Gastkommentare

Chuzpe? Scherz und blutiger Ernst

02. Juni 2020 08:32 | Autor: Willi Sauberer
6 Kommentare

Der Duden erklärt das hebräisch-jüdische Wort Chuzpe mit Dreistigkeit. Umgangssprachlich wurde schon die Beschreibung "Frechheit zum Quadrat" versucht. Eine Frechheit sozusagen, die einem gleich auf längere Zeit den Atem nimmt. Eigentlich ist das prägnante Wort aber unübersetzbar. Im Deutschen (und auch im Englischen) gibt es dafür kein Äquivalent.

Aber es gab bisher eine sowohl treffende wie auch ausreichende Erklärung in Form eines Scherzes: Chuzpe ist die Verantwortung eines Mannes, der Vater und Mutter umgebracht hat und vor Gericht um Nachsicht bittet, weil er Vollwaise ist.

Leider hat diese Anekdote ihren witzigen Charakter verloren. Ein Berufungssenat des Oberlandesgerichtes Linz hat nämlich ein Ersturteil über dreizehneinhalb Jahr Haft bestätigt, um zu zeigen, "dass sich Messerattacken nicht lohnen und in Österreich eine schwere Straftat sind".

Ein 19-jähriger Afghane hatte seine 16-jährige Freundin hinterrücks erstochen. Jetzt verlangte er die Herabsetzung der Strafdauer unter anderem mit dem angeblichen "Milderungsgrund", dass er (durch den Mord an dieser!) eine geliebte Person verloren habe.

Ab jetzt kann das Wort Chuzpe in allen Wörterbüchern mit der Zitierung dieses realen Falles mit ausreichender wissenschaftlicher Genauigkeit definiert werden.

PS: Es ist also Gerichten auch 2020 möglich, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokalgeschichtliche Themen.

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die besten Kommentare

  1. Ausgezeichneter KommentatorJosef Maierhofer
    3x Ausgezeichneter Kommentar
    02. Juni 2020 09:14

    Ja, dieses Wort kommt viel zu oft vor und ist offenbar eine Erscheinung der 'Wohlstandsverwahrlosung' und staatlichen 'Vollkasko-Versorgung'.

  2. Ausgezeichneter KommentatorNeppomuck
    2x Ausgezeichneter Kommentar
    02. Juni 2020 18:04

    Auch für den Begriff "Täter-Opfer-Umkehr" wäre Chuzpe eine brauchbare Metapher.
    Oder die, allerdings schon fast zur Tagesordnung - vor allem der Medien zählende - "Beweislast-Umkehr".

    Füglich ist "Chuzpe" ein ubiquitärer Begriff, der mittlerweile einen "diasporadischen", um nicht zu sagen "ahasverianischen" Verbreitungsgrad genießt.
    Schlechte Beispiele verderben eben die guten Sitten.

  3. Ausgezeichneter Kommentatorfewe
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    06. Juni 2020 22:36

    Das ist eigentlich keine Chuzpe, sondern Verhöhung des Gerichts.

  4. Ausgezeichneter KommentatorTorres
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    04. Juni 2020 15:32

    Wobei er mit 13 Jahren für einen glatten Mord ohnehin ser gut bedient ist.

  1. fewe (kein Partner)
    06. Juni 2020 22:36

    Das ist eigentlich keine Chuzpe, sondern Verhöhung des Gerichts.



  2. andreas.sarkis (kein Partner)
    06. Juni 2020 13:57

    Bitte nicht auf Duden berufen.
    Duden wurde von einem radikalen Deutschnationalen gegründet und florierte besonders in der Nazizeit.



  3. Torres (kein Partner)
    04. Juni 2020 15:32

    Wobei er mit 13 Jahren für einen glatten Mord ohnehin ser gut bedient ist.



  4. Neppomuck
    02. Juni 2020 18:04

    Auch für den Begriff "Täter-Opfer-Umkehr" wäre Chuzpe eine brauchbare Metapher.
    Oder die, allerdings schon fast zur Tagesordnung - vor allem der Medien zählende - "Beweislast-Umkehr".

    Füglich ist "Chuzpe" ein ubiquitärer Begriff, der mittlerweile einen "diasporadischen", um nicht zu sagen "ahasverianischen" Verbreitungsgrad genießt.
    Schlechte Beispiele verderben eben die guten Sitten.



  5. Josef Maierhofer
    02. Juni 2020 09:14

    Ja, dieses Wort kommt viel zu oft vor und ist offenbar eine Erscheinung der 'Wohlstandsverwahrlosung' und staatlichen 'Vollkasko-Versorgung'.






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