Gastkommentare

Hayek, Montaigne und Europa

13. März 2021 06:25 | Autor: Josef Stargl
7 Kommentare

Wie der Österreicher Friedrich August von Hayek und der vierhundert Jahre früher verstorbene Franzose Michel de Montaigne heute die Entwicklung Europas kommentieren würden.

Friedrich August von Hayek (1899 – 1992): Die kulturelle und die zivilisatorische Entwicklung Europas ist das Ergebnis menschlicher Handlungen, aber nicht eines Entwurfes. Die Integration in der Europäischen Union wird von den Mitgliedern der EU-Institutionen vorangetrieben, die als konstruktivistische Rationalisten eine "neue Ordnung durch Organisation" ersehnen. Sie wollen alles "am Reißbrett konstruieren" und nach Plan durchsetzen. Das ist mit einer "Anmaßung von Wissen" und mit "unrealistischen Vorstellungen von ihren Möglichkeiten" verbunden.

Michel de Montaigne (1533 – 1592): Die europäischen Politiker und die Eurokraten sollten erkennen lernen, dass ihre Unwissenheit das Zuverlässigste ist, was sie lernen können. Sie können nie sicher sein, dass sie nicht irren und Fehler machen, aber sie könnten versuchen, ihre Irrtümer und Fehler zu verringern.

Hayek: Die Mitglieder der Institutionen der Europäischen Union meinen, dass ihnen die Vernunft sage, was richtig ist. Sie gehen von der Annahme aus, dass vollkommene politische Problemlösungen möglich sind. In Wirklichkeit sind "die größten Übelstände das Ergebnis einer Politik, die bewusst Ergebnisse herbeiführen will".

Montaigne: Die Vernunft ist fehlbar. Ein Eingeständnis von Irrtümern und von Fehlern könnte als Beleg der Wirkung von verbesserter Einsicht und Aufrichtigkeit dienen. Die Akzeptanz von Unwissenheit könnte zu Zweifel, zu Staunen, zu neuen Fragen und zur Suche nach besseren Lösungen beitragen.

Hayek: Das konstruktivistische Weltbild der Politiker, der Bürokraten und der Technokraten ist mit der Überzeugung verbunden, dass sie die konkreten Folgen ihrer Maßnahmen vorhersehen können. In Wirklichkeit ist ihr Nichtwissen die Basis ihrer Planungen, ihrer Regulierungen und ihrer Interventionen.

Montaigne: In der "Schule der Torheiten", im Umgang mit Funktionären von Parteien und Verbänden sowie mit den Bediensteten der Verwaltung können wir Menschenkenntnis und Selbsterkenntnis lernen.

Hayek: Die Planungen in den Institutionen der Europäischen Union dienen der Harmonisierung, der Vereinheitlichung, den "Wünschen der politischen Kartelle" und privilegierten Sonderinteressen. Die Überheblichkeit der Vernunft führt in den Kollektivismus.

Montaigne: Obwohl ich Franzose bin, betrachte ich mit Sorge die Ausbreitung der Denktradition des konstruktivistischen Rationalismus in Europa.

Hayek: Die Europäische Integration könnte auch über den Wettbewerb, über Dezentralisierung und über Bürgernähe erfolgen. Die Freiheit und die wettbewerblichen Bemühungen vieler Menschen schützen davor, dass alle die gleichen Fehler machen. Der Wettbewerb ist ein Entdeckungsverfahren für die Entstehung, für die Überprüfung, für die Verbreitung und für die Umsetzung von Wissen. Eine Nutzung des breit gestreuten Wissens und Könnens sowie eine Koordination der individuellen Handlungen im Wettbewerb ermöglicht Lernprozesse, Produktivität und Wohlstand.

Montaigne: Ich frage mich, ob lernunwillige und lernunfähige Menschen ein Interesse an der Nutzung des breit gestreuten Wissens entwickeln können.

Josef Stargl ist AHS-Lehrer in Ruhe und ein Freund der Freiheit.

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  1. Wolfgang Niedereder (kein Partner)
    27. März 2021 10:52

    Sehr geehrter Herr Stargl !
    Vielen Dank für ihren Artikel, eine wahre Wohltat, dass Sie Montaigne "ins Spiel" bringen ist ihnen hoch anzurechnen.



  2. Zraxl (kein Partner)
    22. März 2021 16:12

    Ab wann gilt ein Handeln als konstruktivistisch? Selbstverständlich setzt jedes vernünftige Handeln eine Planung und Modellbildung voraus. Modellbildung ist gerade jener Vorgang, der einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang erst begreifbar macht.

    Das eigentliche Problem beginnt also keineswegs mit Planung und Modellbildung, sondern erst mit der Hybris einer vermeintlichen Allwissenheit. Zudem sind eben auch die Intentionen der Planung in den Institutionen der EU unlauter und dienen "den Wünschen der politischen Kartelle und privilegierten Sonderinteressen" wie Hayek so treffend sagt.



  3. pressburger
    17. März 2021 11:24

    Lernunfähige und lernunwillige Menschen, sind zu nichts zu gebrauchen. Als Politiker, steigen sie dann zu den höchsten Ämtern auf.



  4. Wise Wolf CEE (kein Partner)
    16. März 2021 17:37

    Wir wissen wieder Alles, schnell Maske aufsetzen, Test und rasch einen Termin im Geschäft und beim Friseur ergattern (sonst läuft Test wieder aus)...
    Das Leben mit Wissen ist so schön :-)



  5. elfenzauberin
    15. März 2021 09:52

    Wenn ich mich selbst politisch einordne, dann fühle ich mich bei den Libertären der österreichischen Schule am besten aufgehoben. Umso enttäuschender ist es für mich, dass sich niemand aus diesen Kreisen mit gewichtiger Stimme zu Wort meldet und versucht, ein liberales/libertäres Konzept zur Bekämpfung der Probleme vorzuschlagen.

    Ganz im Gegenteil habe ich aus dieser Ecke Stimmen vernommen, die für mich etatistisch klingen und die die ursprünglichen Absichten von Mises und Hayek konterkarieren.

    Es ist wirklich enttäuschend - und das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warm das liberal/libertäre Weltbild keine Chance hat. Dass Freiheit nur möglich ist, wenn auch die Wirtschaft frei ist, haben bis jetzt die Wenigsten begriffen.



  6. Hausfrau
    14. März 2021 20:42

    Sehr zutreffende Aussagen.
    Kleine Korrektur: Hayek hatte die EG (Europäischen Gemeinschaft) gemeint, denn die EU (Europäische Union) ist erst nach seinem Tod als Nachfolgeorganisation mit dem Lissaboner Vertrag 1992 im Jahr 1993 entstanden.



  7. Abaelaard
    13. März 2021 08:22

    Montaigne ist ohne seinen Freund Etienne de la Boetie fast nicht zu nennen.
    Natürlich war Montaigne ein weit voraus sehender Philosoph, sein Freund Etienne durchschaute das System der Despotie.
    wer ermöglicht denn den Terror, wenn nicht der Unterlegene, der Leidende selbst, durch das wegducken, durch selbstsüchtige Komplizenschaft mit dem Unterdrücker zum eigenen Vorteil und dem des Tyrannen selbst.






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