Gastkommentare

Beim spanischen „Kuss-Skandal“ ging es immer um etwas ganz anderes

16. September 2023 19:08 | Autor: Thomas Bukowski
3 Kommentare

Spätestens jetzt müsste allen objektiv denkenden Geistern sonnenklar sein, dass es bei dem ominösen spanischen WM-Kuss immer um etwas ganz anderes gegangen ist. Nämlich nicht – wie uns der europäische Medien-Mainstream einzuhämmern versuchte – um einen sexuellen Übergriff eines reichen, weißen Mannes auf eine arme, wehrlose Spielerin, sondern um eine verbandsinterne Intrige (man könnte auch Putsch dazu sagen), die da auf Kosten des Sports und auf Kosten des WM-Erfolgs der Kickerinnen auf dieser aggressiven gesellschaftspolitischen Bühne ausgetragen wurde und wird.

Denn trotz des eingeforderten Rücktritts des "Täters" – Spaniens Fußballpräsident Luis Rubiales – geben sich die Spielerinnen noch lange nicht zufrieden und fordern nun weitere Rücktritte im Verband, indem sie in einen Spiel-Streik getreten sind. So soll quasi das ganze Kabinett von Rubiales, darunter Generalsekretär, Kommunikations- und Marketingabteilung, gehen. Für alle, die es nicht wissen sollten: Hier handelt es um den ganzen spanischen Fußballverband RFEF (also nicht bloß die Frauen-Abteilung), der quasi durch diesen Kuss auf Druck der politischen aufgehetzten Damen-Mannschaft umgestürzt werden soll. Dazu ein Vergleich: Laut dem Portal Transfermarkt.de hat die Herren-Nationalmannschaft (Weltmeister 2010) einen Marktwert von 782 Millionen Euro, demgegenüber wird die weibliche Weltmeister-Elf von 2023 mit Ach und Krach auf 5 Millionen (!) kommen (exakte Berechnungen gibt es dazu auch gar nicht).

Hier wackelt also der Schwanz mit dem Hund – oder auf Österreich umgelegt: Das wäre in etwa so, als würden die Langläufer im ÖSV das Kommando übernehmen und die Alpinen entmachten.      

Und noch ein paar Anmerkungen, die im medialen Kesseltreiben untergegangen sind:

  • Schon im Jahr vor dem WM-Titel gab es einen Aufstand samt Spiel-Boykott in der spanischen Damen-Nationalmannschaft. Es ging um eher kryptisch vorgetragene Anschuldigungen gegen Coach Jorge Vilda, der vom Verband allerdings massiv gestützt wurde, was heuer im Sommer (mit verändertem Team) mit dem WM-Titel belohnt wurde. Kaum war Rubiales nun nach Aufpoppen des vermeintlichen Skandals suspendiert, wurde sogleich Vilda seines Teamchef-Amtes enthoben – damit war das eigentliche Ziel schon einmal erreicht. Sportlich eine unfassbare Aktion, denn am Tag des WM-Triumphes wurde Vilda noch in den Himmel gehoben, weil er den zerstrittenen Haufen zum Sieg geführt hatte. Vilda wird freilich schon seinen Weg als Trainer machen, denn in der realen Fußballwelt zählen halt immer noch fachliche Kriterien und Erfolg.
  • Jeder, der die Videos zum "Kuss-Skandal" in voller Länge gesehen hat, tut sich wirklich schwer, hier eine sexuelle Attacke gegen den Willen der Spielerin Jennifer Hermoso erkennen zu können. Zum einen wurden sämtliche Spielerinnen bei der Siegerehrung in Sydney abgebusselt, warum ausgerechnet Hermoso als einzige auch auf dem Mund, wäre wohl auch hinterfragenswert gewesen; zum anderen sieht man deutlich, dass Hermoso auch überhaupt keine Signale und Gesten ausgesendet hat (vorher wie nachher), dass ihr das Ganze unangenehm gewesen wäre – vielmehr greift sie sogar nach der Hüfte von Rubiales. In einem Video, das die Spielerinnen hernach im Mannschaftsbus zeigt, machen sich sogar alle lustig über diese Szene, und Hermoso wirkt alles andere denn geschockt oder empört, sondern vielmehr geschmeichelt. Man muss daher zwangsläufig unterstellen, dass den Spielerinnen erst nach und nach gedämmert ist, hier durch Aufbauschen einer im Überschwang der Emotionen durchaus nicht ungebührlichen Szene eine Waffe in die Hand bekommen zu haben, die den ungeliebten Trainer samt den ihn stützenden Präsidenten taxfrei entsorgen zu können. Auf Kosten freilich des ungetrübten Zelebrierens des WM-Titels, der mit der ganzen Aufregung ja völlig in den Hintergrund getreten ist.
  • Und sie nahmen damit auch in Kauf, ihren Präsidenten der sozialen Ächtung und der gesellschaftlichen Vernichtung preiszugeben (da zählen dann die Werte der Regenbogen-Binde, von wegen "gegen Diskriminierung" und so, nicht mehr). Rubiales mag dem Schein nach ein Macho und Frauenheld sein, der das Ganze grandios unterschätzt und geglaubt hat, mit einer Gegenoffensive gegen "falschen Feminismus" seinen Kopf retten zu können, doch Schwerverbrecher ist er gewiss keiner. Dass er prompt (aber ohne Beweise) auch bezichtigt wurde, Sex-Orgien auf Verbandskosten gefeiert zu haben und die Staatsanwaltschaft ihn in Spanien wegen dieses Kusses vor Gericht zerrt (Verdacht der sexuellen Aggression und Nötigung), ist geradezu grotesk. Wobei das mit Staatsanwaltschaft und Fußball in Spanien eh so eine Sache ist: Als etwa ein Kicker-Heiliger wie Lionel Messi wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, wurde seine monatelange Haft- in eine bloße Geldstrafe "umgewandelt". Und öffentlichen Aufruhr trotz klarer Schädigung des spanischen Volkes gab es auch nie.
  • A la longue ist es auch schade für den sich positiv entwickelnden Frauen-Fußball, auch wenn dessen Bühne oft von LGBTQ- und anderen Aktivistinnen missbraucht wird und Fußball für jene oft wirklich nur "Nebensache" ist: Jeder männliche Trainer wird sich zwei Mal überlegen, ob er ein Frauenteam betreut, wenn einem derart schnell unangemessenes Verhalten oder gar Sexismus angehängt werden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist der österreichische Ex-Internationale Andreas Heraf, der vor einigen Jahren Damen-Teamchef und Sportdirektor in Neuseeland war, dort dann aber nach einer Schmutzkübelkampagne (Vergleiche mit Hitler) samt diverser diffuser Vorwürfe ("Schikanierung") gegen ihn völlig desillusioniert wieder zurückgekommen ist. Auch hier waren Spielerinnen, die offenbar mit dem Trainer nicht gut konnten, in Streik getreten (etwas, das bei den Männern völlig untypisch wäre), womit Heraf letztlich erfolgreich rausgemobbt wurde. Der Wiener wiederum bekrittelte "grundlegende Auffassungsunterschiede in Bezug auf Professionalität und Leistung" der Spielerinnen. Das war 2018 – und klingt irgendwie nach Reinhardt-Seminar anno 2023.
  • Fazit: Wenn harmlose Küsse (sagen auch alle Frauen, mit denen ich geredet habe) im emotionalen Überschwang mit sexuellen Attacken gleichgesetzt werden, trübt das in der ganzen Aufregung den Blick auf wirklich schlimme sexuelle Übergriffe – und davon gibt es die meisten im Nachwuchssport bei Kindern. Unter dem Gebrüll der Meute, die mächtige Männer zum Pranger treibt, können dort nämlich die wirklichen Täter immer noch viel zu leicht ihre Opfer finden. Wie erst jüngst der Fall eines Vienna-Mädchen-Trainers beweist.                            

 

Thomas Bukowski ist das Pseudonym eines österreichischen Journalisten.

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  1. Alexander Huss
    18. September 2023 21:33

    Das sind höchst interessante Hintergrundinformationen, die der Autor uns Bloglesern vermittelt.

    Es ist, wie Kyrios Doulos richtig feststellt, traurig und typisch für Österreich, dass sich der Redakteur des Artikels hinter einem Decknamen verstecken muss, ansonsten ihm der berufliche Tod droht.



  2. Livingstone
    17. September 2023 21:58

    Super Artikel für jeden Fussball Fan. Aus eigener Erfahrung - ich traue mich nicht mal mehr alleine zu meiner Mutter, die eine 24 Stunden Betreuung hat. Weiß Gott, was die erfinden könnte, wenn ich einmal alleine dort bin. Ich nehme immer eines unserer Kinder mit.



  3. Kyrios Doulos
    17. September 2023 08:03

    Danke für diese Einblicke.

    Traurig, bezeichnend und symptomatisch für unsere Pressefreiheit ist, daß ein an und für sich sehr harmloser Artikel wie dieser hier, mit Pseudonym unterschrieben werden muß.

    Der Klarname würde wohl zu großen Schaden anrichten. Die Zensur in Österreich lebt.






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