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Obamas allzu teurer Sieg

Die Schlacht ist geschlagen – und viel knapper gewonnen worden, als zu vermuten war. Ein Twitter-Kommentar hat pointiert formuliert, was es in dieser Wahl wirklich zu gewinnen gab. „Erster Preis: Du verlierst die Wahl. Zweiter Preis: Du beschäftigst Dich mit dem gesetzlichen Budgetnotstand, dem Iran, den Staatsschulden, Pakistan, der Bildungsfrage, China etc. etc.“ Das muss Barack Obama nun weitere vier Jahre tun – darum ist er nicht zu beneiden.

Die Probleme, die auf Obama immer noch warten, hat das Tagebuch bereits eingehend analysiert. Mindestens bis zu den „Mid-Term-Elections“ in zwei Jahren wird er dabei seine Grenzen vom politischen Gegner diktiert bekommen, der den Kongress weiterhin regiert. Status quo also. Und damit wird das Faszinierende an Obama, das bezeichnenderweise bei der Siegesrede erstmals wieder aufgeblitzt ist, schnell wieder an der Realität zerschellen. Obama hat sich immer als Einiger verstanden, er will die Vereinigten, die Einigen Staaten. Diese Hoffnung, dieses Selbstverständnis haben ihn getragen. Wie bei der ersten Wahl hat er auch diesmal rhetorisch versucht, den Gegner nach geschlagener Schlacht auf das gemeinsame Große einzuschwören.
Vergebens. Vor vier Jahren hat er damit die Tea Party Bewegung geerntet. Auch diesmal wird er wohl scheitern – die USA sind ein zutiefst zersplittertes Land, gesellschaftliche Gräben werden immer größer. Und Obamas Agenda – Reform des Steuersystems, Reform der Immigrations-Gesetzgebung und Kampf der explodierenden Staatsschuld – wird nicht zum Abbau dieser Gräben beitragen.
Worüber sich die Amerikaner aber wirklich Gedanken machen müssen – und einige große Köpfe wie Francis Fukuyama tun das sehr intensiv -, ist wohl die Frage, wie demokratisch eine Demokratie eigentlich noch ist, wo der Erfolg davon abhängt, wer die meisten Wahlkampf-Milliarden aufbringt. In 94 Prozent aller Fälle, so stellt sich bei einer Analyse der Präsidentschafts- und Abgeordnetenwahlen heraus, gewinnt der Kandidat, der sich die meiste TV-Zeit kaufen kann.
Das kann so skurrile Blüten treiben wie die Tatsache, dass im Oktober für die Diskussion der vier finanziell schwachen Kandidaten kleinerer Parteien (immerhin ein früherer Gouverneur von New Mexico, der frühere Bürgermeister von Salt Lake City, ein früherer Kongress-Abgeordneter und ein Arzt) nur ein leistbarer TV-Sender gefunden werden konnte – ausgerechnet Al-Jazeera.
Aber die Wahlkampf-Milliarden-Rekorde verpflichten auch: Darf für Obama noch zählen, was die Wähler von ihm erhoffen, oder muss er nun für die Unterstützung zahlen und tun, was seine Geldgeber von ihm erwarten? Eine Frage, die für jeden Repräsentanten und Senator ebenso zu stellen ist. Wer zahlt, schafft an?
Hier hat das demokratische Musterland, das die USA immer sein wollen, riesigen Handlungsbedarf. Und für uns sollte bei allem Anlass zur Politiker-Verdrossenheit das Beispiel USA eine Warnung sein, Diskussionen, wie Demokratie zu finanzieren ist, ernsthaft und fernab von Populismus zu führen.

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