein als von der SPÖ.

Noch stärkeres Indiz für ein Doppelagentendasein des Mannes und seiner Begleiterin beim Wechsel ist aber vor allem, für welche politische Linie Silberstein damals bei den Neos gekämpft hat. Der Informant aus dem inneren Neos-Kreis berichtet nämlich, dass der von der SPÖ gekommene Berater die Wiener Partei ganz stark – und mit Erfolg – bedrängt hat, sich gegen die Freiheitlichen zu exponieren und als oberstes Wahlziel eine Koalition mit diesen auszuschließen.

Freilich hat Silberstein dafür keine besonders starke Überredungskunst gebraucht, da viele der Wiener Neos im Gegensatz zu ihren Parteifreunden in den meisten anderen Bundesländern aus der grünnahen und snobistischen Bobo-Szene gekommen sind, wo man a priori die Freiheitlichen für unberührbare Parias hält.

Lediglich in den allerletzten Wiener Wahlkampftagen haben sich die Neos damals dazu aufgerafft, auch den Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeister zu attackieren. Sie taten dies aber erst, als klar geworden war, dass ihnen die militante Anti-FPÖ-Linie massiv schadet, weil die Neupartei damit als bloße Kopie von Rot und Grün empfunden worden ist.

Das wird durch eine weitere Insider-Information bestätigt: Neos-Chef Strolz soll schon damals parteiintern diese militante Anti-FPÖ-Linie als kontraproduktiv abgelehnt haben. Er habe sich damit aber nicht durchsetzen können.

Genutzt hat diese Linie jedenfalls nur Rotgrün: Bei einigen vor allem weiblichen Wählern konnte so noch einmal erfolgreich Angst vor den Freiheitlichen erregt werden. Wenn neben den ja fast durchwegs rathausfinanzierten Wiener Medien auch gleich drei Parteien FPÖ-Chef H.C.Strache als etwas Skandalöses denunzieren, dann muss wahrscheinlich doch etwas dran sein, haben sich einige gedacht. Und haben der linken Stadtregierung bei allem Bedenken doch noch einmal zu einem Nachspiel verholfen.

Umso interessanter ist, dass Strolz jetzt erstmals auch nach außen hin öffentlich – von den Medien jedoch bezeichnenderweise bisher ignoriert – von der militanten Anti-FPÖ-Linie abgerückt ist. Er hat offensichtlich erkannt, dass die Menge jener bürgerlichen Wähler immer größer wird, die als oberstes politisches Ziel eine Abwahl der großen Koalition wünschen. Und solche Wähler werden durch das Schüren von Panik gegenüber der FPÖ nur vertrieben.

Für Strolz ist im Gegensatz zu seiner Partei jedenfalls schon länger klar, dass die Neos keine Überlebenschancen haben, wenn ihre Existenz im Spiel der Parteien weiterhin nur eines bewirkt, nämlich dass die SPÖ die Garantie bekommt, ewig an der Regierung bleiben zu können. Denn da eine Regierung ohne SPÖ und ohne FPÖ derzeit rechnerisch völlig unmöglich erscheint, bedeutet die Garantie „Nicht mit der FPÖ“ logischerweise genau die gegenteilige Garantie für die SPÖ: „Ihr könnt ewig regieren“. Ein starker Neos-Flügel –  etwa jenes Drittel der Funktionäre, das von den Grünen gekommen ist, – dürfte das freilich weiterhin nicht ganz begreifen.

Alle anderen Aussagen, die Strolz sonst im Laufe der Jahre abgesetzt hat, haben bisher für die Österreicher den Bereich des Phrasendreschens nie verlassen. Für ihre vielen oft tapferen und klugen sachpolitischen Initiativen zu Wirtschaftsthemen haben die Neos keinerlei Echo bei den Medien gefunden, die lieber über die unbedeutendste NGO berichten als über eine demokratisch gewählte Partei. Und eine klar als „neoliberal“ deklarierte Linie wie die deutsche FDP haben die Neos nie zu befolgen gewagt. Auch Strolz nicht, der von Wirtschaft übrigens sehr wenig versteht.

FPÖ nicht mehr „ausgrenzen“

Strolz hat sich nun in einer Art Motivationsschreiben für die Wiederbestellung als Parteivorsitzender beworben. Darin hält er jetzt jedenfalls ausdrücklich fest, die FPÖ nicht (mehr) „ausgrenzen“ zu wollen. „Ich bin nicht bereit, einer Bevölkerungsgruppe von 30 Prozent zu sagen, haut euch über die Häuser.“ Auch die FPÖ habe manchmal recht, „verdammt selten, aber auch manchmal“.

Immerhin dürfte Strolz nach seriös klingenden Informationen auch mit Strache und dem ehemaligen Rechnungshof-Präsidenten Moser (einem ehemaligen Freiheitlichen) über die Variante eines gemeinsamen Kabinetts unter Mosers Führung gesprochen haben. Freilich bisher ergebnislos.

Und immerhin hat Strolz auch erkannt, dass die Wahlrechtspläne des SPÖ-Chefs eine Frontalattacke auf Pink und Grün bedeuten. Dieser verlangt ja neuerdings einen Extra-Mandatsbonus sowie das Verfassungsrecht auf Kanzlerbestellung für jene Partei, die relativ am stärksten aus einer Wahl herausgeht. Ein solches Wahlrecht würde massiv Stimmen von den kleineren Parteien abziehen. Da ja dann nur noch die drei größeren eine Chance hätten, relativ stärkste Partei zu werden und den Kanzler zu stellen. Dann ginge der ganze Wahlkampf in einem Dreikampf nur noch um den Kanzler. Jede Stimme für Pink oder Grün wäre dann eine verlorene für die Kanzlerfrage. Und das wollen die wenigsten als Schicksal ihrer Stimme erleben.

Nun, warten wir einmal, ob die Partei Strolz folgt. Und selbst dann ist es noch ein weiter Schritt dazu, dass eine Stimme für die Neos auch wirklich eine klare Absage an einen SPÖ-Kanzler bedeutet. Aber wenigstens würde eine Wahl der Neos dann keine Garantie mehr für die Fortsetzung der roten Regierungsmacht darstellen.

Nochmals zurück zu Silberstein: Hinter all diesen Seltsamkeiten verschwindet das gegen ihn offenbar in Rumänien wegen Korruption laufende Verfahren an Bedeutung. Während man bei Verfahren in Rumänien nie ganz sicher sein kann, was da dahintersteckt, ist das Verhalten der österreichischen Parteien doch viel klarer zu bewerten. Auch wenn sie es ständig zu tarnen versuchen.

PS: Auffällig, aber für eine Bewertung noch zu früh, ist übrigens auch der Umstand, dass mit dem Abgeordneten Scherak ausgerechnet jetzt ausgerechnet jener Mann aus der inneren Parteiführung ausscheidet, der sich in den letzten Jahren weitaus am lautesten unter allen Neos als „Refugees Welcome“-Agitator betätigt hat. Aber auch da gilt: Schaun wir mal, was das am Ende des Tages bedeutet.

PPS: Noch eine Fußnote zu Kerns Wahlrechtsmodell. Bei den Grünen könnten die Roten dann zusätzlich auch folgendermaßen argumentieren: „Wir haben euren VdB zum Präsidenten zu machen geholfen, jetzt helft uns, Kern zum Kanzler zu machen.“ Das aber könnte für Schwarz und Blau bedeuten, dass sie zusammen zwar die Stimmen-Mehrheit hätten, dass aber die Roten mit Hilfe von grünen und pinken Wählern dennoch als relativ stärkste Einzelpartei den Kanzler und die Regierung stellen würden. Wirklich erstaunlich, dass das die ÖVP-Führung noch nicht begriffen hat.