Gastkommentare

Auf der Suche nach der neuen Weltrevolution

07. Februar 2021 08:20 | Autor: Leo Dorner
12 Kommentare

Der Pluralismus der westlichen Demokratien ist eigentlich schon, was die aktuelle Ideologie der vollständigen Diversität fordert und wünscht. Und dennoch erfolgt seit einigen Jahren ein revolutionärer Umschlag. Welcher Umschlag? Ein Umschlag, der eine neue "Leitkultur" sucht, und mit dieser eine neue Kultur, die den westlichen Pluralismus und Individualismus bisheriger Prägung hinter sich lassen soll. Dazu bedarf die neue Revolution eines neuen Ideals. Dieses lautet: wenig überraschend: wirkliche vollständige Gleichheit aller Ungleichen. 

Eben dieses Ziel hätte der bisherige Pluralismus und Individualismus der westlichen Demokratien verfehlt. Klar ersichtlich am Phänomen des allgegenwärtigen Rassismus. Diesem wird nun der Kampf angesagt, ein Kampf, der nicht falsch sein kann, weil er die Zukunft auf seiner Seite hat. Die Grundsätze des bisherigen Pluralismus und Individualismus gingen auf Eliten zurück, die in die Jahre gekommen sind.

Der Stern der europäischen Aufklärung leuchtet nur noch fahl und schwach. Den neuen Eliten gehört die Gunst der weltgeschichtlichen Stunde. Sie sind die große Liebe der neuen Generation, und gegen diese hat noch niemals ein rationales Argument geholfen. 

Schon bei der alltagssprachlichen Durchsetzung des Kampfbegriffs "Rassismus" war eine unerschütterliche Glaubensgewissheit der neuen Eliten zu beobachten. 

Diese Gewissheit war und ist so fest wie Beton, sie wird von einer Mehrheit des öffentlichen Meinens geteilt. Diese Mehrheit ist keine in den Bevölkerungen Europas, wohl aber der medialen Meinungsbeschaffer: Immer noch: TV, dann verstärkt digitale Medien, zuletzt: Zeitungen, – nicht zu vergessen: zustimmende und machthabende Politiker.

Und auf diesen Zug springt die liebende Jugend, die das Sirenengeheul des aktuell Neuen gierig einsaugt, bereitwilligst auf. Ein Bobo liest seine Medien radikal anders als ein Nicht-Bobo. Und in einer Zeit des Kampfes zu leben, "etwas zu verändern", am korrupten Status quo der Alten nicht mehr festzuhalten, ihren "Kolonialismus" zu verabschieden, ihre alten Grenzen einzureißen usf., ist alleweil spannender und "wichtiger" als am Bisherigen festzukleben.

Die Lust, mit der eine junge Grüne einen Baukran vorm Parlament erklettert, vermag sich kein Oldie vorzustellen, ihm fehlt die notwendige Empathie. Er hält das Ganze für eine Luxus-Revolution verwöhnter Erste-Welt-Jünglinge. Und schon dass er nicht "JünglingIn" schreibt, macht ihn als Yesterdayling erkennbar.

Nun stößt aber die vermeintlich neue Zentralnorm (Antirassismus jetzt) in der modernen Demokratie auf deren normatives Recht, das bekanntlich schon bisher alle Hühneraugen zudrückt(e), wenn es um Gleichheit, Gleichstellung, "Gerechtigkeitslücken" usf. ging und geht. 

Was tun? Diese bisher anerkannte Tatsache nach Möglichkeit verneinen, verschleiern, wegreden und vor allem – im Kampf um die Dominanz des öffentlichen Meinens – durch Gegen-"Narrative" und deren "Tatsachen" ersetzen. 

Die zwielichtige Dialektik jedes Nominalismus (Occam war nicht zufällig ein glaubensfester Theologe) steuert auch den neuen Antidogmatismus: keine Ideale, außer den unsrigen, die noch frisch und jung sind. Keine Stereotype, außer den unsrigen, die noch frisch und jung sind. Keine Normen mehr, außer den unsrigen, die noch frisch und jung sind usf. -  

Und schon droht auch den Märchen der Gebrüder Grimm große Gefahr. Der Pluralismus von gestern ist passé, eine schönere neue Welt wird morgen sein. Aber zugleich greift der Islam in Europa um sich: doch keine neue schönere Welt? (Die Normen der islamischen Kultur stammen, europäisch gesprochen, aus der Zeit von vor 1789 und 1776.) 

Gegen das neue Narrativ, das sich als Normativ festsetzen möchte, scheint der westlichen Demokratie nur der "Rechtsweg" noch offenzustehen. Wenn aber das Recht selbst zukunftsgläubig und utopieliebend wird, was dann? Ein neues 1917 oder 1933 für das neue Europa, für die neue Erste Welt? 

War das Zeitalter der Menschenrechte, Prunkstück der europäischen Aufklärung, ein Kurzes Zeitalter?

Leo Dorner ist ein österreichischer Philosoph.

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  1. Postdirektor
    08. Februar 2021 10:28

    Die Kulturrevolution greift bei uns schon voll. Subtiler zwar als damals in China, aber mit demselben Ziel: Zerschlagung der "Vier Alten", damit waren alte Denkweisen, alte Kulturen, alte Gewohnheiten und alte Sitten gemeint.
    Aktuell symptomatisch dafür beispielsweise die groß aufgemachten Jubelberichte der kirchennahen linken "Kleinen Zeitung" gestern und heute. Aufgrund einer "Exklusivumfrage" habe die Grazer ÖVP/FPÖ-Koalition keine Mehrheit mehr. Die ÖVP habe nur mehr mit den Kommunisten (denen stolze 24 Prozent bescheinigt werden) eine Mehrheit für eine Zweierkoalition.



    • Leodorn
      08. Februar 2021 10:52

      Styria con arte
      Die „Kleine“ ist schon seit Jahren zu einem linksgrünen Propagandablatt abgesunken. Daß sie die „Politik“ der Kirchen hofiert, ergänzt das trübe Milieu.
      Graz hat sich zur „Stadt der Menschenrechte“ ernannt, sie liegt jetzt irgendwo zwischen Jordanien und Algerien. Entweder 20 oder 2OO oder 2000 „Gefährder“ werden gezählt oder auch nicht.
      Die Steirer (gehöre dazu) sind ein ganz eigenes Völkerl. Nur hier ließ sich eine „Kommunistische Partei“ gründen und mit gläubigen Mitläufern anfüllen. - Und daß die Schickeria der Avantgarde-Künstler seit vielen Jahren den „steirischen herbst“ benutzt, um ihr Ding zu verkünden und „neue Politik“ zu machen, ist evident. LD



    • Postdirektor
      08. Februar 2021 15:34

      @Leodorn
      So ist es.



  2. HDW
    07. Februar 2021 14:42

    Die Revolution von 1776, die nicht in Oligarchie und Bonapartismus mündete, war sich aber der Gefahr einer Diktatur von 51% in der neu zu wagenden Demokratie bewusst und hat die lebenslang bestehende oberste juridische Gewalt eingezogen. Deren kategoriales Versagen begleitet jeden Sturz der nachfolgenden Demokratien.



    • Leodorn
      07. Februar 2021 16:00

      Die Überlegenheit der US-Demokratie über die europäischen Demokratien steht außer Frage. Kein kleiner Grund für den Haß vieler Europäer auf den kulturlosen und geldgierigen „Weltpolizisten“, der sich als "unser großer Bruder“ aufspielt.
      Doch mit dem Sturz des "dummen und bösen Trump" wurde auch die letzte (insgeheime) Hoffnung der Europäer zunichte: dieser Trumpel hätte es geschafft, die US-Demokratie zu beseitigen…. Dagegen macht Biden sogar bei unserem Klimarettungsspielchen mit, öffnet die Grenzen und versucht vermutlich mit den Mullahs an der Seite der EU-Europäer zu packeln.
      Eine stürzende US-Demokratie sollte Europäern (ob EU-gläubig oder nicht) das Fürchten lehren.
      LD



    • simplicissimus
      07. Februar 2021 17:57

      Tut es, Leodorn, tut es!



  3. simplicissimus
    07. Februar 2021 14:19

    Die unsagbare Blödheit der Alt- und NeomurxistInnen beginnt dort, wo man vermeint die Natur des Menschen zu verändern. Gleichartige Menschen stehen eher zueinander als andersartige. War so, ist so und wird so bleiben.

    Persönlich habe ich Rassismus pur überall auf der Welt erlebt.

    In Lateinamerika (wo sich Mulatten und Mestizen über Schwarte und Juden auslassen), der ehemaligen Sowjetunion (nach Jahrzehnten der erfolglosen Gleichmacherei gegen Juden, Tataren, Kaukasier), in Afrika (jeder gegen jeden, Schwarz gegen andere KEINESWEGS ausgenommen, nur verdeckter), in Japan (gegen Chinesen), natürlich in Israel, arabischen Ländern und selbstverständlich auch in Europa.

    Glauben die neuen Messiase, daß sie damit aufräumen können? Welch lächerliche Anmaßung! Die neue geplante Gesellschaft wird wieder, wie schon im Altmurxismus gehabt, Armut und selbstverständlich unentrinnbare Diskriminierung bringen. Geht ohne weitgehende selbstverantwortliche Freiheit gar nicht anders.

    Ich selbst bin mit einer Afrikanerin glücklich verheiratet, haben 2 Kinder und passen uns gegenseitig an. Wenn die Unterschiede einmal gar zu deutlich rauskommen, dann sprechen wir die (Vor)Urteile direkt an, z.B. europäische Überheblichkeit, afrikanische Ignoranz, was auch immer. Wir versuchen die Dinge so zu nehmen, wie sie sind bzw sich darstellen ohne deswegen dies dem anderen wirklich übel zu nehmen. Das dämliche pc-korrekte unter-den-Teppich-kehren würde Konflikte nur aufstauen und zur Explosion bringen.

    Also, es gibt Rassen (so wie Tierrassen und Pflanzensorten) und wir alle sind mehr oder weniger in unserer Rasse gefangene Rassisten. Dies zu leugnen bringt nix und vor allem kein wirklich friedliches Zusammenleben. Denn einmal geht's halt gegen die Nigga, ein andermal gegen die (alten) weißen Männer (und arrogante Frauen, wie meine Frau häufig feststellt).



  4. Hegelianer
    07. Februar 2021 12:55

    Zur letzten Frage: Nein, denn die Menschenrechte werden jetzt umdefiniert. Sie sind nicht mehr Schutzrechte des Individuums gegen staatlichen Machtexzess, denn der Staat steht nunmehr für das Gute, für den Fortschritt. Sie werden eine (weil weitgehend unbestimmt) universale Waffe gegen die böse Privatheit, die von den alten Menschenrechten geschützt worden war. Ein kaum konkretisierter Rassismus- oder Sexismus-Vorwurf genügt, und eine Person ist als böse bestimmt.



    • Leodorn
      07. Februar 2021 15:35

      Erschreckend genug. Aber dazu kommt, zweiter Schrecken: auch dem (National)Staat geht es an den Kragen: sei es durch einen übernationalen Staatenbund oder einen europäischen Möchtegern-Weltstaat. Die EU muß sich noch entscheiden...

      Witzig ist auch die ehrwürdige "Weltgemeinschaft", die immer dann am Plafond erscheint, wenn es gilt, die USA und Israel vor selbsternannten Weltgerichtshöfen an den Pranger zu stellen.
      LD






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