Gastkommentare

Wie ein Staatsoberhaupt sein Amt NICHT ausüben sollte

20. Mai 2023 14:00 | Autor: Jakob Cornides
13 Kommentare

Selbst nach sieben Jahren in dieser Funktion scheint Alexander Van der Bellen immer noch nicht zu wissen, wie man sich im Amt des Bundespräsidenten korrekt verhält. Mit seinem Standpunkt, dass Österreich der Ukraine bei der Räumung von Landminen helfen sollte, kann und darf man durchaus sympathisieren. Die Ukraine ist das unschuldige Opfer eines verbrecherischen Angriffskriegs, und ihr Beistand zu leisten ist moralisch nicht nur erlaubt, sondern in einem gewissen Umfang sogar geboten.

Das Problem ist nur: Mit dem Konzept einer wie auch immer definierten Neutralität ist eine solche Hilfeleistung natürlich vollkommen unvereinbar. Man kann sich in diesem Kontext auch schwerlich auf das haarspalterische Argument zurückziehen, dass unsere Neutralität ja nur "militärischer" (und nicht politischer, wirtschaftlicher, moralischer, oder sonst irgendeiner) Natur sei: In einem Krieg geschieht die Verminung bestimmter Zonen vor allem zu militärischen Zwecken, weil man sich dadurch einen strategischen Vorteil verschaffen will; folglich wäre ganz zweifellos auch die Beseitigung der Minen – zumindest solange die Kampfhandlungen noch im Gange sind – eine Form der militärischen Unterstützung, weil sie diesen Vorteil wieder zunichtemacht. 

Der Einwand der Verteidigungsministerin, dass eine Beteiligung an der Räumung von Minen im Hinblick auf die von Österreich erklärte immerwährende Neutralität bedenklich erscheint, ist also sachlich völlig zutreffend; der Standpunkt des Bundespräsidenten erweist sich dagegen als äußerst fragwürdig. Nicht nur das, er ist auch intellektuell unredlich: Natürlich darf man sich wünschen, dass Österreich sich solidarisch an die Seite der überfallenen Ukraine stellte – aber dann sollte man auch ehrlicherweise dazusagen, dass dies ein Abrücken von der Neutralitätspolitik erfordern würde. Entweder man ist solidarisch, oder man ist neutral – aber beides zugleich geht nicht.

Noch schlimmer als die offenkundige Inkonsistenz der bundespräsidialen Gedankengänge ist aber, dass Van der Bellen diese der Bundesregierung vom Ausland aus über die Presse mitteilt, um sich auf diese Weise als Gutmensch zu profilieren und die zuständige Ministerin, die er offenbar in erster Linie als eine Vertreterin des gegnerischen innenpolitischen Lagers betrachtet, bloßzustellen. In der internationalen Politik ist eine solche Stillosigkeit ein absolutes No-No: ein schlimmer Fauxpas, den man sich vom Staatsoberhaupt einer Nation mit zivilisierten Sitten unter keinen Umständen erwarten würde. Das deutsche BVG hat voriges Jahr einen derartigen Fehltritt der (früheren) Bundeskanzlerin Angela Merkel – mit einiger Verspätung, aber immerhin – ausdrücklich als rechtswidrig beurteilt: Im Ausland agiert man überparteilich als Vertreter des eigenen Landes, nicht als Parteipolitiker.

Ganz unabhängig davon, welcher Standpunkt zu der Frage, ob die Neutralitätspolitik beibehalten oder abgeschafft werden sollte, sich letztlich als richtig herausstellt: Wenn es Van der Bellen wirklich um politische Ergebnisse geht, dann sollte er Vertreter aller im Parlament vertretenen Parteien diskret zu einem Gedankenaustausch bitten, aber nicht auf einer Pressekonferenz mit dem Sprachduktus der Unfehlbarkeit zwei miteinander inkompatible Standpunkte gleichzeitig vertreten.

Herr Bundespräsident, mit Verlaub, Sie sind mir peinlich.

 

Dr. Jakob Cornides ist Beamter der Europäischen Kommission, Generaldirektion für Außenhandel. Dieser Beitrag gibt die Privatmeinung des Autors wieder und ist der Institution, für die er arbeitet, in keiner Weise zurechenbar.

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  1. El Dorado
    24. Mai 2023 07:03

    Die neutrale Schweiz, die uns militärisch hoch überlegen ist, unterstützt die Ukraine mit Know-how zum Thema Minenbeseitigung.

    https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-89734.html

    Ich finde, das ist vertretbare Hilfe der neutralen Schweiz. Man kann das - ähnlich wie das o. a. Beispiel von europraxie - als Unterstützung der politisch/militärischen Führung auslegen. Ich finde aber, dass die Beratung zur Prävention von Verletzten/Toten v. a. auch aus dem zivilen Bereich primär ein humanitärer und weniger ein militärischer Akt ist.



  2. Brigitte Kashofer
    23. Mai 2023 16:18

    Die Ukraine ist NICHT das Opfer eines verbrecherischen Angriffskriegs, die Ukraine führt seit 2014 selber einen blutigen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, zahlt den ukrainischen Russen keine Sozialgelder aus, verehrt den NAZI-Kollaborateur Stepan Bandera, hat unter Anleitung der USA die rechtmäßig gewählte Regierung Janukowitsch vertrieben und führt mit der NATO gemeinsame Manöver an Russlands Grenze durch. US-Abgeordneter Lindsay Graham sagte die Wahrheit: "WIR bekämpfen die Russen bis zum letzten Ukrainer." Die Ukrainer sind Opfer der USA!



  3. Stadtindianer
    22. Mai 2023 13:47

    Wer hat denn die Minen gelegt?
    In den meisten Fällen die Ukrainer selbst!



  4. nonaned
    21. Mai 2023 11:44

    Irgendwo im Hinterkopf hab ich es ja gehabt, Österreichs Bundesheer ist gar nicht für Entminungsdienste geeignet, zumindest nicht für die Minen der Jetztzeit.

    https://www.bundesheer.at/organisation/gattung/entminungsdienst.shtml

    Entminungsdienst

    Die Mitarbeiter des Entminungsdienstes sind Experten für alle Arten von Munition, die aus der Zeit vor 1955 stammt und auf österreichischem Bundesgebiet aufgefunden wird.

    Durch die Dienststelle in Wien sowie Außenstellen in Graz und Hörsching und eine 24-Stunden-Rufbereitschaft können die Spezialisten innerhalb kürzester Zeit vor Ort sein, um verdächtige Funde zu untersuchen und Gefahren für die Bevölkerung zu beseitigen.

    ----

    Die Minen in der Ukraine stammen doch sicher nicht aus der Zeit von vor 1955?????



    • eupraxie
      22. Mai 2023 07:38

      Dieser Entminungsdienst wurde vom Innenministerium ins VM transferiert - fragen Sie mich nicht warum. Es war irgendwann um 2015. Gefordert in der UA sind Minensuchdienst und Entschärfung für aktuelles Kriegsmaterial, das können die Pi des ÖBH ganz sicher.

      Der oa Entminungsdienst ist ein Team von Experten mit ganz eigener professioneller Ausbildung. Es wurde irgendwas von Synergien geschwafelt - ich konnte diese nicht erkennen.



  5. nonaned
    21. Mai 2023 11:27

    Mit Verlaub, zu diesem Satz:

    "Die Ukraine ist das unschuldige Opfer eines verbrecherischen Angriffskriegs, und ihr Beistand zu leisten ist moralisch nicht nur erlaubt, sondern in einem gewissen Umfang sogar geboten."

    passt ausgezeichnet der legendäre Satz vom Sonnenkönig: "Lernen´s Geschichte Herr...."

    Jawoll, Putin hat angegriffen, das ist unbestreitbar!

    Aber die Frage ist wohl, hat dieser Angriff nicht auch eine Vorgeschichte?

    8 Jahre Bürgerkrieg in der Ukraine werden jetzt totgeschwiegen, keiner redet mehr davon, als ob man mit Totschweigen die Geschichte ungeschehen machen könnte.

    Und auch sonst alle Versäumnisse, GEschehnisse rund um die Ukraine bzw. dem gewünschten Nato- und EU-Beitritt gibt es nicht mehr!

    Und dass die Ukraine noch immer das korrupteste Land in Europa sein dürfte, hat sich an der letzten Verhaftung gezeigt.

    Hauptsache die Welt kommt den Forderungen Selenskis nach - Geld und Waffen zu geben.



    • sokrates9
      22. Mai 2023 15:39

      Empfehlung an den BP :Nicht nur Karl Marx lesen sondern vielleicht auch Marchiavelli der genau beschreibt wir man Krieg beginnt und den mit dem 1. Schuss als Verbrecher darstellt!



  6. Si Tacuissem
    21. Mai 2023 01:32

    Ein sehr zutreffender Satz: Herr Bundespräsident, mit Verlaub, Sie sind mir peinlich.



  7. El Dorado
    20. Mai 2023 15:17

    Ich muss gestehen, dass ich der Beseitigung von Landminen durch das österreichische Bundesheer etwas abgewinnen konnte und das nicht als militärischen Einsatz betrachtete, weil ich hier natürlich primär die unschuldigen, zivilen Opfer sah. Während dem Krieg ist das natürlich ein Eingriff zu Gunsten der Ukraine. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn man an die zivilen Opfer - auch während der Kriegshandlungen - und an den Umstand, dass die Minen nur im angegriffenen Land ausgelegt sind, denkt.



    • eupraxie
      20. Mai 2023 18:40

      Meine Gedanken gingen in die ähnliche Richtung wie Ihre - ich hielt im ersten Moment die Minenräumung weniger problematisch als die Durchfuhr von Artillerieselbstfahrlafetten für die Ukraine. Das Argument der VM ist für mich schlagend. Ich darf daran erinnern, dass zu Beginn der Zivildienstdebatte die Wehrdienstverweigerer nicht nur den Dienst mit der Waffe verweigerten, sondern auch die Ausbildung zum Sanitätsdienst. Mit dem gleichen Argument: weil auch die Hilfe für Verwundete und Zivilisten in letzter Konsequenz auch der politisch/militärischen Führung hilft.

      Wie auch immer - das Herumeiern und die juristischen Haarspaltereien der österreichischen politischen Führung zum Thema Neutralität sind eine Schande.



  8. Politicus1
    20. Mai 2023 14:17

    Zustimmung!
    Frage: hat er das im Alleingang gesagt, oder mit Wissen seines Militärberaters



    • nonaned
      21. Mai 2023 11:21

      Ob VdB auf einen Militärberater hört?

      Könnte es nicht sein, dass sein für Alles zuständige Berater, der Obergrüne Lothar Lockl ihm das eingeflüstert hat?

      Gut, Genaues weiss man nie, wird man nie erfahren, aber dass diese Aussage Schwachsinn war, ist offensichtlich.

      Und ausserdem, wieviel solche Minenspezialisten hätte denn im Fall des Falles das österreichische Bundesheer?

      Diese Frage ist glaublich ungeklärt.



    • FranzAnton
      23. Mai 2023 07:59

      @nonaned: Die Minensucher sind gewiß bestens ausgerüstet, um Minen aufspüren und unschädlich machen zu können, zwar mit denkbar geringem Risiko für sie selber; denn, sollte jemand dabei tatsächlich zu Schaden kommen, wäre das öffentliche Aufheulen gegen diese Tätigkeit wohl Grund genug, diese Tätigkeit künftig auf lange Zeit nicht mehr durchzuführen.
      Und das wäre wiederum sehr schädlich für den ohnehin bestehenden, schlechten Ruf Österreichs als gewohnheitsmäßiger militärischer "Trittbrettfahrer vom Dienst".






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