Bei Umfragen sind die Ungarn bei den Österreichern immer beliebter als ihre slawischen Nachbarn. Das ist irgendwie verwunderlich. Findet man doch im Wiener Telefonbuch viel mehr Namen tschechischen, slowakischen oder slowenischen als ungarischen Ursprungs.
Die Österreicher haben mit Tschechen wie Slowenen sehr traumatische Perioden durchgemacht: jugoslawische Gebietsforderungen und Soldaten auf Kärntner Boden nach beiden Kriegen sowie die brutale Vertreibung von fast drei Millionen altösterreichischen Deutschen aus der Tschechoslowakei nach 1945. Auch während des Kommunismus war die Grenze Österreichs zur Tschechoslowakei viel blutiger als die zu Ungarn. Mit Jugoslawien war die Stellung der in Österreich lebenden Slowenen ein ständiger Streitpunkt, mehrfach kamen Bombenleger aus Süden nach Österreich.
Zwischen Österreich und Ungarn war die Grenze hingegen vergleichsweise ruhig. Auch war – nicht nur im österreichischen Narrativ – diese Grenze die erste, an der 1989 der Eiserne Vorhang aufgebrochen worden ist. Das wird durch das damalige Paneuropa-Frühstück und ein Photo der beiden Außenminister beim Aufzwicken des Zaunes symbolisiert.
Vor allem aber war 1956 für die beiderseitigen Emotionen positiv prägend. Für Ungarn war Österreich damals das einzige Tor zur Freiheit. Für Österreichs Selbstbild war 1956 die große Bewährung der eigenen, erst im Jahr davor wiedererrungenen Souveränität und der Hilfsbereitschaft des ganzen Volkes für die Vettern jenseits der Grenze.
Auch in der Folge verstanden es beide Länder, trotz des Kalten Krieges halbwegs ordentliche Beziehungen zu unterhalten. Ich erinnere mich etwa an die damalige Häufigkeit von Fußball-Länderspielen Österreich-Ungarn, die von Zeitungen als Begegnung zweier „Erbfeinde“ bezeichnet wurde, was aber freundschaftlich gemeint war.
Nur noch wenige geschichtsbewusste Österreicher erinnern sich hingegen jenseits des Operettenkitschs an die österreichisch-ungarischen Probleme der Monarchie-Jahre. Fast nur noch in Ungarn ist etwa die blutig niedergeschlagene Revolution 1848 und die folgende neoabsolutistische Herrschaft Wiens geistig präsent. Im österreichischen Bewusstsein findet man erst 1867 mit dem „Ausgleich“ – und die darauf folgenden Probleme, die Österreich und das Herrscherhaus mit den sehr selbstbewusst national auftretenden Ungarn hatte. Die österreichische Geschichtsperspektive sieht vor allem im ungarischen Veto die Ursache für das Scheitern aller Versuche (etwa Franz Ferdinands), den k.k. Slawen mehr Gleichberechtigung zu geben. Manche meinen nach dem Motto „Was wäre wenn“ sogar, dass der Vielvölkerstaat eine Überlebensperspektive gehabt hätte, wenn ein Trialismus den Dualismus abgelöst und den Slawen Gleichberechtigung gegeben hätte.
Zurück zur Wende nach 1989. Wie sind danach Österreich und Ungarn miteinander umgegangen? Wieder enttäuschend. Lediglich in ganz wenigen Jahren nach der Jahrtausendwende gab es durch eine enge Kooperation zwischen den Regierungschefs Dzurinda, Orban und Schüssel eine wirkliche nachbarschaftliche Freundschaft. Aber das war offensichtlich nur mit diesen Akteuren möglich, die dann alle bald ihr Amt verloren.
Für Ungarn waren hingegen die Kooperation der Visegrad-Vier und der gemeinsame Weg in Nato und EU) weit wichtiger. Visegrad zeigt jetzt in der Flüchtlingskrise eine erstaunliche Intensität und Qualität. Österreich ist es nie gelungen, da als Partner dazuzustoßen. Es hat dies aber fatalerweise auch nie ernsthaft versucht. Visegrad wird primär als Selbsthilfegruppe von Staaten mit ähnlichen Transformations- und Reformproblemen gesehen. Wien hat nie die spannende europäische Perspektive dieser Plattform erkannt, die die Bedeutung von Benelux oder Skandinavien haben könnte. Freilich war Visegrad eine Zeitlang auch durch die Politik Polens marginalisiert, das auf eine Achse Paris-Berlin-Warschau gebaut – und sich damit wohl ein wenig überschätzt hat.
Alle anderen Versuche einer Kooperation in diesem Raum, etwa die Zentraleuropäische Initiative, waren von vornherein Totgeburten.
In den allerletzten Jahren gibt es eine Fülle neuer Probleme. Zuerst war Österreich nicht ganz zu Unrecht verärgert, dass Ungarn recht einseitig relativ drastische ökonomische Maßnahmen gegen österreichische Banken, Handelsketten und Bauern gesetzt hat, die man als Verletzung des Geistes guter Nachbarschaft und auch der Gesetze der EU ansieht. In Österreich hat man ja geglaubt, dass die Tausenden Kooperationen großer, aber vor allem kleiner Unternehmen über die Grenze hinweg eigentlich zum beiderseitigen Nutzen wären. Daher fühlt man sich auch im bürgerlichen Lager von Ungarn ausgetrickst. Und es war weit und breit kein Wolfgang Schüssel mehr in Regierungsfunktion, der mit Viktor Orban die Dinge vielleicht besser regeln hätte können.
Umgekehrt hat sich Österreich dummerweise völlig ungebremst in die völlig absurde Kampagne der europäischen Linken einspannen lassen, die nach den dramatischen Wahlniederlagen der ungarischen Sozialisten und einigen durchaus sinnvollen Verfassungsreformen in Ungarn behauptet hatte, dass in Ungarn Rechtsstaat und Demokratie suspendiert wären. Zu allem Überdruss hat sich dann der Sozialdemokrat im Wiener Bundeskanzleramt, Werner Faymann, an die Spitze jener Hetzer gestellt, die den Zaunbau Ungarns an den Grenzen zu Serbien und dann Kroatien öffentlich denunziert haben. Faymann verstieg sich sogar zu dem wahnwitzigen Vergleich Ungarns mit dem Holocaust.
Die Geschichte hat aber immer ihre erstaunliche Dialektik: Genau dieser Zaunbau und der ungarische Erfolg beim Stopp der Völkerwanderung haben in der österreichischen Bevölkerung (wenn auch nicht bei den Mainstream-Medien) zu einem historischen Hoch der Wertschätzung für Ungarn geführt. Tenor: „Viktor Orban ist der einzige europäische Politiker, der nicht redet, sondern im Interesse seines Landes handelt.“
Im Interesse seines Landes. Damit sind wir beim größten Unterschied zwischen Ungarn und Österreich. Ungarn hat eine klare und tief verankerte nationale Identität, die gerade durch Demütigungen wie jene der Jahre 1848, 1920, 1956 zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Österreich hingegen hat eine mehrfach gebrochene Identität. In den letzten Jahrzehnten der Monarchie bestand die Bruchlinie vor allem im Identitätskonflikt habsburgisch gegen großdeutsch. Nach den Weltkriegen gab es eine weitere Bruchlinie durch die Kriegs-Mitschuld-Debatten. Seit 1955 kam dazu der nie wirklich bewältigte Zwist zwischen Neutralität und westlicher Wertegemeinschaft. Und seit 1945 gab es zwar erstmals ein mehrheitliches Ja zur österreichischen Nation. Aber skurrilerweise bildete sich gerade dann die absolut gleiche Kluft wie in Deutschland.
Einerseits die politisch-mediale Herrschaftsklasse, die Werten wie Nation (egal ob österreichisch oder deutsch), Volk oder Heimat absurderweise die Schuld am Holocaust zuschiebt.
Andererseits die große Mehrheit der Bevölkerung mit einer klar österreichischen Identität.
Das führt heute zu einer noch viel tieferen Kluft angesichts der Massenimmigration von Moslems (jetzt schon ist eine halbe Million in Österreich islamisch): Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt diese klar ab. Die Herrschaftsklasse glaubt hingegen, durch ein Ja zur Einwanderung eine moralische Schuld abarbeiten zu müssen.
Aus all diesen innerösterreichischen Brüchen heraus ist das Land derzeit unfähig, auch nur mit einem einzigen seiner Nachbarn wirklich eng und innig befreundet zu sein.
Dieser Beitrag ist in einer ungarischen Übersetzung in der Zeitschrift "Bécsi Napló" (Wiener Diarium) erschienen, die europäisch ausgerichtet und der pluralistischen Demokratie verpflichtet ist.
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Die Ungarn waren immer schon ein stolzes Volk gewesen, das sich nicht, wie die Slawen, zu Dienern machen hat lassen (die allerübelste Form, ein Riesenvolk zu knechten, schamlos auszubeuten und zu Dienern herabzuwürdigen, hatten übrigens die arroganten Briten mit Verve betrieben---man denke nur an Indien!)
Diese stolze Wesensart der Magyaren imponierte immer schon den eher zur Devotheit neigenden Österreichern. Auch im Kommunismus verstanden es die Ungarn, sich ihr von den Siegermächten aufgezwungenes Schicksal zu erleichtern, wo immer es ging. So hatte, im Gegensatz zu den anderen kommunistischen Bruderstaaten, JEDER UNGAR ein kleines einträgliches privates "Nebengeschäft", um sich die Butter aufs Brot zu verdienen. Sie ließen sich also auch zu unseligen Kommunismuszeiten nicht blindlings knechten.
Und jetzt ist es Viktor ORBAN. der uns Österreichern größte Bewunderung abringt! Orban läßt sich nicht zum EU-KNECHT verbiegen---er hat aus dieser immer noch weiter anhaltenden Völkerwanderung sein Volk mit UMSICHT konsequent herausgehalten und damit einen Weitblick gezeigt, der allen anderen EU-Politikern abgeht---von Faymännchen rede ich erst lieber gar nicht, denn diesen politischen Zwerg, der sich am Rockzipfel Angela Merkels festklammert (obwohl ich diese noch nie in einem Rock gesehen habe!), kann man nicht ernst nehmen.
Einen Mann an der Spitze wie Viktor Orban kann sich jedes Volk nur neidvoll wünschen!
PS: A.U. schreibt: "...die brutale Vertreibung von fast drei Millionen altösterreichischen Deutschen aus der Tschechoslowakei nach 1945."
Früher, als die Erinnerung noch frisch war, sprach man noch von DREIEINHALB Millionen vertriebener altösterreichischer Deutscher---warum nur werden die Zahlen der DEUTSCHEN OPFER nach 1945 immer NACH UNTEN REVIDIERT, während man bei anderen Opfern schon einmal eine Null VOR das Komma setzt?
1) ein herzliches Dankeschön für diesen fundierten Tagebuchkommentar!
2) Es war Alois MOCK, der als Außenminister die Wichtigkeit guter nachbarschaftlicher Beziehungen erkannte und darnach handelte. In Ungarn, Slowenien, Kroatien ist sein Name heute noch geschätzt und Synonym für die Freundschaft mit Österreich.
3) Schüssel konnte darauf aufbauen und tat dies auch.
4) Die nachfolgenden sozialistischen Bundeskanzler haben alle diese Boni leider verspielt. Seien wir ganz ehrlich: wo in der EU finden sich heute Staaten, die wir als echte politische Partner Österreichs bezeichnen können? Mit Faymanns Attacken auf Ungarn und seiner mehr als dummen Meinung in der Flüchtlingskrise ist es ihm gelungen, unsere Sympathien bis ins entfernteste Baltikum zu verspielen.
Seine lächerliche Anbiederung an Tante Angela hat im Gegenzug unseren unmittelbaren Nachbarn Bayern in Rage versetzt ...
5) Einzig Außenminister KURZ hat in dieser Regierung noch genug Hausverstand und versucht zu retten, was noch zu retten ist. Was - natürlich - automatische Abwehrreflexe bei den GenossInnen auslöst. Nach dem Motto, nicht "my country first!", sondern "Parteipolitik und linke Ideologie first!".
Das sind die Sahnehäubchen auf die "normalen" Unterberger-Kommentare.
Die Verlierer des WKI waren Österreich und Ungarn. Nachdem WKll kamen die Beneš Dekrete durch die Rassenpolitik der Alliierten zur Geltung, die wiedergeben Ö und U gerichtet waren. Die Verlierer schweißte die Ungerechtigkeit zusammen. Die anderen Nachbarn Österreichs gehörten zu den Siegern.
Die EU setzt die Politik der Alliierten fort, zusammen mit einem rechtlosen Deutschland. Bei jeder Gelegenheit geht die EU gegen Österreich und Ungarn los. Bei uns wurde der Schulabbrecher Faymann installiert, der auf alles "Ja" sagen muß,das er keine eigene Meinung hat. In Ungarn waren wir immer willkommen, in der Tschechei nie!
Ungarn griff zur Notwehr, wählte Orban und hat es gut.
Derselbe linksgrüne politkorrekte Pöbel (großteils steuergeldfinanziert von den von ihm zutiefst verabscheuten bürgerlich-rechten Kreisen), der den Akif absichtlich falsch zitiert hat, ihn quasi durch Zerstören seiner wirtschaftlichen Existenz zum Verlassen des Landes zwingt und seine Bücher öffentlich verbrennt, weil er KZ gesagt hat, feiert den Werner als demokratische Lichtgestalt, wenn er dasselbe tut.
Wobei der Werner froh wäre, wäre sein Gesagtes ein einziges Mal so hintergründig und relevant, daß es überhaupt einmal falsch zitiert werden könnte.
Ansonsten: ex oriente lux. Denn vom verschwulten, infantilisierten Europa ist nichts mehr zu erwarten jenseits des Dogmas "Hauptsache, alle haben sich GANZ viel GANZ lieb." Bequeme Verschubmasse für den Hegemon USA im globalen Schachspiel.
Es wird Zeit, daß sich diese vom linken Pöbel so verabscheuten Bürgerlichen aufraffen und diese parasitären Phänomene abschütteln. Angefangen von jenen intellektuellen Kreisen, die sich derartig Abstruses audenken wie die Institution des "Gedenkdieners" bis hin zu den Tausenden von Klima-, Gender-, Migrations- und GleichstellungsexpertInnen...
Viktor Orban ist in Wahrheit der Held der EVP. Beim Kongress der Europäischen Volkspartei in Madrid wurde er frenetisch bejubelt, während die armselige Pastorentochter aus dem Osten verschnupft in der Ecke verharrte, sie konzentrierte sich halt auf die Wirtschatfspolitik von der die Dame null Ahnung hat. Denn bisher hat sie alles, was sie angegriffen hat, runiert!
Leider reichen Faymanns kognitive Fähigkeiten maximal für sozialistische Ideologien und nicht für Diplomatie. Darum müssen wir mit der politischen Kluft, die uns der "Clown Europas" speziell gegenüber Ungarn eingebrockt hat, leben. Die ÖVP hat sich übriges auch nicht sonderlich angestrengt um den Disput auszuräumen sondern feig mitgemacht.
Privat merkt man davon zum Glück nichts. Im Gegenteil, in Ungarn erscheinen mir die Menschen wesentlich freundlicher als z.B. in Wien.
Ja, und hätten die Ungarn nur ein paar Höhenmeter mehr aufzuweisen, würden sich die Österreicher dort stauen. Egal welche politische Führung im jeweiligen Land vorzufinden wäre. ;-)