Gastkommentare

Die sicherheitspolitischen Konsequenzen des Afghanistan-Debakels

19. August 2021 21:57 | Autor: Georg Vetter
15 Kommentare

Den Taliban hat sich eine Armee von 300.000 afghanische Soldaten ergeben, die nach den Vorstellungen des Westens für die Freiheit des Landes kämpfen sollte. Mit dem kampflosen Sieg sind den neuen Machthabern US-militärisches Gerät im Wert von 80 Milliarden Dollar, also eines knappen österreichischen Bundesbudgets, in die Hände gefallen. Darunter befinden sich nicht nur Pistolen und Gewehre, sondern auch Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge sowie Kampfhubschrauber – abzüglich jener, die Deserteure in die nördlichen Nachbarländer mitgenommen haben. Vor 20 Jahren, als die NATO ihre Afghanistan-Mission begann, waren die Taliban schwach bewaffnet. Heute sind sie Dank den USA bis an die Zähne bewaffnet. Dennoch spricht Präsident Biden von einer erfolgreichen Mission. Was bedeutet dies für die Region und darüber hinaus?

Regional kann man davon ausgehen, dass es zu einer Kräfteverschiebung kommen wird. In gewisser Weise haben die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan 20 Jahre hindurch Stabilität auch für ihre Konkurrenten China und Russland geschaffen. Dass man diesen Ländern das Leben mit dem Abzug und dem Sieg der Taliban nun schwerer macht, mag in Washington für eine gewisse Befriedigung nach dem Verlust der Ehre am Hindukusch sorgen.

Wahrscheinlich werden sich die nördlichen Nachbarn angesichts eines erstarkten Afghanistans nun näher an Russland anbinden. Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan werden vermehrt um Unterstützung in Moskau anklopfen, um eine afghanische Welle zu verhindern. Der Iran wird weiter sein eigenes Spiel spielen, und die Atommacht Pakistan, deren Geheimdienst schon bisher die Taliban unterstützt haben soll, wird wohl für Kopfzerbrechen sorgen.

International wird es einen Angebotsüberschuss auf dem Schwarzmarkt für amerikanische Waffen geben. Für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte können die Taliban mit dem internationalen Terrorismus unter der Tuchent Geschäfte machen und diesen mit Gerät versorgen. Derweil wird der Westen nach Abzug von Zehntausenden Afghanen der Oberschicht – insbesondere Beamte und Lehrer – Geld aus dem Titel der Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Ein Staat in einem modernen Sinn wird dort für einige Zeit ja nicht zu machen sein.

Die westlichen Staaten und ihre Bürger müssen also in den nächsten Jahren damit rechnen, dass Terroristen mit modernen amerikanischen Waffen ausgestattet sind.

Ein Teil dieser Waffen, und insbesondere ein Teil der amerikanischen Kampfhubschrauber, die für die afghanische Armee und ihren Kampf gegen die Taliban bestimmt waren, dürften sich auf dem Flughafen von Kabul befinden. Die verbliebenen US-Soldaten täten nun gut daran, dieses Gerät nach Hause mitzunehmen, um den Schaden ein wenig zu verkleinern.

Lange sollten sie sich damit aber nicht Zeit lassen. Die Taliban sind sicher schon dabei, amerikanische Artillerie aus dem ganzen Land nach Kabul zu schaffen, um die US-Armee daran zu hindern, Waffen und Hubschrauber der afghanischen Armee funktionsunfähig zu machen oder gar abzutransportieren. Um die Gefahr amerikanischer Gegenangriffe zu reduzieren, bieten sich beispielsweise die Innenhöfe von Spitälern als Aufstellungsorte für Granatwerfer an. Sobald die Taliban den Flughafen unter Steilfeuerbeschuss nehmen können, könnte sich Kabul als Dien Bien Phu der Amerikaner erweisen. Die nächsten Tage könnten – im Schatten der zivilen Evakuierungsmaßnahmen – für den weiteren Lauf der Weltgeschichte ziemlich entscheidend werden.

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  1. https://tinyurl.com/2asz3tnu (kein Partner)
    25. August 2021 18:25

    Dauert länger, aber absolute Empfehlung!

    youtube: Timcast IRL - Oregon Implements OUTDOOR Mask Mandates, Parents REVOLT w/Steve Bannon

    Der Titel ist irreführend, nur zu Beginn geht es um Covid.
    Dann um die Lage in den USA, den Deep state, Afghanistan...



  2. https://tinyurl.com/46xxramk (kein Partner)
    25. August 2021 01:11

    Youtube: Western Geopolitical Strategies - Jay Dyer / Brandon Turbeville
    Brzezinski - The Gran Chess Board



  3. oberösi
    22. August 2021 19:25

    Na, dann ist ja alles gut: der Taliban als Parade-Terrorist bleibt uns gottseidank bis auf unbestimmte Zeit erhalten und kann weiterhin wie weiland Osama bin Laden die Rolle des Krokodils spielen, das vom Kasperl zur Ergötzung des Blödvolkes im Auditorium medienwirksam in die Schranken und hin und wieder auch medienwirksam verdroschen werden darf.

    Auf daß dieses Blödvolk auch weiterhin seine Aufmerksamkeit nicht primär darauf richtet, was ihm der ganz normale, demokratisch legitimierte Staatsterrorismus vor der Haustür Tag für Tag antut.

    Wie z.B. den unendlichen Covid-Terror, eine der höchsten Steuerquoten im internationalen Vergleich; eines der teuersten und - gemessen am jährlich schlechter werdenden Ergebnis - ineffizientesten Schulsysteme; stetig wachsende Doppelt- und Dreifachgleisigkeiten in der Verwaltung, ein ineffizientes Sozialsystem, das vor allem falsche Anreize setzt; generell also eine Bürokratie, die beginnend bei der Anzahl der Ministerien und deren Personalstand bis hinunter zu den Gemeindestuben MINDESTENS um ein Drittel eingedampft werden kann, ohne die Lebensqualität der Österreicher auch nur im geringsten einzuschränken.

    Dafür würden Wohlstand und bürgerliche Freiheiten der Österreicher kräftig steigen, zumindest der Leistungsbereiten und jener, die ihren Tributpflichten den Gesetzen entsprechend nachkommen und die Hälfte des sauer Verdienten abliefern.

    Und die Taliban? Die würden im selben Maß ihren Schrecken verlieren, in dem unsere Dreckspolitik endlich ihren verfassungsmäßigen Aufgaben nachkäme und das Staatsgebiet schützen würde. Wenn auch nur ein Bruchteil der im Sozialbudget un der Bürokratie versickernden Steuereinnahmen in einen modern ausgerüsteten und mannstarken Grenzschutz investiert werden würde, könnte man diese nämlich tatsächlich weitgehend sichern

    Genau das aber ist nicht Ziel unserer Polit-Bagage, national wie supranational. Weil der Taliban/IS und was weiß ich-Terror - siehe oben - eben unverzichtbarer Teil des tagespolitischen Kasperltheaterensembles ist.



  4. Sandokan (kein Partner)
    22. August 2021 11:54

    Der Vergleich zu Vietnam ist irgendwie auch Unsinn.
    Bei Vietnam hatte man es im Hintergrund mit China und der Sowjetunion als Gegner zu tun. Und die Vietnamesen waren alles andere als einfache Dschungelkämpfer in Sandalen. Sie verfügten etwa über hochmoderne Luftabwehr-Raketen und hatten sogar eine Luftwaffe.

    Ohnehin, der Abzug aus dem Irak unter Obama war aus humanitärer Sicht wahrscheinlich deutlich schlimmer (zig-tausende Sunniten in Folge als Opfer) und politisch verheerender als Afghanistan jetzt.
    Vom Aufstieg des IS bis zum Bürgerkrieg in Syrien und dem Machtgewinn des Iran im Irak.
    Wobei auch hier gilt, ob das nicht Teil der US-Planungen war (zumindest IS und Syrien betreffend).



  5. Brahim (kein Partner)
    22. August 2021 10:27

    Zum letzten Satz:

    Dien Bien Phu war als Verteidigungsstellung angelegt. Der Flughafen Kabul war und ist kein militärischer Stützpunkt.
    Eine andere politische Führung der USA würde sich jetzt die Hände reiben und mit Kampfdrohnen loslegen.



  6. https://tinyurl.com/4j8ur6j3 (kein Partner)
    22. August 2021 00:28

    Was ist wenn Biden nicht dumm ist, sondern bloß bösartig und neue Kriege vorbereitet?

    Nachrichtendienste und Pentagon spielen auf jeden Fall verschiedenste Szenarien durch.
    Und die Drohung mit der Terrorgefahr ist seit geraumer Zeit schon etwas verblasst.
    Wir erleben seit einigen Jahren auf mehreren Ebenen eine Politik der gezielten Destabilisierung - Terror, Klima, Virus, Cyberkriminalität, Wirtschaft, anheizen von Konflikten...

    Wie lautet das alte Motto: "Ordo ab chao."
    Man könnte auch sagen: "Built back better!"
    Aber keine Angst (sagt auch Witzekanzler Kogler), denn: Ihr werdet zwar nichts besitzen, aber glücklich sein...



  7. Zraxl (kein Partner)
    21. August 2021 23:10

    Herr Scholl-Latour hat vermutet, dass sich die islamischen Republiken eher auf die Seite der Taliban schlagen und damit u.a. Russland ein großes Problem bescheren werden. Die Talibanisierung von Pakistan und der Besitz von Nuklearwaffen für die Talibans ist absehbar.

    Inzwischen denkt die GlobalTimes laut über eine Okupation von Taiwan nach, bzw. kündigt eine solche "bald" an. Im dortigen Leserforum herrscht Kriegsbegeisterung.



  8. SL
    21. August 2021 22:59

    Angemessen wäre es, die Verantwortlichen für das Debakel zu bestrafen. In Ö stellen Flüchtlinge aus Afghanistan ein hohes Sicherheitsrisiko dar. Trotzdem gab es in Wien eine Demo für deren Aufnahme.
    Siehe https://zackzack.at/2021/08/20/hoert-bitte-auf-damit-gedrueckte-stimmung-bei-afghanistan-demo/
    Folgendes fällt bei oberflächlicher Betrachtung auf:
    Erstens wurden die Teilnehmer gebeten dort kein Bier zu trinken. Dort wollte sich vermutlich eh keiner betrinken.
    Der Wunsch kam höchstwahrscheinlich von streng gläubigen Muslimen. Wenn diese Leute sich schwer tun zu dulden, dass in Ö jemand ein Bier trinkt sollen sie besser wo anders hin!
    Zweitens protestieren sie gegen die Ö Regierung. In 10000 Jahren würde es ihnen nicht einfallen einmal gegen die Taliban zu demonstrieten
    Drittens kommt im Bericht ein Mann zu Wort, der sich große Sorgen wegen seiner Familie in Afghanistan macht.
    Für Ö Verhältnisse wäre es normal wenn sich ein Familienvater zuerst um seine Familie kümmert und nicht davonläuft und alle im Stich lässt.



  9. Alexander Huss
    21. August 2021 21:52

    Es waren Joe Bidens Vorgänger George W. Bush und Barack Obama, die die Waffenhilfe für Afghanistan in die Wege geleitet bzw. fortgesetzt haben.

    Donald Trump unterschrieb den Abzugsvertrag mit den Taliban, wohl wissend, dass sich die Taliban keinen Deut um den Vertrag kümmern werden. Schließlich wurde der Vertrag mit Ungläubigen gemacht, und dem Koran zufolge, darf man Ungläubige betrügen, belügen und sonst irgendwie besch...en.

    Joe Biden muss nun die Scherben zusammenkehren. Vor allem haben die Geheimdienste nicht damit gerechnet, dass die afghanische Armee so schnell aufgibt.

    Auf uns kommen nun Konsequenzen zu, mit denen wir nicht gerechnet haben. Hoffentlich begreifen das unsere Politiker.



  10. Ingrid Bittner
    21. August 2021 18:04

    Das militärische Gerät ist den neuen Machthabern in die Hände gefallen?? Ich denke, es wurde ihnen am Präsentierteller geboten!
    Das hat Biden vergeigt, oder war es Trump?



    • Saile (kein Partner)
      22. August 2021 06:18

      Die HS Chinook, Apache und Hawk können die Talibaninnen nicht fliegen, aber verkaufen.



    • SL
      22. August 2021 10:31

      Saile: Die Amis gaben afghanische Piloten ausgebildet, die noch dort sind. Die Taliban sind bereits im Besitz von Datenbanken gekommen und wissen also wer diese Leute sind.
      Also können die Taliban die Piloten überreden für sie zu arbeiten. Wenn diese versuchten sich weigern, könnten würde man ihnen ihre Familien wegnehmen, einen Familienangehörigen einkassieren oder ähnliches.



    • SL
  11. pressburger
    20. August 2021 00:08

    Es ist ein Debakel mit unabsehbaren Konsequenzen. Nicht nur die USA, sondern der Westen ist erpressbar geworden,
    Biden hat den Mudschahedins Waffen gegeben, die sie gegen uns nutzen werden.






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