In den letzten Stunden konnte man sich über (fast) alle Entwicklungen, die aus Land, Europa und Welt gemeldet werden, freuen. Fast könnte man zum Glauben kommen, dass sich in der Welt am Schluss immer die Vernunft durchsetzt – wären da nicht die vielen anderen Tage. Aber heute kann man nur jubeln, insbesondere dieses Tagebuch kann es. Hat doch die Regierung nach dem üblen Halbkarfreitagspfusch genau jenen Vorschlag übernommen, der vorige Woche hier präsentiert worden ist. Jubeln kann man aber auch über den Ausgang des Konflikts Fußball vs. österreichische Staatsbürgerschaft; über einen kleinen Schritt der Deregulierung; über eine Schulschließung; über eine weitgehende De-facto-Rehabilitierung Karl-Heinz Grassers; über ein EU-Urteil zum "Halal"-Fleisch; über deutsche Urteile zu Attac und zur AfD; über eine Studie mit einem sensationellen Ergebnis, was unser Leben am meisten verlängert; über das Erwachen der französischen Bürgergesellschaft; und natürlich über die Verschiebung (oder gar Absage?) des Brexit.
Die elf Gründe zum Jubeln im Detail:
- Den größten Jubel hat zweifellos die Karfreitags-Lösung verdient, die nun bei allen Religionsgesellschaften (auch den prinzipiell immer regierungskritischen) wie auch der Wirtschaft Zustimmung findet. Dass Gewerkschaft und Opposition auch an der neuen Regelung alles schlecht finden, ist nun wirklich nicht überraschend, sondern geradezu selbstverständlich. Die Regierung übernimmt damit genau die im Tagebuch vorgeschlagene Lösung, dass jeder Religionsangehörige Anspruch auf Konsum eines Feiertags auf Kosten seines Urlaubskontos hat. Das ist angesichts der überdurchschnittlich hohen Urlaubsansprüche in Österreich absolut zumutbar und richtig.
Offen bleibt da lediglich die Frage: Warum nicht gleich? Braucht es wirklich immer Sebastian Kurz (und seine Rückkehr aus der weiten Welt), damit in der Regierung Nägel mit Köpfen gemacht werden? - Der nächste Jubel gebührt neuerlich der Regierung, und diesmal offensichtlich dem Vizekanzler an der Spitze. Er hat sich trotz seiner (Lieblings-)Rolle als Sportminister nicht dazu hinreißen lassen, für einen englischen Fußballer, der außer einer vor langem nach England gezogenen Großmutter absolut keinen Bezug zu Österreich hat, den rot-weiß-roten Pass zu erkämpfen. Zwar hätte ihn der Teamchef gerne für die Nationalmannschaft gehabt, aber die Regierung hat richtigerweise erkannt, dass es die Österreicher sehr kritisch sehen würden, wenn man bei der Vergabe von Staatsbürgerschaften weiterhin so schludrig wäre wie bisher. Daran ändert die bedauerliche, aber verkraftbare Tatsache nichts, dass dem heimischen Fußball Männer fehlen, die auch Tore schießen können ...
- Etwas gedämpfter fällt der Jubel darüber aus, dass die Koalition nun 31 Gesetze novelliert, um bürokratische Auswüchse des sogenannten Gold Plating zu reduzieren. Darunter versteht man den österreichischen Übereifer, bei der Umsetzung von EU-Richtlinien regulierungswütig noch weit über das Verpflichtende hinauszugehen. Allerdings: 31 klingt viel – aber es waren nicht weniger als 800 Gesetzesstellen, zu denen ein solches österreichisches Gold Plating bekannt worden ist. Aber immerhin: Man beginnt zu erkennen, dass die Überregulierung eines der zentralen Probleme Österreichs ist.
- Durchaus jubelnd kann man auch den Beschluss Saudi-Arabiens registrieren, die Saudi-Schule im dritten Wiener Bezirk zu schließen und die Kinder als Zeichen einer "besseren Möglichkeit und Chance zur Integration in die Gesellschaft" in öffentliche Schulen zu senden. Freilich darf man die doppelt arge Vorgeschichte nicht vergessen: In jener Schule waren erstens Schulbücher voll Judenhetze und Verschwörungstheorien entdeckt worden; das hat aber zweitens (noch ärgerlicher) der österreichische Verwaltungsgerichtshof 2016 als nicht ausreichend angesehen, um die Schule zu schließen – obwohl der Wiener Stadtschulrat das (richtigerweise) verlangt hatte.
Offen bleibt nur, warum die Saudis das tun: Deshalb, weil es auf Arabisch gar keine sauberen Schulbücher gibt? Oder als weiteres kleines Zeichen der millimeterweise (trotz aller grauslichen Ermordungen) vorankommenden Liberalisierung des Öl-Landes? - Erstaunt nimmt man die neueste Entwicklung im Grasser-Prozess zur Kenntnis. In diesen Jubel können zumindest all jene einstimmen, die den Hauptanklagepunkt gegen den einstigen Star von Schwarz-Blau immer schon für unglaubwürdig gehalten haben, dass er einem Bieter für die Buwog das Gebot der Konkurrenten verraten hätte. Und die über die mutmaßlich ideologisch getriebene Staatsanwaltschaft empört sind, die Grasser seit mehr als zehn Jahren mit diesem Vorwurf verfolgt und mit Erfolg sowohl politisch wie wirtschaftlich lahmgelegt hat.
Der damalige ÖVP-Staatsekretär Alfred Finz hat jetzt im Prozess berichtet, dass schon nach der ersten Bieterrunde im Juni 2004 aus den Unterlagen hervorgegangen sei, dass einer der Bieter für den Kauf der Buwog eine Bankgarantie über 960 Millionen hatte. Dieser Bieter hatte aber in der ersten Runde nur 822 geboten!
- Daher war es erstens mehr als berechtigt und im Interesse der Republik, dass Grasser eine zweite Bieterrunde verlangt hat (was ihm die Staatsanwälte hingegen als schwere Korruption vorwerfen).
- Daher war zweitens schon bei der ersten Runde – neben der Bank und Funktionären des unterlegenen Bieters – auch einem größeren Kreis im Finanzministerium die Bankgarantie in der Höhe von 960 Millionen bekannt, die Grasser laut Staatsanwaltschaft bei der zweiten Runde einem Konkurrenzbieter verraten haben soll (der dann 961 geboten hat). - Jubel hat auch der EuGH verdient, der jetzt festgestellt hat, dass "Halal"-Fleisch (bei dem Tiere lebendig verbluten müssen) nicht als "bio" verkauft werden darf. Das ist zwar eigentlich selbstverständlich, aber in Zeiten wie diesen …
- Auch dem deutschen Bundesfinanzhof ist zuzujubeln, der jetzt der linksradikalen NGO "Attac" die Gemeinnützigkeit aberkannt hat. Mit einer zwingenden Begründung: Attac arbeitet genauso tagespolitisch wie etwa Parteien, die ja auch keine Gemeinnützigkeit haben. Denn Attac versucht so wie die Parteien ständig, Meinung zu machen. Wobei man ja Parteien eigentlich wegen ihrer staatstragenden Arbeit in Legislative und Exekutive zehnmal mehr als gemeinnützig ansehen muss denn diese schon dem Namen nach eng mit Gewalttätigkeit verbundene NGO.
- Ähnlich zuzustimmen ist dem Verwaltungsgericht Köln: Es hat dem deutschen Verfassungsschutz verboten, die AfD öffentlich als "Prüffall" zu bezeichnen. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. Natürlich kann auch gegen dieses Urteil noch Berufung eingelegt werden. Aber dieses Urteil ist jedenfalls angesichts der Vorgeschichte schon mehr als demütigend für den Verfassungsschutz und die Regierung Merkel-SPD. Hat diese doch im Vorjahr den damaligen Chef des Verfassungsschutzes gefeuert, weil er – der Wahrheit verpflichtet – zu Chemnitz nicht das sagte, was die Regierung von ihm hören wollte. Kaum war er gefeuert, begann der von der Regierung an die Spitze gehievte neue Chef öffentlich zu erklären, dass er die AfD prüfen würde. Ein widerliches, aber halt sehr durchsichtiges Vorgehen.
- Jubeln darf man auch über die Franzosen (samt etlichen Politikern mehrerer Parteien), die einen Boykott der Sportartikel-Kette Decathlon veranstaltet haben, weil diese so wie Nike ein Kopftuch für Joggerinnen in ihr Sortiment aufgenommen und beworben hat. Es dauerte nicht lange, bis Decathlon die Kopftücher wieder entfernt hat. Langsam beginnt sich die Bürgergesellschaft zu wehren (und zu begreifen, dass sie etwas ganz anderes ist als die "Zivilgesellschaft", die nur ein Tarnwort für linke NGOs ist).
- Für alle Wertkonservativen gibt es einen weiteren und noch wichtigeren Grund zum Jubel: Eine gemeinsame Studie zweier Universitäten hat herausgefunden, dass nichts so sehr das Leben verlängert wie die Elternrolle, vor allem das Leben der Mütter. Zwar weiß jeder, der sich für die Elternrolle entschieden hat, dass das die positivste Entscheidung seines Lebens gewesen ist (selbst wenn es mehr passiert sein sollte als geplant). Aber die Deutlichkeit dieser Studie ist nun doch überraschend.
Jetzt darf man gespannt sein: Werden all die "Ärzte gegen das Rauchen", die im letzten Jahr den Gutteil der Antiregierungspropaganda getragen haben, nun auch eine Kampagne starten: "Bekommt Kinder, um euer Leben zu verlängern"? Oder werden sie von der Regierung verlangen: "Macht ein ähnlich massives Kinder- und Familienförderungsprogramm wie Ungarn"? Sie werden natürlich nicht, aber logisch wäre es eigentlich schon … - Und – ja, über die Briten jubeln heute wohl alle: Der lange drohende Hard Brexit ist fast schon vom Tisch. Die britische Politik scheint eine Verschiebung des Austrittsdatums anzusteuern, was ja auch die EU schon mehrfach angeboten hat. Damit besteht zumindest gewisse Hoffnung, dass die Briten doch dauerhaft in der EU bleiben – was freilich nur dann geschehen wird und kann, wenn sich die EU substanziell in jenen beiden Punkten ändert, die die Mehrheit der Briten zu ihrer Entscheidung beim (ersten) Referendum gebracht haben:
- Das ist einerseits die – auch für viele andere Europäer – unerträgliche Überregulierung, mit der sich die Brüsseler EU-Behörden schleichend zu den Alleinherrschern über die "Vereinigten Staaten von Europa" machen wollten, was den freiheitsliebenden Briten zutiefst zuwider ist.
- Das ist andererseits der britische Wunsch, die Personenfreizügigkeit für Ausländer etwas einbremsen zu können.
Gewiss: Das ist nur Hoffnung. Aber ab heute lebt sie wieder.
Ich verstehe nicht, warum die Briten unbedingt in der EU gehalten werden sollen. Die EU-Bürokratie ist so gigantisch, die wird immer linx/grün sein, egal was an Reformen versprochen wird. Genau so wird diese Bürokratie immer neue "Geschäftsfelder" entdecken, bis schließlich alles und jedes im zentralplanerischen Sinne geregelt und überwacht ist. Es reicht mir die völlig absurde Propaganda der linke Medien; jeden Tag wird eine neue Sau durch das Dorf getrieben, wonach die Briten verhungern und verarmen, sowie im Chaos enden werden – aber niemals steht eine Begründung warum das so sein soll. Solange diese Propaganda unwidersprochen tobt, kann man für die Briten nur auf einen raschen und vor allem gründlichen Austritt hoffen.
Es hilft nichts, aber für diese EU gibt es nur das klassische Dreipunkteprogramm: Raus, Raus, Raus.
Vielleicht setzt sich endlich die Erkenntnis durch, dass wir Bürger durchaus etwas bewirken können. Wir können eben mehr tun, als nur alle 5 Jahre ein Kreuzerl auf dem Wahlzettel zu machen.
Gerade in Österreich ist es relativ einfach, Politiker zu erreichen, was mit der hohen Durchdringung der Gesellschaft durch die Politik zu tun hat. Überdies habe ich den Eindruck, dass gerade diese türkis-blaue Regierung weit offene Ohren "nach unten" hat und sich sehr wohl dafür interessiert, was die Basis so denkt. Jeder kann hier mitmachen! Es gibt viele Möglichkeiten, das zu tun, ohne gleich Politiker werden zu müssen. Man kann Briefe an Politiker schreiben, man kann sich an Treffen von niedrigrangigen Kommunalpolitikern beteiligen und dort die Ideen zum besten geben. Um zu einer Bezirksparteiveranstaltung zu gehen, braucht man keine Einladung. Ganz im Gegenteil ist man dort gern gesehen, wenn die merken, dass sich Leute mit Hirn für Politik interessieren - und gemütlich sind diese Treffen, die oftmals in Wirtshäusern stattfinden, allemal. Gute Ideen werden "nach oben" weitergereicht, zumindest konnte ich diese Erfahrung machen.
Dr. Unterberger liefert uns täglich viele Ideen, mit denen wir die Politik anfüttern können.
Und es ist keine Frage der Anzahl der handelnden Personen. Rufen wir uns in Erinnerung, dass die Ehe für Alle von einer verschwindend kleinen, aber gut organisierten Minderheit durchgeboxt wurde. Man braucht eben nicht viele Leute, um etwas zu bewirken.
Tun wir es doch - es wirkt!
A.U. schreibt:
"Damit besteht zumindest gewisse Hoffnung, dass die Briten doch dauerhaft in der EU bleiben"
Hoffnung? Eher doch eine schlimme Befürchtung!
Nach all dem ständigen vernichtenden Schimpf durch die EU-Oberen und die übrigen EU-Länder sollten die Briten nun doch klein beigeben und ein zweites Referendum abhalten? Das könnte der EU so passen!
Sollten sich die Briten nun ganz lächerlich machen und reumütig in den kuscheligen EU-Schoß zurückkehren wollen wie ein kleines Kind, das einmal von daheim ausreißen wollte und nach hundert Metern verängstigt wieder umdreht?? In meinen Augen würden sie Gesicht verlieren!
Die EU würde triumphieren und es als Bestätigung empfinden, WIE wunderbar sie doch sei!
Nein, ich hoffe, die Briten sind zu stolz dazu, sich so jämmerlich zu verhalten. Und ich hoffe, daß diese Bresche dazu beiträgt, den Zerfall der EU zu beschleunigen.
Ich stimme in den Jubel ein-ausser beim letzten Punkt.Den Brexit revidieren zu wollen wäre ein Triumph dieser inzwischen links verkommenen EU.Und den Briten wirds ohne diese EU viel besse gehen!
Danke für die Aufzählung!
Bei der "Zivilgesellschaft" ist mir aufgefallen, dass es noch keine sinnvolle Alternative zu diesem inhaltsleeren linken Politblabla gibt.
Ich stelle den bürgerlichen Konkurrenzbegriff "Freie Bürgergesellschaft" vor.
Lassen wir den Linken ihre schrumpfen Zivilgesellschaft und freuen wir uns über die wachsende freie Bürgergesellschaft.
Ich juble auch mit. Allerdings nicht bei Punkt 2 und weniger beim Punkt 6.
Punkt 2 Leistungssportler: Man sollte die Verleihung von Staatsbuergerschaften fuer Leistungstraeger angesichts unserer Nachwuchsmisere begruessen, auch wenn es "nur" ein Kicker ist. Oder gibt es andere echte Gruende im Hintergrund, die dagegen sprechen?
Punkt 6 Halal-Fleisch: Auch wenn es nicht Bio ist, Halal-Verbluten gehoert verboten. Wo bleibt der Tierschutz?
Eine interessante Zusammenfassung, aber paar zaghafte Lichtstrahlen in der Dunkelheit, machen noch keinen Frühling. Ist Jubel, oder Skepsis angebracht ?
"Man beginnt zu erkennen, dass die Überregulierung eines der zentralen Probleme Österreichs ist", stimmt, absolut. Erkennen ist gut, aber wie werden die Taten zu Stande kommen ? Wer soll die Überregulierung stoppen ? So lange diese Regierung sich an die Entscheidungen des EU Politbüros hält, wird das nix mit der Deregulierung.
Deregulierung bedeutet eigentlich Subsidiarität. Ein Fremdwort für alle Regierenden, in Wien, Brüssel, Paris, Berlin. Zentralismus und sozialistische Planwirtschaft ist das Ziel der EU.
Deregulierung, konkret, für jedes neue Gesetz, werden drei andere liquidiert.