Gastkommentare

Corona: Zerreißprobe für die EU

15. Mai 2020 17:00 | Autor: Andreas Tögel
6 Kommentare

Der wirtschaftliche Kahlschlag der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gesetzten Maßnahmen der europäischen Regierungen bleibt nicht ohne Folgen. Eine davon wird ein starker Konzentrationsprozess sein, der auf zwei Hauptursachen basiert: Einerseits werden kapitalstarke Großunternehmen und Konzerntöchter mit den Folgen des Lockdowns wesentlich leichter fertig als kleine und mittlere Unternehmen; andererseits begünstigen sowohl die staatlichen Rettungsmaßnahmen als auch die von der EZB angekündigten Anleihekaufprogramme ganz klar die Großen. Viele KMUs werden verschwinden.

Das Beispiel der nun debattierten Hilfe für die AUA ist symptomatisch: da es hier auf einen Schlag um tausende Arbeitsplätze geht und die Belegschaft gewerkschaftlich bestens organisiert ist, kann jede Wette darauf gehalten werden, dass der Staat den Forderungen des angeschlagenen Betriebes letztlich nachgeben und vielem schlechten noch eine Menge guten Geldes hinterherwerfen wird (zur Erinnerung: die AUA erhielt vor elf Jahren ein 500 Millionen-Euro-Geschenk als Mitgift an die Lufthansa). Tausende kleine und mittlere Unternehmen jedoch, die nach einer Pleite ein Vielfaches an Beschäftigten freisetzen werden, fallen bei den Förderungen durch den Rost. Wie viele von ihnen könnten wohl mit den von der AUA beanspruchten 767 Millionen Euro gerettet werden?

"Stagnation und wachsende Ungleichheit im Zeichen der Corona-Krise" war der Titel eines vom Wiener "Austrian Institute of Economics and Social Philosophy" veranstalteten Webinars, in dem der Wirtschaftswissenschaftler Gunther Schnabl von der Universität Leipzig und Franz Schellhorn von der Agenda Austria ihre Prognosen zu den Folgen der Corona-Krise darstellten.

Letzterer sieht in der "Hochzeit von Geld- und Fiskalpolitik" die Gefahr einer weiteren Verstärkung der Tendenz zur sozialen Ungleichheit heraufziehen. Die sich im Zuge der Staatshilfen abzeichnende (Teil-)Verstaatlichung vieler Unternehmen wird indes, wie immer wenn Politik und Bürokratie direkt in Marktprozesse eingreifen, den Grundstein zur unwirtschaftlichen Führung vieler Betriebe legen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit reduzieren.

Schnabl verweist auf die durch den Konzentrationsprozess und einen zunehmenden Protektionismus bedingte Verringerung des Wettbewerbs und auf den damit zwangsläufig verbundenen Preisauftrieb. Dadurch wird die allgemeine Kaufkraft reduziert und soziale Spannungen werden – bis hin zu unschönen Verteilungskämpfen – zunehmen. Beide Referenten stimmen in der Einschätzung überein, dass im Moment die deflationistischen Folgen der Krise überwiegen, weil der Nachfragerückgang infolge von Arbeitsplatzverlusten und Kurzarbeit drastischer ausfällt als die Angebotskontraktion. Ob und wie stark es, bedingt durch die zu erwartende verstärkte Geldschwemme, zu einer inflationären Tendenz kommen wird, die über die bereits seit vielen Jahren herrschende "Asset-price-inflation" hinausgeht, ist gegenwärtig schwer abzuschätzen.

Schellhorn räumt ein, dass sozialistische Narrative stets, und daher auch jetzt, ansprechender und sympathischer klingen als liberale, die auf eine Nutzung der Chance zu einer rigorosen Marktbereinigung hinauslaufen, die (kurzfristig) zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit führen würde. Er befürchtet daher die verstärkte Umsetzung planwirtschaftlicher Konzepte, wie etwa das der "Modern Monetary Policy" (die so modern auch wieder nicht ist, da sie auf eine aus dem Jahr 1905(!) stammende Idee des deutschen Ökonomen Georg Fridrich Knapp zurückgeht, die im Gefolge mehrerer Hyperinflationen mittlerweile als erledigt zu betrachten ist).

Beide Referenten erwarten eine Zunahme der Spannungen zwischen den Nord- und Südstaaten der Eurozone. Da ein Auseinanderbrechen der Eurozone nach dem erklärten Willen der politischen Eliten der EU "whatever it takes" verhindert werden muss, wird Italien mutmaßlich sein bereits in der Vergangenheit erfolgreich genutztes Erpressungspotential erneut einsetzen und Forderungen nach Transfers aus den Taschen der Nettozahler der Union mit der Drohung untermauern, andernfalls aus der Eurozone auszuscheren. Zur Nord-Süd-Zerreißprobe werden sich daher noch schwer zu meisternde, staatsinterne Konflikte in den Geberländern im Norden Europas hinzugesellen.

Man braucht keine Kristallkugel um vorherzusehen, dass zunehmende Transferzahlungen zugunsten der Südstaaten zu einem starken Auftrieb für die nordeuropäischen Euroskeptiker führen wird. Den Wählern in Deutschland, Holland und Österreich wird es auf Dauer nämlich nur schwer zu vermitteln sein, dass sie für strukturschwache, überbürokratisierte und selbstverschuldet hoch verschuldete Staaten des "Club Med" bluten und den eigenen Wohlstand opfern müssen.

Dies umso weniger, als die in Italien & Co. herrschenden Missstände ja schon lange vor der Corona-Krise bestanden haben. Italien beispielsweise hielt vor Corona – gemessen am BIP – bei 138,5 Prozent Staatsverschuldung und war damit bereits damals ein Kandidat für den Staatsbankrott. Zudem macht ein sinkendes oder gar negatives Wachstum in den Geberländern die Finanzierung der Transfers zunehmend unmöglich.

Um im internationalen Wettbewerb wieder konkurrenzfähig zu werden, bedürfen die Südstaaten einer Abwertung ihrer Währung, die ihnen durch ihre Zugehörigkeit zur Eurozone aber verwehrt ist. Asynchron verlaufende Konjunkturzyklen in den verschiedenen Staaten bewirken, dass der Euro stets für die einen zu hoch und für die anderen zu niedrig bewertet ist – ein Dilemma, das man durch die Etablierung einer Transferunion (z. B. mit einer von Kommission und EZB als Corona-Bonds getarnten Umverteilung vom Norden zu den Staaten des Club Med) zu bewerkstelligen gedenkt.

Die Möglichkeit einer Zweiteilung der Eurozone hält Schnabel nicht für denkunmöglich. Dadurch würde der "Nordeuro" stark aufwerten und die Betriebe zu einem Innovationsschub zwingen, damit sie international wettbewerbsfähig bleiben können. Das würde die Produktivität erhöhen und hätte daher eine wohlstandsfördernde Wirkung.

Dass die Deutschen der europäischen Gemeinschaftswährung den Rücken kehren könnten, halten sowohl Schnabel als auch Schellhorn für so gut wie ausgeschlossen, weil das de facto einer Kriegserklärung an den Rest Eurolands gleichkäme.

Langfristig sieht Schnabl private Währungen (z. B. Bitcoins) als ein mögliches Korrektiv zum hoheitlichen Geldmonopol. Wie weiland F. A. Hayek ("Denationalization of Money", 1976) steht er einer privaten Währungskonkurrenz positiv gegenüber. Schellhorn erkennt im herrschenden Geldsozialismus das wirtschaftliche Grundübel unserer Tage, da billiges Geld stets zu Fehlallokationen, Wettbewerbsverzerrungen und – schlag nach bei Hayek und Mises – Überinvestitionen führt. Deshalb ist es notwendig, Geld knapp zu halten (was an Schuldenmacherei zwecks Stimmenkaufs interessierte Regierungen allerdings niemals freiwillig akzeptieren werden).

Fazit: Europa stehen "interessante Zeiten" bevor.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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die besten Kommentare

  1. Ausgezeichneter Kommentatorpressburger
    6x Ausgezeichneter Kommentar
    15. Mai 2020 17:29

    Leider, leider, die EU wir diese Zerreisprobe überstehen. Wen es überhaupt als Probe von der EU als Probe wahrgenommen wurde. Die EU ist in den Zeiten des China Virus abgetaucht, war nicht als ganzes präsent. Nur die jeweiligen Vizekönige, haben in ihren Provinzen, ihre Verbotswut voll ausleben können.
    Zu befürchten ist, die EU wird aus den Zeiten des Viruses gestärkt hervorgehen. Die EU wird auf die Karte der "Klimarettung" setzen, und alle Grausamkeiten die während der China Virus Präsenz eingeführt wurden, wiederholen. Was sich
    einmal bewährt hat, auf das kann man sich verlassen, dass es wieder wirksam sein wird.
    Die EU wird eine anderen Bewährungsproben nicht bestehen, nicht überstehen. Die Konfrontation mit den globalen Mächten, den USA, Russland und China. Der wirtschaftlicher Niedergang der EU, ist eine Einladung an die Chinesen, das entstehende Vakuum zu füllen.

  2. Ausgezeichneter KommentatorNeppomuck
    2x Ausgezeichneter Kommentar
    16. Mai 2020 19:35

    Diogenes in seinem Fass,
    der sagt „Ja ja, das kommt von das.“
    W. Busch

    Wenn man z.B. die gemeinsame Währung (zwangs-)einführt, ohne vorher eine Steuer- und Abgabenharmonisierung der einzelnen Mitgliedsstaaten durchzusetzen und die Leistungskraft der unterschiedlichen Partnerländer annähert (was lange währt, wird endlich gut!), oder mit einem „fait accompli“ hinsichtlich der endgültigen Organisationsstruktur (Staatenbund oder Bundesstaat? Das ist bis heute unklar!) der Mitgliederländer dieselben in die „EU“ hineinlügt. Jetzt steht man vor einem Gefangenendilemma geopolitischer Ökonomie.

    Also was jetzt?

    Amikal die Probleme angehen, was so gut wie unmöglich erscheint, wie die „amikale Grundhaltung“ der Bewältigung einer virtuellen Bedrohung im Detailbereich von Randerscheinungen wie Atemmasken, die noch dazu unwirksam sind, schon gezeigt hat?

    Oder zurück an den Start, bevor weitere nationale „Exits“ den Trümmerhaufen „EU“ praktisch unsteuerbar werden lassen.
    Ich tendiere zur Lösung Nr. 2.

    Was natürlich einen erheblichen Machtverlust bereits etablierter, aber nicht demokratisch gewählter Interessenträger bedeutet. Ein weiterer Grund, einen „Relaunch“ wenigstens anzudenken. Und für die Betroffenen mediale Teilhabe an diesen Bewusstseinsänderungen sicher zu stellen.
    Sprich: Keine weiteren „Blackboxes“ mehr einzurichten.

    Dann wird man ja sehen, inwieweit das „Friedensprojekt EU“ hält, was man uns versprochen hat.
    Ja und dann natürlich eine neue Abstimmung, die nach etwa 20 Jahren durch eine weitere, konfirmative Willensbildung bestätigt wird, oder eben nicht.

    Sogar die hl. Römerkirche, die sich ja nicht gerade jemals durch Volksnähe ausgezeichnet hat, kennt den Begriff „Firmung“ (die Protestanten sagen „Konfirmation“ dazu).

  3. Ausgezeichneter KommentatorJosef Maierhofer
    1x Ausgezeichneter Kommentar
    19. Mai 2020 15:53

    Thilo Sarrazin: 'Europa braucht den Euro nicht.' Diese Buch zeigt das ganze Desaster auf und auch die Schuldigen.

    Dass das jetzt mit dem konzertierten 'Corona Virus' nationalstaatlich 'abgearbeitet' wird, um danach die EU gestärkt hervorgehen zu lassen, ist für mich ein weiteres infames Detail am ferngesteuerten 'Gesamtprozess.

    Man wird auch dafür sorgen, dass niemand mehr aus dem 'Völkerkerker' entkommen kann.

    Eine mehr als betrübliche Situation, in die wir mit den sozialistischen und 'bürgerlichen' Parteien unter brutalem Angstmache-Medienkonzert hineingelogen und hineinmanövriert wurden.

  1. Konrad Hoelderlynck
    25. Mai 2020 03:25

    1.
    Aus Sicht der Fädenzieher läuft alles richtig. Das Geld verschwindet ja nicht, sondern sammelt sich in deren Händen und zementiert deren Macht.

    2.
    Es geht nicht um die Interessen der Menschen, sondern lediglich darum, diese einigermaßen satt und ruhig zu halten.

    3.
    Letzteres gelingt umso leichter, wenn ihr Überleben (Versorgung mit Nahrung und Gütern des täglichen Bedarfs, Verteilung von Benefits (Auto, Urlaub, schöneres Wohnen) für systemkonformes Wohlverhalten ausschließlich von anonymen Strukturen abhängt, die - gottgleich - ihre schützende Hand über jene halten, die sich an die Gebote der Mächtigen halten.

    Mehr ist es nicht.



  2. Josef Maierhofer
    19. Mai 2020 15:53

    Thilo Sarrazin: 'Europa braucht den Euro nicht.' Diese Buch zeigt das ganze Desaster auf und auch die Schuldigen.

    Dass das jetzt mit dem konzertierten 'Corona Virus' nationalstaatlich 'abgearbeitet' wird, um danach die EU gestärkt hervorgehen zu lassen, ist für mich ein weiteres infames Detail am ferngesteuerten 'Gesamtprozess.

    Man wird auch dafür sorgen, dass niemand mehr aus dem 'Völkerkerker' entkommen kann.

    Eine mehr als betrübliche Situation, in die wir mit den sozialistischen und 'bürgerlichen' Parteien unter brutalem Angstmache-Medienkonzert hineingelogen und hineinmanövriert wurden.



    • Christian Peter (kein Partner)
      19. Mai 2020 18:58

      @Josef

      Das Euro - Geschwafel dient bloß dazu, von den wahren Problemen abzulenken, in Wirklichkeit ist der nicht funktionierende EU - Binnenmarkt das Problem.



  3. Christian Peter (kein Partner)
    18. Mai 2020 12:47

    Man kann sich nur mehr erbrechen, falls ein ausländisches und mit Sicherheit nicht mehr überlebensfähiges Unternehmen wie die AUA von der verbrecherischen österreichischen Regierung tatsächlich 767 Millionen Euro Steuergeld erhalten sollte, während sich Abertausende heimische Unternehmen angemessene Entschädigungszahlungen hingegen vor Gerichten erstreiten müssen.

    Der Euro ist nicht das Problem, sondern der EU - Binnenmarkt. Die Südländer müssen wieder über eine eigene Handelspolitik verfügen und ihre Märkte schützen, andernfalls werden diese niemals wettbewerbsfähig werden. Ungeschützter Wettbewerb hat noch niemals funktioniert, auch das nordamerikanische Abkommen NAFTA war ein Desaster.



  4. Neppomuck
    16. Mai 2020 19:35

    Diogenes in seinem Fass,
    der sagt „Ja ja, das kommt von das.“
    W. Busch

    Wenn man z.B. die gemeinsame Währung (zwangs-)einführt, ohne vorher eine Steuer- und Abgabenharmonisierung der einzelnen Mitgliedsstaaten durchzusetzen und die Leistungskraft der unterschiedlichen Partnerländer annähert (was lange währt, wird endlich gut!), oder mit einem „fait accompli“ hinsichtlich der endgültigen Organisationsstruktur (Staatenbund oder Bundesstaat? Das ist bis heute unklar!) der Mitgliederländer dieselben in die „EU“ hineinlügt. Jetzt steht man vor einem Gefangenendilemma geopolitischer Ökonomie.

    Also was jetzt?

    Amikal die Probleme angehen, was so gut wie unmöglich erscheint, wie die „amikale Grundhaltung“ der Bewältigung einer virtuellen Bedrohung im Detailbereich von Randerscheinungen wie Atemmasken, die noch dazu unwirksam sind, schon gezeigt hat?

    Oder zurück an den Start, bevor weitere nationale „Exits“ den Trümmerhaufen „EU“ praktisch unsteuerbar werden lassen.
    Ich tendiere zur Lösung Nr. 2.

    Was natürlich einen erheblichen Machtverlust bereits etablierter, aber nicht demokratisch gewählter Interessenträger bedeutet. Ein weiterer Grund, einen „Relaunch“ wenigstens anzudenken. Und für die Betroffenen mediale Teilhabe an diesen Bewusstseinsänderungen sicher zu stellen.
    Sprich: Keine weiteren „Blackboxes“ mehr einzurichten.

    Dann wird man ja sehen, inwieweit das „Friedensprojekt EU“ hält, was man uns versprochen hat.
    Ja und dann natürlich eine neue Abstimmung, die nach etwa 20 Jahren durch eine weitere, konfirmative Willensbildung bestätigt wird, oder eben nicht.

    Sogar die hl. Römerkirche, die sich ja nicht gerade jemals durch Volksnähe ausgezeichnet hat, kennt den Begriff „Firmung“ (die Protestanten sagen „Konfirmation“ dazu).



  5. pressburger
    15. Mai 2020 17:29

    Leider, leider, die EU wir diese Zerreisprobe überstehen. Wen es überhaupt als Probe von der EU als Probe wahrgenommen wurde. Die EU ist in den Zeiten des China Virus abgetaucht, war nicht als ganzes präsent. Nur die jeweiligen Vizekönige, haben in ihren Provinzen, ihre Verbotswut voll ausleben können.
    Zu befürchten ist, die EU wird aus den Zeiten des Viruses gestärkt hervorgehen. Die EU wird auf die Karte der "Klimarettung" setzen, und alle Grausamkeiten die während der China Virus Präsenz eingeführt wurden, wiederholen. Was sich
    einmal bewährt hat, auf das kann man sich verlassen, dass es wieder wirksam sein wird.
    Die EU wird eine anderen Bewährungsproben nicht bestehen, nicht überstehen. Die Konfrontation mit den globalen Mächten, den USA, Russland und China. Der wirtschaftlicher Niedergang der EU, ist eine Einladung an die Chinesen, das entstehende Vakuum zu füllen.






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