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Zehn Gebote für eine gute Zukunft Europas

Nur die wenigsten Menschen empfinden lebenslang stürmische Liebe für ein und denselben Menschen – obwohl sich die meisten danach sehnen. Aber wenn es nicht gelingt, aus wilder (meist hormonell initiierter) Leidenschaft eine ruhige, gefestigte, als selbstverständlich empfundene, vernunft- und kompromissgesteuerte Partnerschaft zu machen, dann wird die Beziehung scheitern. Dieses Scheitern heißt dann: Scheidung, hasserfüllte Frustrationsehe oder noch Schlimmeres. Genau dasselbe Muster findet sich auch in der großen Politik wieder, im Beziehungsgeflecht zwischen einzelnen Nationen, Regionen und Staaten. Dieses Muster und diese Ähnlichkeiten zu verstehen, ist vor allem in Hinblick auf die EU notwendig, wenn man ihre Vergangenheit begreifen und ihr eine gute Zukunft bauen will. Das zeigt diese kleine Geschichte der Vergangenheit und Zukunft Europas.

Die Zukunft Europas hängt nämlich nicht von der Häufigkeit inbrünstig abgespielter Beethoven-Takte oder der Zahl der flatternden Europafahnen ab. Sondern einzig davon, ob es gelingt, aus der Europäischen Union eine gefestigte, vernunft- und kompromissgesteuerte Partnerschaft zu machen, in der sich alle Beteiligten mit einem positiven Gefühl wiederfinden können, die kein alles erstickender Leviathan ist. Aber genau dieses Gelingen ist heute zweifelhafter denn je.

Der lehrreiche Rückblick

Wohin aber muss, wohin müsste Europa gehen, damit am Ende nicht nur Beziehungsfrust bleibt? Um eine Antwort auf diese zentrale Frage zu geben, muss man zuvor schonungslos die Vergangenheit und Gegenwart der europäischen Integration analysieren. Man muss vor allem begreifen, dass Integration nicht schon an sich ein Wert ist, sondern, dass sie nur in bestimmten Bereichen positiv ist.

Die Gründungsväter am Beginn der Integration wussten vermutlich um die Ähnlichkeiten zu Ehe und Partnerschaft. Sie wussten jedenfalls, wie wichtig es ist, schon bei den Erwartungen nüchtern zu bleiben und nicht zu glauben, dass der gesamte Horizont voller Geigen hängt, oder gar, dass das immer so sein wird. Daher legten sie bewusst den Erwartungshorizont niedrig. Daher sprachen sie nicht hochtrabend von "einer immer enger werdenden Union" wie die Europa-Utopisten der letzten zwei Jahrzehnte.

Sie gründeten vielmehr nüchtern eine "Wirtschaftsgemeinschaft", eine "Gemeinschaft für Kohle und Stahl" sowie eine für die zivile Nutzung der Atomkraft. Das waren handfeste Projekte ohne Gefühlsraserei. Aber: Die Gründungsväter waren gerade wegen ihres nüchternen Ansatzes erfolgreich.

Die Europa-Begeisterung wurde damals nicht von oben angeordnet, sie entstand ganz von selber in den europäischen Völkern. Auf Grund der jeweiligen Vorgeschichte der einzelnen Länder, also:

  • nach den zahllosen schlimmen wie unsinnigen Kriegen zwischen europäischen Völkern, vor allem zwischen Deutschland und Frankreich;
  • nach den geistigen Verheerungen durch den Nationalsozialismus;
  • nach der Verelendung von ganz Osteuropa in den vier kommunistischen Jahrzehnten;
  • nach der eunuchenartigen Isolation, in die Neutrale geraten waren;
  • nach der Enttäuschung über unfähige und korrupte Regierungen in mehreren Mittelmeerländern.

Wo die großen Fehler passiert sind

Heute jedoch ist bei Europas Völkern keine Begeisterungsraserei mehr zu spüren. Die wird nur noch von hauptberuflichen Eurokraten betrieben. Bei den Bürgern hingegen ist fast überall frustrierte Ernüchterung eingetreten. Sie haben entdeckt, dass die EU in vielerlei Hinsicht schlecht konstruiert ist. Sie spüren wachsenden Frust über diese EU. Aus verschiedenen Gründen, die sich in den folgenden sechs großen Linien zusammenfassen lassen:

  1. Zum ersten hat man voll naiver Begeisterung zu oft die mit einem Zusammenschluss verbundenen Nachteile übersehen oder verschwiegen. Man kann aber nicht nur die Vorteile lukrieren (wie höheres Wirtschaftswachstum in einem gemeinsamen Markt, Abbau der Grenzen, Hilfe für unterentwickelte Regionen), ohne auch die Nachteile in Kauf zu nehmen (Abgabe von Kompetenzen, Rückschläge für nicht wettbewerbsfähige Branchen).
  2. Zum zweiten hat man alle Vorteile durch Europa rasch als selbstverständlich angesehen, ohne sie noch sonderlich zu merken oder gar wertzuschätzen.
  3. Zum dritten hat man völlig übersehen, dass die offiziell ausgegebene Devise eines "immer engeren Zusammenwachsens" eine ständig voranschreitende Machtzentralisierung legitimiert, und dass dieses Ziel letztlich in einer straffen Diktatur münden müsste. Das besorgt die Bürger zunehmend.
  4. Sobald die europäische Machtelite aus der Wirtschaftsgemeinschaft auch eine politische Gemeinschaft zu machen versucht hat, hat sich zum vierten herausgestellt, dass viele Machtfragen ungeklärt sind.
    • Völlig ungeklärt ist etwa das Verhältnis eines angeblich demokratischen Europas zum Selbstbestimmungsrecht der Regionen und Völker, wie es etwa in Katalonien derzeit dramatisch gefordert wird.
    • Völlig ungeklärt ist das Verhältnis zur direkten Demokratie, obwohl diese der einzige Weg wäre, die Bürger wirklich einzubinden, hat die EU doch das groß propagierte Institut "Europäische Bürgerinitiative" zu einem Rohrkrepierer verkommen lassen.
    • Völlig ungeklärt ist auch das verfassungsrechtliche Verhältnis der EU zu den unteren Ebenen, etwa den Mitgliedsstaaten, die in jedem funktionierenden Staat durch eine Verfassung geklärt ist: So ist etwa in Österreich genau geregelt, welche Rechte der Bund hat und welche die Länder haben. Im EU-Vertrag, also der Verfassung der Union, ist das bis auf ein paar inhaltsarme Floskeln total ungeregelt geblieben. Dennoch regieren Kommission und Gericht ungestüm in den inneren Verfassungsbau der Mitgliedstaaten hinein:
      Etwa wenn Polen das Pensionierungsalter für Richter ändert;
      etwa wenn Ungarn die Regeln für Privatuniversitäten konkretisiert;
      etwa wenn Österreich von deutschen Studenten die gleichen Qualifikationen für den Hochschulzugang fordert, die diese bei einem Studium in Deutschland haben müssen, was aber eines Tages zentralistische EU-Institutionen als gleichheitswidrig bezeichnet haben (obwohl die EU gar keine Kompetenzen für die Unis hat!).
    • Völlig ungeklärt ist auch, wie und durch wen über eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik überhaupt entschieden werden sollte, von der aber in Sonntagsreden dauernd geredet wird.
    • Und ebenso ist völlig ungeklärt, wie die EU zusammenwachsen soll, wenn in dieser Union sowohl immerwährend neutrale Staaten wie auch Staaten Mitglieder sind, die ihre militärische Sicherheit in der Nato, im effektivsten Militärbündnis der Geschichte zusammengefasst haben – in dem aber auch Nicht-EU-Mitglieder wie die Türkei und die USA mit jeweils sehr eigenwilliger Politik dabei sind.
  5. Zum fünften haben die gemeinsamen, über den Mitgliedsstaaten stehenden EU-Institutionen ein unglaubliches Eigenleben entwickelt. Sie sind völlig von der Lust an der Macht und vom Regulieren gepackt worden. Sie greifen ohne Notwendigkeit auch in jenen Bereichen in das Leben von 500 Millionen ein, wo es absolut keine Notwendigkeit dafür gibt, wo ein solcher Eingriff keinerlei Vorteile für die europäische Integration bringt (Oder kann irgendjemand irgendeinen europäischen Integrationsnutzen beispielsweise durch die Abschaffung der jahrzehntelang völlig problemlos funktionierenden österreichischen Karfreitagslösung erkennen?).
  6. Und zum sechsten erkennen die Europäer, dass sich eine neue europäische Elite gebildet hat, die ihre eigene subjektive Wichtigkeit und Bedeutung ständig ausbaut. So wie es einst die Aristokratie in den Feudalstaaten getan hat. So wie auch demokratisch gewählte nationale Machthaber ihre eigene Macht ständig ausbauen, ist doch die ununterbrochene Flut neuer Gesetze ja nichts anderes als eine ständige Einengung der individuellen Freiheit der Bürger, der Familien, der lokalen und freiwilligen Gemeinschaften. Alle diese machtgierigen Eliten glauben immer, es wäre ohnedies alles nur zum Besten der Untertanen, was sie tun. Und sie sind sich nur selten bewusst, dass sie eigentlich nur die eigenen Machtgelüste bedienen.

Zwei oft übersehene Faktoren haben diesen tristen Zustand ausgelöst und ermöglicht, in dem sich die EU heute befindet:

Institutionell hat vor allem der EU-Gerichtshof diese Zentralisierung seit den letzten Vertragsänderungen vorangetrieben. Er ist zum wichtigsten Instrument der Machtanballung geworden. Seit sich dieser EuGH mehrmals auch über die deutschen Höchstrichter aus Karlsruhe hinweggesetzt hat, die der EU und der Zentralbank EZB eine Überschreitung der Kompetenzen vorgeworfen haben, hat der Zug Richtung ungebremster Zentralisierung keine funktionierenden Bremsen mehr.

Diese Entwicklung hat auch einen – ebenfalls wenig wahrgenommenen – ideologischen Antriebsmechanismus. Rund um die Jahrtausendwende haben nämlich (zuerst) die Sozialdemokraten und (dann) die Grünen ihre Haltung zur EWG/EG/EU komplett geändert: von total dagegen auf total dafür.

Als die Linken die EU übernommen haben

Die Linke war ja am Anfang dem Projekt skeptisch bis feindlich gegenübergestanden (ein damaliger SPÖ-Chef hatte es sogar als "Bürgerblock" denunziert). Inzwischen hat sich diese Haltung aber komplett gewandelt, nicht zuletzt weil in dieser Zeit die Linken das Übergewicht in Europa errungen haben. Das schien anfänglich auch eine durchaus positive Entwicklung zu sein, schon deshalb, weil sie viel Konfliktpotenzial herausnahm. Das führte dazu, dass die Absolventen linker Studienrichtungen, für die sonstwo kaum Nachfrage besteht, wie Politologen, Soziologen, Publizisten & Co zu Tausenden in die gut bezahlten europäischen Jobs strömten.

Aber dann zeigte sich, dass die Linke die EU keineswegs so fortführen wollte, wie diese von den Konservativen und Liberalen entwickelt worden war. Sie begnügten sich nicht damit, die EU von einer wirtschaftsorientierten Union zu ökologischen Möchtegern-Vorzugsschülern zu verwandeln, die plötzlich die "Klimarettung" als ihre Hauptaufgabe ansehen, die bei dieser "Rettung" (zum Gelächter der übrigen Welt) sogar Vorreiter sein wollen.

Die Linke will aber noch viel mehr: Mit einer zentralistisch vereinheitlichten EU und mit totalitärer  Regulierung kann das alte Ziel des "Proletarischen Internationalismus", der "Internationalen Solidarität", des Zurückdrängens und Auslöschens der nationalen Identitäten auch ohne die inzwischen fast ausgestorbenen Proletarier und ohne den "real existierenden Sozialismus" der Sowjetmacht effizienter denn je angesteuert werden.

Kurzer Themenwechsel in die Weltgeschichte: Diese zeigt, dass multinationale Großreiche, so mächtig sie auch scheinen, immer über kurz oder lang auseinanderbrechen. Auseinanderbrechen müssen. Die Beispiele reichen vom Römischen Reich bis zum deutschen Kaiserreich Karls des Großen (das mit über tausend Jahren bis zum Habsburger Franz II. am längsten von allen Reichen gehalten hat). Sie reichen von der Sowjetunion bis Jugoslawien, vom einstigen großen Reich der Schweden bis zur Tschechoslowakei des 20. Jahrhunderts. Auch die kolonialen Imperien der Briten, Franzosen oder Portugiesen gehören in diese Reihe ebenso wie die multinationale k. und k. Monarchie.

Die Ursachen ihres Zerfalls waren zwar in den Details unterschiedlich, aber im Grund immer sehr ähnlich: Man lebte sich auseinander; die Imperien übernahmen sich; sie litten an ihrer Größe, an einem "overstretching", wie es die englische Sprache anschaulich ausdrückt; die mit Gewalt zusammengehaltenen Völker fühlten sich zunehmend kolonialisiert und unterdrückt. Die zentrifugalen Tendenzen und das Freiheitsstreben wurden letztlich so stark, dass die Imperien zerfielen.

Dieser Prozess scheint sich immer wieder zu wiederholen. Siehe den Brexit, siehe die schottischen und katalanischen Sezessionswünsche, siehe die starken Wünsche Norditaliens, sich vom als fremd empfundenen Süden zu trennen. 

Small is beautiful

Ja, es zeigt sich sogar ganz eindeutig: Je kleiner eine staatliche Einheit, umso stabiler, umso lebensfähiger ist sie. Die Schweiz, Singapur, Hongkong, Luxemburg, Liechentstein oder die skandinavischen Staaten (und wohl auch Österreich, Ungarn oder Tschechien: Die Kleinen sind die erfolgreichsten; sie sind politisch stabil; sie sind funktionierende Rechtsstaaten (wenn dieser in Hongkong auch durch ein großes Imperium bedroht ist); sie sind sozial harmonisch und liegen wirtschaftlich in den meisten Rankings an der Weltspitze. Viele Statistiken zeigen, dass sich von den einst kommunistischen Staaten ausgerechnet die drei allerkleinsten weitaus am schnellsten entwickelt haben: Estland, Lettland, Litauen. Ähnlich exzellent ist auch die Entwicklung in der Mongolei verlaufen – sie ist zwar geographisch sehr groß, aber bevölkerungsmäßig besonders klein.

Dabei haben die meisten dieser Staaten keine Bodenschätze, die ihnen Reichtum bringen würden. Aber sie haben fleißige und fokussierte Menschen, die wissen, dass es nur auf ihre Leistung und ihren Zusammenhalt ankommt, dass ihnen keine imperiale Größe helfen kann. Sie wissen, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Sie identifizieren sich besonders eng mit ihrer kleinen Heimat. Sie haben eine weit höhere innere Harmonie als alle großen Staaten dieser Welt. Sie haben ein ihrer Situation total angepasstes System.

Und sie haben noch etwas: eine eindrucksvolle Offenheit, eine massive Orientierung hin auf Weltwirtschaft und internationalen Handel. Da sind sie plötzlich nicht mehr lokal, sondern sehr global. Und sie wissen zugleich, dass sie vom globalen Frieden abhängig sind, dass sie niemals zündeln dürfen, dass sie ständig konstruktiv zur globalen Sicherheit beitragen müssen, sei es durch eine eigene starke Armee, sei es durch kooperatives Einfügen in internationale Strukturen.

Genau diese Lehre aus dem globalen Exkurs führt nun wieder zurück zur EU. Diese Lehre sollte Europa helfen, den richtigen Weg in die Zukunft zu finden. In einem Satz: Je weiter unten Macht und Entscheidungen liegen, umso besser, umso stabiler, umso widerstandsfähiger ist ein System. Nur in zwei Bereichen ist es ganz anders: bei der Wirtschaft und bei der militärischen Sicherheit (oder mit anderen Worten: bei Handel und Frieden). Dort gilt: Je globaler, umso besser.

Das haben auch die Gründungsväter Europas genau gewusst. Der strahlende Anfang der europäischen Integration wurzelte in einer umfassenden Öffnung gerade und nur auf wirtschaftlichem Gebiet, beim Handel, bei der Öffnung der Finanzströme. Die Eigenstaatlichkeit, die kulturelle und gesellschaftliche Identität, die nationale Gesetzgebung, soweit sie nicht den Handel betraf, wurde hingegen in den ersten Integrationsjahrzehnten nicht angetastet. Wenn sich die EU dieser Polarität wieder besinnt, sieht auch ihre Zukunft nicht so trübe aus, wie es die eingangs skizzierten Entwicklungen erwarten lassen.

Daher sollten wir darum kämpfen, die EU wieder auf die richtigen Geleise zu bringen. Wir sollten das gerade aus der Kenntnis der skizzierten Gefahren und Fehlentwicklungen heraus tun.

Was wirklich wichtig ist

Das fast  einzig Wichtige für ein Gelingen Europas ist der gemeinsame große Binnenmarkt. Je freier es beim Austausch von Waren, Energie, Kapital oder Dienstleistungen zugeht, umso besser ist das für die Europäer. Nur darauf sollte sich Brüssel konzentrieren, und nicht auf absurde Überregulierungen aus einem naiven Gutmenschentum heraus.

In den genannten Bereichen ist der Binnenmarkt auch noch durchaus ausbaubedürftig. In einer anderen Abteilung des Binnenmarktes ist Europa aber eindeutig zu weit gegangen: nämlich bei der unbeschränkten Personenfreizügigkeit. Es war falsch, auch diese zum essenziellen Bestandteil des Binnenmarktes zu erklären.

Dieser Fehler bringt nämlich gewaltigen Sprengstoff. Denn die Überfremdung vieler europäischen Regionen löst unweigerlich negative Abwehrreaktionen bei den Menschen aus, die auch die positiven Bereiche bedrohen. Es wird zum Problem, wenn zu viele Deutsche ihre Pension auf Mallorca verbringen wollen, wenn Zehntausende Roma aus der Slowakei oder Rumänien in jeder westlichen U-Bahn-Station und vor jedem Supermarkt betteln. Es war der in Großbritannien ständig zitierte polnische Installateur und die Aversionen der Briten gegen ihn, die eine Schlüsselrolle in der Anti-EU-Propaganda vor dem Brexit gespielt haben.

Zum endgültigen Sprengstoff ist die europaweite Personenfreizügigkeit aber geworden, als einige EU-Staaten – aus Naivität, aus Gutmenschtum, aus Schwäche der Staatsapparate, aus linker Ideologie heraus – die Tore für Millionen Migranten aus Afrika und Asien ins europäische Wohlfahrtsparadies geöffnet haben. Da die Briten genau zum Höhepunkt der Migration über einen Brexit abgestimmt haben, haben die Bilder, auf denen die Migrantenmassen an den österreichischen Grenzen die Polizisten zur Seite geschoben haben, dann endgültig den Sieg des britischen Austritts-Referendums sichergestellt.

Ein Weitergehen dieser Entwicklung und die gleichzeitige Untätigkeit der EU-Kommission könnten mittelfristig überhaupt den Todesstoß für die europäische Integration bedeuten.

Den wir aber vernünftigerweise unbedingt verhindern sollten. Daher seien zum Abschluss zehn Gebote formuliert, mit deren Hilfe Europa doch noch einen guten Weg gehen könnte, mit deren Hilfe die EU wieder so populär und beliebt werden könnte wie einst die EWG. Gewiss klingen manche dieser Wünsche utopisch. Aber ohne die Verwirklichung positiver Utopien wird es mit der EU ganz sicher weiter bergab gehen. Bis sie ganz zerschellen könnte.

  1. Entwicklung eines Binnenmarkts ohne die jetzige totale Freizügigkeit für Personen innerhalb der EU. Eine solche Konstruktion sollte zumindest in einem äußeren Kreis rund um eine Kern-EU ermöglicht werden. Wichtig ist jedenfalls die volle Gleichberechtigung aller Teilnehmerländer. Dies würde so wichtigen Staaten wie Großbritannien (wieder) oder der Schweiz (erstmals) ein Heranrücken an die Union ermöglichen.
  2. Die EU wird zu einer Verteidigungsgemeinschaft wie die Nato: Das heißt, ein Angriff auf ein EU-Land wird automatisch von allen anderen behandelt, wie wenn sie selbst angegriffen worden wären. Das heißt nicht, dass ein Bruch mit den USA anzusteuern ist, die ja derzeit die Nato zusammenhalten. Das heißt aber, dass Europa künftig auf Augenhöhe mit ihnen zusammenarbeiten soll. Das heißt, dass die Europäer auch mehr für die eigene Sicherheit ausgeben müssen (während derzeit nur noch – ausgerechnet! – Großbritannien eine funktionierende Armee hat). Das heißt aber auch, dass Länder wie Österreich ihr ständiges sicherheitspolitisches Schwarzfahren aufgeben müssen, das sie Neutralität nennen. Sie sollten alle an dieser Sicherheitsgemeinschaft mit gleichen Rechten und Pflichten teilnehmen müssen.
  3. Europa tut künftig alles, um die illegale Migration zu stoppen. Da die Errichtung von Stacheldrähten an allen Küsten absurd und unerträglich wäre, muss der Abschluss von Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern der Migranten zur Toppriorität der EU-Kommission werden. Drittweltländer, die nicht all ihre Migranten zurücknehmen, bekommen keine Entwicklungshilfe, keine sonstige Unterstützung und keine Visa.
  4. Asyl wird auf die wenigen Fälle der Flüchtlingskonvention reduziert, also nur noch jenen gewährt, die persönlich aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt werden. Auch ihnen wird nur solange Asyl gewährt, wie die Bedrohung besteht. Es gibt daher auch keinen Familiennachzug.
  5. All die irrsinnigen, darüber hinausgehenden Hilfestellungen durch die europäischen Höchstgerichte für die Migration werden durch eine neue Konvention gestoppt. Diese muss auch Abschiebungen in jene Länder ermöglichen, wo die Menschen weniger gut als in Europa behandelt werden.
  6. Das von Sebastian Kurz mehrfach vorgeschlagene australische Modell: Mit militärischer Hilfe aller EU-Staaten werden Anlandeplattformen in jenen nordafrikanischen Ländern durchgesetzt, die den illegalen Durchzug zum Mittelmeer ermöglicht haben. In diese Plattformen werden all jene gebracht, die nicht in ihre Heimatländer rückgeschoben werden können, etwa weil diese unklar bleiben. Mit Realisierung dieser vier Maßnahmen wird die Völkerwanderung binnen weniger Monate zum Stillstand kommen – aber nur durch sie.
  7. Neben Binnenmarkt, Verteidigung und Kampf gegen illegale Migration machen die europäischen Länder die Demographie zu ihrem vierten Mega-Schwerpunkt, so wie es soeben Ungarn getan hat. Das bedeutet massive Förderung von Familien mit Kindern, um das Aussterben Europas zu stoppen. Das ist die notwendige Folge des Irrtums, dass die Drittwelt-Migranten die europäische Lücke an qualifizierten Fachkräften schließen könnten.
  8. Europa respektiert seine Völker und Ethnien. Es schafft daher einen geordneten, friedlichen Weg zur Selbstbestimmung, der auch die Sezession aus den derzeit bestehenden Staaten ermöglicht. Hierfür ist die perfekt gelungene Trennung der Tschechoslowakei ein Vorbild.
  9. Europa weiß, dass es eine gemeinsame Sprache braucht, wenn es funktionieren soll. Das kann nur das Englische sein – wie es die Osteuropäer in den letzten 30 Jahren perfekt erkannt haben. Deshalb wird Englisch in allen EU-Länder obligatorisch die zweite in Schulen neben der Landessprache gelehrte Sprache.
  10. Europa schafft eine sehr schlanke Verfassung mit präzise festgehaltenen Pflichten der einzelnen Staaten in Sachen Demokratie, Rechtsstaat und Selbstbestimmungsrecht. Darüber hinaus darf es keinerlei Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten geben, wie es etwa zuletzt die an Franz Kafka gemahnenden Verfahren gegen Polen oder Ungarn waren, nur weil etwa Ungarn bei Verfassungsänderungen nicht eine (nie rechtlich definierte) "Zivilgesellschaft" befragt hat.

Gewiss, auch ich weiß, dass da vieles utopisch ist. Dass manche Leser über den einen oder anderen Punkt erstaunt sein werden. Dass man zusätzlich eine mindestens ebenso lange Wunschliste an den Euroraum als Untergruppe der EU und an die Zentralbank EZB formulieren müsste.

Aber ebenso gewiss ist, dass nur in die Richtung dieser Utopien ein Überleben eines gemeinsamen Europas möglich sein wird. Europa muss seine Bürger überzeugen. Und das kann es nur, wenn es liefert, wenn es in jenen Bereichen, wo es Gemeinsamkeit wirklich braucht, diese energisch vorantreibt. Wenn es zugleich Tausende überregulierende, Prokrustesbett-artige Richtlinien wirklich kübelt. Wenn es von Subsidiarität nicht immer nur redet, sondern wirklich Kompetenzen in die kleineren Gemeinschaften zurückverlagert.

Jene Eurokraten, die immer noch erwarten, ja verlangen, von den Menschen Europas geliebt zu werden, statt endlich ein nüchternes und sachliches, aber Mut erforderndes Fundament zu zimmern, auf dem die Menschen mit ihnen wieder eine gemeinsame Zukunft haben könnten, werden eines Tages die schockierende Wahrheit hören: Das britische Scheidungsbegehren wird nicht das letzte gewesen sein. Zumindest dann nicht, wenn es den Briten nach dem Trennungsschmerz in zwei Jahren wieder gut und frei gehen sollte.

Dieser Text ist in ähnlicher Form im Magazin "Frank und Frei" erschienen.

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