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Wenn der Staat mit Verbrechern packelt

Deutschland wird also gestohlene Bankdaten kaufen, um Steuersünder zu überführen. Über diese Entscheidung der Regierung Merkel kann man sich als jemand freuen, der in Sachen Steuern eigentlich glaubt, ein recht gutes Gewissen zu haben. Oder?

Schließlich hat man sich als Steuerzahler oft genug über andere Mitbürger geärgert, die in großem Umfang ihre Abgaben hinterziehen. Dadurch wird die Last auf jenen nur noch größer, die korrekt zahlen. Oder die halt keine Möglichkeit für Hinterziehungen haben. Endlich geht es einigen Übeltätern  an den Kragen.

Und ebenso natürlich sind für Deutschland die durch die gestohlenen Daten nun eintreibbaren Steuern ein Geschenk des Himmels, so verzweifelt sind die dortigen Staatsfinanzen - wie in vielen anderen Ländern. All das bisher Gesagte gilt wohl jedenfalls bald auch für Österreich.

Trotzdem ist diese Entscheidung der Berliner Regierung alles andere als erfreulich. Denn der Staat wird auf diese Weise zum Hehler, zum Profiteur eines Verbrechens. Viele andere Bankangestellte und EDV-Verantwortliche werden nun Wege entwickeln, wie sie ihr berufliches Geheimwissen ebenfalls zu Geld machen können. Und da muss ja nicht mehr unbedingt der deutsche Finanzminister der Profiteur sein. Damit ist die Erpressung von Einzelpersonen zwar noch nicht offiziell aus dem Strafgesetzbuch entfernt, aber durch konkludentes Verhalten des größten und so gerne moralisch auftretenden europäischen Staats in einer vergleichbaren Situation eigentlich legitimiert.

Aber nicht nur dieser Aspekt - also das ungenierte Auftreten von Staaten als Profiteure eines Verbrechens - macht die Sache so ärgerlich. Denn es sind meist die gleichen Politiker, die nun für den Kauf der gestohlenen Bank-Dokumente sind - als erste haben sich keineswegs zufällig die Sozialdemokraten dafür ausgesprochen -, die noch tags davor lautstark für den Datenschutz eingetreten sind. Also gegen Überwachungskameras in Stiegenhäusern oder öffentlichen Plätzen, gegen Rasterfahndung oder gegen Körperscanner auf Flughäfen.

Dabei geht es bei diesen Beispielen um die Ermöglichung gesetzmäßiger Maßnahmen zum Schutz gegen Gewaltverbrechen. Während eben der deutsche Datenkauf unbestreitbar eine gesetzwidrige Handlung im Kampf gegen Wirtschaftsverbrechen involviert. Logisch oder gar moralisch stringent ist das nicht.

Der deutsche Datenkauf heißt letztlich nichts anderes als: Datenschutz ist dann pfui, wenn der sich vor Kriminalität fürchtende Bürger dadurch geschützt würde. Er ist dann super und erlaubt, wenn der Fiskus profitiert. "Quod licet Iovi …"

Das ist eine ärgerliche Provokation und noch ein Schritt weiter weg vom liberalen Rechtsstaat, in dem auch der Obrigkeit Grenzen gesetzt sind, und hin zur totalitären Allmacht des Staates. Wenn Hehlerei (und Anstiftung zu weiteren Diebstählen) erlaubt sind, um Steuerhinterzieher zu überführen, dann ist zweifellos auch der Weg frei, mit Folter Geständnisse zu erpressen. Denn ab nun gilt ja: Der Zweck heiligt die Mittel.

Und noch etwas verärgert zutiefst: Schon wieder wird die Optik erzielt, als ob die Bürger die Schuldigen an der Finanzkrise der Staaten wären. Und nicht primär die grenzenlose Misswirtschaft, die vielen völlig überflüssigen und sinnlosen Gesetze und Verordnungen, die vielen unterbeschäftigten Beamten, die vielen Gesetze, die nur zur Bestechung einzelner Wählergruppen geschaffen wurden, die Feigheit, notwendige Strukturreformen in Angriff zu nehmen.

Das alles erinnert mich  an ein brillantes Buch, das ich unlängst gelesen habe: Es zeigte Schritt für Schritt, wie am Beginn des Mittelalters die einst freien Bauern von Rittern unterjocht, ausgebeutet und schließlich zu rechtlosen Leibeigenen degradiert wurden. Immer unter dem Prätext, wie wichtig die Rolle des - in Wahrheit oft prassenden - Adels zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung wäre. Wie wird sich der weitere Verlauf der Geschichte wiederholen?

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