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Wie kommt es zu den steigenden Wohnkosten? drucken

Entwicklung der Miet- und Kaufpreise von Wohnraum in Wien & dem Rest Österreichs seit 2005

 

Quelle: Agenda Austria, OeNB

 

Empfänger der Objektförderung nach Einkommen

 

Anmerkung: Ein Einkommensdezil entspricht zehn Prozent der Bevölkerung; im ersten Dezil befinden sich die zehn Prozent der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen usw.

Quelle: Agenda Austria, Wifo

 

Die Negativspirale durch intensivere staatliche Regulierung

 

Quelle: Agenda Austria

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Was man in der Schweiz an Abgaben zahlen muss drucken

Es tut immer wieder gut, ins Ausland zu schauen und Systemvergleiche anzustellen. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, die folgenden Beispiele zusammenzustellen. Sie zeigen in erstaunlicher Dimension, um wie viel attraktiver die Schweiz ist. Nicht nur durch die Höhe der Löhne, sondern auch durch die im Vergleich zu Österreich viel geringeren Abgaben.

Zum Vergleich analysieren wir die Lohnabrechnung für eine verheiratete Person mit Unterhaltspflicht für ein Kind ohne Kirchensteuer (ohne Bekenntnis). Für die Pensionsvorsorge (zweite Säule) wurde die Altersgruppe 35 bis 44 Jahre angenommen. Für jüngere Arbeitnehmer wären die Lohnnebenkosten nochmals um etwa drei Prozent geringer. Für ältere Arbeitnehmer wären sie zwischen fünf und acht Prozent höher. Die diversen Abkürzungen werden weiter unten erläutert. Alle Beträge sind in Schweizer Franken angegeben, 1 Euro entspricht etwa 1,2 Franken).

Beispiel 1:

Monatslohn: 6.428,60 CHF

Abzüge Prozent Absolut
AHV-Beitrag 5,150 331,05
ALV-Beitrag 1,100 70,70
BVG-Beitrag   277,50
Quellensteuer 2,240 128

Nettolohn an Arbeitnehmer: 5,621,35 CHF

Arbeitgeberkosten: 6.428,60 + 331,05 + 70,70 + 277,5 = 7.057,85 (125,55 Prozent des Nettolohnes)

Das ist beispielsweise der Lohn eines jungen Bauingenieurs im ersten oder zweiten Jahr oder einer Grundschullehrerin im zweiten Jahr.

Beispiel 2:

Monatslohn 10.000 CHF

Abzüge Prozent Absolut
AHV-Beitrag 5,150 515
ALV-Beitrag 1,100 110
BVG-Beitrag   397,62
Quellensteuer 5,25 471

Nettolohn an Arbeitnehmer: 8.506,38 CHF

Arbeitgeberkosten: 10.000 + 515 + 110 + 387,62 = 10.922,62 (128,4 Prozent des Nettolohnes)

Das verdient beispielsweise ein Bauingenieur im fünften Jahr, eine 30jährige Tierärztin mit Spezialausbildung an der Uni Zürich oder ein Gymnasiallehrer mit fünf Jahren Berufserfahrung. Die Beispiele betreffen durchwegs junge Leute, die ich persönlich kenne und die aus Österreich ausgewandert sind.

Die obigen Beispiele zeigen, dass eine Lohnerhöhung von 100 CHF netto für den Arbeitnehmer zusätzliche Kosten von 125 bis 130 CHF für den Arbeitgeber bedeuten. Dieser Faktor ist in Österreich deutlich höher.

Erläuterungen zu den Lohnbeispielen

AHV = Alten und Hinterbliebenenversicherung. Das ist die erste Säule der Schweizer Pensionsvorsorge. Sie ist als Umlagesystem gestaltet. Die Höchstrente beträgt 2.340 CHF (x 12). Es gibt beim Beitrag keine Höchstbemessungsgrundlage. Es findet hier also eine gewisse Umverteilung von Spitzenverdienern zu Kleinverdienern im Zuge der Finanzierung des AHV-Fonds statt. Es gibt in der Schweiz keine Sonderprivilegien im Umlagesystem (etwa für Beamte). Jeder ist in der AHV gleich. Höhere Pensionen gibt es nur über das BVG (siehe unten). Das obliegt aber dann den Unternehmen.

ALV = Arbeitslosenversicherung. Höchstbemessungsgrundlage 10.500 CHF Monatseinkommen. Bei höheren Einkommen steigt der Beitrag also dann nicht mehr.

BVG = Berufliche Vorsorge. Das ist die zweite Säule der Schweizer Pensionsvorsorge. Dies ist ein echtes „Ansparkonto". Die Beiträge sind als Prozentsatz des Bruttolohnes gesetzlich festgelegt. Für junge Leute betragen sie sieben Prozent, für 35-44 jährige zehn Prozent und für ältere Arbeitnehmer bis 18 Prozent. Die Kosten werden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, meist halbiert. Oft übernehmen Arbeitgeber auch bis zu 75 Prozent als freiwillige Leistung.

Die Einzahlung ist steuerfrei. Das heißt man sieht, wie viel Geld man aktuell angespart hat. Es gibt in diesem System verschiedenste Ausgestaltungen. Das hängt vom Arbeitgeber ab. Es gibt versicherte Modelle (Kapitalschutz) mit Mindestverzinsung (z.B. 1,5 Prozent) und Teilpartizipation an positiven Kapitalmärkten, es gibt unversicherte Modelle mit Totalpartizipation an Kapitalmärkten etc. Es obliegt den Mitarbeitern und den Arbeitgebern, das für die Angestellten und Arbeiter richtige Modell zu finden. Die Entscheidung wird also innerhalb des Unternehmens getroffen.

Das angesparte Kapital kann am Ende des Berufslebens mit dem sogenannten Umwandlungssatz in eine monatliche Rente umgewandelt werden. Beträchtliche Teile des Kapitals können aber am Ende des Berufslebens auch als Einmalzahlung bezogen und selbst weiter veranlagt werden, wenn man meint, man könne es selber besser.

Weiters kann man auch vorher das Kapital beziehen für:

  1. Eigenkapital für eine selbstbewohnte Immobilie,
  2. Wechsel in die Selbständigkeit und
  3. Wegzug ins Ausland. In diesem Fall wird auf das bezogene Kapital sechs Prozent Einkommenssteuer fällig.

Gegenargumente

Als Gegenargument wird oft auf höhere Lebenshaltungskosten verwiesen. Das stimmt für Städte, aber auch in der Schweiz kann man sich um die Ballungsräume wunderbar mit den Kosten runterhanteln. Wenn man in Zürich verdient und im Kanton Aargau wohnt (20 bis 40 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln), ist das Wohnen gar nicht mehr so teuer. Im Übrigen kann man ja auch alle drei Wochen nach Konstanz in Deutschland fahren, um einen Großeinkauf zu machen (50 Minuten Fahrzeit).

Gegenargument Krankenkasse

Ja, es stimmt, dass der Arbeitnehmer in der Schweiz die Krankenkasse (Grundversicherung) prinzipiell selber zahlen muss. Aber bei einem steuerpflichtigen Einkommen als Familie mit einem Kind von maximal 65.000 Franken zahlt dies auch in der Schweiz das Sozialsystem. Die Grundversicherung kostet etwa 200 bis 250 CHF pro Monat, also etwa zwei bis drei Prozent des Brutto. Selbst wenn sie der Arbeitnehmer selbst bezahlen müsste, wären die Lohnnebenkosten um Dimensionen von jenen in Österreich entfernt.

Die Schweizer Verfassung verlangt, dass die Steuern und Abgaben jedes Jahr auf die Dezimalstelle genau an die kalte Progression angepasst werden. Es gibt einfach nicht mehr Geld für den Staat, das ihm nicht zusteht. Der Staat muss daher effizienter wirtschaften. Außerdem hängt über jeder Investitionsentscheidung auf jeder Körperschaftsebene das Damoklesschwert des Volksentscheides.

Die oben dargestellten Beispiele sind aus dem Kanton Zürich, welcher absolut kein Niedrigsteuerkanton ist.

Man sollte das alles einmal den Unternehmern und den Arbeitnehmern in Österreich erzählen. Denn das ist der Grund, weshalb den Österreichern vermutlich kaum Kaufkraft bleibt. In Österreich kostet allein der Arbeiterkammerbeitrag 0.5 Prozent des Bruttolohnes für einen Arbeitnehmer. Das ist die Hälfte des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung in der Schweiz. Weshalb lassen sich die Steuerzahler und die Unternehmer, die Angestellten und alle anderen das gefallen?

Die Politik in Österreich tut leider nur eines. In Absenz des Bewusstseins um diese schlechten Standortbedingungen der Bürger hat sie es leicht, die Arbeiter und die Angestellten gegen die Reichen, also meist die Unternehmer, aufzuhetzen. Dass an ihrer schwachen Kaufkraft die Staatsquote von 52 Prozent und die kalte Enteignung schuld sind, verstehen die meisten Arbeitnehmer leider nicht.

Vermögenssteuer

In der Schweiz gibt es tatsächlich auch eine Vermögenssteuer. Allerdings in sehr bescheidener Höhe. Je nach Kanton ist diese stark unterschiedlich. Sie bewegt sich bei Vermögen von 500.000 CHF bis 1.500.000 CHF zwischen 0.03 Prozent und 0.5 Prozent. Viele Kantone haben bei dieser Vermögenshöhe eine Vermögenssteuer im Bereich von 0.1 Prozent bis 0.3 Prozent jährlich. Zusätzlich gibt es vernünftige Absetz- bzw. Freibeträge. Je nach Kanton, Zivilstand und Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder betragen diese zwischen 80.000 und 200.000 CHF. Umgekehrt sind interessanterweise selbst jene, die nur ein kleines Vermögen besitzen, nicht ausgenommen. Aber die Freibeträge und die Steuersätze machen die Belastung sehr gering. Dafür ist die Einkommenssteuer bei kleinen und mittleren Einkommen (bis 100.000 CHF) beinahe inexistent (siehe oben).

Ausserdem gibt es keine Kapitalerstragssteuer auf Kapitalgewinne.

Daher stört den Arbeitnehmer und den Unternehmer die Vermögenssteuer nicht wirklich. Nur für äußerst große Vermögen ist die Vermögenssteuer an sich höher. Dafür gibt es aber auch Gestaltungsmöglichkeiten, etwa über den Wegzug in einen Niedrigststeuerkanton mit sehr geringen Vermögenssteuern und diverse anderen Konstruktionen.

In der Schweiz wird es daher ermöglicht, ein Vermögen aufzubauen. Wenn man betrachtet, dass Einkommensteuersätze bei 60.000 CHF vernachlässigbar sind (also etwa 2,5 bis 5 Prozent), bei 100.000 CHF brutto Jahreseinkommen die Einkommensteuersätze bei etwa 5 bis 10 Prozent liegen (Kanton Zürich) und selbst bei 200.000 CHF brutto Jahreseinkommen die Einkommensteuersätze nur zwischen 15 und 20 Prozent liegen, dann erkennt man, dass ein Vermögensaufbau sogar erwünscht ist.

Auch ohne spezielle Gestaltung mit Stiftungen wird bis fünf Millionen Franken ein Vermögensaufbau absolut nicht behindert. Das fördert einen starken Mittelstand.

Einen Unternehmer stört die Vermögenssteuer auch aus anderen Gründen nicht:

  1. Er kann das Stammkapital aus Gesellschaften steuerfrei als Dividende ausschütten
  2. Die Besteuerung von Dividenden/Ausschüttungen ist steuerlich begünstigt, sofern man mindestens zehn Prozent am Stammkapital einer Gesellschaft hält.

Diese steuerliche Begünstigung führt zu Steuersätzen auf diese ausgeschütteten Dividenden von sieben bis 13 Prozent, je nach Wohnsitzkanton der Person, welche die Dividenden erhält. Im Endeffekt erhöht also die Vermögenssteuer die Dividendenbesteuerung etwas. Mehr aber nicht.

Die Betrachtung der gesamten Steuerlast erklärt, weshalb die Vermögenssteuer in der Schweiz zwar existiert, aber nicht wirklich störend ist. Denn in der Gesamtbetrachtung spürt man sie nicht wirklich.

Erläuterungen zur Quellensteuer

Quellensteuer zahlt ein Ausländer mit L- oder B-Aufenthaltsbewilligung (also ohne permanentes Aufenthaltsrecht). Sie ist ein Annäherungswert für die gesamte Einkommenssteuerbelastung (inkl. Gemeindesteuer, Kantonssteuer und Bundessteuer). Sie ist also die Einkommenssteuer für den Ausländer. Die Gesamtbelastung durch die Quellensteuer ist aber auch ein Annäherungswert für die Gesamtbelastung für den Schweizer Staatsbürger oder jene Personen mit permanenter Aufenthaltsbewilligung (C-Bewilligung).

Sobald der Ausländer eine C-Bewilligung hat, muss er die Einkommenssteuer auch als Arbeiter und Angestellter selbst abführen. Sie wird nicht mehr als Quellensteuer automatisch vom Lohnzettel abgezogen.

Wenn ein Ausländer mit L- und B-Bewilligung mehr als 125.000 CHF verdient, dann wird ihm die Quellensteuer schon auf dem Lohnzettel abgezogen, aber er muss sich dennoch veranlagen, das heißt eine Steuererklärung ausfüllen. Niedrige Einkommen müssen das nicht. Das heißt: Bei Einkommen über 125.000 ist für den Ausländer ohne permanente Aufenthaltsbewilligung die Wohnsitzgemeinde innerhalb des Kantons für die Steuerbelastung relevant. Denn wenn er in einer steuergünstigeren Gemeinde im Kanton wohnt, kann er aus den abgezogenen Quellensteuern durch die Veranlagung sogar noch Geld zurückbekommen.

Die Schweizer nennen die Einkommenssteuer für Ausländer deshalb Quellensteuer, weil sie an der Quelle, nämlich am Lohnzettel abgezogen wird. Man traut Ausländern, die unter fünf Jahre in der Schweiz wohnen und keine permanente Aufenthaltsbewilligung haben nicht zu, dass sie eigenverantwortlich die Einkommensteuer am Ende des Jahres selbst abführen und über das Jahr ansparen.

Dieses Misstrauen ist aber verständlich, da die Ausländer in den umliegenden Ländern ja keine Eigenverantwortung beim Abführen der Einkommenssteuer kennen, sondern diese in den anderen Ländern (etwa Österreich) immer gleich vom Lohnzettel abgezogen wird. Die Regel ist in der Schweiz aber ein Abführen der Steuern eigenverantwortlich am Ende des Jahres.

Weitere Erläuterungen

  • L-Bewilligung: Ausländeraufenthaltsbewilligung für ein Jahr
  • B-Bewilligung: Ausländeraufenthaltsbewilligung für fünf Jahre
  • C-Bewilligung: permanente Ausländeraufenthaltsbewilligung

Anton Karl (1976) ist Verwaltungsratsvorsitzender einer Schweizer Holdinggesellschaft. Er hat davor in den USA, London, Frankfurt und der Schweiz studiert und bei mehreren internationalen Banken gearbeitet. Er ist in Mistelbach geboren, war Wiener Sängerknabe und ist Mag.iur. Er ist parteilos, hegt aber Sympathie für verschiedene Positionen des Schweizer Freisinns.

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FN 569: Gerhard Schröder hat einfach recht drucken

Der sozialdemokratische Ex-Kanzler kritisiert mit gutem Grund die Wohltaten-Verteilung durch die neue deutsche Regierung in Grund und Boden.

In der Tat: Die einst unter Schröder mutig fixierte Erhöhung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre hat mitgeholfen, einen positiven Boom in Deutschland auszulösen. Der wird jetzt durch die Einführung einer Hacklerregelung, mit der Deutsche wieder ab 63 Jahren in Pension gehen können, zunichte gemacht. Gewiss, Schröders SPD hat damals etliche Wähler an die Linke verloren. Aber Deutschland selbst hat enorm profitiert. Daher geißelt Schröder zu Recht die Reformpläne als ein „absolut falsches Signal“. Außerdem macht er klar: Diese Rentenreform koste nicht nur einmal Milliarden, sondern künftig jedes Jahr. Das werde unweigerlich wieder Debatten über eine Erhöhung der Rentenbeiträge führen. „Das ist so sicher wie das Amen im Gebet.“ Irgendwie sind auch wir mit Schröder fassungslos, warum die jetzige Berliner Regierung so schwachsinnig agiert. Nur weil Angela Merkel alles tut, um an der Macht zu bleiben? Nur weil die SPD wieder ganz auf populistischem Wohlfahrtskurs ist? Die Konklusion ist jedenfalls nüchtern: Kaum geht es einem Land wieder besser (noch 2006/07 ist Deutschland ja ganz darniedergelegen), macht die Politik wieder einen Unsinn nach dem anderen. Und insbesondere die Sozialdemokraten sind nur dann vernünftig, wenn ihnen wie in Frankreich oder Italien das Wasser bis über die Nasenlöcher steht.

PS: Die Österreicher könnten erst recht von den wahnwitzigen Folgekosten einer großen Koalition berichten.Aber sie fragt ja niemand (wen sollte man da auch fragen?)

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Die gekaufte EU-Bürgerschaft drucken

Das europäische Parlament ist empört: In Malta kann man sich neuerdings Staatsbürgerschaften kaufen. Damit haben zahlungskräftige Nicht-E­uropäer automatisch auch alle Rechte im gesamten EU-Gebiet. Die Staatsbürgerschaft in einem Land öffnet einem ja auch alle anderen EU-Länder. Wie schlimm ist das eigentlich wirklich?

Aufs Erste sehr. Staatsbürgerschaft hat zumindest in unseren Ohren viel mit emotionaler Bindung an die eigene Heimat zu tun. Diese Bindung geht in Ländern mit Wehrpflicht ja sogar bis hin zur zumindest theoretischen Pflicht, für dieses „Vaterland“ zu sterben.

Das ist zwar derzeit glücklicherweise ein eher theoretischer Aspekt. Das wird auch – etwa in Österreich – von der Politik nie mehr erwähnt. Diese hat im Vorjahr ja die Wehrpflicht fast nur noch mit den Vorteilen des Zivildienstes beworben (sofern sie überhaupt für die Wehrpflicht war). Die letzte Konsequenz von Soldatsein wurde von allen Politikern und Medien verschwiegen. Aber die Durchschnittsbürger selbst verstehen den Einsatz des eigenen Lebens durchaus noch immer als dessen Teil.

Und jetzt kann man sich einfach schon mit Geld in eine solche europäische Staatsbürgerschaft einkaufen! Ganz ohne Wehrdienst. Das ist für viele Europäer unverständlich.

Mittellose Migranten belasten Europa

Dennoch sollte man Malta nicht ganz verdammen. Denn der Nutzen der Menschen mit viel Geld, die solcherart angelockt werden, ist unvergleichlich größer als jener Nutzen, den ungebildete und mittellose Zuwanderer stiften. Zwar werden diese in politisch korrekten Medien gerne als „Flüchtlinge“ bezeichnet. Und zwar keineswegs nur, wenn sie auf – ganz zufällig(?) regelmäßig ins Seenot geratenden – Schiffen auf Arbeitssuche nach Europa kommen. Übrigens ist da gerade Malta ein besonders intensiv angesteuertes Ziel.

Aber trotz dieser Propaganda ist klar: Ungebildete und mittellose Menschen sind in keiner Weise das, was Europa mit seiner riesigen Arbeitslosigkeit braucht. Sie belasten die Sozialsysteme weit mehr, als sie an Beiträgen bringen.

Etwa die österreichischen Statistiken zeigen regelmäßig und eindeutig: Nichteuropäer sind zu einem deutlich geringeren Anteil als die gleichaltrigen Österreicher arbeitstätig und sie zahlen daher auch deutlich weniger Abgaben. Dennoch finden skurrilerweise gerade die lautstarken Kritiker Maltas gleichzeitig diesen Migrationsstrom positiv.

Die Kritik am Sozialtourismus wird heftiger

Auf der anderen Seite wird von Bayern bis Großbritannien die Kritik an der Sozialmigration und an den europäischen Zentralisierungstendenzen immer lauter. Zuerst war die Kritik nur unter den Bürgern zu hören, jetzt ertönt sie auch bei den dortigen Parteien.

Dass diese so deutlich migrationskritisch geworden sind, hängt ganz direkt mit dem massiven Aufblühen neuer Konkurrenzparteien zusammen. Das ist in Deutschland die „Alternative für Deutschland“ und in Großbritannien die Unabhängigkeitspartei UKIP. Diese ist nach einer aktuellen Umfrage sogar schon Englands stärkste Partei. Dort richtet sich die Kritik besonders stark gegen Zuwanderer aus anderen EU-Ländern, wenn diese nicht arbeiten, sondern nur die Sozialsysteme beanspruchen wollen.

Diese Frage hat neuerdings auch eine tiefe Kluft quer durch die EU-Kommission gerissen: Während einige bürgerliche Kommissare intensiv darauf hinweisen, dass Mitgliedsländer in ihrem Sozialsystem ja nur arbeitende EU-Bürger gleich behandeln müssen, wollen die sozialistischen Kommissare das Thema Sozialmigration ignorieren – also das Kassieren von Wohlfahrtsleistungen, ohne jemals in dem zahlenden Land gearbeitet zu haben.

Die neue maltesische Praxis ist da zumindest ein richtiges Signal: Europa braucht primär jene Ausländer, die Geld hereinbringen, die hier investieren, die einen hohen Bildungsstandard haben, die nicht auf Europas volle Sozialtöpfe schielen.

Das Interesse an reichen Zuwanderern ist keineswegs eine Erfindung Maltas. Genauso kann man in vielen anderen Ländern als Investor relativ leicht den Pass bekommen. Auch außereuropäische Länder wie etwa Kanada haben solche Regelungen. Dort gibt es sogar längst genaue Tarife, wie viel Geld oder welche Ausbildung Ausländer mitbringen müssen. Kanada hat sehr profitiert davon.

Die Nostalgie verbleicht

Die Landesverteidigung als einzige echte Pflicht eines Staatsbürgers – genauer gesagt: jedes jungen männlichen Staatsbürgers – tritt gegen diesen Nutzen immer mehr zurück. Die meisten Staaten haben ja längst Armeen, die nur noch auf dem Papier existieren oder die nach dem alten Prinzip von Söldnerheeren geführt werden: Soldat wird man bloß gegen Geld. Daher ist Wehrpflicht kein wirklich taugliches Argument mehr gegen die Käuflichkeit von Staatsbürgerschaften.

Also ist es im Grund völlig logisch, dass man auch den Pass zu etwas Käuflichem macht. Oder?

Nur noch ein paar Konservative werden sich voll Nostalgie an jene Zeiten zurückerinnern, da das eigene Vaterland, die Identität mit diesem und der Dienst für dieses lebenslang etwas völlig Selbstverständliches gewesen sind. Freilich: Der heutige Zustand der Staaten wie auch der EU lässt diese Nostalgie rasch verbleichen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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FN 565: Schafft die Patienten doch endlich ganz ab! drucken

Absolut Unfassbares hat ein Spitzenexponent der Ärztekammer von sich gegeben.

Der Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte, Harald Mayer, erteilt im „Standard“ potentiellen Patienten folgenden Ratschlag: Sie sollten doch bei „ein bisschen Herzstechen um 23 Uhr" nicht gleich ins Spital gehen. „Natürlich kann dahinter auch ein Infarkt stecken, aber das sollte vielleicht jemand beurteilen, der das auch kann, etwa der Hausarzt." Der Herr Mayer hat nur eines vergessen: uns mitzuteilen, wo es einen Hausarzt gibt, der um 23 Uhr noch wegen eines eventuellen Herzinfarkts ansprechbar ist. Nicht einmal in der Großstadt Wien gibt es das. Jahrzehntelang haben uns die Ärzte eingetrichtert, dass bei einem Herzinfarkt möglichst schnell zu handeln ist. Jetzt aber rückt die Ärztekammer die wirkliche Wahrheit heraus: Für die Spitalsärzte sind Patienten nur noch eine lästige Störung. Wenn diese an einem Herzinfarkt sterben, ist das ja nicht das Problem des Arztes.

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Wenn es den Deutschen zu gut geht drucken

Deutschland geht es gut. Das sollte die Deutschen wie auch die sehr von ihnen abhängigen Österreicher freuen. Freilich: Je mehr man sich den deutschen Koalitionsvertrag vertieft, umso mehr zweifelt man, ob es den Nachbarn auch dauerhaft gut gehen kann.

Dabei war Deutschland erst im vor kurzem durch die Folgen der Rosskur namens Agenda 2010 aus der Stagnation nach der Wiedervereinigung gerissen worden. Deren Kosten waren ja viel höher als anfangs prophezeit. Damals glaubte Helmut Kohl noch, die Aufnahme fünf neuer Bundesländer aus der „Portokassa“ der Bundesrepublik finanzieren zu können. Aber der Westen hat dann die neu aufgenommenen DDR-Bürger und vor allem deren Rentner extrem zuvorkommend behandelt. Das war dann viel zu teuer.

Auch heute scheint sich Deutschland ähnlichen Selbsttäuschungen hinzugeben. Denn kaum geht es ihm gut, explodiert die Kreativität der Politiker in Hinblick auf neue Ausgaben.

Schwarz und Rot sind sich etwa über die Fortsetzung der Hilfen für Europas Schuldnerländer einig. Sie ignorieren die damit verbundene Bedrohung der deutschen Stabilität. Gehen die deutschen Haftungen und Kredite doch in die Hunderte Milliarden (wahrscheinlich sogar über die Billionen-Grenze). Da sie nicht abgeschrieben werden, sind sie formal nicht schuldenwirksam. Die Forderungen werden wohl noch viele Jahrzehnte in den Büchern stehen. Auf die Zinsen vergisst man stillschweigend. So könnten die Schulden sanft an Bedeutung verlieren. Diese Hoffnung wird zumindest von manchen Ökonomen vertreten.

Selbst wenn ihre Hypothese richtig wäre, übersieht sie die größte Gefahr. Die heißt Frankreich. Das bisher völlig reformresistente Land ist die zweitgrößte Wirtschaft der EU. Es droht zu kollabieren, und dann werden wohl auch die internationalen Kreditgeber, also die von manchen so verteufelten „Märkte“, das Vertrauen verlieren, dass Deutschland & Co alles aushalten können. Zwar hat Präsident Hollande offenbar, wie seine jüngste Rede zeigt, endlich die dramatische Schieflage Frankreichs erkannt. Aber bisher ist noch keine einzige der von ihm angekündigten Reformmaßnahmen konkret oder gar umgesetzt. Und sowohl in Fraktion und Partei wie auch bei den Gewerkschaften ist noch viel Widerstand zu erwarten. Weshalb sich Deutschland noch nicht sehr auf die Erholung des großen Nachbarn verlassen sollte.

Denn zugleich hat sich die neue deutsche Regierung neue Wohlfahrts-Ausgaben ausgedacht. So bekommen etwa die (auch unter dem Ansturm ausländischer Sozialtouristen stöhnenden) Kommunen viel mehr Geld.

Das anschaulichste Beispiel sind die Pensionen. Da setzten die Sozialdemokraten (die unter Schröder noch das Verdienst einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters errungen haben) eine Hacklerregelung durch. Im Parallelzug beglücken CDU/CSU ältere Mütter mit höheren Pensionen. Damit zeigt sich auch in Deutschland der alte Reflex großer Koalitionen: Sobald die eine Seite in die Kassa greift, darf die andere ebenso.

Dafür wird die schon fix gewesene Beitragssenkung gestoppt. Das heißt: Statt Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu entlasten, gibt man den Pensionisten mehr. Das mag wahltaktisch richtig sein. Das ist aber das Gegenteil dessen, was die ökonomische Vernunft sagt. Und es beweist, dass Politiker sofort wieder verschwenden, sobald es nur ein bisschen besser zu gehen scheint.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Herr Mitterlehner, Ihren Rücktritt bitte, aber rasch! drucken

Hat auch nur ein einziger Österreicher in den letzten Tagen einen Protest des Wirtschaftsministers gehört? Gegen die absurden Belastungen der Wirtschaft durch die Koalition, wie es etwa die Abschaffung des Gewinnfreibetrags ab 30.000 Euro Gewinn ist oder das weitgehende Ende der einst jahrelang von der Wirtschaft geforderten GmbH light? Gab es zumindest hinhaltenden Widerstand des Ministers gegen solche Belastungen?

Nein, mit Sicherheit nicht. Herr Mitterlehner steht vielmehr immer an der Spitze, wenn es um Belastungen der Wirtschaft geht und damit um eine Vergrößerung der Arbeitslosigkeit. Der Mann ist einfach fehl am Platz. Und sollte diesen schleunigst räumen.

Mitterlehner war vor kurzem auch einer von acht europäischen Ministern, die sich in einem gemeinsamen Brief stark gemacht haben für noch schärfere Kyoto-Vorgaben. Während hingegen die EU-Kommission selbst (zum Glück) eine Milderung dieser arbeitsplatzvernichtenden Regeln beabsichtigt. Man könnte ja noch irgendwie verstehen, wenn ein Umweltminister solche teuren Regeln ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verluste verlangt (wenngleich es auch auf dessen Briefpapier eine schädliche und damit dumme Idee wäre). Aber bei einem Wirtschaftsminister sind solche Vorschläge nur noch absurd.

Mitterlehner hat voller Regulierungswut auch mehrfach Preisregelungen eingeführt statt abgeschafft. Er war begeistert dabei, wenn Steuerzahlergeld leichtfertig für die Subvention von Autoankäufen verschleudert wurde („Verschrottungsprämie“). Und so weiter.

Völlig fassungslos macht aber vor allem der allerjüngste Vorstoß des Herrn: Er äußerte als erstes Regierungsmitglied die Wahnsinnsidee, Firmen zu zwingen, Lehrlinge einzustellen. Zwingen! Seiner Meinung nach gebe es nämlich 10.000 Firmen, die Lehrlinge einstellen könnten, es aber nicht tun. So hat er es zumindest im Radio begründet. Wo auch immer Mitterlehner diese Weisheit hernimmt.

Daher hält er neben der jetzt von der Regierung beschlossenen Ausbildungspflicht auch eine Einstellungspflicht denkbar, die den Unternehmen auferlegt werde: "Auch diese Diskussion wird sich möglicherweise stellen, wenn es nicht funktionieren sollte.“

Diesem ÖVP(!)-Minister ist offenbar seine Busenfreundschaft mit dem Altgewerkschafter Hundstorfer, dem man solche Ideen zutrauen kann, wichtiger als jeder Hauch von Marktwirtschaft. Es ist ja eigentlich unvorstellbar, dass Mitterlehner noch nie die Berichte zahlloser Betriebe gehört hätte, die seit Jahren verzweifelt halbwegs verwendbare Lehrlinge suchen.

Sie verlangen von diesen ohnedies nur noch Minimales: Rechnen im Zahlenraum bis Zehn. Grüßen, wenn man in ein Zimmer kommt. Aufschriften zumindest im wesentlichen Sinn lesen können. Halbwegs pünktliches Erscheinen am Morgen. Fähigkeiten, die eigentlich schon in der ersten Volksschulkasse vermittelt werden sollten.

Jedem, der das kann, dem wird heute der Rote Teppich ausgerollt. Man schaue nur auf die gerade jetzt wieder ringsum affichierten Plakate: „Komm als Lehrling zu unserer Firma!“ Noch vor einem Jahrzehnt hat kein Mensch um Lehrlinge geworben. Heute sind diese hingegen gesuchte Mangelware (eben sofern sie die genannten Fähigkeiten beherrschen). Dennoch gibt es Tausende – meist, aber keineswegs nur Immigranten, – die an diesen Anforderungen scheitern. Für die daher staatliche Lehrwerkstätten geschaffen werden mussten.

Aber diese Koalition will offenbar ganz etwas anderes. Zwang. Einstellpflicht. Arbeitgeber sollen nicht einmal mehr bei der Einstellung von Mitarbeitern eine Entscheidungsfreiheit haben.

Gewiss, in kommunistischen Staaten hat ebenfalls der Staat angeordnet, wer wo eine Stelle bekommt. Aber es hat sich nicht als sonderlich sinnvoll erwiesen. Und in einer westlichen Demokratie ist das überhaupt ein unglaublicher Vorschlag. Und bei einem direkt aus der Wirtschaftskammer in die Regierung gelangten Politiker ist das nur noch unfassbar.

Eigentlich müsste ja eine solche Wirtschaftskammer an der Spitze jener stehen, die spätestens jetzt Mitterlehners Abschied verlangen. Aber was will man von einer Kammer, deren Präsident doch laut Medien die jüngste Regierungsklausur glatt so gelobt hat: Nun gelte es, die Pläne rasch in die Tat umzusetzen. Und der sich dann einen Tag später in einem Vortrag selbst gerühmt hat, ein Alt-68er zu sein.

Als solche wurden bekanntlich jene Studenten bezeichnet, die weltweit die Abschaffung des Privateigentums und für Vietnam die Machtübernahme durch die Kommunisten gefordert haben. Vor denen dann Hunderttausende unter Lebensgefahr geflüchtet sind. Aber Herr Leitl ist eben heute noch stolz darauf, selbst ein solcher 68er gewesen zu sein. Und er hat daher auch keine Probleme mit einem solchen Wirtschaftsminister.

PS: Auch ich bin 1968 an die Uni gekommen. Aber ich habe zum Unterschied von Leitl die Bezeichnung „68er“ immer als Beleidigung empfunden.

PPS: Propagandisten der Regierung beschwichtigen: Es gibt ja auch die eine oder andere neue Förderung. Diese Propagandisten begreifen offensichtlich genauso wenig wie Mitterlehner, dass diese Förderungen nur einen Bruchteil des zuerst durch Steuererhöhungen abgenommenen Betrags ausmachen. Und vor allem: dass es zehnmal gescheiter wäre, den Menschen erst gar nicht so viel Geld abzuknöpfen, bevor man dieses durch eine teure und bürokratische Umverteilungsmaschine großteils vernichtet und einen kleinen Teil davon an ein paar schlaue Subventionsempfänger gibt. Die Menschen selbst würden das Geld jedenfalls immer viel besser einsetzen, als das Bürokraten oder Politiker vermögen.

 

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FN 556 : Der Freund der SPÖ drucken

Man kann die SPÖ beruhigen: Dieselbe Pleite wie mit ihrem einstigen EU-Spitzenkandidaten Hans-Peter Martin werden sie mit Eugen Freund nicht erleben. Auch wenn es wieder ein Medienmann ist.

Dazu war der Mann schon seit seinen Ministerkabinett-Zeiten in allen Auftritten viel zu brav auf Parteilinie gewesen. Mit ihm ist wieder ein bekanntes Mediengesicht in den Dienst einer Partei getreten. Das ist absolut legitim, im konkreten Fall aber auch ein klares linkes Signal und keineswegs eines von mehr SPÖ-Öffnung oder gar Verständnis für die Wirtschaft. Freund hat seine Zwangspensionierung durch den ORF zwar geschickt und auch mit Hilfe von Tränen dramatisiert. Aber er hat nie Kritik an der Linie der SPÖ in Sachen Pensionsantrittsalter geübt. Er hat auch nie Kritik an der Gewerkschaft geübt, die mit ihrem Bestemmkurs ältere Arbeitnehmer für den Arbeitgeber besonders teuer macht. Und er hat es schon gar nicht kritisiert, als der ORF alle bürgerlichen Journalisten bereits mit einem um zwei Jahre jüngeren Lebensalter in Pension schickte. Der Standpunkt prägt halt die Sichtweise.

PS: Bei SPÖ wie - vorerst auch - ÖVP fällt auf: Von den eigentlichen Parteigranden ist kein einziger bereit, nach Europa zu gehen. Jobs in der Heimat sind halt auch viel angenehmer.

 

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Michael Schumacher und die zwei nicht gestellten Fragen drucken

Der tragische Unfall des Ex-Rennfahrers Michael Schumacher löst weltweites Entsetzen und Mitgefühl aus. Dem kann man sich nur anschließen. Eigentlich sollte er aber auch eine Diskussion über zwei Fragen auslösen.

Die eine lautet: Was ist eigentlich mit den Tausenden andere Skifahrern, die alpenweit ebenfalls nach Skiunfällen verletzt werden, und vor allem jenen Hunderten, die dabei lebenslange Schäden bis hin zur Totallähmung erleiden? Sind auch in all diesen Fällen Polizei und Staatsanwälte genauso massiv und penibel dahinter, jedes Detail zu prüfen? Suchen sie genauso intensiv, ob sich nicht doch noch ein Schuldiger findet, etwa jener Mann, der eine Skibindung eventuell nicht exakt eingestellt hat?

Ganz gewiss nicht. Von Frankreich über die Schweiz und Italien bis Österreich gibt es bei anderen Unfällen ein viel reduzierteres Behördenengagement. Das ist ärgerlich. Juristische Genauigkeit kann keine Funktion der Zahl von Presseberichten oder Menschen sein, die Anteil nehmen.

Die zweite Frage ist ebenfalls eine für die Obrigkeit unangenehme. Und zwar für die deutsche. Das ist die Frage, warum Michael Schumachers mit seiner deutschen Frau und den Kindern eigentlich seinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Immerhin war er für viele ja jahrelang „der“ deutsche Paradesportler ohne Allüren.

Die gleiche Frage sollte man sich auch beim Russen Michael Chodorkowski stellen. Auch dieser Mann, der einst der reichste Russlands gewesen ist, bevor er Machthaber Putin zu eigenständig geworden war, ist jetzt sehr bald nach seiner Freilassung mit nur einem kurzen Zwischenstopp in Deutschland mit seiner Familie in die Schweiz gezogen (beziehungsweise zu dieser). Dabei hatte sich niemand so wie die deutsche Regierung und Hans-Dietrich Genscher für Chodorkowski eingesetzt.

Diese Frage richtet sich aber nicht gegen die beiden wichtigsten Michaels der letzten Wochen. Sie sollte vielmehr in Deutschland selbst intensiv diskutiert werden. Und genauso in Österreich, auch wenn die beiden Männer primär zu Deutschland Anknüpfungspunkte haben. Denn sie sind keineswegs die einzigen Spitzenverdiener, Sportler, Künstler oder Großinvestoren aus diesen beiden Ländern, die nicht in ihrem Heimatland den Wohnsitz haben, sondern etwa in der Schweiz, Australien oder Monaco.

Für die Klärung dieser Frage muss man dem jetzt im Koma liegenden Schumacher besonders dankbar sein. Denn er hatte – natürlich zu gesünderen Zeiten – offen davon gesprochen, dass er ein „vernünftiges Steuerabkommen“ mit der Schweiz abgeschlossen hat. Wörtlich: „In Deutschland sind sie ja selber dumm, wenn sie mir kein Angebot machen und dafür gänzlich auf meine Steuergelder verzichten.“

In der Schweiz hat man generell niedrigere Steuersätze. Dort gibt es bei guten Verdienern, so wie etwa eben auch für die Familie Schumacher, oft sogenannte „Pauschalsteuern“. Dabei wird von vornherein ein fixer Steuerbetrag ausgemacht, also eine jährliche Geldsumme an Einkommensteuer, kein Prozentsatz. Das nützt der Schweiz – die damit viele Spitzenverdiener wie Schumacher überhaupt erst ins Land zieht –; das nützt aber natürlich auch diesen selber.

Das mögen manche als Steuerflucht kritisieren. Das ist aber auch auf Seite von Schumacher & Co durchaus legitim. Denn gerade Schumacher selbst hat in keiner Weise moralisch bedenklich gehandelt: Hat doch gerade er freiwillig Millionen für edle Zwecke gespendet. Aber eben freiwillig und nicht von einer politisch-bürokratischen Klasse dazu gezwungen (die dann vor allem einmal sich selbst bedient).

Das einzig Unmoralische sind die Staaten. Denn sie pressen nach Vertreibung der Reichen den Mittelstand aus, also alle jene, die trotz allem lieber in ihrer Heimat bleiben, oder für die sich eine teure Übersiedlung in steuerschonende Länder (noch) nicht auszahlt. Die Hochsteuer-Staaten müssen als Folge die Sätze für diesen verbleibenden Mittelstand umso schärfer anziehen, je mehr Spitzenverdiener sie vertreiben. Sonst würden ihnen die Budgeteinnahmen zu steil absacken. Derzeit erlebt insbesondere Frankreich die Folgen einer solchen teuflischen Spirale in den Untergang.

Es ist übrigens kein Zufall, gerade in jenen Stunden an solche Entwicklungen zu denken, da die österreichische Regierung ein ganzes Paket an weiteren Steuererhöhungen beschließt. Sie holt sich damit eine weitere Milliarde Euro, die in einem immer wahnwitziger werdenden Bürokratie-, Förderungs- und Wohlfahrtssystem versickern. Und da ist es ein geringer Trost, dass die noch viel extremeren Steuererhöhungspläne von Rot und Grün noch nicht verwirklicht worden sind.

 

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Sabbat-Jahr: Strategie zum Abbau der Arbeitslosigkeit? drucken

Es ist erwiesen, dass die Arbeitsplätze gut ausgebildeter und höher qualifizierter Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt sicherer sind. Pro Jahr brechen etwa zehn Prozent der vorhandenen Arbeitsplätze in der EU weg, weil deren Qualifikation nicht mehr benötigt wird. Durch den Technologiewandel entstehen aber nur drei Prozent neue Jobs. Dies erklärt, weshalb es trotz leicht wachsender bzw. teilweise stagnierender Konjunkturdaten nach wie vor eine hohe Anzahl von Arbeitslosen gibt, obwohl in vielen Unternehmen „neue Qualifikationen“ wie z.B. Experten in technischen Berufen sowie IT-Fachleute, für die etwa die Industrie 4.0 mit der 3D-Drucktechnologie kein Fremdwort ist, dringend, aber leider oft vergeblich, gesucht werden.

Just nach den Feiertagen wurden wir mit Jahresbeginn 2014 wieder in die harte Realität der Wirtschaft und Konjunkturentwicklung zurückgeholt.

Ende 2013 ist die Arbeitslosigkeit auf einen Höchststand von rund 360.000 Personen gestiegen und damit um zwölf Prozent höher als im Vergleichsmonat 2012. Wenn man die Teilnehmer an Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) dazurechnet, waren knapp 430.000 Personen ohne Arbeit. Ende Jänner 2014 rechnet das AMS mit insgesamt rund 450.00 Arbeitslosen. Nach den Prognosen wird sich an diesen Zahlen so rasch auch nichts ändern, der Arbeitsmarkt soll sich erst Ende 2015 langsam erholen. Wir weisen mit diesen Zahlen bei der Arbeitslosigkeit zwar die niedrigste in der EU (abgesehen von Luxemburg), gleichzeitig aber die zweithöchste in Österreich seit 1945 auf.

Es gibt aber auch eine erfreuliche Nachricht: Die Zahl der Beschäftigten ist mit 3,3 Millionen auf einem schon lange nicht mehr gesehenen Höchststand.

Wer ist nun arbeitslos?

Es sind (abgesehen von den Pleiten in 2013) auf der einen Seite ältere Mitarbeiter, die ab dem fünfzigsten Lebensjahr ihren vorzeitigen Abschied aus dem Arbeitsleben nehmen, nehmen müssen bzw. mit sehr windigen Methoden aus den Unternehmen hinausgedrängt werden. Mit einem Bonus-Malus-System will man in Zukunft diesen meist völlig unangebrachten Aderlass von langjährigen Mitarbeitern, die einen großen Schatz an Erfahrungen mitbringen, unattraktiv machen.

Die Wirtschaftskammer Österreich berichtete allerdings jüngst, dass die Unternehmen derzeit so viele ältere Arbeitnehmer wie nie zuvor beschäftigen. Mit 784.000 Menschen über dem 50. Lebensjahr sind um 35.000 oder 4,7 Prozent mehr Personen dieser Altersgruppe beschäftigt als ein Jahr zuvor. Auch wenn diese Zahlen höchst erfreulich sind: Die Herausforderung besteht nach wie vor, dass nur Arbeitnehmer, die auf dem jeweils neuesten Stand des Wissens sind, auf die Dauer Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Es sind aber auch Mitarbeiter, deren Qualifikation nicht mehr den Erfordernissen entspricht, d.h. deren berufliche Qualifikation infolge des Technologiewandels plötzlich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt ist. Auch hier gilt der weise Spruch: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.

Auf der anderen Seite gibt es die ungenügend qualifizierten bis völlig unqualifizierten Menschen ohne ordentlichen Schulabschluss. Für diesen Personenkreis sind gesonderte Schulungsmaßnahmen nötig, um sie dann überhaupt in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Das Sabbatjahr eignet sich für diesen Personenkreis nicht, da wahrscheinlich ein Jahr nicht ausreicht, um die entsprechende Qualifikation zu erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird. Das Sabbatjahr dient der Weiterbildung von Menschen, die bereits im Berufsleben stehen bzw. standen und nicht der Ausbildung völlig unqualifizierter Personen.

Schulungsaktivitäten des Arbeitsmarktservice (AMS)

So erfreulich die Schulungsaktivitäten des AMS, die über private Bildungseinrichtungen auf Staatskosten abgewickelt werden, auch sind, zu hinterfragen sind das Niveau und in vielen Fällen der Sinn der Schulungen sowie die undurchsichtigen Strukturen, so die grüne Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz. Was bringen wiederholte Bewerbertrainings von Arbeitslosen, die über keine fachliche Qualifikation verfügen? Was bringen Computerkurse für einen gelernten Maurer, der noch nie einen Computer besessen hat und auch in Zukunft nie einen haben wird, so wie im Waldviertel vorgekommen? Das ist schlichtweg Unfug und rausgeschmissenes Geld.

Die klassische Dreigliederung in Ausbildung – Erwerbszeit – Ruhestand gilt nicht mehr. Sie muss abgelöst werden durch eine solide Grundbildung – Erwerbsarbeitszeit – gezielte Fort- und Weiterbildung – Erwerbsarbeitszeit – Fort- und Weiterbildung und so weiter. Wir leben heute in einer Lerngesellschaft, wir müssen in vielen Berufen während unserer Erwerbszeit mindestens sechs bis sieben Mal total umdenken.

Sabbaticals scheinen eine besonders geeignete Vorgangsweise zu sein, um der Forderung nach lebenslangem Lernen wirklich nachzukommen. Dabei ist es wichtig, nicht nur „dazuzulernen“, sondern auch zu „entlernen“.

Die Politik hat die Rahmenbedingungen für diese veränderten Anforderungen zu setzen.

Ursprünglich bedeutet Sabbatjahr (auch Brach-, Erlass- oder Ruhejahr) bei den Israeliten jedes siebente Jahr, in welchem nach dem mosaischen Gesetz die Felder nicht bestellt und Schulden nicht eingetrieben beziehungsweise sogar erlassen wurden und in dem für die hebräischen Sklaven die volle Freiheit eintrat.

Übertragen auf unsere Situation bedeutet Sabbatjahr, dass jeder Arbeitnehmer alle sieben Jahre das Recht und unter Umständen in fernerer Zukunft sogar die Pflicht hat, für ein Jahr aus dem Berufsleben auszuscheiden, wobei der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer nach diesem einen Jahr wieder einzustellen. Zweck des Sabbatjahres ist, dass sich der Arbeitnehmer gründlich weiterbildet, bzw. sich beruflich völlig neu orientiert, wenn dies erforderlich ist.

Wenn die fachliche Ausbildung mangelhaft, nicht mehr zeitgemäß ist, dient das Sabbatjahr dazu, die entsprechende Qualifikation so rasch wie möglich nachzuholen.

Vorteile des Sabbatjahres

  1. Die Arbeitslosigkeit könnte damit wirksam und rasch auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Bei einer konsequenten Einführung des Sabbatjahres würde jährlich ein Siebtel der arbeitenden Bevölkerung ausscheiden. Um diese Zahl würde der Arbeitsmarkt entlastet werden. Die Niederlande haben übrigens mit dem Sabbatjahr sehr gute Erfahrungen gemacht.
  2. Etwa alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt sich heute durchschnittlich das enzyklopädische Wissen. Wissen wird in Zukunft eher noch rascher als langsamer zunehmen/sich verändern. Die Anforderungen werden noch weiter steigen. Das Sabbatjahr kommt diesem Trend entgegen.
  3. Durch das Sabbatjahr werden die Menschen zu einer sinnvollen und volkswirtschaftlich wichtigen Aufgabe, nämlich zu ihrer Weiterbildung neben ihrer beruflichen Tätigkeit, angeregt, während heute im Falle der Arbeitslosigkeit durch die entsprechende finanzielle Unterstützung nur ihre wirtschaftliche Existenz abgesichert ist. Ansonsten sind sie zur Untätigkeit verurteilt.

Gegenargumente und offene Fragen

  1. Es ist organisatorisch schwierig, Mitarbeiter, insbesondere Spezialisten und Manager, für ein Jahr zu entbehren. Insbesondere gilt dies für Mittel- und Kleinbetriebe.
    Dazu: Es ist sicherlich ein personal- organisatorisches Problem, das es hier zu lösen gilt. Aber gerade das Sabbatjahr soll ja dazu führen, dass mehr Menschen als jetzt beschäftigt sind, um den Aderlass an Arbeitskräften in die Arbeitslosigkeit aufzufangen.
    Zu überlegen ist auch, dass sich gerade in den Klein- und Mittelunternehmen mehrere Unternehmen zusammentun, um durch einen sinnvollen Personalausgleich von Spezialisten die auftretenden Schwierigkeiten aufzufangen.
    Es muss ja unter Umständen auch nicht ein ganzes Jahr eingeplant werden, sondern nur der Zeitraum, der zum Erwerb der nötigen jeweiligen neuen Qualifikation erforderlich ist.
    Zu überlegen ist auch, das Sabbatjahr vorerst auf freiwilliger Basis einzuführen. Dies ist in Unternehmen, die in dieser Hinsicht offen und zukunftsorientiert denken und handeln, auch heute schon möglich. Die Tarifparteien sind aufgefordert, die entsprechenden Modelle auszuarbeiten. In pädagogischen Berufen ist das Sabbatjahr auch heute schon üblich.
  2. Wie wird das Sabbatjahr finanziert?
    Ein Drittel der Kosten übernimmt das Unternehmen, ein Drittel der Staat und wiederum ein Drittel der Mitarbeiter. Es handelt sich um eine Investition in die Zukunft der Mitarbeiter aber auch der Unternehmen, die allen Beteiligten Nutzen bringen soll. Außerdem wird die Arbeitslosigkeit reduziert, was wiederum einen Kostenvorteil für das Sozialsystem und damit den Staat mit sich bringt.
    Mitarbeiter können schon heute in vielen Unternehmen Arbeitszeitguthaben (ein Zeitsparbuch) anlegen, die dann im Falle des Sabbatjahres verwendet werden können.

Zusammenfassung

Bedingt durch neue Technologien verändern sich die Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte dramatisch. Sie begleiten permanent unser Berufsleben und können nur durch gezielte Weiterbildung verkraftet werden. Durch das Sabbatjahr würden zwei Probleme ziemlich rasch beseitigt:

  • die Arbeitslosigkeit könnte auf ein erträgliches Maß abgebaut werden;
  • Qualifikation und Neuqualifikation der Mitarbeiter würden deutlich erhöht.

Das Sabbatjahr bedeutet eine pro-aktive grundlegende Umorientierung der gesamten Bildungspolitik, die gerade in rohstoffarmen Ländern immer mehr zu einer Überlebensfrage wird.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart. Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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Die Rumänen kommen drucken

Kaum hat das neue Jahr begonnen, hat es schon ein Thema – ganz über die Silvesterfolklore um Raketen, Neujahrsbabies, Walzer, Sektsteuer und hohle Neujahrsansprachen hinaus. Das Thema ist die nunmehr volle Binnenmarkt-Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen innerhalb der EU. Die Übergangsfrist im Anschluss an deren Beitritt ist abgelaufen.

Wie bei vielen Themen findet in den Politikeräußerungen auch hier eine wilde Mischung aus Birnen und Äpfeln und Erdäpfeln statt. Gutmenschen und Schlechtmenschen stehen einander neuerlich mit erschlagenden Schlagworten gegenüber. Die einen mischen bewusst, die anderen aus Unkenntnis. Daher sollte ein Neujahrsvorsatz auch darin bestehen, die Dinge besser auseinanderzuhalten.

Der erste Bereich ist die nunmehr genehmigungsfreie Freizügigkeit von Arbeitskräften aus Bulgarien oder Rumänien. Diese Freizügigkeit ist ein unverrückbarer Eckpfeiler des EU-Binnenmarkts. Wer kommt und zu den gesetzlichen Bedingungen in Österreich, Deutschland oder Großbritannien arbeitet, ist ein Beitrag zum gemeinsamen Wohlstand. Schlecht ist das nur für ihre Heimatländer und insbesondere die Familien der Arbeitskräfte. Aber auch gut qualifizierte Menschen finden in diesen Ländern oft keinen Job.

Das zweite davon scharf zu trennende Thema sind jene Menschen, die nicht herkommen, um zu arbeiten, sondern um zu betteln und die zahlreichen Sozialeinrichtungen zu nutzen. Da hat erstmals die sonst ja wenig erfreuliche EU-Kommissarin Viviane Reding das Wesentliche und Richtige gesagt: „Es gibt ein EU-Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme.“ Nur arbeitende EU-Bürger haben, so Reding, Anspruch auf Sozialleitungen. „Deutsche Urteile, die EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht Ansprüche auf Hartz IV einräumen, basieren allein auf deutschem Recht und haben nichts mit EU-Recht zu tun. Wenn nationale Sozialsysteme zu großzügig sind, dann ist es Sache der Mitgliedstaaten, das zu ändern."

Klarer kann man es nicht sagen. Es ist nicht die EU, sondern das heimische Gutmenschentum in Deutschland wie Österreich, welches die Probleme verursacht. Egal, ob es bei Richtern, Beamten oder Wohlfahrtseinrichtungen grassiert. Man denke etwa an den Kollaps von Caritas-Wärmestuben schon im abgelaufenen Jahr, als ganze Sippen von Zigeunern dort eingefallen sind und sehr selbstbewusst Forderungen gestellt haben.

Damit ist auch schon das Schlüsselwort gefallen, das die Dinge so schwierig macht, wenngleich es in fast allen offiziellen Erklärungen zum Thema peinlich vermieden wird. Das Problem besteht nämlich vor allem mit Roma und Sinti und noch einem runden Dutzend weiterer Ethnien, die unter dem Sammelbegriff Zigeuner zusammengefasst werden (der übrigens auch von vielen dieser Menschen als einzig passender verwendet wird).

Schätzungen rechnen mit Millionen Zigeunern, die alleine in den beiden betroffenen Balkanländern leben. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil diese Minderheit ja nicht als solche erfasst wird, da sie sich ja meist weder durch Sprache noch durch Religion unterscheidet. Schon jetzt werden jedenfalls aus mehreren Balkanländern Bustouren direkt zu österreichischen Wohlfahrtseinrichtungen organisiert.

Was in Deutschland wie Großbritannien in den letzten Tagen schon intensiv diskutiert wird, wird spätestens bei Einführung in diesen Ländern genauso in Österreich unumgänglich werden: Auch lokale Armen- und Obdachlosenhilfen müssen künftig an die Staatsbürgerschaft geknüpft werden.

Die erwartbaren Proteste der Landau-Caritas dagegen können jetzt schon als verlesen gelten und sollten ignoriert werden. Denn wenn Landau den Zigeunern des Balkans wirklich helfen wollte, dann sollte er diese nicht durch offene Hilfsangebote nach Österreich locken und damit viele zusätzliche Folgeprobleme auslösen. Es sollte vielmehr darum gehen, diesen Menschen auf dem Balkan, in der Slowakei und Ungarn zu helfen. Dort gibt es eine Unzahl von Möglichkeiten dafür (wobei immer der Versuch, die Menschen in Arbeitsplätze und geordneten Schulbesuch einzugliedern, weit sinnvoller ist als Ausspeisungen, Sach- und Geldgeschenke).

Das dritte zumindest in Deutschland endlich offen diskutierte Problem ist eines, das in Österreich außer dem Tagebuch bisher niemand offen angesprochen (oder auch begriffen?) hat: Das sind die Familienbeihilfen für Menschen aus fernen Ländern, die sehr wohl hierzulande arbeiten. Diese Hilfen werden nämlich auch dann ausgezahlt, wenn die Kinder weiter in der (rumänischen, türkischen, bulgarischen, arabischen) Heimat leben.

Das wird zwar vielfach als positiv interpretiert, weil dadurch die Bindung an die alte Heimat stärker bleibt und weil damit die Wahrscheinlichkeit einer Heimkehr nach Verlust des Arbeitsplatzes größer wird.

Das löst aber gleich ein doppeltes Problem aus: Zum einen berichten österreichische Beamte im Privatgespräch von ihren großen Zweifeln, ob die vielfach behauptete große Kinderschar wirklich immer vorhanden ist beziehungsweise ob sie wirklich vom Beihilfe kassierenden Vater stammt. Österreich verlässt sich da in seiner gutmenschlichen Blauäugigkeit auf die vorgelegten Dokumente. Aber es geht nun einmal um Regionen, wo man mit einem mittleren Bakschisch noch immer jede gewünschte Bestätigung kaufen kann.

Zum anderen gibt es eine große Zahl an – durchaus echten – Kindern, die erst in den allerletzten Pflichtschuljahren nach Österreich oder Deutschland kommen. Hier können sie dann Ausbildungsgarantie und vieles andere nutzen, sind aber niemals mehr imstande, die deutsche Sprache gut zu lernen und ihre Bildungsdefizite ein wenig aufzuholen.

Diese Problematik wird rund um den Jahreswechsel in Deutschland und Großbritannien intensiv diskutiert. Freilich: Bei der Familienbeihilfe für nicht im Arbeitsland lebende Kinder spielt – zum Unterschied vom zweitgenannten Problembereich – die EU sehr wohl eine Rolle. Eine Streichung solcher Beihilfen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit vom EU-Gerichtshof nicht gebilligt werden.

Aber die beiden Länder diskutieren wenigstens das Problem. Österreich hingegen schaut am liebsten weg. Einschließlich des Integrations-Staatssekretärs, der jetzt ein Minister ist. Er ist offensichtlich nur für Schönwetterthemen zuständig und ignoriert die anderen. Er lässt lieber dubiose Umfragen verbreiten, dass eh alles bestens wäre. Und von der Weltfremdheit der neuen Unterrichtsministerin wollen wir gar nicht reden, die ist mindestens genauso groß wie bei der Vorgängerin.

PS: In der EU sind seit Mitternacht nicht nur die genannten Übergangsbestimmungen ausgelaufen. Die EU ist gleichzeitig auch um mehr als 180.000 Menschen größer geworden. Um einem dringenden europäischen Bedürfnis abzuhelfen, hat Frankreich die Insel Mayotte zwischen Ostafrika und Madagaskar zu einem offiziellen Teil der Europäischen Union gemacht. Natürlich ohne die anderen Mitgliedsstaaten zu fragen. Das bringt den Einwohnern viel Geld aus Europa, für das übrigens der Kommissar Johannes Hahn zu sorgen hat. Von den Einwohnern sind übrigens rund die Hälfte Moslems . . .

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Die Ärzte, der Minister und die wahren Sorgen der Patienten drucken

Es war wochenlang das dominierende Sommerthema. Eine Gesundheitsministeraussendung und eine Politikererklärung nach der anderen versuchte uns Empörung einzujagen. Die künstlich geschürte Panik wurde noch von der Aufregung in zahllosen Leitartikeln und an Runden Tischen übertroffen. Lediglich das Tagebuch hatte die ganze Aufregung von der ersten Stunde an kritisiert und für lächerlich erklärt.

Dabei ging es um den Verdacht der Wiener Ärztekammer, dass Patientendaten unzulässig erworben und weitergegeben worden seien. Bei der heimischen Medienlandschaft brauchte man nur das Wort „Verletzung des Datenschutzes“ auszusprechen und schon rinnt den einheitsdenkenden Journalisten der Speichel des Entsetzens zusammen.

Und jetzt? Jetzt hat sogar die Datenschutzkommission das diesbezügliche Verfahren eingestellt. Es gibt kein Disziplinarverfahren. Es gibt keinen einzigen Hinweis, dass irgendeine konkrete Krankengeschichte verkauft worden wäre.

Jeder, der sich im Wissenschaftsbetrieb auskennt, weiß zugleich, dass anonyme Statistiken über Krankheiten und die erfolgreichsten Behandlungsmethoden die wichtigste Grundlage fast jeden Fortschrittes sind. Daher sind sie absolut notwendig. Daher hat die Wissenschaft Ängste wegen der politisch korrekten Datenschutz-Panik bekommen. Daher haben die Menschen im Gegensatz zu den Journalisten auf die Datenweitergabe auch gar nicht aufgeregt reagiert. Sie wissen besser als der Gesundheitsminister, was gut ist für sie. Und die Wiener Ärzte sollten es sich gut überlegen, bevor sie wieder einen AKH-Betriebsrat- und Partei- Apparatschik zu ihrem Präsidenten wählen, der sinnlose Aufregungen liebt.

Die Menschen, die Patienten und Familien regen sich jedoch über etwas ganz anderes auf: dass man etwa am 24. Dezember bis zu sechs Stunden in der Kinderambulanz des AKH warten musste, bevor ein Arzt das eigene Kind zu Gesicht bekam. Aber zu solchen Skandalen sind sowohl Ärztekammer wie auch Gesundheitsminister total still. Sie sind eben Apparatschiks, denen die wirklichen Sorgen der Menschen völlig wurscht sind. Dabei würden diese durchaus einen Selbstbehalt zahlen, um nicht so behandelt zu werden (genauer: nicht behandelt).

Sie können sicher sein: Durch die „Gesundheitsreform“ des Herrn Stöger wird das alles noch viel schlimmer. Auch wenn Ärztekammer und Politik mit weiteren Scheindebatten um Datenschutz und ähnliches davon abzulenken versuchen.

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In (fast) aller Welt zeigt sich: Die Welt wird besser drucken

Es gilt nicht nur in Hinblick auf die jüngste Entwicklung in der Türkei: Auch in anderen Ländern dieser Erde sollte man Vorgänge durchaus positiv sehen, die in den Medien meist nur negativ dargestellt werden. Nicht weil ich heute unbedingt alles durch die rosarote Brille sehen will, sondern weil es so ist. Dabei bieten auch Länder Anlass zu Freude, die im Tagebuch sonst gar nicht gelobt werden.

In der Türkei ist Machthaber Erdogan in arge Bedrängnis geraten. Und nach allem, was man zu den nach außen ja keineswegs noch ganz transparenten Vorgängen jetzt schon sagen kann, scheint eines klar: Auch ein mit absoluter Mehrheit regierender Mann kann in diesem Land nicht mehr nach Belieben schalten und walten.

Nachdem er im vergangenen Sommer noch recht unbeschadet die wochenlangen Protestkundgebungen in Istanbul und anderen Städten überstanden hat, zeigt sich jetzt an ganz anderer Front Erfreuliches: Die türkische Justiz lässt sich nicht mehr politisch herumkommandieren. Zumindest wichtige Exponenten der Justiz wagen es, dem scheinbaren Alleinherrscher mit seinen islamistisch-absolutistischen Attitüden entgegenzutreten.

Das heißt nun keineswegs schon, dass Erdogan jetzt stürzen wird. Das heißt auch nicht, dass die Alternativen zu ihm unbedingt besser sind. Das heißt aber: Es gibt in der Türkei heute eindeutig zumindest in wichtigen Positionen eine unabhängige Justiz, wo mutige Männer trotz großer persönlicher Risken gegen korrupte Politiker vorzugehen versuchen.

Eine unabhängige Justiz ist der absolut wichtigste Eckstein einer rechtsstaatlichen Entwicklung. Staatsanwälte, auf die brutaler Druck ausgeübt wird, wagen es dort dennoch, in die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist in der Türkei unmöglich geworden, die üblen Machenschaften der Machthaber unter den Teppich zu kehren (Diesen Mut würde man übrigens bisweilen auch hierzulande manchen Staatsanwälten wünschen, die sich mehr einer Partei als dem Kampf gegen Korruption und Bestechungsinserate verpflichtet fühlen).

Die Existenz von Korruption in der Türkei ist hingegen nur eine banale Selbstverständlichkeit. Denn Korruption ist geradezu naturgesetzlich Folge von allzu ungefährdeten Machtsystemen. Wie sie in der Türkei oder auch im Wiener Rathaus zu finden sind.

Zumindest interessant ist, dass ausgerechnet ein Säulenheiliger der Linken, nämlich Boliviens Evo Morales, neuerdings öffentlich als Verteidiger der Kinderarbeit auftritt. Er verweist nicht nur auf seine eigene Kindheit, in der er natürlich gearbeitet hat. Er erinnert auch daran, dass Kinder in vielen Ländern etwa jedenfalls dann arbeiten müssen, wenn sie ihre Eltern verlieren. Außerdem, so der Bolivianer, fördere frühes Arbeiten das soziale Gewissen. Das ist eine Argumentationslinie, die absolut den üblichen Axiomen der naiven Gutmenschen widerspricht.

Seinen Argumenten müsste man auch noch das Stichwort Abtreibungen hinzufügen. In der dritten Welt würde deren Zahl mit Sicherheit steil steigen, sobald Kinder 14 Jahre lang nur noch als nutzlose Esser gelten, die nicht – so wie bei uns noch am Beginn des 20. Jahrhunderts – selbstverständliche Helfer etwa bei Ernten sein dürfen. Die Bereitschaft zu massenweisen Abtreibungen aus sehr egoistischen Motiven sieht man ja etwa an den total unterschiedlichen Zahlen von Mädchen- und Knabengeburten in vielen Ländern Asiens.

Die schöne heile Wohlfahrtswelt mit Kinderbeihilfen, Gratisfahrten und Gratisschulbüchern gibt es halt leider nur in einem sehr kleinen Teil der Welt (und dort wohl auch nur noch solange, bis das Schuldengebäude kollabiert). Im Rest der Welt weiß man hingegen, dass das Leben ein Existenzkampf ist, in dem man die eigenen Bedingungen und die der Kinder nur schrittweise und nicht per Dekret verbessern kann. Und wo Wunschdenken oft mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

Erfreulich ist auch das Verhalten Indiens gegenüber den USA. In dem sich über allen Völkerrechtsregeln erhaben dünkenden Amerika war eine indische Diplomatin (im Streit um die Entlohnung ihrer Haushälterin) mit Handschellen abgeführt und erst gegen Kaution wieder freigelassen worden. Indien hat nun verkündet, dass künftig im Gegenzug auch amerikanische Diplomaten strafrechtlich nicht mehr immun sind. Das ist wahrscheinlich die einzige Sprache, die eine allzu anmaßend gewordene Supermacht versteht: die der Retorsion. Das Völkerrecht – das die Festnahme von Diplomaten verbietet – kann immer nur funktionieren, wenn volle Gegenseitigkeit herrscht. Wenn also auch gegenüber Supermächten jeder Staat Selbstbewusstsein zeigt.

Es ist aber auch erfreulich, wenn sich amerikanische Firmen gegen Erpressungen durch Gewerkschaften zu wehren verstehen. Diese hatten in Deutschland im Vorweihnachtgeschäft Amazon zu bestreiken versucht, um andere Kollektivvertragsbedingungen durchzusetzen. Die Gewerkschaften sind damit gescheitert, weil amerikanische sich zum Unterschied von europäischen Arbeitgebern nicht durch Streiks erpressen lassen. (Das schmälert übrigens nicht meine Aversionen gegen Amazon, gegen dessen zweitklassige Behandlung für österreichische Kunden und gegen dessen üble Praktik, dass dort Fremdlieferanten und deren unfreundliche Lieferbedingungen nur sehr schwer von Amazon-eigenen Angeboten auseinanderhaltbar sind. Deshalb gebe ich dem Versandgiganten nur dann Aufträge, wenn der heimische Handel versagt. Wie ich es in den letzten Wochen aber leider wieder einmal mit einem bestimmten Spielzeugwunsch erleben musste).

Das ablaufende Jahre brachte einen weiteren, erst im Rückblick klar werdenden historischen Erfolg: Die Lebensschutz-Initiative „One of us“ ist europaweit zu einem Erfolg geworden. Obwohl – oder gerade weil? – die ängstlichen und gerne politisch korrekten Bischöfe vieler Länder die Initiative lieber lange nur gedeckt aus der zweiten Reihe beobachtet haben. Die Menschen sind aber mündig geworden.

Auch ein neues Erkenntnis des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs gibt Grund zum Optimismus. Er hat dekretiert, dass jemand, der den Völkermord an den Armeniern als „internationale Lüge“ bezeichnet, nicht bestraft werden kann. Denn mit solchen Äußerungen werde nur vom Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht.

Das macht Hoffnung, dass dieser EGMR auch die Freiheit der Meinungsäußerung in Österreich wieder auf das frühere Ausmaß ausdehnen wird. Hier wird sie ja durch Gerichte und Gesetzgeber zunehmend eingeschnürt (hier wird man sogar wegen der Bezeichnung „Kinderschänder“ für den Geschlechtsverkehr des Islam-Propheten Mohammed mit einer Neunjährigen verurteilt).

Allerdings wird die Freude dadurch ein wenig reduziert, dass beim EGMR Wartefristen von fünf bis sechs Jahren an der Tagesordnung sind. Nicht geschmälert wird die Freude über sein Erkenntnis hingegen durch den Umstand, dass auch ich natürlich den Völkermord an den Armeniern für eine eindeutige Tatsache halte (dieser ist übrigens durch k. und k. Diplomaten aufgedeckt worden – trotz des damaligen Weltkriegs-Bündnisses mit dem Osmanischen Reich).

Jedenfalls sensationell ist das, was sich in China tut. Da hat etwa der Botschafter in Deutschland nicht nur von den Problemen mit dem hohen Ressourcenverbrauch gesprochen, er hat nicht nur angekündigt, dass künftig der Markt die entscheidende Rolle haben werde, sondern er hat auch politische Reformen verlangt: Rechtsstaatlichkeit sei der Schlüssel. „Alle müssen gleich sein vor dem Gesetz. Auch die Partei darf nicht darüber stehen." Das passt ganz zu dem, was sein oberster Parteichef erst vor ein paar Tagen gesagt hat, was vor wenigen Jahren noch als Hochverrat gewertet worden wäre: Auch Mao sei nur ein Mensch gewesen; und auch Mao habe Fehler begangen. Solches Umdenken ist revolutionärer als viele Aufstände, bei denen Zehntausende umkommen.

Ebenso klar positiv ist (trotz verbreiteter Kritik) die schon einige Wochen zurückliegende Tatsache, dass die deutsche SPD ihre Parteimitglieder darüber entscheiden ließ, ob sie eine Koalition mit der CDU eingehen soll. Unabhängig vom Urteil über diese Koalition ist die Abstimmung eine neue Bestätigung dafür, dass die Krise der Parteiendemokratie nur durch mehr direkte Demokratie überwunden werden kann.

Noch ein anderes lobenswertes Exempel direkter Demokratie hat sich im Vorjahr in Deutschland abgespielt: In Oberbayern ist bei regionalen Volksabstimmungen das Projekt Olympischer Spiele 2022 abgelehnt worden. Die Bürger haben gespürt, dass sie selbst nur die Lasten und die Kosten solcher immer gigantomanischer werdenden Projekte zu tragen haben. Der Nutzen kommt hingegen nur den Sportfunktionären, Journalisten und Sportlern zugute. Wenn sich mehrere solcher Signale häufen, wird die Folge eine klare Alternative sein: Der Sport schrumpft entweder auf eine selbsttragende Finanzierung, oder er kann seine Großveranstaltungen samt dem damit verbundenen Milliardengeschäft für einige wenige nur noch in Halb- oder Ganzdiktaturen wie Russland oder Katar abhalten. Wo Machthaber solches für ihre Selbstdarstellung brauchen (bis sie dann selbst gestürzt werden).

Überhaupt nicht neu ist die Tatsache, aber nach Weihnachten wieder einmal ins Bewusstsein gerückt ist die Tatsache, dass etwa in der sozialdemokratisch regierten Stadt Berlin Geschäfte 7 x 24 Stunden offen haben dürfen. In Wien aber gehen vor allem am Sonntag die Rollläden eisern zu. Jedoch ist in Berlin keine der von den hiesigen Gewerkschaften prophezeiten Katastrophen zu beobachten. Zugleich fehlen in Berlin die unwürdigen Szenen und Drängeleien, wie sie etwa an den Weihnachtsfeiertagen in den wenigen offen halten dürfenden Wiener Supermärkten zu beobachten waren.

Diese vielen positiven Entwicklungen können uns darüber hinwegtrösten, dass es in anderen Ländern ziemlich jammervoll zugeht, etwa seit einigen Tagen im Südsudan und in Zentralafrika. Irgendwie ist es aber auch schade, dass sich für diese Sammlung erfreulicher Beispiele und Entwicklungen so gar kein österreichisches Exempel gefunden hat. Bisher gab und gibt es beispielsweise in den vielen Interviews neuer (oder alter) Minister ja keinen einzigen Satz, den man freudig aufnotieren könnte.

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Wie viele absolut Arme gibt es in Europa? drucken

Anteil der "erheblich materiell deprivierten" ausgewählter EU-Staaten 2011 in Prozent

 

Erheblich materiell depriviert sind Personen, die vier von neun von der EU ausgewählte Merkmale aufweisen, wie etwa:

  • Können sich kein
    • Auto
    • Telefon
    • Waschmaschine leisten
  • Können nicht regelmäßig auf Urlaub fahren
  • Können nicht Fisch und Fleisch essen
  • Können keine unerwarteten Ausgaben von 950 Euro tätigen

Dieser Wert sinkt in Österreich seit 20 Jahren stetig.

Lediglich durch von der Statistik Austria festgelegte nationale Indikatoren – wie etwa über 25 Prozent des Einkommens als Ausgabe für Miete oder Kreditraten – steigt der Anteil der Armutsgefährdeten in Österreich.

Quelle: Michael Hörl: Factsheet "Armut in Österreich"

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FN 535: Die Überstunden, die Männer, die Frauen drucken

Mit empörtem Ton hat das Wirtschaftsforschungsinstitut verbreitet, dass die Österreicher im Jahr 68 Millionen unbezahlter Überstunden machen. Das wirklich Interessante daran wurde von den Medien bestenfalls am Rand erwähnt.

Es sind nämlich vor allem Männer, die unbezahlte Überstunden machen – also genau jene Menschen, die völlig ohne Grund viel mehr verdienen als Frauen. Jetzt wird manches klar: Erstens, dass diese Überstunden offensichtlich meist gar nicht unbezahlt sind, sondern im Konsens von Arbeitgeber und -nehmer mit höheren Gehältern entgolten werden. Zweitens sind die ständigen Klagen der Feministen falsch, dass Frauen für „gleiche Arbeit“ ungleich entlohnt würden; denn nicht einmal die Arbeitsmenge ist gleich. Und drittens besteht die ständig zitierte „gläserne Decke“, mit der böse Männer Frauenkarrieren verhindern, einfach darin, dass halt Arbeitgeber lieber jemanden befördern, der sich für die Firma zerreißt. Der nicht so genau auf die Uhr schaut. Wetten, dass all dies beim nächsten Reichtstrauertag über die schlechte Entlohnung der Frauen wieder unerwähnt bleibt? So wie ja alle anderen Erklärungen des scheinbaren Lohngefälles auch.

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Wie viele Menschen sind armutsgefährdet? drucken

Anteil der Armutsgefährdeten in Österreich von 1993 bis 2011

 

 

Als armutsgefährdet gilt in der EU schon jeder, der bloß 40% unter dem Medianeinkommen eines Landes liegt. In Österreich betrifft dies aktuell 12% aller Bürger, und 10% der Österreicher. Allerdings bleiben nur 6% länger als ein Jahr in dieser Situation! Damit gelingt den Ärmsten fast nirgendwo anders der Aufstieg schneller als in Österreich.

Selbst auf 6% „Armutsgefährdete“ kommt man nur, weil man auch vierköpfige Familien mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von knapp unter 2.238 Euro dazurechnet.

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Wie gleich sind die Einkommen in Österreich verteilt? drucken

Entwicklung des Gini-Koeffizienten 2005-2011 in Österreich sowie EU-15 & 27 im Vergleich

 

Quelle: Factsheet "Armut in Österreich", Michael Hörl

Die Einkommenskluft ist in fast keinem westlichen Land niedriger als in Österreich – unvera?ndert seit zwei Jahrzehnten: Die Maßzahl fu?r Ungleichheit, der Gini-Koeffizient, lag 2011 bei 26 – so hoch wie auch im Jahr 2000 (26).

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Das Rezept und der Bandagist drucken

Seit etwa zwei Jahren schielt meine Tochter ziemlich stark und ist aus diesem Grund auch seit etwa einem dreiviertel Jahr im AKH der Stadt Wien in einer Spezialambulanz in Behandlung. Die Erlebnisse der letzten eineinhalb Wochen lassen mich jedoch wieder einmal derartig an unserem Gesundheitssystem zweifeln, dass ich diese Erlebnisse einfach niederschreiben muss.?

Schwerpunkt der Therapie meiner Tochter ist – neben einer Brille – auch das tägliche Verkleben eines Auges mit einem Augenpflaster. Diese Pflaster erhielten wir bis dato mittels Rezept vom AKH in unserer Apotheke. Bei der letzten Kontrolluntersuchung wurde uns mitgeteilt, dass wir das Rezept jederzeit telefonisch anfordern können. Als ich letzte Woche in der Gegend zu tun hatte, dachte ich mir, dass ich das Rezept ja gleich persönlich abholen kann. Ich ging also in die Ambulanz, stellte mich an und wurde dann aufgefordert Platz zu nehmen. Meine Nachfrage warum, und dass ich das Rezept ja eigentlich auch telefonisch beantragen hätte können, wurde mit der Antwort „Na wie stellen Sie sich denn das vor, dass wir Ihnen das Rezept über das Telefon schicken?" beantwortet. Na ja…

Nach zehn Minuten Wartezeit hatte ich dann schlussendlich das Rezept. Die Anmerkung, dass meine Tochter bei der KFA (Krankenversicherung der Bediensteten der Gemeinde Wien) versichert ist, bewog die agierende Ärztin dazu, großzügig zwei Packungen auf das Rezept zu schreiben. „Bei der KFA wird das schon gehen". Was mich an diesem Rezept stutzig machte, war, dass meine Tochter weder eine Versicherungsnummer noch eine Krankenversicherung hatte. Den Satz am Ende des Rezepts („Dieses Rezept ist zu jedem Termin mitzubringen") beschloss ich einfach zu ignorieren. Anscheinend ist die Sinnlosigkeit dieses Satzes auf einem Rezept noch keinem Menschen im AKH aufgefallen.

Am Abend ging ich in die Apotheke um dort die Information zu erhalten, dass dies ein Privatrezept ist, das zuerst bewilligt werden muss – na ja, eigentlich eh klar, das wussten wir ja auch schon. Nach zwei Tagen des herumärgerns mit dem Fax-Bewilligungsservice der KFA pilgerte ich am darauf folgenden Tag zur KFA und erhielt dort das Rezept nach etwa 15 Minuten Wartezeit bewilligt. Ordnungsgemäß mit fünf Stempeln und mehreren unleserlichen Buchstabenwellenkombinationen.

Erst als ich dann in der Straßenbahn saß, fiel mir einer der wunderschönen Stempel besonders auf: „Bezug zum KFA-Tarif über den Bandagisten". Was mich nun nachdenklich machte … ein Rezept beim Bandagisten einlösen? Und beliefert der Hersteller der Pflaster die Bandagisten tatsächlich zu günstigeren Konditionen als den Apothekengroßhandel? Bandagisten-Lobby? Nein, also das in Österreich wohl sicher nicht! Na ja, schauen wir mal… Am Abend wieder in die Apotheke, die mittlerweile so entgegenkommend war, die Pflaster zu bestellen, damit ich nach der Bewilligung nicht mehr darauf warten muss. Und es kam, wie es kommen musste: Die Apothekerin sagte mir, dass sie das Rezept auf Grund des oben beschriebenen Stempels nicht einlösen darf bzw. kann.?

Also am nächsten Tag in der Früh zu einem großen Bandagisten in der Piaristengasse. Der erste Blick auf das Rezept entlockte der Dame hinter dem Schalter ein „Was ist denn das?". Ich klärte sie auf, eine Recherche in ihrem Computer ergab: „Das haben wir nicht. Lassen Sie mir Ihre Telefonnummer da, ich werde mich erkundigen." Eine Stunde später kam der Anruf: „Wir haben das nicht in unserem Tarif. Ich kann es Ihnen Privat besorgen, Sie bezahlen es und reichen unsere Rechnung dann bei Ihrer Kasse ein." Meine Ablehnung dieser Lösung stieß auf nicht gerade großes Verständnis.

Am Abend wieder zum Bandagisten, um das Rezept wieder abzuholen. Am nächsten Tag wieder in den achten Bezirk zur Krankenkasse. Nach kurzer Erklärung in der Einreichstelle durfte ich sofort (ja, es gibt auch Sachen, die ohne Wartezeit gehen) zum Arzt hinein, der mich – nachdem er sein Telefonat beendet hatte – in äußerst amikaler Weise begrüßte und sagte: „Setz Dich doch hin, Du brauchst nicht stehen" Naja…

Ich erklärte ihm die Situation und dass ich eigentlich nicht einsehe, warum ich tagelang mit einem einfachen Rezept durch die Gegend rennen muss. Mit dem Ziel der Schaffung eines gemeinsamen Feindbildes erklärte Herr Doktor den Bandagisten zum Trottel (O-Ton). Irgendwer muss ja an der Situation auch Schuld sein. Dann erklärte er mir ausführlich, dass der Bezug dieser Pflaster über den Bandagisten für die Kasse tatsächlich billiger ist als über die Apotheke. Den genauen Cent-Betrag, den sich die Kasse dadurch erspart, ließ er jedoch aus.

Und außerdem sei die Sache ja ganz einfach. „Beim nächsten Mal gehst Du zum Bandagisten, zahlst dort die Pflaster und kommst dann mit der Rechnung – natürlich mit dem Original – wieder zu uns. Und dann sagst Du uns einfach Deine Kontonummer und wir überweisen Dir den Betrag abzüglich der Rezeptgebühr auf Dein Konto". Da waren jetzt schon so viele „Dus“, dass ich dachte ich bin bei einem schwedischen Möbelhaus… na ja…

Meine etwas zynische Bemerkung, dass es durchaus verständlich ist, dass sich die Kasse etwas erspart, wenn ich mehr Rennereien habe, quittierte der Herr Doktor mit den Worten: „Wenn Du der Post vertraust, kannst Du die Rechnung und das Rezept auch in ein Kuvert stecken und uns schicken. Ganz einfach, nur die Kontonummer und Bankleitzahl dazu und wir überweisen Dir…" „Danke vielmals, sehr großzügig."

Kulanter Weise ließ sich die KFA dann aber doch dazu hinreißen, dieses eine Mal ausnahmsweise noch eine Ausnahme zu machen und mir dieses Rezept wie bisher zu bewilligen, damit ich es in der Apotheke einlösen kann. Herr Doktor machte sich dann mit einem TippEx-Stift und einer kleineren Anzahl an Stempeln ans Werk, um das Rezept (oh, wie abwegig) wieder apothekentauglich zu machen. Beim Verlassen der KFA hatte ich den Eindruck, dass der Herr Doktor mit seiner Lösung sehr zufrieden war… na ja… Und immerhin spart sich die Kasse was…

Am Abend also wieder in die Apotheke, die mir sehr freundlich (jedoch nicht ohne den einen oder anderen Kommentar zum Vorgehen der Kasse) die bereits wieder zurück geschickten Pflaster erneut bestellte. Und heute – eineinhalb Wochen nach der Ausstellung des Rezeptes – habe ich nun tatsächlich zwei Packungen Augenpflaster für meine Tochter in der Hand. Bei den geringen Sozialversicherungs-Beiträgen, die wir zahlen, kann man das Patientenservice ja ruhig ein bisschen hinten anstellen…

Der Autor ist selbstständiger IT-Dienstleister in Wien, seine Frau ist Angestellte der Stadt Wien, weshalb er um Anonymität bitten muss. Beruflich und privat sind beide sehr stark im Gesundheitsbereich aktiv.

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Öffentliches Gesundheitssystem: Ohne Einschnitte wird es nicht gehen drucken

Willkommen in der Realität. In Österreich sind wie auch in Deutschland alle guten Dinge bekanntlich gratis. Schule, Studium, ganz besonders aber die Gesundheitsversorgung. Welch wunderbare Welt – so schien es bisher. Bisweilen indes werden Unheil ankündigende Zeichen der Zeit doch erkannt: Eine laufend steigende Zahl von Leistungsberechtigten bei einem zugleich immer kleiner werdenden Kreis von Zahlungspflichtigen muss früher oder später zwangsläufig zum Systemkollaps führen – selbst dann, wenn man zuvor noch schnell einmal die „Reichen“ total enteignet und „Besserverdiener“ mit einer 80-prozentigen Einkommenssteuerprogression quält.

Das ist offensichtlich auch den für das angeblich „beste Gesundheitssystem der Welt“ Verantwortlichen in Österreich aufgefallen, denn jenes weist Jahr für Jahr Kostensteigerungen aus, die deutlich über der Zunahme des BIP liegen. In den letzten Jahren beliefen sich die Kostensteigerungen auf durchschnittlich immerhin 5,2 Prozent jährlich. Im Jahr 2012 verschlang der öffentliche Gesundheitssektor die stattliche Summe von 22 Mrd. Euro.

Daher wurde unter einigem Getöse eine „Gesundheitsreform 2013“ ausgerufen, in deren Zentrum – man höre und staune – „Zielsteuerung und Kostendämpfung“ steht. Schließlich soll der Staat ja in 20 oder 30 Jahren nicht die gesamte Wirtschaftsleistung in der Krankheitsverwaltung versenken müssen, sondern auch fürderhin für so wunderbare Dinge wie Kulturförderung, Agrarsubventionen, die Auszahlung horrender Hofratswitwenpensionen und die Gehälter von Fahrrad- und Genderbeauftragten flüssig bleiben.

Um weiterhin eine nachhaltige Finanzierung der Gratismedizin für alle zu gewährleisten, soll die Kostenzunahme im öffentlichen Gesundheitswesen künftig an das Wachstum des BIP gebunden werden. An plakativen Überschriften und Nona-Bekenntnissen wie: „Der Patient soll im Mittelpunkt stehen“ und am „bestmöglichen Ort“ seine „optimale Behandlung“ erhalten, fehlt es nicht.

Wo und was der „beste Ort“ und die „optimale Therapie“ ist, welche Fahrtstrecken den Patienten zugemutet werden dürfen und welcher Behandlungsaufwand bei welcher Erkrankung zu rechtfertigen ist, bleibt ungeklärt. Die Frage, wie die geplanten Einsparungsziele – angesichts der von diversen Interessenvertretungen mit Zähnen und Klauen verteidigten Reviere und Pfründe – zu erreichen sind, ist offen. Viel kann indes nicht schief gehen, denn immerhin wurden bereits (selbstverständlich steuer- und beitragsfinanzierte) Arbeitskreise und Kommissionen ins Leben gerufen, die sich der Problematik unter größtmöglichem Einsatz annehmen werden…

Der in einschlägigen Debatten häufig als Allheilmittel vorgeschlagene Bettenabbau im überdimensionierten Spitalsbereich wird, so steht zu befürchten, zum Systemerhalt nicht ganz ausreichen. Österreich ist zwar unbestrittener Weltmeister in der ebenso kostspieligen wie überflüssigen Hospitalisierung von Patienten, die – ohne Qualitätsverlust – jederzeit auch ambulant versorgt werden könnten. Weniger Betten bringen allerdings Patienten dummerweise nicht zum Verschwinden. Die zu deren extramuraler Behandlung erforderlichen Strukturen und Einrichtungen fehlen jedoch weitgehend. Pech, dass deren Aufbau nicht zum Nulltarif zu haben sein wird.

Um das Ungemach zu komplettieren, lässt die galoppierende Vergreisung der Gesellschaft steigende Fallzahlen und darüber hinaus drastisch zunehmende Kosten des Pflegebedarfs erwarten. Mitsamt ihrer unerfreulichen Begleiterscheinung, dass den Menschen einfach wesentlich länger Zeit dafür bleibt, alle möglichen lästigen Leiden zu entwickeln. Die Austriaken leben gleich lang wie die Dänen, laborieren aber wesentlich mehr Jahre an verschiedensten Krankheiten, ehe man sie einsargt (nämlich 13, während es die Dänen auf nur 7 Jahre bringen). Das stellt die Experten vor ein Rätsel…

Dass das öffentliche Gesundheitswesen zu ungefähr gleichen Teilen aus Krankenkassenbeiträgen und Steuern finanziert wird, sowie die vom Rechnungshof immer wieder scharf kritisierte Zersplitterung der Zuständigkeitsbereiche (jeder, mit Ausnahme des Gesundheitsministers, hat ein gewichtiges Wort mitzureden), führt derzeit zu Zielkonflikten. Diesen wird ohne eine radikale Umgestaltung des Gesamtsystems mutmaßlich nicht beizukommen sein. Angesichts der sprichwörtlichen Reformresistenz im Land der Hämmer (nicht einmal eine mickrige Verwaltungsreform oder die Abschaffung des ganz und gar unnötigen Bundesrates sind hinzubekommen!) bedeutet das verdammt schlechte Aussichten – sowohl für Patienten als auch Steuerzahler.

Zweifellos ist, um nur einen rein medizinischen Aspekt herauszugreifen, künftig deutlich mehr Gewicht auf Vorsorge und Prävention zu legen. Ein Beispiel: Jeder durch geeignete Maßnahmen vermiedene Dialysefall könnte langfristig viel Geld ersparen. Nierenleidende stellen zwar nur 0,1 Prozent aller ambulanten Patienten, verursachen aber 16 Prozent der Kosten des Ambulanzbetriebes.

Rund die Hälfte der Betroffenen haben eine langjährige Vorgeschichte als Hypertoniker und/oder Diabetiker. Sowohl die Hochdruck- als auch die Stoffwechselerkrankung kann aber, so sie frühzeitig genug erkannt wird, derart effektiv behandelt werden, dass es erst gar nicht zu einer Niereninsuffizienz – und den sich daran knüpfenden Kosten – kommen muss. So weit, so gut. Vorsorgemaßnahmen führen jedoch nur dann zu Einsparungen, wenn dadurch der Abbau von Behandlungseinrichtungen (etwa die Schließung bestimmter, dann überflüssiger Krankenhausabteilungen) möglich wird.

Das aber funktioniert nur, wenn die Präventivmedizin lückenlos durchgeführt wird – z. B. in Gestalt von verbindlichen Reihenuntersuchungen. Zu deren Durchsetzung bedürfte es indes wohl polizeistaatlicher Maßnahmen, bis hin zur Zwangsvorführung von Patienten. Ob das in einer liberalen Gesellschaft, die auch ein Recht auf (selbstverschuldete) Krankheit zu garantieren hat, wünschenswert und durchsetzbar ist, sei dahingestellt.

Die Wahrheit ist: Der Wohlfahrtstaat ist am Ende. Zwecks Fortsetzung der Brot-und-Spiele-Orgie noch mehr Schulden zu machen, ist nicht länger drin. Fachleute sind sich daher einig, dass es im staatlichen Gesundheitswesen zu einem „Abschmelzen von Leistungen“ wird kommen müssen. Die bereits heute von den Anwälten der „sozialen Gerechtigkeit“ und anderen sozialromantisch veranlagten Traumtänzern bitter beklagte „Zweiklassenmedizin“ wird sich folglich erheblich verschärfen.

Wer zahlen kann und will, wird behandelt; alle anderen aber leben mit einer zunehmend besser werdenden Aussicht darauf, auf einer Warteliste zu versterben oder endlos lange auf einen OP-Termin oder ein anderes Gratisangebot vom Onkel Doktor warten zu müssen. Das sollte indes niemanden überraschen, denn Mangelversorgung, Warteschlangen und -listen sind eben die unvermeidlichen Symptome jedes sozialistischen Systems. Warum sich das in einer staatlichen Gesundheitskolchose anders verhalten sollte, liegt im Dunkeln. Ist diese doch allen möglichen Stakeholdern (von der gewerkschaftlich bestens organisierten Hilfskrankenschwester über viele Tausendschaften unkündbarer Sozialbürokraten bis zum Apotheker mit bombensicherem Gebietsschutz) verpflichtet.

Wer Geld hat, fährt im Bentley und wer keines hat, geht zu Fuß. Differenzierungen dieser Art werden künftig auch im Gesundheitswesen gelten. Immer noch wird diese für viele Zeitgenossen unbequeme Erkenntnis von der politischen Klasse zugunsten der Illusion einer unbegrenzten Finanzierbarkeit lebenslänglich garantierter Gratismedizin für alle unterdrückt. Bei der hierzulande herrschenden Nulltarifmentalität verwundert das auch nicht. Für allzu viele Mitbürger ist es nämlich zwar völlig OK, mit gepumptem Geld auf Urlaub zu fahren, ein Auto und/oder allerlei überflüssigen Tand zu kaufen. Aus der eigenen Tasche ein paar Euro für seine Gesundheit aufwenden (oder dafür gar einen Kredit aufnehmen) zu müssen, wird von denselben Leuten jedoch als absolut unerhörte Zumutung verstanden. Dem tragen die Sozialisten in allen Parteien getreulich Rechnung. Hier sind die Konsequenzen jahrzehntlanger wohlfahrtsstaatlich organisierter Verhausschweinung zu bewundern.

Doch die Wahrheit ist zumutbar! Ehrlich wäre es, den (künftigen) Patienten schon heute reinen Wein einzuschenken: Ohne privates Geld in die Hand zu nehmen wird es keine „optimale“ Versorgung mehr geben. Mit oder ohne Gesundheitsreform 2013. Wie heißt es im Sprichwort? „Ohne Geld ka Musi“. Dasselbe wird künftig wohl auch für die Hüftoperation gelten. Die leere Staatskasse hat gesprochen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Luxus-Renten drucken

In diesem Blog erschienen am 28. 4. sowie am 30. 10. Beiträge von mir als Gastkommentare zu dem spannenden Thema „Pensionen“. Dabei war die Harmonisierung der verschiedenen Pensionssysteme in Österreich – durch die gravierende Ungerechtigkeiten entstehe – ein wesentlicher Inhalt. Nun hat nach der Nationalratswahl die Diskussion um einen Stopp für alle Luxus-Pensionen an Fahrt aufgenommen.

Geplant ist ein Verfassungsgesetz gegen alle Pensionsprivilegien. Am 19.11.2013 wurde es im Ministerrat behandelt und ein Entschließungsantrag mit Fristsetzung Ende Jänner eingebracht. Im Jänner soll es im Nationalrat mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Demnach sollen die Luxuspensionen um 20 Prozent bzw. 30 Prozent gekürzt werden.

Dabei ergeben sich allerdings folgende interessante Fragen:

  • Warum werden diese Aktionen zur Kappung der Luxuspensionen erst nach der Nationalratswahl  in Angriff genommen? Ist der Grund im Schließen des drohenden Budgetlochs – in welcher Höhe auch immer – zu suchen, oder war es einfach nur die Nachlässigkeit unserer Spitzenpolitiker, die jetzt endlich Zeichen setzen wollen und nun handlungsfähig bzw. -willig sind?
  • Wo blieb denn der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger? Es müsste doch diesem Verband mit seinem Apparat und seinen zahlreichen Funktionären schon längst aufgefallen sein, dass in verschiedenen Sozialversicherungsträgern die Pensionen der Ruheständler angeblich höher sind als die aktiven Bezüge der betreffenden Personen – das konnte man zumindest in den Tageszeitungen lesen.
  • Welche Funktionäre haben in den jeweiligen Institutionen die entsprechenden Entscheidungen getroffen? Sie sind zur Verantwortung zu ziehen für diese Auswüchse auf Kosten der Steuerzahler.
  • Welche Gremien haben die Luxuspensionen für die Chefs der Nationalbank und deren leitende Mitarbeiter entschieden (Euro 32.000,- für Adolf Wala und Euro 30.000,- für Heinz Kienzl) und tragen deshalb auch die Verantwortung? Welche Stellen haben diese Gremien kontrolliert – sie tragen die Führungsverantwortung.
    • Diese absurden Luxuspensionen sind übrigens zu 75 bis 80 Prozent nicht durch Eigenbeiträge gedeckt, so der Sozialexperte Bernd Marin. Das heißt, dass alle Steuerzahler zu diesen Luxuspensionen ihren (Zwangs-)Beitrag geleistet haben.
    • Wer hat in der Nationalbank entschieden, dass durchschnittlich € 20.000 Begräbniszuschuss bezahlt werden, wie es der Rechnungshof kürzlich aufdeckte?
    • Der Zentralbetriebsrat der Nationalbank, Robert Kocmich, meinte kürzlich, dass man doch den Generaldirektor der Notenbank, in dessen Ära acht Milliarden Euro Gewinn gemacht worden sind, „nicht mit einer Billa- Verkäuferin vergleichen kann“. Abgesehen davon, dass solche blödsinnigen Vergleiche an und für sich völlig unangebracht sind, sollten sie gerade aus dem Mund eines Betriebsrates nicht kommen.
  • Wer hat die Luxuspensionen für die Wiener Gemeindebediensteten entschieden und genehmigt und trägt dafür auch die Verantwortung? Wer kontrollierte diese Entscheidungsträger – sie tragen die Führungsverantwortung.
  • Wer hat die Luxuspensionen für die ehemaligen Chefs und leitenden Mitarbeiter des ORF genehmigt? Da gibt es einen bezahlten Stiftungsrat, der dafür wahrscheinlich zuständig ist und demnach auch die Verantwortung trägt. Er ist zur Rechenschaft zu ziehen.
  • Wo waren die Pensionistenvertreter Blecha und Khol? Sie sind zwar sehr emsig, wenn es um höchst bescheidene Erhöhungen der ASVG-Pensionen geht – allerdings zumeist unter der Inflationsgrenze.
    • Warum sind sie nicht schon längst auf die Barrikaden gegen diese Pensionsschweinereien gestiegen? Wahrscheinlich deshalb, weil sie ja selbst als Altpolitiker Nutznießer des Systems der privilegierten Politikerpensionen sind.
    • Khol hat übrigens vor der Nationalratswahl dezidiert und prophetisch vorhergesagt, dass es in der nächsten Legislaturperiode keine Änderung beim Pensionsantrittsalter geben werde. Nun erklärt er plötzlich, dass sehr wohl für Frauen eine Änderung eintreten sollte. Wie kommt er zu diesem Schwenk? Geht es bei ihm nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Ist er nun klüger geworden?

Es muss endlich „Grelles Licht ins Dunkel“ dieses Luxuspensionssaustalls der staatsnahen Institutionen und Unternehmen kommen. Als Staatsbürger hat man zunehmend den Eindruck, dass landauf und landab ein flotter Selbstbedienungsladen auf Kosten der Steuerzahler bestanden hat. Da geht einem als kleiner und bescheidener ASVG-Pensionist „Das Geimpfte auf“, wie es Wirtschaftskammer-Präsident Leitl in einem anderen Zusammenhang einmal so treffend zum Ausdruck brachte.

Die Verantwortungsträger/Funktionäre sind verantwortlich und zur Rechenschaft zu ziehen – aber nicht nur sie, sondern auch die vorgesetzten Instanzen/Dienststellen auf der Grundlage ihrer Kontrollverantwortung. Wenn dies in Zukunft nicht konsequent gehandhabt wird, werden sich solche Vorkommnisse im Laufe der Zeit immer wieder einschleichen.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart. Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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Wo gibt es wie viele Politikerpensionisten? drucken

Zahl der Bezieher von Politikerpensionen und Kosten in Mio. Euro

 

Bezieher

Kosten

  Bezieher Kosten
Bund

441

26,7

Wien *

302

15,5

Niederösterreich

99

5,3

Steiermark

96

4,8

Vorarlberg

65

3,5

Tirol

37

3,4

Kärnten

73

3,3

Oberösterreich

72

3,3

Salzburg

72

3,2

Burgenland

75

2,0

Gesamt

1.295

71

* Wien: Bundesland und Gemeinde, andere Länder ohne Gemeinden

Quelle: Landesregierungen/Landesbudgets

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Welches Bundesland vergibt wie viel Mindestsicherung? drucken

Unterstützte Personen und Ausgaben (in Mio. Euro) für die bedarfsorientierte Mindestsicherung nach Bundesländern 2012 im Vergleich

 

Personen

Ausgaben

 

  Personen Ausgaben
Österreich gesamt
(2011)

221.341
(193.276)

539,7
(439,2)

Burgenland

3.023

4,7

Kärnten

4.979

9,8

Niederösterreich

18.966

38,4

Oberösterreich

14.214

26,3

Salzburg

12.039

22,2

Steiermark

19.552

34,5

Tirol

13.465

31,6

Vorarlberg

8.583

15,1

Wien

126.520

357,1

Quelle: Statistik Austria

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Österreichs Gesundheitssystem im OECD-Vergleich drucken

Ausgewählte Werte zum Gesundheitssystem Österreichs im Vergleich zum OECD-Schnitt, sowie Rang Österreichs

 

  Österreich OECD-Schnitt Rang
Gesundheitsausgaben
$ pro Kopf

4.546

3.322

5

Ärzte
pro 1.000 Einwohner

4,8

3,2

3

Medizin-Absolventen
pro 100.000 Einwohner

19,9

10,6

1

Arztbesuche
pro Kopf & Jahr

6,9

6,7

12

Arztbesuche
pro Arzt & Jahr

1.430

2.385

27

Spitalsbetten
pro 1.000 Einwohner

7,65

4,96

5

Zeit im Spital
Durchschnitt in Tagen

7,8

8,0

17

Spitalsentlassungen
pro 1.000 Einwohner

273

156

1

Quelle: OECD

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Die Medizinerschwemme und die nächsten Lügen der Politik drucken

Hinten und vorne geht dieser Republik das Geld aus. Zugleich aber wird immer mehr davon beim Fenster hinausgeworfen. Wie etwa für die Linzer Medizin. Deren Absurdität ist nun durch eine große OECD-Analyse der Gesundheitspolitik aller Industrieländer endgültig offengelegt worden.

Während die Familien brutal ausgehungert werden und es seit 1999 nicht einmal mehr eine Inflationsanpassung der Familienbeihilfe gibt, hat diese Koalition beschlossen, in Linz eine komplett neue Medizin-Universität zu bauen. Als Argument wird ständig ein drohender Ärztemangel genannt. Damit nur ja nicht der katastrophale Geldmangel dieses Projekt noch abdreht, hat die ÖVP gleich Josef Pühringer, den Chef-Lobbyisten dieser neuen Medizinerausbildung, zum finanziellen Chefverhandler bei den Koalitionsgesprächen gemacht.

Der kann dann dort ungehindert das Geld für sich sichern. Auf Kosten der Familien, die dem ehemaligen Religionslehrer und nunmehrigen „Bildungsexperten“ offensichtlich völlig wurscht sind.

Und ausgerechnet in dieser Phase platzt die große OECD-Gesundheitsstudie herein. Blöd gelaufen. Die OECD zeigt, dass im Vergleich aller Industrieländer – also weit über die EU hinaus – Österreich bei den Zahlen der Absolventen eines Medizinstudiums an der absoluten Spitze liegt. In Österreich absolvieren fast doppelt so viele junge Menschen das teure Medizinstudium wie im OECD-Schnitt. Es ist also eine absolute Frechheit, ja eine neuerliche Lüge dieser Koalition, wenn sie uns dennoch – trotz aller „plötzlich“ entdeckten Löcher – noch mehr Geld für die Ausbildung von noch viel mehr Medizinstudenten abknöpft.

Für eine Sicherung ausreichender Ärzte-Zahlen wären zwei ganz andere Ursachen zu bekämpfen: die skandalöse Bezahlung junger Mediziner in Krankenhäusern und die schlechte Honorierung von Allgemeinmedizinern durch die staatliche Sozialversicherung; diese zahlt für viele Leistungen bloß noch ein Trinkgeld, das man sonst in dieser Höhe nur einem Kellner gibt. Beides treibt viele – auch österreichische – Jungmediziner rasch ins Ausland.

Bei diesen beiden Problemkreisen wäre dringend der Hebel anzusetzen und nicht bei der universitären Ausbildung. Das Linzer Projekt führt nur zu dreierlei:

  • Das erstaunlich provinzielle Selbstbewusstsein des oberösterreichischen Landeshauptmanns und seiner Helfershelfer wird gehoben;
  • Einige etablierte Ärzte können sich dann das image- und preistreibende „Univ.Prof“ auf das Ordinations-Schild setzen;
  • Österreich zahlt noch mehr Entwicklungshilfe für die offensichtlich verarmte Bundesrepublik Deutschland, in die ja die meisten Auswanderer (in- wie ausländischer Staatsbürgerschaft) nach dem kostenaufwendigen Studium in Österreich wandern.

Diese OECD-Daten entlarven endgültig die völlige Unfähigkeit der politischen Machtelite zu sinnvollen Maßnahmen. Statt mutig auf Linz zu verzichten, werden die Minister Töchterle und Fekter eiskalt entsorgt. Offenbar weil sie da nicht gleich begeistert mitgespielt haben.

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Wie die Krankenkasse zahllose Jobs killt drucken

Unbemerkt von der Öffentlichkeit und ungestört von der Politik sind seit etwa zwei Jahren die Gebietskrankenkassen dabei, Jobs zu killen, Unternehmen und Wertschöpfung aus Österreich zu vertreiben. Das ist Ergebnis ihrer Jagd auf (freiwillig!) freie Dienstnehmer und sogar gewerberechtliche Unternehmer, welche die Kassa zwangsweise zu Angestellten macht. Dabei haben die Betroffenen durchaus Steuer und Sozialversicherung gezahlt, nur halt bei der Selbständigen-Versicherung. Die Folgen: Immer mehr Firmen wandern ab, sperren zu oder vergeben Aufträge ins Ausland.

Der Schaden wird von Monat zu Monat größer. Aber die unternehmerfeindlichen Arbeitsgerichte machen der Gebietskrankenkasse die Mauer. Und die Wirtschaftskammer wie die SVA (bei der die Menschen vorher versichert waren) können nur ohnmächtig protestieren. Denn die SPÖ hat ihnen bisher sogar Parteistellung in diesen Verfahren verweigert.

Auch „prüfende“ Finanzbeamte spielen bei dieser Menschenjagd mit. Die Gebietskrankenkassen haben offensichtlich zwei Motive: Sie wollen erstens im Konkurrenzkampf der Sozialversicherungen besser dastehen – und zweitens können die Genossen von der Gewerkschaft dann diese Menschen als Mitglieder akquirieren.

Erbitterten Zorn gegen diese Praktik hört man etwa von Marktforschern, deren Interviewer nun teure Angestellte sein sollen. Da geht es meist um Studenten oder Hausfrauen, die in den Abendstunden ein wenig dazuverdienen. Zugleich haben die Marktforscher naturgemäß sehr unterschiedlichen Auftragsanfall. Aber das begreift ein dick und fett abgesicherter GKK-Beamter halt nicht. Ergebnis: Die Meinungsforscher beschäftigen angesichts des GKK-Terrors nun oft Interviewer jenseits der Republiksgrenzen. Wohin dann auch die Wertschöpfung wandert.

Ganz ähnliches spielt sich im IT-Bereich und bei Skilehrern ab. Ergebnis: IT-Aufträge wandern ab. Und in Vorarlberg sperren Skischulen zu, weil sie keine Skilehrer mehr finden beziehungsweise zahlen können. Selbst winzige Firmen werden ruiniert: etwa die kleine Nachrichtenagentur Central European News, die aus Wien englische Zeitungen mit Stories aus ganz Mittel- und Osteuropa versorgt. Sie wandert nun Richtung Osten ab. Eine Salzburger Vertriebsfirma ist nach Deutschland übersiedelt: Sie hatte in ganz Österreich 200 selbständige Vertreter beschäftigt – die nun von der Gebietskrankenkasse zu Arbeitnehmern gezwungen werden sollten.

Besonders skandalös: Diese Jagd macht sogar Gewerbeschein-Besitzer zu Angestellten. Und sie ist mit oft horrenden Forderungen verbunden, die bis zu fünf Jahre zurückreichen. Noch skandalöser ist das, was einem sowohl WKO-Funktionären wie mehreren Unternehmen zuraunen: Firmen, die sich im linken Sinne brav verhalten, werden verschont. Also wenn sie sogenannte Frauenförderungspläne veröffentlichen und mit der Gewerkschaft kooperieren . . . 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Krise brennt lichterloh – aber die Politik hat sie für beendet erklärt drucken

Schockierende Arbeitsmarktdaten. Ebenso schockierende Vorschläge vom Währungsfonds. Aber unsere Regierungsparteien klopfen sich selbst weiterhin auf die Schultern, dass sie die Wirtschaftskrise überwunden hätten, wenn auch um die Kleinigkeit von 54 Milliarden zusätzlicher Schulden.

Die neuesten Statistiken zeigen: Mehr als zwölf Prozent Arbeitslose binnen eines Jahres. Bei den Über-50-Jährigen sind es sogar 22 Prozent. Zugleich ist die Zahl der als offen gemeldeten Stellen um mehr als zehn Prozent zurückgegangen.

Da müsste eine anständige Gewerkschaft Großalarm schlagen. Eine anständige. Bei uns schweigt sie jedenfalls. Sind doch sowohl der Bundeskanzler wie auch der Arbeits- und Sozialminister Vertrauensmänner der Gewerkschaft.

In dieser Situation müssten auch sonstige Gesundbeter, etwa aus den Wirtschaftsforschungsinstituten, lauten Alarm schlagen und zugeben, dass die für beendet erklärte Krise in Wahrheit lichterloh brennt. Dass sie in Österreich überhaupt erst jetzt zu brennen angefangen hat. Jeder vernünftige Ökonom (also natürlich nicht die linksradikalen von den Wiener Unis) müsste massiv rund um die Uhr nach Deregulierungen, Privatisierungen und Steuersenkungen rufen, damit es wieder mehr Jobs gibt. Hört man etwas davon? Ich nicht. Aber die Wirtschaftsforscher haben ja ihre Jobs. Und ihre Aufträge aus der Politik.

Noch mehr Anlass gäbe es für Alarm und Panik, wenn man die Vorschläge des Internationalen Währungsfonds liest. Der schlägt einfach und frech vor, allen europäischen Sparbuchinhabern zehn Prozent wegzunehmen. So als ob er endgültig zur Revolution rufen wollte.

Dabei ist seine Logik durchaus nachvollziehbar: Die von der Politik verursachte Schuldenlast ist unerträglich und zur Lunte an einer großen Bombe geworden; dennoch zeigt sich die Politik Österreichs und der meisten anderen europäischen Länder offensichtlich außerstande, die Staatshaushalte in Ordnung zu bringen. Eine stimulierende Befreiung, eine „Entfesselung“ der Wirtschaft findet ja offenbar nur verbal statt.

In dieser Situation schlägt halt der IWF als allerletzten Ausweg den Griff auf die Sparguthaben vor, um die Defizite zu beseitigen. Ähnlich – wenn auch ein wenig verschwurbelter – haben das ja in den letzten zwei Jahren auch schon linke Ökonomen getan. Sie alle verschweigen freilich: Die Sparer zahlen jetzt schon alljährlich mit rund zwei Prozent ihrer Guthaben für den Spaß der Profiteure des Wohlfahrtsstaates. Denn so viel beträgt ja in den letzten Jahren die Differenz zwischen der Inflation und den (auf Verlangen der Politik) von der EZB auf null gedrückten Sparzinsen. Gäbe es übrigens Zinsen, müsste man da auch noch die Sparbuchsteuer abziehen.

Aber die Politik ignoriert das alles, sonst müsste sie ja irgendeiner Lobby wehtun, etwa den Gewerkschaften als Verfechtern des lächerlich niedrigen Pensionsalters und des steinzeitlich niedrigen Frauenpensionsalters. Oder den agrarischen, wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Subventionsempfängern. Oder der Zuwanderungslobby. Statt dessen werden ja zu Dutzenden finanzielle Forderungen an die neue österreichische Koalition gerichtet. Und wahrscheinlich teilweise sogar erfüllt.

Nun, jede Wette: Die Spareinlagen werden in den Tagen nach dieser IWF-Ankündigung noch rascher schrumpfen, als sie es ohnedies schon seit längerem tun. Daher wird noch weniger Spargeld der Wirtschaft für arbeitsplatzschaffende Investitionen zur Verfügung stehen. Daher wird immer mehr Spargeld in Goldmünzen und Immobilien umgetauscht werden, vielleicht sogar wieder in brasilianische Aktien. In der vagen Hoffnung, wenigstens dort dem politischen Zugriff entzogen zu sein.

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Linz und Wien, die Roma und die Caritas drucken

Faszinierend, wie die meisten Medien über die eskalierenden Roma-Probleme in Wien und Linz (oder früher schon in Graz) berichten: Sie tun das, ohne auch nur ein einziges Mal das R- oder gar das Z-Wort zu verwenden. Das ist offenbar die Korrektheit und Ehrlichkeit der österreichischen Medien. Bei dieser organisierten Fakten-Unterdrückung steht wieder einmal der ORF an der Spitze. Es wird immer rätselhafter, wie diese Medien es überhaupt noch wagen können, von den Sehern, Hörern und Lesern auch noch Geld dafür zu verlangen, dass sich die Zahler wie kleine Kinder tagtäglich politisch korrekt umerziehen (also manipulieren) lassen müssen. Das Problem der Medien: Fast alle merken, was da los ist.

Natürlich handelt es sich in Linz wie Wien um ein reines Roma-Problem. Das bestätigen alle Experten – solange kein Mikrophon in der Nähe ist. Nur in der verlogenen Berichterstattung vieler Medien findet sich darauf kein Hinweis.

In Linz haben größere Roma-Gruppen seit Monaten so oft in großer Zahl gewalttätigen Rabatz in einer für soziale Problemfälle gedachten Wärmestube gemacht, dass sich die oberösterreichische Caritas nicht mehr anders zu wehren wusste als durch ein Hausverbot. Das hat man dann – offenbar im Glauben, damit politisch korrekt vorzugehen, – sicherheitshalber gleich für ganze Nationen ausgesprochen. Einem Caritas-Funktionär kommt ja das R- oder Z-Wort nicht über die Lippen.

Aber beim Hausverbot für ganze Nationen ist erst recht – auch innerhalb der Caritas – sofort die politisch korrekte Erregung losgebrochen. Daher hat man dieses Hausverbot wieder zurückgezogen und als neue Devise ausgegeben, dass das Verbot nicht für Angehörige bestimmter Nationen gilt, sondern nur für größere Gruppen. Ohne zu klären, was das wieder ist, und was man tut, wenn die Mitglieder einer größeren Gruppe nun in zwanzigsekündigen Abständen eintreffen.

Wir lernen aber die neue PC-Lektion: R. oder Z. oder auch Nation geht gar nicht. Zahl geht schon. Auch wenn immer dasselbe gemeint ist. Auch für das Vorgehen der Wiener Behörden gegen im Stadtpark campierende Roma wird man schon noch eine politisch korrekte Formulierung finden.

Gewiss kann man dem ob der Linzer Krise ordentlich ins Schwitzen geratenen Caritas-(bald: Alt-)Präsidenten Küberl beipflichten, dass es ein bisschen unfair ist, wenn nun den Caritas-Apparat als letzten die Hunde der geschürten Erregung beißen. Haben doch alle anderen schon längst den Kopf im Sand vergraben. Es geht nicht an, dass die Gemeinde-, Landes- und Bundespolitik auf Tauchstation geht, kaum wird etwas heikel.

In Linz gibt es zwar einen verbal extrem linken Soziallandesrat. Aber jetzt schweigt er. Im Bund fühlt sich zwar ein Staatssekretär für die integrationswilligen Zuwanderer zuständig. Für die Unwilligen, für die Problemfälle ist aber niemand zuständig. Offenbar glaubt man noch immer, dass Diskussionen über die wirklichen Probleme mit der üblichen Moralkeule gelöst werden können.

Jetzt hat auch die Caritas als letzte in der Reihe kapituliert. Dabei sind Linz und Wien noch gar nichts gegen das, was sich schon in Italien und Frankreich an Roma-Invasionen abgespielt hat. Dort mussten auch linke Politiker am Ende eingestehen, dass ihre einstige Schönwetter-Rhetorik zu dem Thema absolut nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hat. Insbesondere in Frankreich hat man dann zuletzt auf hart geschaltet. Worauf der besonders konsequente Innenminister plötzlich das einzige französische Regierungsmitglied war, das im Gegensatz zu seinen Kollegen noch über so etwas wie positive Popularitätswerte verfügt. Was ihm natürlich erst recht den Hass der Linkskorrekten eingebracht hat.

Gewiss kann in einem einzigen Kommentar keine detaillierte Lösung der Roma-Frage ausgearbeitet werden. Die gibt es auch in dicken Büchern nicht. Die gibt es überhaupt nicht auf die Schnelle. Aber eines kann klar gesagt werden: Ohne damit anzufangen, offen und ehrlich die volle Wahrheit zu suchen und auszusprechen, kann eine Lösung nicht einmal ansatzweise näherrücken.

Zur Wahrheit gehört auch das Eingeständnis: Es ist billiger Linkspopulismus, ständig so zu tun, als ob der Kern und die primäre Wurzel des Roma-Problems in Rassismus und Diskriminierungen der Roma durch andere lägen. Natürlich gibt es das, aber mehrheitlich als Reaktion, die sich dann mancherorts im Lauf der Zeit auch ohne Anlässe verdichtet hat.

Bei uns oft verschwiegene Tatsache ist: Von der Slowakei über Ungarn bis auch Rumänien haben die dortigen Regierungen, Kirchen und viele in- wie ausländische Organisationen in den letzten Jahrzehnten sogar sehr viel unternommen. Sie versuchen, über Bildung, Wohnbauten, Sonderprojekte und Arbeitsplätze den Roma und allen anderen Gruppierungen (die eigentlich trotz PC nur mit dem Ausdruck Zigeuner präzise zusammenfassbar sind) zu helfen.

Der Erfolg war aber endenwollend. Die Probleme von Kleinkriminalität über Vandalismus über Arbeitsunwilligkeit bis zu den vielen Schwangerschaften kindlicher Mädchen sind nach wie vor in weit überdurchschnittlicher Zahl existent. Auch wenn es politisch total unkorrekt ist, das zu sagen. Auch wenn in den meisten Ländern Roma nicht als solche identifiziert und erfasst sind.

Das heißt nun keineswegs, dass man all diese Bemühungen und Projekten für sinnlos erklären und einstellen soll. Man wird im Gegenteil vieles noch intensivieren, verstärken und in der einen oder anderen Form besser machen müssen. Man wird immer wieder dazulernen, was funktioniert, was nicht.

Aber zugleich muss man endlich mit den ewigen verlogen-einseitigen Schuldzuweisungen aufhören. Zugleich muss man endlich auch den Mut haben, ganz klar auch die harte Seite eines Rechtsstaats zu zeigen, wenn die spendablen Seiten nichts helfen. Da darf man sich auch nicht vor dem schon längst eingelernten Reflex fürchten, dass bei jedem Ansatz einer konsequenten Politik sofort „Rassismus!“ gebrüllt wird. Aber man hilft Problemgruppen nicht, wenn man sie nur mit Samthandschuhen angreift.

Vor allem müssen sich Gutmenschen – also auch die Mehrheit von Politik und Medien – endlich von der Illusion trennen, man könne aller Welt die Tore öffnen. Und alle Welt mit den vielen Wohltaten des heimischen Sozialsystems versorgen. Diese werden nämlich auf Dauer nicht einmal für die österreichische Schrumpfbevölkerung aufrechterhaltbar sein.

Freilich steht die Wahrheit weiterhin nirgendwo auf dem Programm. Die Medien werden lügen, lügen, lügen. Und die Politik wird schweigen, untertauchen, ignorieren.

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Caritas: Kein Grund zum Jubel drucken

Franz Küberl geht. Der langjährige Caritas-Boss treibt jedoch auch noch beim Abschied die schon seit Jahren betriebene Pervertierung des Prinzips Nächstenliebe auf die Spitze. Sein Abgang bringt dennoch keinen Trost: Sein kolportierter Nachfolger Michael Landau ist ein noch üblerer Propagandist des linken SPÖ-Flügels (und überdies persönlich nicht einmal halb so charmant und verbindlich wie der abgehende Steirer). Dennoch muss man nicht ganz verzweifeln: Zum Glück findet man zumindest in Deutschland Caritas-Repräsentanten, welche die Grundzusammenhänge im Sozialbereich verstehen und nicht auf den billigen (in Wahrheit extrem teuren) Sozialpopulismus nach Küberl- oder Landau-Art machen.

Küberl hat zum Abschied die zwei „größten Erfolge“ seiner 18-jährigen Präsidentschaft bejubelt. Nichts davon ist jedoch eine Caritas-Leistung. Beides sind vielmehr solche Maßnahmen, wo der Staat noch stärker, noch teurer gemacht worden ist, wo er sich neue Legitimation dafür geholt hat, selbst noch unsere Enkel in die Schuldknechtschaft zu stürzen. Küberls Erfolge, auf die er so stolz ist, sind im O-Ton der Kathpress: „die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung und der Grundversorgung für Asylwerber“.

Genau diese total etatistische Sicht ist bezeichnend für Küberl. Keiner der beiden Caritas-„Erfolge“ hat irgendetwas mit Nächstenliebe zu tun, mit der Pflicht jedes einzelnen Christen, Mitmenschen in seelischer oder körperlicher Not zu helfen. Wobei es gleich ist, ob sie das durch Geldspenden oder konkretes Handanlegen tun, und ob sie es individuell oder kollektiv tun (gerade um solche kollektive Nächstenhilfe effizient zu organisieren, wurde ja eben einst die Caritas geschaffen).

Entscheidend für Christen ist vielmehr: Es hat immer nur das etwas mit Nächstenliebe zu tun, was freiwillig geschieht. Und nicht wenn Finanzbeamte (unter Androhung von Zwangsgewalt!) den Bürgern die Hälfte ihres Geldes abnehmen, damit dann Politik und Bürokratie – nach Abzug kräftiger Tantiemen für sich selber – das Geld nachher wieder verteilen.

Jedoch interessiert das alles die Küberl-Landau-Apparatschiks nicht. Sie sehen sich als Politruks. Sie fordern ständig statt der individuellen Nächstenliebe noch mehr staatliche Bürokratie. Wie alle sozialistischen Funktionärstypen wollen sie den Staat immer weiter vergrößern. Sie sehen ihn überdies als unerschöpfliche Geldquelle an. Sie vergessen ganz, wie das Urchristentum gerade durch seinen kompletten Antagonismus zum Staat überzeugend und groß geworden ist.

Ebensowenig hat der einstige Arbeiterjugendfunktionär Küberl mitgekriegt, dass die Kommunisten, die Sozialisten und deren Schuldenpolitik schon lange erfunden sind. Dass er ein wenig zu spät gekommen ist. Und selbst, wenn das nicht der Fall wäre: Genau zum Ruf nach noch mehr Staat braucht es nicht die Kirche.

Auch für die Caritas gibt es keinen Gratis-Lunch

Aber der riesige Moloch der Sozialbürokratie hat ja schon längst die Caritas instrumentalisiert. Diese ist in Wahrheit schon total von jenem Moloch und seinem (=unserem) Geld abhängig. Und selbstverständlich fordert die Sozialbürokratie im Gegenzug für das Steuergeld politische Gegenleistungen, also parteilinienförmige Aussagen.

Alle ökonomischen Grundrechnungsarten zeigen, dass Mindestsicherung und Grundversorgung falsche und kontraproduktive Instrumente sind. Sie sind die perfekten Zapfsäulen für einen immer großflächiger werdenden Sozialbetrug. Sie locken eine große Zahl von Menschen in die (auf Pump finanzierte) soziale Hängematte. Wohin sich viele gerne begeben, müssen sie doch dann nicht mehr im Schweiße ihres Angesichts ihr Brot verdienen (in welchem Buch immer ich diese Beschreibung der Conditio humana gelesen habe).

Wenn man die Einkommenshöhen in der Dritten Welt kennt, dann wird völlig klar, dass der Anspruch auf Grundversorgung immer mehr Pseudoasylanten ins Land lockt. Zu diesen gehören etwa auch die seit Jahr und Tag von der Caritas geförderten pakistanischen Moslems in Votivkirche/Servitenkloster/Universität. Unter Druck der Caritas hat der Staat völlig falsche Anreize gesetzt, die überdies total unfinanzierbar sind.

Zum Abschluss noch eine Attacke gegen die Schule

Aber das alles geht eben nicht in sozialistische Hirne hinein, auch wenn es hundertfach bewiesen ist. Dort gehen auch nicht die katastrophalen Folgen der Zwangsgesamtschule hinein – für die sich Küberl und Landau prompt ebenfalls stark gemacht haben. Und wie immer haben die Bischöfe auch in diesem Punkt hilf- oder ahnungslos dem Treiben zugesehen.

Küberl und Landau ignorieren völlig, dass Österreich als sichere Folge einer Gesamtschule – wie alle Länder, die sie eingeführt haben, – eine Zweiklassengesellschaft bekommen wird: Die eine Klasse wird sich Privatschulen leisten können. Die andere Klasse muss in den von Zuwanderern aus bildungsfernen Kulturen dominierten staatlichen Schulen verkommen.

Fast hätte ich es vergessen – es gab in der Geschichte ja noch ein System mit Gesamtschulen: die Schulen der kommunistischen Länder. Dort gab es keine Privatschulen, in die man ausweichen konnte. Dort konnten meist sowieso nur Arbeiter- und Bauernkinder (sowie natürlich jene der Nomenklatura) studieren, jedoch keine Söhne und Töchter von bildungsorientierten Familien. Allerdings war der Erfolg jenes Systems überaus endenwollend, und der Beifall nach Fallen des Vorhangs ebenfalls. Küberl und Landau muss es aber gefallen haben.

Wer hätte gedacht, dass der Kommunismus ein Vierteljahrhundert nach seinem Verenden ausgerechnet in einigen kirchlichen Winkeln seine stärksten Erben finden wird?

Wo Küberl am wichtigsten für die SPÖ war und ist, dort tritt er freilich nicht zurück: im ORF-Stiftungsrat. Dort war und ist er eine absolut sichere Stimme für die Positionen von Rotgrün und bisweilen für die Mehrheitsfindung entscheidend. Daher bleibt Küberl.

Das Stichwort Caritas löst jedenfalls bei fast allen Österreichern, die ich treffe, Depressionen und Aggressionen aus.

Wenigstens die deutsche Caritas versteht das Sozialsystem

Umso erfrischender ist es, wenn man aus Deutschland eine ganz anders klingende Caritas-Stimme hört; wenn man lernt, dass auch 2013 Caritas keineswegs automatisch bedeutet, ein populistischer Lautsprecher aller linken Dummheiten zu sein. In Deutschland warnt nämlich Caritas-Präsident Peter Neher derzeit eindringlich vor einem einheitlichen und flächendeckenden Mindestlohn. Genau den will jedoch die SPD unbedingt durchsetzen.

Neher aber weiß: Das würde zu mehr und nicht weniger Armut zu führen. Das wäre vor allem verheerend für die Langzeitarbeitslosen, die nirgendwo einen Job mit einem so hohen Mindestlohn finden werden.

Gewiss: Auch das ist eine politische Äußerung. Auch in Deutschland sollten die Kirche und ihre Organisationen auf solche Stellungnahmen eigentlich überhaupt verzichten. Hat die Kirche sich doch mit Einmischungen in die Wissenschaft und Politik im Lauf der Jahrhunderte immer wieder furchtbar blamiert und selbst geschadet. Ihr Gründer hat ihr jedenfalls auch ganz andere Aufgaben gestellt.

Aber wenn sich Kirchenfunktionäre schon einmischen, dann ist es immer noch besser, wenn das mit wirtschaftlicher Vernunft und Verantwortungsbewusstsein passiert, als wenn von ihnen nur sozialistisch/kommunistischer Populismus zu hören ist.

PS: Apropos Caritas: Es gibt verlässliche Zeugenaussagen, dass sogenannte Tierschützer einen Wagen der Caritas benutzt haben, als sie in Wien Plakate der ÖVP überklebten. Aber das passt ja eh perfekt ins österreichische Caritas-Rollenbild . . .

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Unsere Pensionen – Forderungen an die neue Regierung drucken

Im Jahre 2005 musste der Staat 4,4 Mrd. Euro zu unseren ASVG Pensionen zuschießen. 2013 werden es nach dem erweiterten Budgetrahmen rund 9,9 Mrd. Euro sein, das heißt schlichtweg mehr als ein Verdopplung innerhalb von acht Jahren. Die Beamtenpensionen werden 2013 ca. 8,7 Mrd. Euro betragen, zusammen belaufen sich die Pensionskosten daher auf rund 18,6 Milliarden Euro.

Unlängst konnte man lesen, dass bis zum Jahre 2016 zur Finanzierung der Pensionen fünf Mrd. Euro fehlen. Wie will man diese Lücke schließen, so sie tatsächlich eintritt?

Die Zusagen des Staates bezüglich Alters- Gesundheits- und Pflegevorsorge für seine Bürger sind laut Schulden- Check von Eco Austria in absehbarer Zeit unfinanzierbar. Wie lange also kann sich Österreich ohne grundlegende Reformen das heutige Pensionssystem noch leisten?

Die Beitragszahler stagnieren, die Zahl der Pensionisten steigt. Damit wächst das Loch zwischen Einnahmen und Ausgaben bedrohlich. Auf diesen Härtetest ist man trotz der Reformen in der Vergangenheit, die man aber nur als „Reförmchen“ bezeichnen kann, nicht genügend vorbereitet. Man hätte schon längst überlegen müssen, den Rentenbeginn mit der Entwicklung der Lebenserwartung zu verknüpfen. Schon längst müsste also das Antrittsalter für Pensionen sowohl von Männern als auch Frauen gravierend angehoben werden. Heute finanzieren 100 Beitragszahler 60 Rentner, 2030 werden es – sofern die Entwicklung weiter anhält – wahrscheinlich 100 Rentner sein. Immer weniger Beitragszahler müssen immer höhere Ausgaben für die Pensionen schultern.

Was sagen die Politiker?

Da meinte nun unlängst der zuständige Minister Hundstorfer, dass er keinen Handlungsbedarf sieht. Gleichzeitig erklärte er aber bei einer Veranstaltung in der Eisenbahnerstadt Bischofshofen, warum die Menschen später in Pension gehen sollten und sagte: „ Wir brauchen die Oldies“, da uns die Kids fehlen.

Der Seniorenvertreter der ÖVP, Andreas Khol, erklärte nun ebenfalls vor den Wahlen, dass er in der kommenden Gesetzgebungsperiode jede Änderung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ausschließe. Wie kann er solches behaupten. Hat er hellseherische Fähigkeiten?

Derartige Aussagen kann jeder vernünftig denkende Mensch nur als grob fahrlässige und verantwortungslose Erklärung – den Pensionisten und den Menschen gegenüber, die in Zukunft in Pension gehen werden – bezeichnen; ganz zu schweigen von der Jugend.

Der Reformstau auf dem Gebiet Pensionen, der die bisherige Koalition höchst negativ auszeichnete, ist so rasch wie möglich aufzulösen. Wie auch immer die neue Regierung aussehen wird, die folgenden Reformen sind neben anderen unbedingt erforderlich:

Harmonisierung der Pensionssysteme

In Österreich gibt es eine Reihe von Pensionssystemen für verschiedene Berufsgruppen, die in ihren Leistungen höchst unterschiedlich sind. Eine Harmonisierung ist dringend erforderlich, die Ungerechtigkeiten sind zu eliminieren sowie die entsprechenden Reformen schleunigst in Angriff zu nehmen.

Pensionsalter der Frauen

Vor der Nationalratswahl hat die eine Volkspartei eine vorzeitige Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen gefordert. Ein Aufschrei der anderen Volkspartei (kann man eigentlich noch von Volksparteien sprechen, wenn nur noch knapp die Hälfte der Stimmen auf diese beiden Parteien entfielen?), hallte durch die Lande. Schleunigst zog man die Forderung wieder zurück.

Nun konnte man in einem Beitrag von Dr. Marhold, WU Wien, lesen, dass versteckte Privilegien im Pensionsalter der Frauen Männer diskriminieren. Er führt als Beleg zwei Beispiele an und zwar

  • Zuschläge für Frauen- und Abschläge für Männerpensionen sowie
  • Unterschiede bei den Ruhensbestimmungen.

Auch dieser Themenkomplex muss schleunigst bearbeitet werden.

Beseitigung der Ungerechtigkeit der Jugend gegenüber

Ergebnisse einer internationalen Studie der Bertelsmann Stiftung zeigten eindeutig: In Österreich leben die Alten auf Kosten der Jüngeren. Diesen Titel hatte auch ein Bericht im Wirtschaftsblatt vom 16.4.2013. Die Bertelsmann Stiftung hat 29 Länder untersucht. Österreich schneidet in dieser Studie mit Rang 20 bei der Generationengerechtigkeit besonders schlecht ab. Gut werden die skandinavischen Länder beurteilt. So hat Dänemark sein Sozialsystem reformiert und liegt in der Wertung auf Rang eins. Auch Schweden hat sein Sozialsystem reformiert. Dort wird für die Pensionisten nur 3,4 Mal so viel ausgegeben wie für die Jugend. Wir geben für Pensionisten, also Menschen über 65 Jahren, fast sechs Mal so viel aus wie für Kinder. In Schweden gehen die Menschen um vier Jahre später in Pension als in Österreich. Diese Studie zeigt, wie groß der Reformbedarf in Österreich ist.

Das bedeutet aber auch, dass ohne private Vorsorgemaßnahmen, die zeitgerecht zu ergreifen sind, der Wohlstand der zukünftigen Pensionisten nicht aufrecht zu erhalten ist. Das sollte allen Menschen in Österreich klar sein. In Österreich stammen heute noch 82 Prozent der Alterseinkommen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, nur 5 Prozent aus der privaten Vorsorge. Private Vorsorgemaßnahmen sind deshalb unbedingt steuerlich stärker zu fördern.

Arbeitsmarkt und ältere Mitarbeiter

Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass ältere Menschen keinen Job bekommen, stimmt zumindest für Deutschland nicht. In der FAZ konnte man am 5.4.2013 von einem Beschäftigungsboom gerade für Ältere lesen. Sie sind so gefragt wie nie zuvor. Die Zahl der Arbeitnehmer in der Gruppe „60plus“ ist binnen Jahresfrist um 12,3 Prozent gestiegen.

Die Verhältnisse in Österreich werden von diesen Zahlen nicht gravierend abweichen, auch wenn die Arbeitslosenquote der Generation „50plus" im September 2013 um knapp 25 Prozent angestiegen ist. Da ist aber auch der Gesetzgeber gefragt, der ein gezieltes und wirksames System zur Weiterbildung und Beschäftigung älterer Mitarbeiter rasch einführen muss. Nur dann wird es gelingen, das reale Pensionsantrittsalter an das gesetzlich eingeführte heranzubringen. In Österreich sind nur 43 Prozent der 55- bis 64-Jährigen noch berufstätig, der EU Schnitt liegt bei 49 Prozent.

Permanente Weiterbildung – Gesundheitsvorsorge

Ohne die notwendige permanente Weiterbildung und damit ständige fachliche Qualifizierung wird die Beschäftigung älterer Mitarbeiter für die Unternehmen zu einem Problem. Die Qualifizierung älterer Mitarbeiter wird daher zur entscheidenden Ressource der Zukunft.

Es sind neue Formen der Weiterbildung wie z.B. sabbaticals (Auszeiten) vorzusehen. Damit werden permanente Weiterbildung und damit auch für alle Arbeitnehmer gezielte Investitionen in ihre berufliche Zukunft in der Praxis ermöglicht. Dazu bedarf es aber entsprechender gesetzlicher Bestimmungen und Fördermaßnahmen.

Investitionen sind auch in die Gesundheit der älteren Generation unbedingt vorzusehen, damit sie den beruflichen Anforderungen auf Dauer gerecht wird. Altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung ist ebenfalls gefragt. Man muss sinnvolle Möglichkeiten schaffen, damit die Menschen länger im Berufsleben bleiben können.

Ein Paradigmenwechsel vom geradezu verzweifelten Kult der Jugendlichkeit mit der häufig feststellbaren neurotischen Skepsis vieler Unternehmen gegenüber älteren Arbeitnehmern ist dringend geboten. Anreize für die Arbeitgeber, ältere Mitarbeiterinnen weiter zu beschäftigen bzw. einzustellen, sind rasch einzuführen. Ein „Bonus- Malus- System“ ist im Gespräch und wird gefordert. Die Diskriminierung älterer Mitarbeiter ist gesetzlich zu verbieten.

Es ist klar, dass die vorhin genannten Reformen nicht vollständig sind; es sind lediglich einige Anregungen, die besonders vorrangig umzusetzen wären.

Unbedingt notwendig ist insbesondere ein schlüssiges Gesamtkonzept, das Schritt für Schritt in Angriff genommen werden muss, um ein enkelgerechtes Pensionssystem zu schaffen, das für alle Beteiligten, aber vor allem auch für die Jugend akzeptabel ist.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart.
Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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FN 511: Die Arbeitslosigkeit und Faymanns Unwahrheiten drucken

Die Fakten der Ökonomie und die Lügen eines Wahlkampfes.

Sehr trocken der – meist SPÖ-nahe agierende – Chefökonom der Bank Austria: Die Arbeitslosigkeit werde Ende 2013 den „höchsten Wert der jüngeren österreichischen Geschichte“ erreichen. Na Bumm. Deutlicher geht’s nimmer. Zu diesem Rekordwert kommen noch die in der Statistik gar nicht erfassten österreichischen Formen, Arbeitslosigkeit zu verstecken: Weitaus am gravierendsten ist da der frühe Pensionsantritt, vier Jahre unter dem EU-Schnitt. Dabei haben wir alle noch die vibrierende Stimme des kleinen Bundeskanzlerdarstellers aus dem Wahlkampf in den Ohren. Da hat er sich noch der niedrigen Arbeitslosigkeit gebrüstet, jede substanzielle Pensionsreform abgelehnt, einen absurd hohen, damit massenweise Jobs vernichtenden Mindestlohn angedroht (in der roten Diktion: „versprochen“) und angekündigt, jene Menschen, die als einzige Arbeitsplätze schaffen könnten (in der rot-grünen Diktion: „die Reichen“), mit jeder Menge neuer Steuern zu belasten. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Wohl rascher, als es sich die Genossen selbst in ihren ärgsten Albträumen vorstellen konnten.

 

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Kleine Kostenaufstellung aus dem Alltag einer Großfamilie drucken

Im Wahlkampf haben Politiker gerne darüber gesprochen, wie sie die Familien unterstützen wollen. Nach der Wahl war das rasch vergessen. Kaum jemand kennt wirklich die alltäglichen Probleme einer Gruppe, die zu klein ist, um zur Stimmenmaximierung dienen zu können. Das sind die Großfamilien. Das sind Familien mit jener Größe, wie sie früher fast alle österreichischen Familien hatten. Heute aber haben sie, an den Rand der Gesellschaft gedrückt, kaum noch Luft zum Überleben. Während sich die Medien auf Druck der Grünen intensiv um die angebliche Diskriminierung von Schwulen und Transgender-Menschen sorgen, werden die Großfamilien ignoriert und seit Bruno Kreisky auch steuerlich schwer diskriminiert. Daher hier die nüchterne Kostenaufstellung durch die Mutter einer solchen Großfamilie.

Von Katharina Teufel-Lieli:

Es folgt eine Kostenaufstellung für eine Großfamilie, der sechs Schulkinder (Volksschule 1.und 3.Klasse, Gymnasium 1., 3., 6., 7.Klasse) angehören.

Schulanfang

€ 350,- für  Basics wie Hefte, Mappen, Stifte, Kleber,…

€ 130,- Schultasche Volksschule und Schulrucksack Gymnasium, jeweils erste Klasse (Schultaschen sind kaum mehr unter € 120,- zu finden, wir hatten Glück und haben eine günstigere im Internet gefunden).

€ 78,- vier Mal Selbstbehalt Schul„frei“fahrt

€ 148,- Aufzahlung Super s´coolcard für die beiden Teenager, damit sie nicht jedes Mal teure Fahrkarten kaufen müssen, wenn sie zur Musikschule fahren oder Freunde besuchen wollen.

Lehrmittelbeiträge, Klassenkassa: Volksschule erste Klasse € 95,-, Volksschule dritte Klasse 100,-, Gymnasium erste Klasse € 185,- Gymnasium dritte Klasse € 135, Gymnasium sechste und siebte Klasse steht noch nicht fest. Vorläufig also für vier von sechs Kinder zusammen € 515,-

€ 96,- für die Exkursion im September – Gymnasium siebte Klasse

€ 130,- wetterfeste Kleidung und Schuhe für Gymnasium erste Klasse, da diese jeden Mittwoch drei Stunden bei  jedem(!) Wetter im Wald verbringen werden. Aus Erfahrung durch den Waldkindergarten weiß ich, dass leider nur Goretex-Schuhe wirklich wasserdicht sind, alle anderen (und günstigeren) „Tex“ halten diesen Anforderungen nicht stand.

€ 100,- sieben Hosen für die fünf Söhne, da Hosen nicht weitervererbt werden können (überleben meist nur einen Buben) und geschenkte Hosen oft nicht passen. Andererseits geht es ohne halbwegs ordentliche Schulkleidung nicht.

€ 110,- für Schulpatschen, Turnschuhe mit hellen Sohlen sowie Straßenschuhe. Dazu möchte ich anmerken, dass Schuhe unter € 30,- nur etwa einen Monat halten, da sich die Sohlen aufgrund der miserablen Qualität ablösen. Billig einkaufen wie in manchen Arbeiterkammer-Preisvergleichstests ist in diesem Punkt sehr kurzsichtig und bringt keine objektiven Zahlen. Dasselbe trifft übrigens auffallend häufig auch auf Buntstifte zu.

Dieses Jahr hatten wir also bisher Ausgaben in der Höhe von  € 1657,-, welche mit dem Schulbeginn in Zusammenhang stehen. Selbst ohne Bekleidung (die allerdings unverzichtbar ist) bleiben immer noch € 1317,-, welche unmittelbar mit der Schule zusammenhängen.

Schulfahrten

Sind (eigentlich) verpflichtend!

Gymnasium dritte Klasse: Skikurs € 400,- Gymnasium sechste Klasse: Rom € 450,- Gymnasium siebte Klasse Neapel € 350,- und Weimar € 250,-
Zusammen: € 1450,- Pro Jahr kann man eine Unterstützung von € 200,- pro Kind beantragen, bleiben immer noch € 850,-, wobei die gesamte Summe vorfinanziert werden muss.

Dazu kommen erfahrungsgemäß monatlich etwa € 50,- für „dies und das“: Busfahrten wegen Exkursionen, Schwimmen statt Turnen, Wandertage, Theaterbesuche, neuerlicher Werkbeitrag, weil alles verbraucht wurde und eine hübsche Abschlusszahlung im Juli (manchmal nur € 20, aber auch schon € 60 pro Kind), da die vorveranschlagten Lehrmittelbeiträge nie reichen.

Alles zusammen komme ich auf den bewusst niedrig geschätzten monatlichen Betrag von € 250,-

Ich finde es wunderbar, dass sich die Schulen um einen abwechslungsreichen und anschaulichen Unterricht bemühen. Es wäre schade, wenn auf das alles verzichtet würde. Andererseits kann wirklich niemand behaupten, dass Schule gratis ist! Die Extra-Familienbeihilfe im September deckt hier nur einen kleinen Teil ab.

Der Staat gibt, der Staat nimmt (mehr)

Die österreichische Politik kann leider nur bis drei zählen, warum sonst scheint in jeder Statistik die Rubrik „drei oder mehr Kinder“ auf? Naja, stimmt, zwischen drei und sechs Kindern ist der Unterschied ja wirklich minimal – sicher nicht so groß wie zwischen null und drei, oder …?

Lebensmittel

Wir brauchen etwa € 40,- pro Tag für Lebensmittel, also € 1200,- pro Monat. Alleine für Milch gebe ich im Monat rund € 60,- aus. Das ist 1/4l Milch pro Tag pro Person, also nicht übermäßig viel. Der Staat kassiert mit Lebensmitteln € 120,- monatlich an Umsatzsteuer. Er bekommt also allein dadurch fast ein Zehntel der Familienbeihilfe wieder zurück.

Die Familienbeihilfe deckt nur mehr die Lebensmittel, also nicht einmal annähernd einen guten Teil der Lebenserhaltungskosten (da wären Miete, Strom, Gas, Wasser, Arztechnungen, Zahnspangen!!, Hygieneartikel, Schule, Kleidung…). Es geht zumindest für größere Familien schon lange nicht mehr um die Luxusfrage, ob man auf Urlaub fahren kann, sondern tatsächlich darum, wie man die nächste Stromrechnung oder Winterjacke finanzieren soll!

Mehrkindzuschlag

Der Mehrkindzuschlag wurde bei uns um € 64,- monatlich gekürzt, da wir vier „Mehrkinder“ haben. Es gibt österreichweit eine sehr überschaubare Anzahl an Familien mit sechs Kindern. Wie schön, dass der Staat durch so eine Kürzung zu sanieren ist. Wie wäre es mal mit einem Solidaritätszuschlag von € 60,- für Kinderlose? Das gäbe wohl einen ordentlichen Tumult. So etwas kann man doch kinderlosen Personen nicht zumuten, die zahlen eh schon so viele Steuern!

Zur Geburt und für alle absolvierten Mutter-Kindpass Untersuchungen bekam man:
Bis Juni 1996 ÖS 15.000,-,
ab Juli 1996 ÖS 2.000,- bzw. € 150,-
Seit zumindest 2003 gibt es kein Geld mehr, dafür wird die Kürzung des Karenzgeldes angedroht.

Und das ist das Stichwort zur größten Absurdität:

Steuern

Wir bekamen aufgrund unseres Einkommens letztes Jahr die Schulfahrtbeihilfen, die Schulbeihilfe und sogar eine Extraunterstützung aus dem Sozialfonds der Krankenkasse zugesprochen. Trotzdem muss ich bei meinem durchschnittlichen Einkommen von € 23.000,- brutto dieses Jahr € 3000,- Einkommenssteuer nachzahlen. Wie kann das sein?

P.S.: Mit dem Steuerfreibetrag von € 132,- pro Kind im Jahr kann ich erfreulicherweise den monatlichen Schulkakao bezahlen. Danke, Frau Finanzministerin!

Fazit

Ich zahle also deutlich mehr Steuern als Kinderlose (wenn man die Umsatzsteuer der ungleich höheren Lebenserhaltungskosten hinzurechnet), ziehe mit minimaler finanzieller Unterstützung, aber viel Kraft und persönlichem Einsatz sechs Kinder groß und darf dann zuschauen, wie meine Kinder die anderen Österreicher in der Pension erhalten, während für mich – wenn überhaupt – mit viel Glück eine Mindestpension übrig bleibt.

Der österreichische Staat benimmt sich wie eine falsche Schlange, weil er nach außen mildtätige Gaben austeilt, sich aber hintenherum noch viel mehr zurückholt.

Ich habe vor ein paar Jahren einen Artikel eines österreichischen Wissenschaftlers gelesen. Er meinte, die Familien sollten auf Gleichberechtigung klagen, da sie im jetzigen System sehr benachteiligt werden. Wenn sich eine Organisation dafür findet, ich wäre bereit dazu! Die ungerechte Verteilung in Österreich ist mittlerweile wirklich unerträglich!

Nach den politischen Debatten der letzten Wochen möchte ich die praktischen Probleme von Familien in Erinnerung rufen. Da sich die Ungerechtigkeiten mit jedem weiteren Kind potenzieren, ist unser Beispiel vielleicht besonders plakativ. Seit der Wahl sind die Familien bei den Diskussionen wieder aus dem Blickpunkt der Politiker verschwunden, einzig der Kandidat der Neos nahm das Wort Familie überhaupt in den Mund. Schöne Aussichten…

Mag. Katharina Teufel-Lieli ist Musikerin und Mutter von sechs Kindern im Alter von 17, 15, 12, 10, 9 und 6 Jahren.

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Was „Neu Regieren“ bedeuten muss: die sechs zentralen Aufgaben drucken

Was ist jetzt nach der Wahl dringend? Was muss, was müsste eine Regierung gerade jetzt, am Beginn einer Legislaturperiode sofort machen, bevor neuer Wahlkampfstress jede Reformmöglichkeit wieder zuschüttet? Wenn die Regierungsparteien, sollen sie in Prölls Namen halt wieder SPÖ und ÖVP heißen, das jetzt zügig angreifen, dann hätten sie sogar eine Chance: Sie würden nicht nur kurzfristig den unvermeidbaren Ärger der Wähler, sondern später dann auch den dann wohlverdienten Nutzen der Reform kassieren.

Natürlich ist klar, dass diese Liste sehr rasch auf den Widerstand der veränderungsunwilligen Bedenken- und Machtträger stoßen wird. Aber wenn diese nicht begreifen, dass man Vieles ändern muss, um das Wichtige zu bewahren, dann werden sie halt von viel größeren Veränderungen hinweggefegt werden.

Die ToDo-Liste

  1. An der Spitze der Agenda steht zweifellos der Wechsel zu einer echten direkten Demokratie. Wo also die Bürgermehrheit ohne Einschränkungen all das darf, was eine parlamentarische Mehrheit darf. Ein solcher fundamentaler Wandel brächte eine wirkliche Erneuerung des Landes. Nur durch die grundlegende Aufwertung der Bürger wird es möglich sein, von der Vorherrschaft der Versorgungs- in eine der Verantwortungs-Mentalität zu wechseln. Und dafür gäbe es übrigens mit der FPÖ auch die notwendige Verfassungsmehrheit. Durch Einführung der direkten Demokratie könnten Rot und Schwarz auch von den vielen notwendigen Schmerzen ablenken, die sie sonst bestimmten Lobbys bereiten müssen. Gerade das würde klarmachen, dass die neue Regierung kein bloßes Elitenprojekt ist.
  2. Unter all den notwendigen Einsparungs- und Sanierungsmaßnahmen ist zweifellos eine am wichtigsten: eine Anhebung des Pensionsalters. Die ist notwendig zur langfristigen Abwendung eines Staatsbankrotts und zur Wertsicherung der Pensionen (was nur manche Pensionistenvertreter seltsamerweise nicht begreifen wollen). Das betrifft primär, aber keineswegs ausschließlich das Frauenpensionsalter. Es geht um rasche und verbindliche Änderungen – auch wenn die dann notfalls erst in der nächsten Legislaturperiode greifen. Mit einem verzögerten Wirkungsbeginn könnte ja die SPÖ auch ihre leichtfertigen Festlegungen aus dem Wahlkampf einhalten. Damit könnten auch die Reformbremser aus dem Verfassungsgerichtshof ausgehebelt werden. Denen ist es ja wichtiger, dass die Menschen schon viele Jahre vorher genau den unverrückbaren Tag des Pensionsantritts wissen, als dass sich der VfGH auch nur eine Sekunde um die Finanzierbarkeit des Pensionssystems sorgen würde. Erwartungsschutz, Lebensplanung, Schutz der wohlerworbenen Rechte: Lauter so schwammige Vokabel aus dem Schlaraffenland verwendet diese absurde Judikatur- Durch eine solche Vorlauffrist könnte sie aber dennoch ausgehebelt werden . Aber selbstverständlich wäre es viel klüger und auch jedem zumutbar, wenn sich schon ab sofort jährlich das Pensionsantrittsdatum zumindest um drei Monate hinausschiebt.
  3. Drittens muss eine neue Regierung ein feierliches Gelübde ablegen: keine neuen Steuern, keine neuen Sozialleistungen, kein Abgehen vom Budgetplan, solange es ein Defizit gibt, keine neue Belastungen der Wirtschaft durch Abgaben, Quotenregelungen oder sonstige neue Zwänge.
  4. Entscheidend ist auch eine komplette Umstellung der Bildungspolitik: Österreich braucht etwa für die Zehn- bis Vierzehnjährigen nicht nur zwei Schultypen oder gar eine Einheitsschule, sondern viele ganz autonome Schulen, die sich selbst nach dem Bildungsstandard der jeweiligen Schüler, deren Schwerpunkten und Interessen orientieren. Es braucht Schulen, wo man mit 14 schon zwei Fremdsprachen gelernt hat, und es braucht solche, wo man wenigstens das Hochdeutsch halbwegs zu beherrschen trainiert worden ist. Es braucht volle Gleichberechtigung zwischen staatlichen und privaten Schulen (Voucher-System). Es braucht das Recht jeder Schule, jeder Universität, quantitative und qualitative Zugangsregeln zu entwickeln. Und der Staat hat sich auf externe Leistungsmessungen für jeden Schüler zu beschränken: zumindest alle vier Jahre und nach klar definierten Standards, die sich aber auch je nach Schulschwerpunkten unterscheiden können.
  5. Ein ganz wichtiges Signal der Bereitschaft, endlich mit Korruption aufzuhören, muss ein Stopp der Bestechungsinserate aus Steuergeld sein (die über 200 Millionen im Jahr kosten!): durch eine Reduktion auf maximal ein Fünftel; und zugleich durch Vergabe von Inseraten nur noch nach den objektivierten Richtlinien einer durch Ausschreibung zu findenden Schaltagentur. Den derzeit von Rot und Schwarz bestochenen, und strukturell tatsächlich notleidenden Printmedien kann man dadurch helfen, dass man um ein weiteres Fünftel dieses Geldes die weiterhin streng objektivierte staatliche Presseförderung erhöht.
  6. Und schließlich muss auch jetzt schon eine verbindliche Klarlegung der Parameter einer Steuerreform erfolgen, die nach Erreichung des Nulldefizits automatisch wirksam wird. Diese darf sich nicht primär nach einer erhofften Wählermaximierung richten, sondern muss die wichtigsten Leistungsträger motivieren. Das heißt einerseits eine Reduktion des Spitzensteuersatzes (sonst wandern Unternehmer und Spitzenleute immer rascher in Niedrigsteuerländer wie die Schweiz oder die USA aus). Das heißt andererseits ein spürbarer Akzent zugunsten von Familien, insbesondere auch in den mittleren und höheren Einkommensschichten (sonst wird der Geburtenstreik so vieler akademisch gebildeter Mütter immer katastrophaler für die Zukunft des Landes).

Natürlich bräuchte es zu einer erfolgreichen Reform noch hunderte anderer Punkte. Diese reichen von einer massiven Deregulierung und Privatisierung über eine drastische Beschneidung der zahllosen Subventionsprogramme bis zu einer echten Föderalismusreform, bei der die Bundesländer künftig auch jeden Euro, den sie ausgeben, zuerst einnehmen und vor den Wählern verantworten müssen.

Die hier aufgezählten sind aber zweifellos die sechs zentralen und wichtigsten Aufgaben für das Projekt "Österreich Neu“. Nur mit ihner Verwirklichung kann man die sachlichen Herausforderungen meistern und zugleich auch den Menschen glaubhaft machen, dass in Österreich künftig wirklich wieder Politik gemacht wird. Und dass die Politikeraussagen „So nicht mehr“ ernst gemeint und nicht bloßes Gerede zur Tarnung einer Wahlniederlage sind.

Wenn sich SPÖ und ÖVP nicht auf mindestens fünf dieser Punkte einigen können, dann macht es überhaupt keinen Sinn, dass sie es mit ihrer Gerade-noch-Mehrheit noch einmal versuchen.

Ein Pakt mit der Opposition

Dort aber, wo es Verfassungsmehrheiten braucht, müssten auch die Oppositionsparteien einen Offenbarungseid ablegen: Sind sie nur substanzlose Proteststimmen-Akkumulierer? Oder sind sie auch imstande, mehr Verantwortung zu tragen? Auch das würden die Österreicher gerne wissen. Das sollte auch schon vorweg parallel zum Koalitionspakt in einem großen Zusammenarbeitsvertrag zwischen der Regierung und der Opposition – oder Teilen davon – auf wirklich gleicher Augenhöhe vereinbart werden.

In den nächsten Wochen sollte es jedenfalls nur um eines gehen: um Sachfragen. Die in den Parteien jetzt so beliebten Koalitionsrechnereien oder gar Personalfragen dürfen erst hinterher Thema werden. Erst dann sollte geprüft werden, in welcher Konstellation das Gesamtprojekt am besten umgesetzt werden kann.

Am gefährlichsten wäre jedenfalls ein rot-schwarzer Glaube, abgesehen von ein bisschen Veränderungs-Rhetorik so weitermachen zu können wie bisher, halt mit zwei Ministern weniger und ohne die total isolierte Claudia Schmied. Das kann es ganz sicher nicht sein.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 492: Wenigstens eine EU-Katastrophe ist gescheitert drucken

In der Wahlkampf genannten Ansammlung an Idiotie wird es kaum jemand zur Kenntnis nehmen: Aber der Europäische Gerichtshof hat ein für Österreich sensationell erfreuliches Urteil gefällt.

Der EuGH hat nämlich den Anspruch eines Deutschen auf eine Ausgleichszulage in Österreich abgeschmettert – zumindest sofern Österreich nachweisen kann, dass die Zahlung solcher Leistungen eine unangemessene Belastung des heimischen Sozialsystems darstellt. Diesen Nachweis zu erbringen, müssten selbst die schwächsten Juristen der Republik schaffen. Hinter diesem scheinbaren Einzelfall stand eine große Angst: Falls EU-Ausländer hier Ausgleichszulagen verlangen können, dann wird Österreich von Tausenden, vielleicht sogar Millionen solcher Pensionisten überrannt werden. Wobei weniger der Zuzug von älteren Deutschen Sorge gemacht hat, sondern von solchen aus Osteuropa, vor allem dem Balkan mit ihren Minirenten. Jetzt sind zwei Dinge EU-amtlich: Erstens, die Ausgleichszulage ist eine Sozial- und nicht eine Versicherungsleistung; zweitens haben EU-Ausländer keinen gleichberechtigten Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben. Sonst hätte eine Lawine gedroht. Hat sich doch schon binnen der letzten drei Jahre die Zahl der EU-Bürger mit Ausgleichzulagenansprüchen in Österreich verdoppelt. Kein Wunder, leistet sich die Republik doch das freigiebigste Pensionssystem Europas (wenn nicht der Welt). Ohne es sich leisten zu können.

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Hoch Ederer! drucken

Der Abschuss von Brigitte Ederer aus dem globalen Siemens-Vorstand lässt die Sympathien für die einstige SPÖ-Politikerin stark wachsen. Zumindest wenn die in Deutschland kolportierten Gründe ihres Abschusses zutreffen. Das ist zwar angesichts der vielen Geheimgespräche rund um einen Aufsichtsrat nicht hundertprozentig sicher, aber sehr wahrscheinlich.

Diesen Informationen zufolge musste Ederer gehen, weil sie sich gegen immer frecher werdende – ganz persönliche! – Privilegien-Ansprüche des Siemens-Betriebsrates gewehrt hat. Dafür kann man ihr nur Rosen streuen. Und das sollten sich auch in Österreich mehr Unternehmen zu Herzen nehmen. Wo ebenfalls die ständige direkte (wenn auch meist formal im Rahmen der Gesetze bleibende) Bestechung der Betriebsräte Usus ist.

Dabei ist nach dem deutschen Recht die Haltung Ederers besonders riskant gewesen. Denn dort stellt auf Grund des unseligen Mitbestimmungsrechts in AG-Aufsichtsräten der Betriebsrat die Hälfte der Aufsichtsräte. Dort mischt er sich zwar meist nicht in die Betriebsführung ein; aber er hat fast immer sehr stark die persönlichen Interessen der Betriebsräte im Auge. Etwa hohe Karriere-Sprünge, obwohl solche Betriebsräte meist nicht arbeiten.

Konkret soll sich Ederer unter anderem geweigert haben, den Arbeitsvertrag von Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler zu verlängern. Dieser erreicht nächstes Jahr die unternehmensinterne Altersgrenze von 65 Jahren. Der Gewerkschafter ist seit zehn Jahren Aufsichtsratsmitglied. Er wollte auch weiterhin in dem Gremium sitzen, und außerdem befördert werden. So schreibt es etwa die "Süddeutsche Zeitung".

Ein von Siemens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ist jedoch zum Ergebnis gekommen, dass das nicht geht. Die verlangte Verlängerung und Beförderung würden eine "unzulässige Begünstigung" eines Betriebsrates darstellen. Was Ederer als Arbeitsvorstand auch zu ihrer eigenen Linie machte.

Also: Hoch Ederer! Auch wenn Ihre schlechtere Hälfte, Hannes Swoboda, sich als Chef der europäischen Sozialistenfraktion in immer radikaler werdenden Tönen übt. Auch bei ihm zeigt sich halt so wie bei Ederer, nur mit ganz anderen Ergebnissen, eine alte Weisheit: Das (berufliche) Sein prägt den (ideologischen) Schein.

Aber wo ist die Partei, die sich in Deutschland wie Österreich endlich für ein Ende der absurden Mitbestimmungsregeln einsetzt (solange diese nicht mit echter Mitarbeiterbeteiligung verbunden ist)? Hierzulande sollte sie vor allem im ORF beginnen, wo die egoistische Gier der Betriebsräte immer abenteuerliche Ausmaße angenommen hat. Zu Lasten der Seher und Hörer. Die SPÖ ist freilich noch viel weniger als die SPD die Partei, die über solche Dinge auch nur nachdenken würde.

PS: Ederer wäre übrigens auch eine bessere Bürgermeisterin als die gesamte Bussi-Bussi-Korruptionspartie, die jetzt das Rathaus bevölkert.

 

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Der Gesundheitsschock: Was alles nötig wäre, und was alles total falsch läuft drucken

Eine kritische Analyse der österreichischen Gesundheitspolitik führt gleich zu mehreren hochriskanten Folgen: Erstens zu Schock über den planwirtschaftlichen Murks, den uns die Politik (Bund, Länder, Sozialversicherungen) als gelungene Reform verkaufen will. Zweitens zu Schock über alles, was da seit Jahren strukturell falsch läuft. Und drittens zu Schock über jene einschneidenden Maßnahmen, die alleine eine sinnvolle Therapie wären.

(eine grundsätzliche Analyse, nichts für eilige Leser).

Zu Beginn zwei persönliche Anekdoten. Erstens jene von meiner Entlassung aus dem Spital. Mein Internist fand nach zwei Nächten sehr beruhigende Worte für mich. Diese Beruhigung endete jedoch abrupt, als ich seinen schriftlichen Bericht las. Dessen Lektüre veranlasste mich zur panischen Anfrage: "Wie lange habe ich denn noch zu leben, da ich jetzt die ganze Wahrheit gelesen habe?" Die Antwort des Arztes: „Aber Nein, das ist ja nur für die Versicherung.“

Ein anderes Erlebnis spielte auf einer orthopädischen Station, als ich mich wie bestellt zu einer Meniskus-Athroskopie meldete. Die erste Frage an der Abteilungs-Rezeption war: „Ambulant?“ Ich reagierte ziemlich erstaunt, denn ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das auch ambulant möglich ist. Ergebnis: Bis zu meiner Entlassung behielt man den mit einer Zusatzversicherung versehenen Patienten Unterberger schließlich fünf Nächte stationär in jener Abteilung. Dabei hatte es keinerlei Komplikationen rund um den Eingriff gegeben. Dafür wurde ich dann auch noch von einem Schlaflabor-Experten beglückt, der meinen ganzen Körper so verkabelte, dass ich keine Minute ein Auge zumachen konnte. Dabei hatte ich nur gesagt, ich schlafe manchmal schlecht, wenn ich am nächsten Tag einen Vortrag habe. aber es zahlt ja eh alles die Allgemeinheit, also scheinbar niemand.

Natürlich weiß ich: Persönliche Erlebnisse können zwar Symptome zeigen, sind aber noch keine Gesamtanalyse eines zentralen Bereichs der Gesellschaft, den ich hier versuchen möchte. Meine Sichtweise ist dabei eine mehrfache:

  • Die eines Juristen, immerhin mein Hauptstudium;
  • Die eines Ökonomen, meines Zweitstudiums;
  • Die eines Abgaben- und Steuerzahlers, meine Haupttätigkeit;
  • Die eines Journalisten (also jene Tätigkeit, die mir ermöglicht, überhaupt Abgabenzahler zu sein), dem einst noch in einer guten alten Lernphase eintrainiert worden war, sich nicht allzu billig abspeisen zu lassen (weshalb ich über Journalisten noch viel kritischer denke als über Ärzte und Gesundheitspolitiker);
  • Und eben die eines von acht Millionen potentiellen Patienten.

Verfolgt man die politischen und medialen Äußerungen des letzten Jahres zur Gesundheitspolitik, dann wird einem die Überzeugung vermittelt: Die Gesundheitspolitik sei am Ziel angekommen; die Finanzierungsprobleme seien gelöst; und man müsse nur noch nachdenken, für welche neuen Aufgaben man jetzt das reichlich vorhandene Geld ausgeben wird.

Der erstaunliche kommunikative Konsens rund um die Gesundheitspolitik wurde nur zeitweilig von Ärztekammervertretern gestört. Die waren freilich nie imstande, sich konsistent zu äußern. Das Donnern der Faust auf den Tisch, Vergleiche der elektronischen Gesundheitsakte Elga mit Auschwitz und Streikaktionen wechselten abrupt mit offenbar zufriedenem Schweigen. Ohne strategische wie inhaltliche Konsistenz und Strategie hat man aber im 21. Jahrhundert in einer kompliziert gewordenen Gesellschaft keine Positionierungs-Chance.

Aber das ist primär das Problem der offensichtlich uneinigen Ärzteschaft.

Die vielen grundsätzlichen Defizite

Hier geht es jedoch um eine ordnungspolitische Sicht auf die Gesundheitspolitik. Die ich ohne hybriden Anspruch eines Gesamtkonzeptes einfach in einigen Überlegungen aufgliedere. Das jetzige Gesundheitssystem hat viele Fehler, die zwar großteils bekannt sind, von denen aber kaum einer durch die groß bejubelte Reform wirklich gelöst wird:

  1. Die Finanzierung der Gesundheit erfolgt in anderen Staaten entweder durch die Versicherungen oder durch Steuereinnahmen. Wir hingegen haben ein Mischsystem, das zu jährlich mehr als 5 Prozent Kostensteigerungen geführt hat.
  2. In einer Art doppelter Planwirtschaft schieben einander öffentlich-rechtliche Moloche ständig gegenseitig Kosten zu, wobei gleichzeitig diese Moloche heftig um die Macht kämpfen.
  3. In keinem Land werden so viele Menschen so lange im Spital behandelt wie in Österreich.
  4. Zumindest statistisch liegt unsere gesunde Lebenserwartung unter dem EU-Schnitt.
  5. Eine Ursache der hohen Kosten ist der Mangel an Pflegebetten, weshalb durch Pflegefälle teure Akutbetten belegt werden.
  6. Eine weitere ist regionalpolitischer Chauvinismus, der um die Erhaltung jedes noch so kleinen Spitals kämpft.
  7. Viele Primariate werde nicht nach Leistung und Können, sondern nach Beziehungen und Parteipolitik besetzt.
  8. Die im Vergleich zu Privatordinationen viel teureren Ambulanzen werden vor allem deshalb aufgesucht, weil man dort immer sofort einen Termin hat, weil vielerorts die Kassen die Zahl der Kassenärzte zu streng limitieren, weil diese ab Freitagmittag kaum erreichbar sind. Aber auch weil oft Ambulanzen trotz ihrer Unpersönlichkeit höhere Qualität zugeschrieben wird.
  9. Die behauptete Teilsanierung der Krankenkassen in den letzten zwei Jahren ist vor allem auf die relativ gute Arbeitsmarktsituation und damit ausreichende Beiträge zurückzuführen, nur zum sehr kleinen Teil auf echte dauerhafte Veränderungen.
  10. Daher ist es absurd, dass wegen einer leichten Verbesserung der Einnahmen sofort dauerhafte Ausgabenerhöhungen beschlossen werden, wie etwa gerade im Bereich Zahnmedizin.
  11. Weltweit ist genauso wie etwa im Schulsystem die ständige fortschreitende Verrechtlichung ein Hauptproblem. In fast allen Ländern, mit den USA an der Spitze, verteuern die ständig steigenden Haftungsfolgen von wirklichen oder vermeintlichen Kunstfehlern, die immer stärker aufgeblähte Bürokratie und Kontrollen das Gesundheitssystem enorm, aber ohne sachlichen Nutzen. Aber Juristen wie Journalisten üben da gewaltigen Druck aus. Nichts darf mehr ohne dramatische rechtliche Folgen passieren. Daher werden auch die Haftpflichtversicherungen für Ärzte massiv teurer. Und damit die kosten des Gesundheitssystems.
  12. Die ständig steigende Lebenserwartung ist zwar ein Erfolg auch der Medizin, sie macht diese aber ebenfalls unweigerlich teurer.
  13. Das tut auch die – an sich sehr erfreuliche – Tatsache, dass früher unheilbare oder gar letale Krankheiten behandelbar geworden sind.
  14. Eine besonders schmerzhafte Tatsache: Vorsorgeuntersuchungen führen zu mehr Behandlungen.
  15. Internationale Statistiken zeigen eine klare Korrelation: Je mehr Ärzte und Spitäler es gibt, umso teurer ist ein Gesundheitssystem.
  16. Berechnet man die Gesundheitskosten korrekt, müsste man primär die bessere Hygiene, Wasserversorgung, Abwasserklärung und – trotz der rapiden Zunahme von Adipositas – wohl ebenso die gesündere Ernährung zu den primären Ursachen der gestiegenen Lebenserwartung rechnen und nur zu 20 Prozent die eigentliche Medizin.
  17. Sehr erfreulich ist auch der Rückgang der Arbeitsunfälle durch Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Während die privaten Unfälle, wo man nicht so reglementierend eingreifen kann, hoch blieben. Es wäre aber unerträglich, jedes Jahr einen Kontrollbesuch des Arbeitsinspektors in der eigenen Wohnung zu bekommen.
  18. Besonders die gut bezahlten Operationen nehmen statistisch zu. Nach einer deutschen Studie werden zwei Drittel der zusätzlichen Operationen nur deshalb gemacht, damit Krankenhäuser besser verdienen.
  19. Ein besonderer Kostentreiber in vielen öffentlich rechtlichen Spitälern in Wien: Die jungen Ärzte müssen vieles an Systemarbeit tun, was die Gewerkschaft den Krankenschwestern untersagt.
  20. Die Arbeitszeiten von Spitalsärzten sind unverantwortlich lang. Das zeigt vor allem der Vergleich mit dem sonstigen Arbeitsrecht, wo man als Arbeitgeber bestraft wird, wenn ein Mitarbeiter – auch durchaus freiwillig! – länger als zehn Stunden arbeitet.
  21. In fast keinem anderen Berufsfeld ist die Diskrepanz zwischen extrem gut Verdienenden und sehr schlecht Verdienenden so extrem wie bei den Ärzten.
  22. Schlechte Gehälter, hohe Abgaben und die Dauer wie die Qualität der Ausbildung führen seit einiger Zeit zu starker Abwanderung: 700 Ärzte verlassen Österreich jährlich.
  23. Gut verdienende Ärzte können meist ihre Doppelstellung als ärztlicher Leiter in Spitälern und gleichzeitiger Inhaber einer Privatordination nutzen, ohne dass immer das finanzielle und zeitliche Verhältnis zwischen beiden Einkommen geklärt wäre.
  24. Angesichts ihrer Finanznöte zahlen die Kassen die Allgemeinmediziner sehr schlecht, sodass diese zu wenig Zeit für ärztliches Wirken haben; manche forcieren deshalb ertragreichere Nebengeschäfte, wie etwa fragwürdige Nahrungsergänzungen. Zugleich verstärkt der Mangel an Allgemeinmedizinern den Patienten-Run aufs Spital.
  25. Ein weiterer schwerer Fehler der Kassen ist es, die Bildung von Gruppenpraxen lange ver- oder behindert zu haben.
  26. Zahllose weitere Formen der Geldverschwendung bestehen in Organisationsmängeln, überflüssiger Bürokratie, und Abschiebung der bürokratischen Lasten von den Kassen zu Ärzten und Spitälern.
  27. Selbstverständlich gibt es eine Mehrklassenmedizin, auch wenn es viele Politiker leugnen. Es wird sie mit absoluter Sicherheit auch immer geben; die einzige Frage ist, ob legal oder illegal, ob nur zum individuellen Nutzen oder in einem sinnvollen Gesamtsystem.
  28. Ein ökonomisch explodierendes Problem ist, dass immer öfter Alltagsprobleme als seelische und psychiatrische Krankheiten gesehen und auch behandelt werden. Alleine dieser Aspekt lässt mit Sicherheit die Gesundheitskosten weiter explodieren.
  29. Der Politik wie der Öffentlichkeit ist noch nicht ausreichend bewusst, dass wir aus demographischen Gründen in einen Ärztemangel hineingleiten. Eine neue Uni zu gründen, statt sich auf die Stellung der Jungmediziner zu konzentrieren, ist aber der total falsche Weg, solange so viele Jungmediziner sofort ins Ausland abwandern.
  30. Eine bei Patienten beliebte Betrugsform ist die Verwendung der e-card durch Nichtberechtigte, die durch biometrische Daten leicht gestoppt werden könnte.
  31. Die Patienten sind im hohen Ausmaß zum bloßen Objekt degradiert. Sie durchschauen das System in keiner Weise. Auf der einen Seite wird ihnen einfach das Geld fürs Gesundheitssystem abgenommen, ohne dass sie gefragt werden, ob das nun über die Sozialversicherungsbeiträge oder die Steuern geschieht. Auf der anderen Seite sind sie auch im Krankheitsfall Objekt. Das hat die Menschen in den letzten Jahrzehnten so erzogen, dass sie sich in der Gesundheitsmaschinerie nur noch als Objekt fühlen. Dass sie sich fühlen wie das Auto, das in der Servicewerkstatt steht. Ohne jede Motivation zur Eigenverantwortung.
  32. Hingegen tritt der Arzt meist sowohl als Anbieter wie Nachfrager von Gesundheitsleistungen auf. Daran ändert auch eine teilweise ohne Ärzte ausverhandelte Gesundheitsreform nichts. Die starke Rolle der Ärzte ist zwar zum Teil unvermeidlich. Aber eben nur zum Teil.
  33. Ein unpopulärer Hinweis zur Pharmazie: Zahlen zeigen einen steilen Rückgang der Erträge dieser Konzerne. Die Ursachen sind vor allem durch Preisreduktionen und die Verwendung von Generika. Das ist nur vordergründig und kurzfristig positiv. Langfristig dämpft das jedoch die Ausgaben für Forschung und damit auch den medizinischen Fortschritt. Eine eher kurzsichtige Einsparung.

Alle bejubeln die Planwirtschaft

Jetzt aber zur sogenannten Reform: Wenn die letzten Beschlüsse von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen und Sozialpartnern wirklich zu einer effizienteren, billigeren und menschlicheren medizinischen Versorgung führen sollten, dann wäre das eine absolute Premiere: Dann würde zum ersten Mal in der Geschichte noch mehr Planwirtschaft statt Eigenverantwortung und Freiheit zu irgendeinem Fortschritt führen.

Die Erfahrung lässt jedoch statt dessen mit einem weiteren Verlust an Effizienz und Menschlichkeit rechnen. Die Politik und die Planer scheitern in allen Ländern derzeit daran, auch nur einen neuen Flughafen zu planen oder ein neues Konzertgebäude. Oder in Salzburg binnen weniger Wochen festzustellen, wie viele Schulden das Land eigentlich hat. Und da wollen uns Politik und Bürokratie allen Ernstes einreden, ein komplett neues Gesundheitssystem planen und administrieren zu können?

In Wahrheit muss es einen doch vor Entsetzen beuteln, wenn uns ein „Bundeszielsteuerungsvertrag“ und neun dann folgende Landesverträge als Wunderdroge verkauft werden. Oder wenn man ernstlich glaubt, heute – also schon vor Abschluss dieser Verträge! – ein „Dämpfungsvolumen“ von 3,4 Milliarden Euro bis 2016 verkünden zu können. Das erinnert stark daran, dass man uns ja derzeit auch weismachen will, dass es 2016 mit Sicherheit das letzte Budgetdefizit geben werde. Wie oft haben wir das freilich in den letzten Jahrzehnten schon jeweils für andere Zeitpunkte gehört?

Was heißt eigentlich „Zielsteuerung“? Heißt es wörtlich, dass man die Ziele beliebig verändern kann? Derzeit gibt es jedenfalls neun Ziele, die miteinander ungeordnet ohne Hierarchie konkurrieren sollen. Aber auch die jetzt scheinbar friedlich zusammengeschweißten Akteure, die Zahler, die Opfer wie die zahllosen Lobbies haben weiterhin völlig unterschiedliche Ziele und Motive.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn Ambulanzen, wie versprochen, noch besser werden, ist das ökonomisch schlecht im Gesamtsystem. Denn dann werden noch mehr Patienten in Ambulanzen statt Ordinationen gehen.

Man hat die Absurdität einer rein politisch-bürokratischen Regelung der Gesundheitsausgaben ja erst im Frühjahr rund ums Thema Hüfte gesehen. Sobald die Öffentlichkeit auch nur glaubt, dass irgendeine „Kostendämpfung“ die vermeintlich oder wirklich beste Therapie limitiert, beginnt politischer und medialer Druck, bis dann alle unisono verkünden: Nein, natürlich war das nicht so gemeint. Selbstverständlich bekommt jeder unbegrenzt die beste Therapie. Auch wenn er sie gar nicht braucht.

Es geht um die Rechte der Patienten

Fassungslos macht, dass bei den zahllosen Reformgesprächen neben den nur teilweise beigezogenen Ärzten, die aber zumindest viel faktische Macht haben, eine Gruppe völlig ausgeschlossen geblieben ist. Offenbar weil zu unbedeutend. Das sind die Patienten. Zwar machen sich viele zu ihren Sprechern. Aber alle angeblichen Patienten-Vertreter haben in Wahrheit ganz andere Eigeninteressen.

Eine Stärkung der Rechte der Patienten als eigentliche und einzige Kunden des Gesundheitssystems ist in einer entwickelten Demokratie jedoch unverzichtbar. Sie wird auch angesichts der für zentralistische Planer völlig unüberschaubaren Individualbedürfnisse und insbesondere angesichts des bevorstehenden europaweiten Finanzkollapses unumgänglich sein.

Statt Patientenrechte zu verstärken, will die Politik nun von oben her „Best Points of Service“ dekretieren. Ohne zu begreifen, dass sich Menschen, so wie das Wasser, immer ihre eigenen Wege suchen. Egal was dekretiert ist.

Zur Stärkung der Patientenrechte und zur gleichzeitigen Sanierung des Gesundheitssystems gibt es in Wahrheit nur zwei Wege, die durchaus auch additiv gegangen werden können. Der eine Weg ist, den Bürgern die Wahl zwischen mehreren möglichen Krankenversicherungen zu geben. Dadurch entstünde Wettbewerb und Patientenorientierung bei den Kassen.

Das ständige Gegenargument „Was ist mit den schlechten Risken, also insbesondere chronischen Patienten?“ lässt sich wie bei den Autoversicherungen durch Zwangskontrakte leicht lösen. Da bekommen ja auch unfallfreudige Fahrer eine Kaskoversicherung.

Alles (außer dem Populismus) spricht für einen allgemeinen Selbstbehalt

Die zweite mögliche Stärkung der Rolle des Patienten besteht darin, dass sie bei einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge einen zumindest kleinen Teil jeder Behandlung, jeder Medikation selbst in Form eines Selbstbehalts zahlen müssten. In diesem Fall würden sie automatisch viel häufiger fragen als jetzt, ob diese oder jene Behandlung wirklich sinnvoll ist. Dann würde aber auch bei den allermeisten Ärzten ein Umdenken einsetzen.

Denn viele Menschen – und auch Ärzte sind Menschen! – sind nämlich bereit, eine anonyme Allgemeinheit, egal ob Staat oder Privatfirma, ohne sonderliche Gewissensbisse zu schädigen. Sie sind aber viel weniger bereit, einen unmittelbar vor ihnen sitzenden oder liegenden Patienten mit überflüssigen Kosten zu belasten. Wenn der Satz „Zahlt eh die Krankenkassa“ aus unserem Repertoire verschwunden ist, dann wird sich mit Sicherheit im Gesundheitssystem mehr ändern als durch noch so viele papierene Fünfjahrespläne.

Eine stärkere Eigenverantwortung der potentiellen Patienten bei den Behandlungskosten würde mit Sicherheit die noch viel wichtigere Eigenverantwortung auch in Hinblick auf eine gesündere Lebensweise erhöhen. Dabei geht es um ein generelles Umdenken. Viel mehr und verständlich kommunizierte Aufklärung ist dabei aber jedenfalls zentral. Das zeigt etwa die enge Korrelation zwischen Bildung und Gesundheit. Wissen erhält länger gesund. Wissen kann aber natürlich nicht so hergestellt werden, dass man jetzt einfach jedem eine Matura oder einen Master schenkt.

Nicht ein Plan, sondern Selbstdisziplin samt einem freiwillig gewählten sozialen Netz erhält gesund. Das zeigt die hohe Lebenserwartung in Klöstern.

Eine notwendige Konsequenz wäre aber auch das Recht, nein: die Pflicht des Systems zu sagen: Bevor du eine neue Hüfte bekommen kannst, muss das Übergewicht weg. Heute und auch nach der Reform suggerieren wir hingegen: Mach was du willst, die Gesellschaft wird eh die gesamte Reparatur zahlen.

Zur Mündigkeit der Patienten gehören auch viel bessere Informationen über medizinische Qualität. Dazu gehören beispielsweise Vergleiche von Operationszahlen und -erfolgen zwischen einzelnen Spitälern. Amtsgeheimnisse, Datenschutz und ähnliches haben da absolut nichts verloren.

Eines der falschesten Argumente kommt bei dieser Diskussion gerne von der Politik: Wenn Selbstbehalte eingeführt werden, dann könnten sich die Armen keine Gesundheitsausgaben mehr leisten. Das hat zu dem verheerenden Prinzip geführt: Gesundheit darf nichts kosten. Was nichts kostet, ist aber auch automatisch in den Augen der Menschen nichts oder wenig wert. Damit wird auch die Eigenverantwortung drastisch reduziert. Die sogenannten oder wirklich Armen wissen ja hingegen auch bei Essen, Fernseher oder Auto, dass sie sich da selber kümmern müssen.

Ich will hier nicht die gesamte Armutsdebatte aufrollen. Aber ein Hinweis sei gestattet: Die statistisch ärmsten Österreicher geben nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Euro-Beträgen mehr für Unterhaltungselektronik aus als die Besserverdienenden.

Eine weitere absurde Randerscheinung der Reformdebatte ist, dass die schon jetzt diskriminierten Privatspitäler neuerlich ignoriert worden sind, obwohl sie bei durchaus gleicher Qualität weniger kosten. Weshalb man von ihnen viel lernen könnte.

Genauso ein Tabu ist auch die Frage, ob nicht mehr Geld für altersgerechte Wohnungen wirksamer sind als mehr Geld für das Gesundheits- und Pflegesystem.

Die Conditio humana

Die wirklich fundamentale, aber nie ausdiskutierte Frage ist die philosophische nach dem Menschenbild, nach der Freiheit. Haben Menschen das Recht zu ungesundem Leben? Ich kann das nur bejahen. Anders lässt sich eine freie Gesellschaft außer in extremem Totalitarismus gar nicht vorstellen. Das muss freilich auch subjektive Konsequenzen haben.

Es wäre der Anfang vom Ende jeder Menschlichkeit, wenn der Staat die Menschen auch zu ihrer Gesundheit zwingen wollte. Dann bekommen wir ihn überhaupt nicht mehr aus unserem intimsten Leben hinaus. Von der Zahnputzkontrolle bis zu den Essens- und Alkoholverboten. Ja, die Krankheit und der ja sichere Tod müssen das Risiko des Patienten bleiben, nicht der Politik. Sie sind Teil der Conditio humana.

Manche meinen nun sicher, ich würde zu ökonomisch argumentieren. Aber gerade mit der Medizin und anderen Naturwissenschaften ist die Ökonomie sehr eng vergleichbar: Ihre Regeln und Gesetze gelten ganz unabhängig vom Willen der Menschen. So können ja auch noch so viele blöde Sprüche von Rauchern wie „Ohne Rauch stirbst auch“ den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs, Herzinfarkt sowie etlichen anderen Krankheiten nicht aus der Welt schaffen. So können ja auch Päpste und alle Mächtigen der Erde nicht die Regeln der Astronomie bestimmen, obwohl sie es einst versucht hatten. So wirkt ja auch die Gravitationskraft ganz unabhängig von Beschlüssen der Politik.

Und ganz genauso gelten auch ökonomische Regeln ganz unabhängig von unserer Zustimmung. Wie etwa der millionenfach bewiesene Zusammenhang: „Was nichts kostet, ist in den Augen der Menschen auch nichts wert und wird verschwendet.“ Oder: „Nur wenn man individuell Kosten tragen muss, werden die Kosten beachtet, niemals, wenn die Allgemeinheit sie trägt.“ Oder: „Kostenfolgen haben sich als einzig funktionierender Weg erwiesen, Eigenverantwortung zu tragen.“ Und ebenso: „Wenn wir nichts tun, wird unsere Gesellschaft, unser demokratischer Rechtsstaat in den nächsten 20 Jahren an drei Kostenfaktoren zerschellen: Pensionen, Gesundheit, Pflege.“ (In dieser Reihenfolge)

Ganz anders ist es um juristische Regeln und Gesetze bestellt: Sie können je nach politischer Lust und Laune abgeändert werden. Sie können auch gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten beschlossen werden. Nur führen sie dann regelmäßig zu unerwünschten Folgen: Wenn man etwa Preise unter die Marktkosten limitiert, wird das Produkt aus den Regalen verschwinden; oder Dienstleistungen werden nur noch zu Schwarzmarktpreisen angeboten. Wie es beispielsweise mit vielen Gesundheitsdienstleistungen auf dem Balkan der Fall ist.

Ebenso unsinnig ist der Satz: „Gesundheit ist ein so hohes Gut, das darf doch keine Frage des Geldes sein.“ Wer so spricht, sollte immer auch die Frage beantworten müssen: Ist er etwa bereit, umsonst im Dienste der Gesundheit anderer zu werken? Das sind eben nur ganz wenige. Lobenswert, aber völlig unzureichend.

Auch das immer  so gern bemühte Prinzip der Gerechtigkeit spricht gegen die gegenwärtige Form der Gratismedizin. Es ist ja zweifellos absolut ungerecht, wenn diszipliniert lebende Menschen ohne Bremse und Limit die statistisch viel höheren Gesundheitsausgaben für Raucher, für Übergewichtige, für bewegungsaverse Couch-Potatoes, für Risikosportler tragen müssen.

Bitte nur kein Gesamtkonzept

Das waren einige Anmerkungen über einige gesundheitspolitische, ethische und ökonomischeZusammenhänge. Dahinter steht zwar eine klare ordnungspolitische Idee, aber sicher nicht die Anmutung, ein neues Gesamtkonzept zu haben. Mir ist im Gegenteil jeder unheimlich, der behauptet, ein solches zu haben.

Ich bin mir auch keineswegs sicher, dass das wohl unvermeidliche Scheitern von Reform wie Praxis automatisch zu mehr Vernunft führen wird. Das Wissen um die Rolle von Eigenverantwortung, um die genannten Zusammenhänge ist nämlich europaweit nicht gerade im Steigen.

Daher ist es auch durchaus möglich,

  • dass wir in einem Jahrzehnt ein noch viel schlechter funktionierendes Gesundheitssystem haben als heute;
  • dass dann immer mehr via Schwarzmarkt geregelt wird;
  • dass dann Planwirtschaft bestimmte Gesundheitsdienstleistungen bestimmten Gruppen, etwa den älteren Menschen vorenthält;
  • dass dann Ärztemangel zum dominierenden Problem geworden sein wird;
  • dass dann wie schon heute in manchen englischen Spitälern, Laken nicht mehr gewechselt werden, Toiletten nicht mehr gereinigt werden und Angehörige das Essen ans Bett bringen müssen.

Aber in einem bin ich mir sicher: Wenn ein Gesundheitssystem funktionieren soll, dann kann es nur in einer Verbindung der Gesetzmäßigkeiten von Ökonomie UND Medizin bestehen. Je mehr hingegen Politik und damit Populismus, Gesetze und Gerichte mitspielen und überregulieren, umso schlechter werden die Dinge funktionieren.

(Diese Ausführungen fassen zusammen, was ich in teilweisen Passagen in der medizinischen Zeitschrift „Spectrum Urologie“, in der „Academia“ sowie in einem Vortrag vor Ärzten formuliert habe)

 

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Schulschwänzen – wenn die Strafe erst zum 17. Geburtstag kommt drucken

In Deutschland gibt es das gleiche Phänomen wie in Österreich (und vielen anderen Ländern): In manchen bildungsfernen Familien wird der Schulbesuch nicht ernst genommen. Aber auch in Deutschland hat man wohl nicht die richtigen Methoden gefunden. Dort ist jetzt erstmals eine Mutter zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil ihr Sohn praktisch nie zur Schule gegangen ist.

Das klingt nach Konsequenz – kommt aber wohl ein ganzes Jahrzehnt zu spät. Ihr Sohn (nicht ihr einziger) ist nämlich zum Zeitpunkt des Richterspruchs schon 17 Jahre alt. Aber erst mit diesem Urteil begann die Mutter irgendwie zu begreifen, dass da etwas nicht in Ordnung war.

Der junge Mann kann nach gezählten 1181 Tagen Schwänzens weder schreiben noch lesen. Er steht vor einem mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt schon verpfuschten Leben, in dem er immer von Hartz IV und anderen Wohlfahrtsformen leben wird, statt etwas zur Gesellschaft beizutragen.

Zwar werden wie immer politisch Korrekte nicht vom wirklichen Problem, sondern von Diskriminierung und Rassismus schwätzen, wenn der Knabe keinen Arbeitsplatz findet. Es geht nämlich um eine Berliner Roma-Familie. Aber selbst fürs bloße Rasenmähen oder Autowaschen ist sinnerfassendes Lesen und Schreiben bisweilen nötig (man denke nur an technische Warnaufschriften oder das Ausstellen einer Rechnung oder Gehaltszettel).

In Wahrheit hat ihm wohl gerade die von den politisch Korrekten immer geforderte und durchgesetzte Milde geschadet: In Wahrheit hätte man schon in der ersten Klasse schnell mit aller Konsequenz und Härte eingreifen müssen. Dabei geht es wohlgemerkt nur um jene Fälle, wo absehbarerweise Analphabeten und Sozialhilfe-Empfänger herangezüchtet werden, – und nicht um jene, wo engagierte Eltern durch Home-Schooling in überprüfbarer Form mehr für ihre Kinder tun als die meisten Schulen.

Auch in Österreich hat man ja in den letzten Jahren eine Zeitlang über effiziente Methoden gegen das Schulschwänzen diskutiert. Jedoch haben sich hierzulande ebenfalls die ideologischen Weichmacher vor allem rund um die Unglücksministerin Schmied durchgesetzt: Es wurden auch im Falle hartnäckiger Schwänz-Familien viel zu viele nett-belanglose Zwischenstufen vorgeschaltet, bis es theoretisch irgendwann zu ernsteren Konsequenzen kommt. Daher wird es in Österreich wahrscheinlich nicht einmal zu einer um zehn Jahre verspäteten Reaktion kommen wie im Berliner Fall.

Aber wir sind ja auch ein Land, wo der mächtigste Politiker über seine eigenen Lebensläufe seit Jahr und Tag signalisiert, Schulbesuche seien ohnedies nicht wichtig. Jeder Schulschwänzer kann auf ihn verweisen.

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Sozialmissbrauch, Überstunden, Frauenpension: Mikl rettet Spindi drucken

Wer hätte gedacht, dass es ausgerechnet Johanna Mikl-Leitner sein wird, die einem wenigstens einen Rest der Hoffnung auf die ÖVP lässt? Michael Spindelegger hingegen wird sich nicht mehr viele Schnitzer – so wie in den letzten Wochen – leisten können.

Der ÖVP-Chef war ja mit dem kantigen Slogan „Entfesselung der Wirtschaft“ in den Wahlkampf gezogen. Das hat zwar angesichts der letzten fünf Jahre Rot-Schwarz erstaunt. Denn die Wirtschaft ist in dieser Zeit durch ständig noch mehr Regulierungen, Auflagen, Umweltvorschriften, Sozialausgaben zunehmend gefesselt und fast nie entfesselt worden.

Aber immerhin, die absolut notwendige Richtung war mit dem Slogan voll angesprochen.

Dann kam in den letzten Tagen sogar unerwartete Hilfe von der SPÖ: Sie legte Spindelegger sogar zweimal den Ball zu einem Elfmeter auf. Den hätte Spindelegger nur noch Richtung Tor schießen müssen, dann wäre sein Entfesselungs-Slogan auch glaubwürdig geworden – aber der Ball ging Richtung Corner-Fahne.

Konkret: Zweimal brach in den letzten Tagen aus dem roten Eck Wahlkampf-Geheul nach steinzeitlicher Darabos-Art wegen zweier Ideen aus, die seit Jahren in zahllosen ÖVP- und Wirtschaftspapieren zu finden waren. Und die natürlich ganz genau die Kernelemente einer nationalen Entfesselung bedeuten würden: raschere Anhebung des Frauenpensionsalters; und langfristige Durchrechnung einer in Summe jedoch gleichbleibenden Gesamtarbeitszeit.

Aber Spindelegger kam durch diese beiden SPÖ-Vorstöße total ins Schleudern. Statt klar zu sagen „Ja genau, das ist es, was getan werden muss, weil sonst der Gewerkschaftssozialismus Österreich wirtschaftlich umbringt“, beginnt er herumzureden. Und am Schluss ist er dann sogar gegen beides. Und lässt sich vom SPÖ-ORF sogar zu der Aussage hinreißen: Ohne Gewerkschaft werde er jedenfalls nichts machen.

Dabei hat er nur zwei Wochen davor gegen den heftigen Widerstand der Beamten-Gewerkschaft (die von eigenen Parteifreunden dominiert wird!) dem SPÖ-Verlangen nach einer längeren Lehrerarbeitszeit zugestimmt. Zumindest gilt das für die Begutachtung eines Gesetzes mit diesem Inhalt.

Du lieber Michael! Wie will der ÖVP-Chef da auch nur einen Millimeter Glaubwürdigkeit oder gar Kanten als Persönlichkeit bekommen, wenn er beim leisesten Gegenwind einknickt, sich bei der ersten Kritik zu winden beginnt?

Dabei sind beides Maßnahmen, die große Popularität haben – wenn sie nur halbwegs begründet werden. Ein höheres Frauenpensionsalter wird auch von immer mehr kritischen Frauen gewünscht (freilich nicht von den lebensfremden Berufspolitikerinnen). Aus klaren Gründen: Sie fühlen sich noch voll arbeitsfreudig. Ein höheres Frauenpensionsalter würde ihnen auch deutlich höhere Pensionen bringen. Es entspricht darüber hinaus der höheren Lebenserwartung von Frauen. Es gibt insbesondere auch jenen Frauen, die – erfreulicherweise – einige Jahre eine Kinderpause eingelegt haben, viel mehr Chance auf berufliche Karrieren. Und gerade in den letzten Berufsjahren steigt die Chance auf Spitzenpositionen.

Auch ein längerer Durchrechnungszeitraum ist bei vielen Arbeitnehmern vor allem in Klein- und Mittelbetrieben etwas sehr Positives. Sie erhalten durch die legale Möglichkeit von 12-Stunden-Tagen im Gegenzug längere Urlaube und/oder Wochenenden. Sie leben emotional mit ihrem Unternehmen und dessen Auftragslage voll mit (was ein Gewerkschafter natürlich nie verstehen wird) und legen gemeinsam Hand an, wenn es unter Zeitdruck einen größeren Auftrag zu erledigen gibt. Überdies sind Zwölfstundentage in vielen Berufen gang und gäbe. Zum Beispiel bei Parlamentssitzungen. Zum Beispiel bei den Spitals-Ärzten, wo es noch viel längere Arbeitszeiträume gibt.

Noch zwei persönliche Beispiele zur Ergänzung: Eine unserer Sekretärin sagte einst in der Redaktion, als am Abend aus aktuellem Anlass eine Krisenbesprechung einiger leitender Redakteure stattfinden musste: „Moment, wartet noch zwei Minuten, weil ich muss noch hinunter gehen ausstechen.“ Sie hatte nämlich schon fast zehn Stunden gearbeitet. Sie bediente die Stechuhr und machte dann Überstunden. Diese blieben zwangsläufig unbezahlt und auch ohne Zeitausgleich, eben nur weil für die Gewerkschaft Stunde 11 und 12 nicht existent sein dürfen.

Zweites Beispiel: Vor wenigen Stunden fuhr ich mit einem Taxi. Der Chauffeur (ein junger Türke) antwortete auf meine Frage, wie lange er arbeite: „Sechs Nächte in der Woche zwölf Stunden.“ Nur müsse er irgendwann in der Nacht auf eineinhalb Stunden unterbrechen, etwa im Auto schlafen, weil er sonst bestraft würde.

Was, wenn nicht all das, meint Spindelegger, wenn er von Entfesselung redet? Rätsel, Rätsel . . .

Der schwarze Trost kommt ausgerechnet in der Person der Innenministerin. Sie scheint seit ihrem Satz „Zaster her!“ erstaunlich viel dazugelernt zu haben. Denn sie hat jetzt – völlig zu Recht – den argen Missbrauch mit der Mindestsicherung vor allem in Wien sehr kritisch getadelt.

Zwar heulten die SPÖ und ihre Vorfeldorganisationen (von der selbsternannten Armutskonferenz bis zur einst katholischen Caritas) empört auf. Aber fast jeder Wiener kennt Beispiele solchen Missbrauchs und gibt der Ministerin recht, wenn sie sagt, eine Mindestsicherung sei nur auf Zeit zu gewähren und solle Menschen nicht vom Sozialstaat abhängig machen; man müsse mit der Mindestsicherung sorgsamer umgehen. Mikl-Leitner verlangte daher viel mehr Begleitung der Empfänger und deren Kontrolle während des Bezugs einer Mindestsicherung.

Ebenso mutig wie richtig. Vielleicht erzählt jemand der Ministerin auch noch von dem, was in immer mehr Schweizer Gemeinden praktiziert wird: Dort wird jeder Bezieher von Sozialhilfe einmal im Jahr unangekündigt kontrolliert. Und die Gemeinden sehen schon sehr positive Ergebnisse der Aktion.

Danke, Frau Mikl-Leitner (Das kann, ja muss man schließlich auch sagen, wenn man sie einst beim Zaster-Sager heftig beschimpft hat).

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Fußnote 476: Die SPÖ und die Dekonstruktion der Logik drucken

Eine Berechnung habe ergeben, dass die Arbeitnehmer rund eine Milliarde Euro verlieren, wenn keine Überstunden bezahlt würden: Da muss man doch wirklich Verständnis für die Lehrergewerkschaft haben, die gegen eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne den bisherigen Überstundenzuschlag kämpft.

Doch hoppla: Das Argument stammt von den SPÖ-Bonzen Faymann und Hundstorfer. Und es wurde nicht gegen die Verlängerung der Lehrerarbeitszeit, sondern gegen eine allgemeine Arbeitszeit-Flexibilisierung vorgebracht. Da kenne sich aus, wer mag. Aber Logik war noch nie eine Stärke der SPÖ. Was ihre Haltung besonders absurd macht: Von den Lehrern verlangt die SPÖ eine tatsächlich längere Arbeitszeit, von sonstigen Arbeitnehmern wird durch diesen Vorschlag der Wirtschaft und der ÖVP hingegen nur ein längerer Durchrechnungszeitraum verlangt, in dem jedoch die Arbeitszeit in Summe keineswegs verlängert würde. Das eine will die SPÖ (sowie BZÖ und Stronach) mit aller Kraft durchpeitschen; der andere Vorschlag bedeutet für Faymann hingegen „soziale Tiefschläge“.

PS: Wie hier schon mehrfach geschrieben: Natürlich ist von Lehrern Mehrarbeit zu verlangen. Aber das sollte erstens durch Verlängerung der Jahresarbeitszeit (kürzere Ferien) geschehen, bei mehr Wochenstunden geht es nur auf Kosten der Unterrichtsqualität. Und das ist zweitens nur zumutbar, wenn auch andere Bevölkerungsgruppen Konzessionen an die Krise machen.

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Fußnote 471: Keine Züge in Mainz drucken

Angeblich sind Urlaube und plötzliche Krankenstände die Ursache der Bahnpanne.

Die wahre Ursache ist jedoch die Unflexibilität einer Staatsbahn unter starkem Gewerkschaftseinfluss. Denn jeder halbwegs gut geführte Privatbetrieb plant Personalentwicklungen voraus, und er „zwingt“ (Achtung: böse Ausbeuter!) seine Mitarbeiter zur Flexibilität. Das heißt: Man würde – im konkreten Fall – mehr Fahrdienstleiter und Zugsführer ausbilden, als man normalerweise braucht, und setzt diese anderwärtig - nicht nur zum Daumendrehen ein, hat sie aber dadurch in der Stunde des Bedarfs zur Verfügung. Und überhaupt kein Problem gäbe es, wenn – wie ebenfalls in fast jedem Privatbetrieb – die Deutsche Bahn (natürlich gegen satten Kostenersatz) Mitarbeiter in der Stunde der Not, die ja immer durch blöde Zufälle schlagen kann, zum Abbruch des Urlaubs und zu Überstunden veranlassen würde. Aber das ist laut den Bahngewerkschaftern völlig unzumutbar.

PS: Nie beweisbar wird das Gerücht sein, dass die plötzliche Krankheitswelle mit den Bundestagswahlen zusammenhängt, wo ja der SPD der Abhörskandal überhaupt nichts genützt hat. Zumindest nicht, seit klar ist, dass auch schon unter SPD-Regierungen heftig gelauscht worden war. Irgendwie möchte man ja noch einmal so einen schönen Wahlkampfgag wie den Stuttgarter Bahnhof herbeiinszenieren.

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Kritik des Wohlfahrtsstaats drucken

Viele große Denker des 20. Jahrhunderts stehen der Massendemokratie mit ihren gezählten, nicht gewogenen Stimmen aus gutem Grund kritisch gegenüber. Zu ihnen zählen Bertrand de Jouvenel und Erik von Kühnelt-Leddihn oder lebende Zeitgenossen wie Anthony de Jasay, Gerd Habermann und Hans-Hermann Hoppe. Sie sehen in dieser Art der Demokratie, die nur dem Namen nach etwas mit dem in der Polis der griechischen Antike praktizierten System zu tun hat, den Wegbereiter des Totalitarismus, ein Synonym für Pöbelherrschaft und Sozialismus.

Damals ging es nicht ums Wählen, sondern um eine Partizipation verantwortlicher Männer an der Politik. Der rezente Wohlfahrtsstaat hingegen bildet die letzte Entwicklungsstufe der auf gewaltsame Nivellierung gerichteten Massendemokratie. Seine Grenze zur totalitären Demokratie – zur Diktatur des Pöbels – ist fließend.

Der moderne Wohlfahrtsstaat am Beginn des 21. Jahrhunderts ist – scheinbar – ein Paradies: Wir genießen Fürsorge und Versorgung von der Wiege bis zur Bahre, losgelöst von individueller Leistung und Bedürftigkeit. Alles ist gratis – Schulen, Hochschulen, Renten, Gesundheitsdienstleistungen. Das alles ist staatlich monopolisiert und damit bombensicher.

Die funkelnde Krone auf alledem bildet die „Grundsicherung“. Damit wurde endlich auch ein einklagbares Recht auf Faulheit gesetzlich verankert.

Wo gehobelt wird, da fallen allerdings Späne – und so sind kleine Opfer unvermeidlich: Obrigkeitliche Regulative bis in den privaten Lebensbereich sind hinzunehmen; sie dienen ja nur dem Besten der Bürger. Die nunmehr vorgeschriebene Verwendung staatlich anerkannter Leuchtmittel und eine dräuende „Duschkopfverordnung“ sind prächtige Beispiele. Massive Eingriffe in die Privatrechtsautonomie, teilweise sogar deren Abschaffung, sind an der Tagesordnung. Eine Aufhebung der Vertragsfreiheit in vielen Bereichen – z. B. im Arbeitsrecht, bei der Ladenöffnung, im Mietrecht und auch Preisvorschriften – erscheint bereits ganz selbstverständlich…

Wir erleben die totale Gängelung der Bürger – weit jenseits dessen, woran George Orwell dachte, als er seine 1984er-Dystopie ersann. Das Schlimme ist: Regulierung und Überwachung sind nicht nur unproduktiv, sondern sie behindern sogar die Produktion. Darüber hinaus verursachen sie hohe Kosten! Und da – den falsch gesetzten Anreizen sei Dank – eine stetig kleiner werdende Schar von Produktiven die Chose finanzieren muss (der Rest führt eine parasitäre Existenz als Mitarbeiter oder Klient des Wohlfahrtsstaats), steigt deren Steuerlast unentwegt – was die Effizienz des Gesamtsystems weiter reduziert.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1986, James Buchanan, stellte treffend fest: „Die Steuerlast ist endlich“. Spätestens bei 100 Prozent Steuerbelastung lässt auch ein notorischer Workaholic den Herrgott einen guten Mann sein und setzt sich lieber in den Park.

Im Wohlfahrtsstaat wird weniger produziert als unter Marktbedingungen. Alle essen nun mit gleich großen Löffeln, die Schüssel, aus der sie das tun, ist indes kleiner. Im Land am Strome sind weniger als 50 Prozent der Bevölkerung erwerbstätig. Der Rest sitzt als Pensionist, Früh- oder Invalidenrentner, Sozialhilfebezieher oder Langzeitstudent herum, ohne zu produzieren.

Von den Werktätigen liefert – der progressive Einkommensteuertarif macht es möglich – die Hälfte keine direkten Steuern ab. Zieht man von der Zahl der Erwerbstätigen jene ab, die von Steuern leben, also den öffentlichen Dienst, Kammermitarbeiter, Politfunktionäre etc., dann bleiben rund 20 Prozent als Nettozahler übrig. Diese Opfer der Umverteilung sind genötigt, zwei Drittel ihres Einkommens an den Fiskus abliefern (43% direkte Steuern, + 16,66% USt. + Abgaben + Arbeitgeberanteil zur SV). Aber trotz einer nie da gewesenen Ausbeutung der Leistungsträger durch den Staat erleben wir einen Staatsschuldenexzess ohnegleichen, da die staatlichen Anmaßungen nicht mehr allein durch Steuern finanziert werden können, ohne massive Widerstände auszulösen.

  • Offizieller Schuldenstand: (explizite Schulden) 232 Mrd. € (1970: 3,42 Mrd.)
  • Pro Bürger: € 31.000,-
  • Pro Erwerbstätigem: € 55.400,-
  • Zinsendienst p. a.: derzeit 8,2 Mrd. € (aktuelle Zahlen laut OeNB-Statistik).

Ohne die von den jüngeren Generationen dereinst abzuzahlenden Schulden wäre der Wohlfahrtsstaat längst nicht mehr finanzierbar. Seine Grenzen sind erreicht. Am deutlichsten sieht man das wohl in Griechenland, dem Land mit dem größten Anteil an mittelbar und unmittelbar Staatsbediensteten im zivilisierten Teil der Welt.

Paradoxerweise nimmt – trotz des laufend steigenden Umverteilungsvolumens – die Zahl der Armutsgefährdeten dennoch ständig zu. Das ruft die Linken auf den Plan und veranlasst sie zum Ruf nach einer noch höheren Enteignungsquote für die Leistungsträger. Möglich ist das, da die Ergebnisgleichheit – Gleichverteilung des Wohlstands – ein zentrales Anliegen des Wohlfahrtsstaats ist. Armut ist vorgeblich sein Hauptgegner.

Was aber bedeutet Armut? Kein Dach über dem Kopf zu haben, krank zu sein und nichts zu essen zu haben! Wer so etwas sehen will, muss heute nach Kalkutta, nach Lagos oder wenigstens nach Moldawien reisen. Die Armutsbekämpfungs- Umverteilungs- und Wohlfahrtsindustrie ist hierzulande daher im Grunde arbeitslos. Abertausende ihrer Mitarbeiter (die Caritas ist inzwischen einer der größten Arbeitgeber im Lande!) – alle gut ausgebildet und mit ansehnlichen Bezügen dotiert – wären überflüssig, wenn sie nicht ein geniales Alternativkonzept entwickelt hätten: Das Konzept der relativen Armut.

Damit ist ein Perpetuum Mobile geschaffen, denn relative Armut wäre nur mittels totaler Gleichmacherei auszurotten. Und die hat es selbst unter Stalin und Mao nicht gegeben. Zur Veranschaulichung der aberwitzigen Grundlage dieser Vorstellung: „Armut“ bemisst sich am Medinaeinkommen. Wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bezieht, ist „armutsgefährdet“! Auch eine Verdoppelung aller Einkommen hätte demnach keine Wirkung auf die Zahl der „Armen“.

Eine Abwanderung der Reichsten dagegen senkt nach diesem irrwitzigen Konzept die Armenquote:

Legende: Gelb unterlegt das Medianeinkommen, rosa markiert die Armutsgefährdeten.

Gerd Habermann,(„Polemisches Soziallexikon“): meint: „Der Wohlfahrtsstaat ist das reformerische Nachfolgemodell des versinkenden Sozialismus“. Und weiter:„Der Wohlfahrtsstaat ist eine Methode, die Leute mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig zu machen.“

Gerard Radnitzky (1921 – 2006) stellt fest: „Der Wohlfahrtsstaat hat eine neue Art des „Individualismus“ hervorgebracht: den Individualismus ohne Verantwortung.“

Auf Wikipedia lesen wir:„Wohlfahrtsstaat bezeichnet einen Staat, der weit reichende Maßnahmen zur Steigerung des sozialen, materiellen und kulturellen Wohlergehens seiner Bürger ergreift.“ Der Wohlfahrtsstaat geht daher weit über den Sozialstaat hinaus, der nur Existenzsicherung in Notlagen bietet. Im Wohlfahrtsstaat ist Sozialpolitik nicht mehr allein auf bedürftige Gruppen ausgerichtet.

Die Wiege des Wohlfahrtsstaats steht in Preußen, und zwar nicht erst seit Bismarck, der – ebenso genialer wie zynischer Machtmensch, der er war – die Sozialversicherung „erfunden“ hat, um den damals im Aufwind befindlichen Sozialisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Schon Friedrich II. („der Große“) hatte klare Vorstellungen von der Beglückung seiner Untertanen – z. B. mittels „Magazinpolitik“, Handelsbeschränkungen, um die eigene Produktion zu schützen (z. B. Seide), und Staatsmonopolen. Der Staat sollte der Fürsorger für seine Bürger, für ewig unmündige Kinder, sein.

Bereits damals regte sich allerdings Kritik an staatlicher Bevormundung und Handelshemmnissen: Graf Mirabeau nahm den Autarkiegedanken unter Beschuss: Der Wohlfahrtsstaat „…macht weder reich noch glücklich (…) bringt um den Vorteil der internationalen Arbeitsteilung…“. Und weiter, als ob die Zustände im europäischen Immigrantenstadel der Gegenwart beschrieben würden: „…durch königliche Geschenke angelockt, [sei] Gesindel hingewandert, das nicht die geringste Arbeitslust mitgebracht habe“(!) „Der König müsse nicht schenken, er müsse nur frei erwerben lassen“. Mirabeau fordert völlige Gewerbefreiheit und „Genußfreiheit“ (z. B. für das „unnötige Luxusprodukt“ Kaffee).

J. Wolfgang v. Goethe, Beamter und Minister: „Kehre jeder vor seiner eigenen Tür … Das Glück des Ganzen – eine „bewegliche Ordnung“ – ergibt sich so als Ergebnis spontanen individuellen Handelns“.

Friedrich Schiller formuliert einesystematische Kritik des gängelnden Staates in seinen „Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen“ als „Sparta vs. Athen“. (Wohlfahrts-)Staat vernichte die Moral. „Zur moralischen Schönheit der Handlungen ist die Freiheit des Willens die erste Bedingung, und diese Freiheit ist dahin, sobald man moralische Tugend durch gesetzliche Strafen erzwingen will."

Wilhelm von Humboldt spricht vom „… passiven Leben des genährten Sklaven“ Persönlichkeit ist für ihn wichtiger als ein komfortables Leben. Nicht auf fremde Hilfe verlassen – das stumpft ab, macht passiv, untüchtig, verhindert Erfahrungen – und es erzieht zu asozialem Verhalten: Er lehnt, wie Adam Smith, beamtete Erzieher ab. Der Staat soll nicht Unternehmer sein. Einziger Staatszweck sei dieProduktion vonSicherheit nach innen und außen.

Immanuel Kant sieht die menschlicheWürde davon abhängig, seine Ziele selbst definieren zu können: „… dem Leben durch Handlungen einen Wert zu geben.“ Menschen als unmündige Kinder zu halten, sei dagegen „… der größte denkbare Despotismus“.

Eine Fundamentalkritik von Lysander Spooner (1808-1887, US-Sklavereigegner und Anarchist), die über den wohlfahrtstaatlichen Gedanken hinausgreift und sich mit dem Prinzip der politischen Vertretung durch Abgeordnete kritisch auseinandersetzt [aus dem Aufsatz „No Treason“ ]: „Wenn ein Mensch mein Diener, Agent oder Anwalt ist, bin ich im Rahmen der ihm von mir übertragenen Vollmacht notwendigerweise verantwortlich für alle seine Handlungen. Wenn ich ihm, als meinem Agenten, entweder absolute oder irgendeine Macht über Personen oder Besitztümer anderer Menschen als mir selbst übertragen habe, bin ich dadurch notwendigerweise gegenüber diesen Personen verantwortlich für jeden Schaden, den er ihnen zugefügt hat, solange er innerhalb des Rahmens der Machtbefugnis wirkt, die ich ihm gewährt habe. Kein Individuum jedoch, das in seiner Person oder seinem Eigentum durch Handlungen des Kongresses geschädigt worden sein mag, kann sich an die individuellen Wähler wenden und sie für diese Handlungen ihrer so genannten Agenten oder Repräsentanten zur Verantwortung ziehen. Diese Tatsache beweist, dass diese anmaßenden Agenten des Volkes – von uns allen – in Wirklichkeit die Agenten von Niemandem sind.“

Die neoliberale Kritik des 20. Jahrhunderts richtet sich primär gegen das Setzen falscher Anreize durch den Wohlfahrtsstaat. Statt Eigentum zu schaffen und die Produktion zu steigern, wird zum Neid angestachelt und eine wohlstandsvernichtende Umverteilung – Kapitalverzehr – gefordert und befördert (Ludwig Erhard, Wilhelm Röpke).

Abseits der funktionalistischen Kritik, die auf die reduzierte Effizienz des Systems zielt, ist der Wohlfahrtsstaat aber vor allem deshalb zu kritisieren, weil er den frei geborenen Menschen daran hindert, seiner Vorstellung gemäß nach Glück zu streben. Stattdessen wird der Mensch – wie der Zoologe und Verhaltensforscher Konrad Lorenz feststellt – „verhausschweint“ und den Fährnissen einer wandelbaren Sozialpolitik unterworfen. Der Verlust der Freiheit ist die logische und unvermeidliche Folge.

Auch wenn die Sozialisten in allen Parteien es – ganz besonders vor Wahlen – nicht wahrhaben wollen: Auch dem Staat ist es nicht auf unbegrenzte Zeit möglich, immer höhere Schuldenberge aufzutürmen, ohne die Gesellschaft zu zerstören. Margaret Thatcher stellte einst hellsichtig fest: „Das Problem mit dem Sozialismus ist, dass ihm früher oder später das Geld fremder Leute ausgeht.“

Wir sind so weit. Es ist daher an der Zeit für etwas Neues! Dieses Neue wird auf dem Boden der bestehenden (Un-)Ordnung allerdings nicht zu errichten sein…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie man zugleich unter Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel leiden kann drucken

Eine seltsame Diskrepanz: Die ILO prophezeit Europa gewalttätige Unruhen wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit. Insbesondere in Deutschland klagt man hingegen über einen zunehmenden Mangel an Kellnern, Installateuren oder Pflegekräften und an Arbeitskräften in mehr als hundert anderen Berufen. Wie passt das zusammen? Der europäische Bürger ist verwirrt.

Wenn man dem Weltarbeitsmarktbericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO glaubt, dann kann man sich eigentlich nur noch fest anschnallen und hoffen, dass es nicht ganz so schlimm sein wird wie beim letzten Mal. Das war nämlich in den 30er Jahren, als die Arbeitslosigkeit (eine Folge der Kosten des ersten Weltkriegs und der darauf entstanden Inflation) in Deutschland und Österreich eine wichtige Mitursache der bürgerkriegsartigen Unruhen und der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewesen ist. Arbeitslose Menschen sind damals auf der Straße gestanden mit dem Schild "Nehme jede Arbeit", sie haben als "Ausgesteuerte" keinen offiziellen Groschen mehr erhalten, und haben in den Höfen der Häuser durch Gesang ein paar Münzen erbettelt.

Die – gewerkschaftsnahe, aber als UNO-Organisation getarnte – ILO sieht heute in nicht weniger als 46 Staaten ein wieder gestiegenes Risiko solcher sozialer Unruhen. Insbesondere in Europa hat sich laut ILO dieses Risiko signifikant erhöht.

Eine dramatische Prognose, da sie ja zumindest unterschwellig diese historischen Bezüge ins Spiel bringt. Eine Wiederholung der 30er Jahre ist jedenfalls das Allerletzte, was man sich wünschen kann. Sie zu vermeiden ist fast jeden Preis wert - nur nicht den eines bloßen Hinausschiebens unangenehmer Konsequenzen, das dann zu noch größeren Risiken führt.

Jedenfalls befindet sich die Eurozone schon seit 2011 in einer Rezession, sie hat also die 2007/08 begonnene Krise alles andere als überwunden. Noch bedenklicher aber ist der Umstand, dass es heute zwar schon wieder global durchaus signifikante Investitionen gibt – nur finden diese überwiegend in den Schwellenländern und (seit der dortigen Verbilligung der Energie) in den USA statt.

Europas Realität zeigt hingegen ein ganz anderes Bild. Noch immer werden in diesem Kontinent 50 Prozent aller weltweiten Wohlfahrtsausgaben getätigt – dabei stellt Europa nur acht Prozent der globalen Bevölkerung. Und wenn man die Programme zumindest der deutschen und österreichischen Wahlkämpfe anschaut, dann droht sogar ein weiterer Ausbau der unfinanzierbaren Wohlfahrtsleistungen.

Mangelware Kellner und Installateure

Ein toskanischer Unternehmer vermittelt dieser Tage bei einer privaten Plauderei ein erstaunliches Bild: "Die italienischen Universitäten produzieren Unmengen von Politologen und Soziologen, die dann zwangsläufig arbeitslos werden. Aber wenn man eine Putzhilfe sucht, findet man keine."

Das mag gewiss ein subjektives Bild sein. Es wird aber jedenfalls durch die jüngste Untersuchung des "Instituts der Deutschen Wirtschaft" in Hinblick auf die Bundesrepublik bestätigt. Darin wird für Deutschland ein besonderer Engpass auch bei Berufen mit einer - formal gesehen - eher geringen Qualifikationsanforderung konstatiert: insbesondere bei Kellnern, Installateuren und Pflegekräften. Fast ebenso Mangelware sind Ärzte, Vermessungstechniker oder Mechatroniker. Insgesamt zählt das Institut schon 119 Mangelberufe! Beim deutschen Bundesinstitut für Berufsbildung bezeichnet man die Lage in vielen Branchen deshalb sogar schon als "dramatisch".

Diese Diskrepanz zwischen einem Mangel und einem ebenso dramatisch scheinenden Überfluss an Arbeitskräften in ein- und demselben Währungsraum wirkt absurd. Die Erklärung für diesen Widerspruch heißt in der Fachsprache "geringe Mobilität". Das heißt: Wenn in Europa irgendwo (geographisch oder branchenmäßig) ein Mangel an Arbeitskräften vorhanden ist, dann müssten eigentlich nach allen Gesetzen der Logik die Arbeitssuchenden - die ja nach etlichen Medienberichten total verzweifelt sind - dorthin strömen. Sie tun es aber nicht. Sie demonstrieren vielleicht, aber ziehen nur zu einem sehr geringen Prozentsatz um.

Wenn hingegen in Amerika die Arbeitslosigkeit in einer Stadt (jüngstes Beispiel: Detroit) explodiert, dann ziehen die Menschen halt wo anders hin auf dem riesigen Subkontinent. Irgendwo boomt es nämlich fast immer. In den verlassenen Städten sinkt die Bewohnerzahl dann des öfteren auf weniger als die Hälfte. Kein Amerikaner sieht darin jedoch einen Grund zur sonderlichen Aufregung, zumindest solange es eben andere Orte oder Branchen mit deutlich mehr Chancen gibt.

Die Ursachen der Immobilität

Was sind nun die konkreten Ursachen der Immobilität der Europäer, die dazu führt, dass diese eben nicht den Arbeitsplätzen nachwandern?

  • Das Fehlen einer gemeinsamen Sprache oder Zweitsprache macht ein Übersiedeln oft schwierig. Die EU hat zwar immer viel von der Förderung der Sprachkenntnisse gesprochen. Aber sie hat sich – vor allem auf Grund französischer Eitelkeiten – nie darauf einigen können, welche Sprache eigentlich als erste Fremdsprache zu lehren wäre. In einem gemeinsamen Markt sollten aber alle zumindest die Zweitsprache gemeinsam haben. Das kann im Grund natürlich nur Englisch sein, jetzt schon in Europa wie global die relativ meistgelernte Zweitsprache. Diese sollten in einem gemeinsamen Arbeitsmarkt alle, auch Menschen mit bloßem Pflichtschulabschluss, zumindest in einem brauchbaren Mindestumfang lernen. In Wahrheit aber ist der Fremdsprachenunterricht vielfach auch dort, wo er stattfindet, völlig unbrauchbar. Insbesondere in Spanien oder Italien trifft man auf Menschen, die vor der Universität angeblich acht Jahre Englisch gelernt haben, die jedoch nicht einmal einen einzigen Satz in dieser Sprache formulieren können.
  • Die Politik hat den Menschen in Europa jahrelang eingeredet, dass der Staat für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen verantwortlich sei. Durch diese Propaganda ist den Menschen vielfach das anderswo selbstverständliche – und auch in unserer Vergangenheit allgemein verbreitete – Grundbewusstsein verloren gegangen, dass jeder primär selbst für sein Überleben, sein Einkommen, seinen Job verantwortlich ist. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es auch in Europa noch selbstverständlich, dass man der Arbeit wegen selbst in ganz ferne Länder zieht. Heute sind hingegen arbeitslose Kellner nicht einmal bereit, für einen gutbezahlten Job von Wien nach Salzburg zu ziehen.
  • Die Wohlfahrtsleistungen in den meisten Ländern sind viel zu hoch geworden (was auch dann ein Riesenproblem ist, wenn sie finanzierbar wären). Sie führen dazu, dass man die Last der Arbeitslosigkeit viel weniger spürt, als notwendig wäre, um alle Arbeitslosen zu einer Jobsuche zu animieren. Viele junge Menschen bleiben lieber jahre-, jahrzehntelang bequem im Hotel Mama, statt sich der rauen Härte der Arbeitswelt zu stellen.
  • Auch die Wohnbauförderungen halten von Mobilität ab. Ein Wechsel der Wohnung würde etwa in Österreich vielen einen Verlust der Mieterschutz-Privilegien bringen. Andere müssten teure Wohnbauförderungen zurückzahlen. In Amerika hingegen zieht man problemlos weg; und wenn das Haus keinen Käufer findet, dann ist das letztlich ein Problem der Bank, nicht der (früheren) Bewohner.
  • Kaum jemand in Europa ist vorerst bereit, ein oder zwei Stufen hinunterzusteigen, um einen neuen Job zu finden. Vor allem Akademiker scheuen den Schritt zu nichtakademischen Berufen wie der Teufel das Weihwasser.

Hartz IV brachte Deutschland Wende zum Besseren

Aus all diesen Gründen werden wir noch viele Jahre warten müssen, wird die Krise wohl noch viel härter werden müssen, bis all diese Versäumnisse nachgeholt werden. Also bis es zu besseren Englisch-Kenntnissen und zu einem signifikanten Abbau von Wohlfahrtsleistungen kommt. Erst dann wird es wohl normal und selbstverständlich sein, dass man in anderen Ländern auf spanische Kellner oder griechische Altenpfleger stößt. So wie sich jahrhundertlang Tiroler oder Schweizer europaweit verdingt haben. So wie in den fünfziger Jahren arme Österreicher zu Hunderttausenden nach Kanada oder Australien ausgewandert sind. So wie es vor rund einem Jahrzehnt einen erstaunlichen – und für den Österreicher völlig überraschenden – Zustrom von deutschen Kellnern und sonstigen Arbeitskräften in die Alpenrepublik gegeben hat. So wie heute viele Jungmediziner aus Österreicher nach Deutschland gehen (in diesem Fall allerdings nicht wegen Arbeitslosigkeit in der Heimat, sondern wegen der schlechten Bezahlung in Österreichs Spitälern und in Kassenordinationen).

Gerade das Beispiel der plötzlich in Österreich aktiv gewordenen deutschen Kellner zeigt aber auch, wie rasch sich die Dinge wandeln. Heute kommt schon wieder kaum mehr ein junger Deutscher wegen der dortigen Arbeitslosigkeit nach Österreich. Deutschland ist im Gegenteil auf der Suche nach Arbeitskräften.

Diese Rück-Wende zum Besseren hat auch einen Namen: Hartz IV. Dieses Maßnahmenpaket (einer rotgrünen Regierung im Konsens mit der damals oppositionellen CDU/CSU) hat Deutschland aus der schweren Krise nach der Wiedervereinigung gerettet: Wohlfahrtsleistungen wurden stark reduziert; die Arbeitslosigkeit konnte nicht mehr als Dauer-Hängematte dienen; und es wurden insbesondere viele Formen gering bezahlter Beschäftigung entwickelt – über die zwar manche Gutmenschen und Gewerkschafter jammern, die aber individuell wie volkswirtschaftlich jedenfalls weit besser ist als jede Dauerarbeitslosigkeit.

Dieses Exempel zeigt: Es ginge ja, wenn Europa nur wollte. Deutschland hat jedenfalls dadurch seine Arbeitslosenzahlen von über fünf Millionen auf unter drei Millionen abbauen können. Sogar in Zeiten der Eurokrise.

Dieses Exempel kann aber nur dann allgemeingültig werden, wenn alle Europäer eines begreifen: Solange es keinen wirklich gemeinsamen Arbeitsmarkt gibt, kann eine gemeinsame Währung nie funktionieren.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 462: Wo mehr Blinde sehend werden als einst durch Jesus drucken

Ständig müssen wir uns schuldbewusst vorsagen: Das alles zu finanzieren, ist alternativlos unsere Pflicht, wie uns Politik und ihre medialen Helfershelfer ja ständig klarmachen.

Der europäische Wohlfahrtsstaat ist zu einem einzigen Selbstbedienungsladen geworden. Alleine in Deutschland hat es in einem Jahr mehr als 177.000 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Leistungsmissbrauchs gegeben. Jede Wette: Der Anteil der betrügerisch erschlichenen Leistungen ist anderswo noch viel größer. Nur ist man dort halt nicht so penibel wie es deutsche Beamte sind, sondern sieht sich eher als Helfershelfer der Betrüger. Unfassbar etwa, was die FAZ über die griechische Insel Kalymnos berichtet. Dort waren von 152 blinden und schwer sehbehinderten Menschen, die darob wohlfahrtsstaatliche Bezüge erhalten haben, nicht weniger als 100 voll sehtauglich. Aber untersucht worden sind solche Dinge halt erst unter dem massiven Druck der Troika, über deren böse soziale Kälte sich vor allem öffentlich-rechtliche Medien gerne aufregen.

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Die Gewerkschaften und die jungen Arbeitslosen drucken

Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt in immer mehr Ländern dramatische Formen an. In manchen beträgt sie schon weit über 50 Prozent. Diese vielfach kolportierten Zahlen sind freilich zu relativieren – aber in zweierlei Richtungen. Die Arbeitslosigkeit der Jungen wie der Alten wird aber dennoch zur historischen Gefahr, welche die europäischen Gesellschaften zerstören kann. Über die wahren Schuldigen spricht freilich kaum jemand.

Zu relativieren sind diese Prozentsätze vor allem, weil sie etwas anderes messen, als die meisten glauben: Sie geben nämlich immer nur den Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtheit jener Jugendlichen aus, die sich auf dem Arbeitsmarkt bewegen. Das heißt aber beispielsweise, dass Studenten oder Menschen, die aus anderen Gründen dem Arbeitsmarkt fernbleiben, nicht dazuzählen, etwa weil sie sich dort ohnedies Null Chancen ausrechnen. Damit ist natürlich der Anteil der formal arbeitslosen Jugendlichen an der gesamten Altersgruppe deutlich geringer, der Anteil der real Arbeitsplatzlosen ist jedoch noch viel höher.

Der objektive Vergleich

Objektiv wäre nur eine einzige Vergleichsziffer: der Anteil der Berufstätigen an der Gesamtbevölkerung. Wie viel Prozent aller 15 bis 25-Jährigen, wie viel Prozent aller 15 bis 65-Jährigen haben einen Arbeitsplatz, gehen einer – selbständigen oder unselbständigen – Arbeit nach? Nur dieser Vergleich wäre objektiv und würde alle möglichen Verzerrungen ausschalten. Dies gilt insbesondere, wenn man unter den EU-Staaten vergleichen will, die sich ja in ihren Strukturen ansonsten relativ weit angeglichen haben.

Jedoch mögen Länder wie Österreich diese objektiven Vergleiche aber überhaupt nicht. Und sie publizieren sie daher auch nicht. Denn dann gerieten sie plötzlich in eine viel schlechtere Optik.Sie lägen plötzlich nur im Mittelfeld. Vor allem aus zwei Gründen:

  1. Österreich lässt seine jungen Menschen deutlich länger auf den Unis verweilen – um nicht zu sagen: herumlungern – als andere Länder. Das weitgehende Fehlen von Gebühren und Zugangsschranken vergrößert deren Zahl zusätzlich.
  2. Und Österreich lässt am anderen Ende der Berufskurven seine älteren Menschen viel früher und zu besseren Konsitionen in Pension gehen als andere Länder (vier Jahre vor dem EU-Schnitt). Es manipulierte dadurch die offiziell publizierten Arbeitslosigkeits-Vergleiche stark zu seinen Gunsten.

In den Studenten- wie auch in den Pensionistenzahlen versteckt sich also ein hoher Anteil an Arbeitslosigkeit. Dass die Arbeitslosen-Statistik keineswegs alle Arbeitslosen erfasst, sollte man den versteckten Arbeitslosen keineswegs zum Vorwurf machen. Zu ihnen gehören eben Menschen, die sich auf Grund ihres Alters – obwohl voll arbeitsfähig – noch schwerer tun als andere, einen Job zu finden; sie nutzen daher jede Möglichkeit, ins Pensionssystem zu flüchten, sobald es diese Möglichkeit gibt.

Lieber an der Uni als am Arbeitsamt

Zu den versteckten Arbeitslosen gehören vor allem viele junge Leute, die halt lieber ewig herumstudieren, statt sich in die demütigende Position eines Anstellens am Arbeitsamt zu begeben. Sie schließen ans Bachelor-Studium noch einen ursprünglich gar nicht geplanten Master an, an diesen noch ein Doktoratsstudium, an dieses noch einen Lehrgang, an diesen wieder die prekär bezahlte Mitarbeit an irgendwelchen Forschungsprojekten. Und so weiter. Oder sie beginnen überhaupt noch mit einem weiteren Studium.

Es klingt ja auch viel besser, zu sagen „Ich studiere“ als „Ich bin arbeitslos“. Damit beruhigt man Familie, Freunde und Gesprächspartner, aber auch sich selber.

Am Faktum, dass es weder für die älteren Menschen ohne Job, noch für die jüngeren einen Arbeitsplatz gibt, können solche Verschleierungen aber nichts ändern. Viele Frühpensionisten wie Langzeitstudenten wären ja durchaus arbeitsbereit, fänden sie nur einen Job. Es gibt aber keinen, zumindest keinen zu den einträglichen Bedingungen eines Kollektivvertrags. Solche Jobs sind nämlich samt allen Lohnnebenkosten so teuer geworden, dass sich immer weniger Arbeitgeber bereitfinden, jemanden zu diesen Bedingungen anzustellen.

Kündigungsverbote schaffen noch mehr Arbeitslose

Noch schlimmer ist der Arbeitsmarkt in den sozialutopischen Südländern: Dort gibt es insbesondere ein weitgehendes Kündigungsverbot. Dieses macht jede Anstellung für Arbeitgeber langfristig besonders teuer. Jobs sind für jene, die keinen haben, die draußen und nicht drinnen sind, wo sie von der gewerkschaftlichen Macht profitieren, daher in Südeuropa schon ähnlich selten wie ein Totozwölfer geworden.

Die meisten Gewerkschaften stehen überdies immer an der Spitze der Forderungen, wenn es um eine Erhöhung der Lohnnebenkosten geht, also um eine Vergrößerung der Differenz zwischen Brutto- und Netto-Bezügen. Man denke etwa an die hohen Kosten der gewerkschaftlich kontrollierten und auf diesem Weg finanzierten Sozialversicherungen. Man denke an den dort versteckten Zwangsbeitrag zur Arbeiterkammer in Österreich.

All das zeigt ganz klar: Die Hauptschuld an der Arbeitslosigkeit tragen die Gewerkschaften. Gerade ihre Erfolge für die Lohnbezieher hat sie zu den Todfeinden der Arbeitslosen gemacht, der versteckten wie der deklariert Arbeitslosen.

Die Opfer der Mindesteinkommen

Und die Feinde der Arbeitslosen kämpfen weiter: Jetzt will Rot-Grün in Deutschland ein landesweites Mindesteinkommen erzwingen. Die Linksparteien erwarten dadurch um 18 Milliarden Euro erhöhte Konsumausgaben. Falls diese Berechnungen stimmen, heißt das, dass die deutschen Arbeitgeber um fast das Doppelte dieser 18 Milliarden zusätzlich für die gleichen Arbeitsleistungen wie bisher zahlen müssen (wegen der versteckten und offenen Lohnnebenleistungen). Das ist gewaltig viel Geld, das nur in den Märchenbüchern mancher Ökonomen aus dem Nichts geschaffen werden kann.

Sie argumentieren halt damit, dass wenigstens diese 18 Milliarden in die eigene Wirtschaft fließen würden. Nur: Ein hoher Anteil davon fließt in Fernreisen und fließt in den Import von Gütern, kommt also dem Ausland zugute.

Finanziert muss das alles aber zur Gänze von Arbeitgebern in Deutschland werden. Das heißt aber nach absolut zwingender wirtschaftlicher Logik: Ein guter Teil dieser Arbeitgeber wird sich das nicht leisten können oder wollen. Sie werden Personal abbauen, um sich die betriebswirtschaftlich nicht mehr gedeckten Ausgaben zu ersparen. Da Bezieher kleiner Einkommen vor allem in prekären Branchen arbeiten, werden dort staatlich erzwungene Lohnverteuerungen besonders stark zu Kündigungen führen.

Folge: Die Konsumausgaben werden sich keineswegs um den erhofften Betrag erhöhen. Aber die Arbeitslosigkeit wird sich sehr wohl erhöhen. Und dabei gibt es auch in Deutschland jetzt schon echte Arbeitslosigkeit.

Auch in anderen Ländern haben solche Taschenspielertricks wie ein Mindestlohn nicht funktioniert. Man schaue etwa nach Italien, also in ein Land, wo der Arbeitsmarkt jahrzehntelang von besonders vielen utopisch-gutmenschlichen Regeln überhäuft worden ist. Man hat Arbeit so teuer gemacht, dass sich immer weniger potenzielle Arbeitgeber und Auftraggeber solche Arbeit leisten konnten. Diese haben daher viel weniger Aufträge vergeben.

Als Folge sind in Italien alleine in der Baubranche in den letzten fünf Jahren 360.000 Arbeitsplätze verloren gegangen; dazu kommen 550.000 weitere in abhängigen Branchen. Viele Unternehmen mussten zusperren oder in Konkurs gehen, weil sie jahrelang weit unter den entstehenden Kosten angeboten haben. Dieses Verhalten hat ja soeben auch den europaweit tätigen Alpine-Konzern umgebracht.

Die Jugend als Opfer der Jobbesitzer

Wir haben daher nur oberflächlich ein spezifisches Jugendphänomen. Das Problem ist aber nicht die Jugend, sondern das Verhalten der Arbeitsplatzbesitzer. Die Jugend ist nur das Opfer.

Die Jungen sind halt jene, die nicht den protektionistischen Schutz der gewerkschaftlichen Gehaltsstrukturen haben, weil sie noch außerhalb derselben stehen. Sie sind daher direkte Opfer kollektivvertraglicher Löhne, die höher sind, als es der Markt hergibt. Für sie bleibt dann logischerweise kein Job mehr über, denn die paar noch vorhandenen Jobs werden von den glücklichen Besitzern eines solchen mit Klauen und Zähnen verteidigt. Diese tun das legitimerweise individuell. Sie tun das mit katastrophalen Folgen aber auch kollektiv. Der Markt ist nun einmal ein Weltmarkt und lässt sich weder durch Leitartikel noch durch Politikerprogramme ändern. Und schon gar nicht durch Gewerkschaften.

Man ist nun verleitet, fatalistisch zu sagen: Das ist halt so und wird so bleiben, bis Gewerkschaften und populistische Politiker – oder ihre Wähler – endlich die Grundregeln der Ökonomie lernen. Das wird freilich noch lange dauern.

In der Zwischenzeit entsteht jedoch durch die wachsende Arbeitslosigkeit eine weitere, noch viel größere Gefahr: nämlich die einer sozialen Explosion.

Zwar nicht durch Grüppchen wie Occupy, Attac, „99 Prozent“ oder wie die epigonalen Aufgüsse der alten 68er Generation sonst immer heißen mögen. Diese Grüppchen schaffen mit ihrem Aktionismus immer nur jeweils kurzfristig Euphorie und Revolutionsgeilheit bei altlinken Journalisten, die dann aber bald immer versiegen.

Wann erreicht Krise den Mittelstand?

Wirklich explosiv wird die Lage jedoch dann, wenn die Krise, wenn die Arbeitslosigkeit den Mittelstand voll erreicht. Wenn diesem gleichzeitig die Ersparnisse durch Inflation weggefressen werden. Dann wird der antidemokratische Aufstand nicht nur in ein paar Zelten auf öffentlichen Plätzen bestehen. Wir werden dann mit einem dramatischen Zuwachs links- und rechtsradikaler Parteien konfrontiert sein, mit dem Zusammenbruch von Rechtsstaat und öffentlicher Ordnung, mit revolutionären Umtrieben.

Dann droht sich die Zwischenkriegszeit zu wiederholen. Damals sind viele Länder durch die Folgen der Arbeitslosigkeit demokratisch unregierbar geworden. Die Arbeitslosigkeit wiederum war eine Folge der Inflation. Nach dem ersten Weltkrieg hatte populistische Politik geglaubt, die Kosten und Folgen des Krieges (und der nachfolgenden Bürgerkriege) einfach durch Inflation beseitigen zu können. Dadurch hatten sich die Regierungen die Bedienung von Anleihen erspart. Das wiederum hat jedoch sämtliche Ersparnisse total entwertet. Und das hat den Mittelstand in Verzweiflung, in antidemokratische Reflexe und Empörung getrieben.

Heute glaubt die Politik, dass sie die seit Jahrzehnten angehäuften unbeglichenen Rechnungen des exzessiven Wohlfahrtssystems auf diesem Weg beseitigen kann. Sie denkt nicht daran, am Wohlfahrtssystem substanzielle Einsparungen vorzunehmen. Die Parteien wollen ja wiedergewählt werden.

Ein Teufelskreis droht sich zu wiederholen.

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Zwei Minister versagen bei ihren zentralen Aufgaben – und niemand fordert ihren Rücktritt drucken

Einige Medien und Oppositionspolitiker haben sich in den letzten Tagen riesig über die Justizministerin erregt. Die Erregung blieb aber in zwei weit schlimmeren und keineswegs nur in blöden Interview-Formulierungen bestehenden Fällen völlig aus. Dabei trifft in diesem Fällen das Versagen zweier Minister deren absoluten Kernauftrag und hat auch jeweils katastrophale Folgen für die Republik.

Zur Erinnerung: Die Justizministerin hatte in einem Interview holprig von einem „konkreten Einzelfall“ gesprochen, von dem man nicht auf den gesamten Strafvollzug schließen dürfe. Davor war eine üble Vergewaltigung in einem Jugendgefängnis bekanntgeworden. Medien und Opposition haben in der Folge den Rücktritt von Beatrix Karl gefordert. Sie taten dies spätestens dann, als die angestellten Nachforschungen des Justizministeriums vier weitere Fälle ans Tageslicht gebracht haben. Wobei die Rücktrittsforderer die Aussage der Ministerin gleich voll verdrehten: Sie ließen das Wort „konkret“ aus und stellten das Interview so dar, als hätte Karl gesagt, es habe nur einen einzigen solchen Vorfall in Gefängnissen gegeben.

Einen Tag später ist gleich zwei anderen Ministern viel Schlimmeres attestiert worden. Und das geschah noch dazu Schwarz auf Weiß durch das Bekanntwerden harter Fakten, also nicht nur durch ein ungeschicktes Interview und eine untaugliche Öffentlichkeitsarbeit. Aber seltsamerweise fordert niemand den Rücktritt dieser zwei Minister. Obwohl es in beiden Fällen eigentlich Parlamentssondersitzungen geben müsste, so dramatisch ist der Sachverhalt.

Der eine Minister, dessen fundamentales Versagen nun am Tisch liegt, ist der Sozialminister. Der wird sogar durch die eigenen Daten seines Ministeriums blamiert. Denn in diesen wird nun zugegeben, dass im ersten Halbjahr 2013 die Zahl der Hacklerpensionen noch einmal dramatisch gestiegen ist: nämlich um mehr als 13 Prozent.

Ein absolut skandalöses Faktum. Haben wir doch alle im Ohr, dass Herr Hundstorfer seit Jahren ständig behauptet, er hätte längst alle Maßnahmen zur Senkung der Hacklerpension ergriffen. Das Gegenteil ist offensichtlich wahr. Und der dadurch für die Republik entstandene Schaden ist in diesem Fall tausende Male größer als kriminelle Vorfälle unter inhaftierten Kriminellen (ob das nun echte sind oder solche, die man als „mutmaßlich“ bezeichnen muss).

Aber das ist offenbar wurscht, solange man die Fakten mit einem so beruhigend klingenden Wortgeschwurbel wieder zudecken kann, wie es Hundstorfer in seinem Großvater-Ton vermag. Dabei hat er natürlich auch wieder den seit Jahren ertönenden Stehsatz dieser Regierung verwendet: Aber nächstes Jahr werde alles besser.

Die zweite blamiert dastehende Ministerin ist Claudia Schmied. Ihr hat nun der Rechnungshof ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Der schreibt in seiner trockenen, aber präzisen Sprache: „Ein koordinierender Maßnahmenplan des BMUKK zur Deckung des Lehrpersonalbedarfs fehlte weitgehend.“

Das ist eigentlich unfassbar. Denn das heißt mit anderen Worten: Das Unterrichtsministerium kümmert sich einfach nicht darum, ob es genügend Lehrer in den Schulen gibt. Der Rechnungshof bestätigt damit das, was – außerhalb des Ministeriums – schon viele Schulpraktiker befürchtet haben.

Schon im kommenden Schuljahr droht der endgültige Ausbruch der von Schmied verursachten Katastrophe. Für 2013/2014 sind über 3000 Lehrer neu einzustellen! Dabei hat es schon im abgelaufenen Schuljahr nicht mehr genug Lehrer gegeben. Dabei ist an etlichen Schulen der Unterricht in ganzen Fächern einfach ein Semester lang ausgefallen. Dabei hat man schon im Vorjahr halbfertige Studenten aus den Unis geholt, um diese „unterrichten“ zu lassen.

Dazu kommt heuer, dass durch die von der SPÖ verschuldete Hacklerregelung Tausende Lehrer lange vor dem Regelpensionsalter in Pension gehen. Und auch früher, als viele von ihnen eigentlich wollten. Aber diese Jungpensionisten bekämen geringere Pensionen, würden sie länger bleiben. Was vernünftigerweise niemand von ihnen verlangen sollte.

Da Schmied nicht koordiniert hat und nicht planen kann, da sie das Ministerium mit unbegabten Parteisoldaten angefüllt hat, sind die Auswirkungen, die da auf unsere Kinder zukommen, dramatisch. Dennoch muss der Rechnungshof konstatieren: „Auch fehlten Maßnahmen, das bestehende Lehrerpersonal länger im Aktivstand zu halten.“

Schmied hat absolut nichts gegen die anrollende Katastrophe getan, außer von den Lehrern – bei verringerter Lebensverdienstsumme – Mehrarbeit zu verlangen. Eine ziemliche Zumutung, wenn gleichzeitig die rote ÖBB-Gewerkschaft eine Kürzung der Wochenarbeitszeit erkämpft hat.

Doch, eigentlich muss ich mich korrigieren: Schmied ist beim Thema Lehrermangel doch nicht ganz untätig gewesen. Freilich war sie in genau die falsche Richtung tätig. Sie hat den Mangel nämlich noch durch einen weiteren Unsinn dramatisch verschärft: Sie ließ die Hauptschulen in „Neue Mittelschulen“ verwandeln, wo nun – aus den bekannten ideologischen Gründen – fast ständig zwei Lehrer in der Klasse herumstehen. Ein absoluter Wahnsinn, der nur durch ideologische Verblendung erklärbar ist. Das hätte nie passieren dürfen, wenn man durch ausreichende Planung gesehen hätte, wie intensiv gleichzeitig schon von anderen Seiten durch Demographie und Hacklerregelung der Tsunami eines Lehrermangels auf uns zukommt.

Wenn das alles keine Rücktrittsgründe sind, dann weiß ich wirklich nicht mehr, was das Wort „politische Verantwortung“ eigentlich heißen soll.

PS: Einer der die linken Journalisten so erregenden Häfen-Vergewaltigungsfälle stellt sich nun offenbar als einverständliche Aktion jener Art heraus, wie sie von den zeitgeistigen Medien so gerne bejubelt wird. Das vermeintliche Opfer ist im Übrigen selbst ein Vergewaltiger. Aber manche Journalisten und ein Grüppchen linker Strafverteidiger wollen ja offenbar lieber, dass solche Typen ihre Taten in Freiheit begehen können, als dass ihnen im Gefängnis etwas angetan wird.

PPS: Aber ist nicht das Verhindern von Untaten in Gefängnissen die Kernaufgabe einer Justizministerin, werden manche fragen. Schlicht: Nein. Denn auch ein Verkehrsminister ist nicht schuld, wenn Züge zusammenstoßen – und sei das Fehlverhalten noch so schlimm. Der Rücktritt wäre vielmehr dann am Platz, wenn aus reinem Populismus und Provinzialismus viele Milliarden etwa für den sinnlosen Koralm-Tunnel verbaut werden. Ähnlich sind der Justizministerin die Langsamkeit der Justiz, schlechte Gesetze (etwa der völlig verfehlte Kompromiss beim Familienrecht) und die Ineffizienz und parteipolitische Schlagseite der Staatsanwaltschaft vorzuwerfen. Deswegen halte ich sie weiter für eine schwache Ministerin. Aber eben deswegen.

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Freuen wir uns über unsere Reichen drucken

Er ist eine der beliebtesten Hassfiguren in öffentlichen Diskussionen quer durch Europa geworden: der Reiche. Ständig werden wir mit Statistiken bombardiert, wie viel Prozent die obersten Promille/Prozent/Dezile/Quintile an irgendeinem fiktiven nationalen Gesamtvermögen besitzen würden. Das sind für uns Normalsterbliche aufs erste eher unvorstellbare Dimensionen. Daher versuchen viele, damit auf Marktplätzen populistisch Stimmung zu machen und dabei unterschwellig den Eindruck zu erwecken, Vermögen würde ohnedies nur in Luxus, Nachtlokale oder lockere Frauen investiert. Konsequenz: Wegnehmen, enteignen, zumindest kräftig besteuern. Damit der weise Staat mit den Vermögen Klügeres anstellt.

Aus dieser Denkweise folgt dann mit der gleichen Logik gleich die geradezu zwingende Folgerung: Wenn wir das tun, dann können wir locker das Schlaraffenland des anstrengungslosen Wohlfahrtsstaates weiter finanzieren. Selbst wenn diese Annahmen stimmen – was sie nicht tun –, dann ist  die ganze Überlegungskette auch deshalb völlig unsinnig, weil mehrere entscheidende Fragen dabei nie gestellt oder untersucht werden. Sie lauten:

  1. Hat jemals in der Geschichte so ein Modell dauerhaft funktioniert?
  2. Woher kommt Reichtum?
  3. Was passiert, wenn der Staat auf private Vermögen/Erbschaften zugreift?

Zuerst zu den historischen Beispielen. Versucht sind solche Finanzierungsmodelle ja in der Tat schon oft worden. Die Realisierungen haben jedoch alle bitter geendet. Das gilt nicht nur für den überhaupt größten derartigen Versuch, also die einige Jahrzehnte agierenden kommunistischen Regime mit ihren zahllosen Abarten. Immer wurde den Ärmeren, den Arbeitern und Bauern, dabei eingeredet, man müsse nur die Besitzenden, die Adeligen, das Bürgertum, die Großbauern enteignen, und schon wären die Probleme der Armen gelöst. Und insbesondere Schriftsteller und Künstler mit ihrer großen Multiplikatorwirkung fanden das (auch im vermeintlichen eigenen Interesse) faszinierend.

Wie wir heute eigentlich alle wissen sollten: Nichts war gelöst. Das Gegenteil trat ein. Am Schluss war für (fast) alle viel weniger da als zu den Zeiten des bösen Reichtums. Arbeiter und Bauern gerieten im Kommunismus auf Generationen in noch tiefere Armut. Und Künstler konnten nur überleben, wenn sie regimekonform agierten.

Es dauerte jedenfalls nach der Abschaffung des Kommunismus Jahrzehnte, bis die Arbeiter und Bauern wieder mit denen gleichziehen konnten, die ohne die großen Umverteilungen ausgekommen sind. Besser ging es einzig der Funktionärsklasse, der Nomenklatura, die sich in die Villen der Reichen setzte, aber ohne Reichtum zu schaffen oder auch nur zu erhalten.

Den Armen helfen nur freie Aufstiegschancen

Es ist heute statistisch eindeutig nachweisbar: Je weniger Umverteilung, umso besser geht es auch den untersten Schichten. Das sieht man von der Schweiz bis Amerika. Zwar herrschen in solchen Ländern oft größere Verteilungsunterschiede als in anderen. Aber relevant kann ja nur sein, ob es den Armen durch Umverteilung langfristig und nachhaltig besser geht also ohne. Und das war nie der Fall.

Zur Bekämpfung der Armut muss etwas ganz anderes gewährleistet sein: dass Arme, Nichtadelige, Ungebildete ohne rechtliche oder formale Schranken genauso jede wirtschaftliche Tätigkeit ausüben können wie jene, die durch Adel und dergleichen einen scheinbaren Startvorteil haben. In den westlichen Staaten passierte das historisch in der Epoche zwischen der amerikanischen Tea Party und dem Sturz beziehungsweise der Entmachtung der Feudalsysteme. Sobald das möglich war, erfolgte in den nächsten Generationen eine große, friedliche UND nachhaltig erfolgreiche Umverteilung, eine Explosion an nationalem Reichtum.

Man denke nur an den sensationellen Aufstieg der europäischen Juden ab Ende der Diskriminierung und der Herstellung der Startgleichheit. Zünfte und Aristokratie hatten lange mit Tricks, Standesdünkeln und Ressentiments den Aufstieg der Bauern (die waren ja lange „schollegebunden“, also leibeigen), Juden und Handwerksgesellen zu verhindern versucht. Konkrete Beispiele dieser Tricks waren etwa Innungsmauern, Zugangshindernisse zu bestimmten Tätigkeiten und Zollmauern.

Sobald die benachteiligten Schichten aber gleichberechtigt waren, überflügelten die Fleißigen und Talentierten unter ihnen im Wettbewerb sehr oft die bisher dominierenden Schichten.

Von Zimbabwe bis Schweden: Umverteilung gescheitert

Gescheitert sind auch alle nichtkommunistischen Versuche, durch Reichenhatz zu Wohlstand zu kommen. Man denke etwa an das dramatische Beispiel Zimbabwes. Das Land war lange Zeit der führende Nahrungsproduzent und Exporteur Afrikas. Als aber ein angeschlagener Diktator dann populistisch zur Jagd auf die nicht einmal 5000 meist weißen Farmer rief (die im Vergleich zu den anderen Zimbabwe-Bürgern in der Tat sehr reich erschienen), errang er zwar kurzfristig den Beifall der vermeintlichen Profiteure aus seinen Reihen. Ein oder zwei Ernten später brach jedoch der bittere Katzenjammer aus: Es brach eine gewaltige Hungersnot aus, vor der Millionen Menschen ins Ausland flohen, wo sie bis heute noch darben.

Enteignung hat sich wieder einmal als der völlig falsche Weg erwiesen, um im Wettbewerb voranzukommen.

Aber auch Schweden ist hier anzuführen. Gewiss gab es dort kein Blutvergießen, keine Jagd auf politisch Missliebige oder Hungersnöte. Strukturell war das Ergebnis dennoch ähnlich: Jahrzehnte des immer intensiveren Zugriffs auf die „Reichen“, ständig erhöhter Steuern, ständig noch heftiger Regulierungen stürzten das lange von manchen als „Vorbild“ gehandelte Land in den Neunziger Jahren in eine tiefe Krise. Nur ein gewaltiger nationaler Kraftaufschwung mit Steuersenkungen, Abbau vieler „Errungenschaften“ und eben wieder mehr Rücksicht auf die Reichen hat Schweden seither wieder nach oben gebracht. Das hat auffälligerweise dazu geführt, dass keiner der Ideologen heute mehr vom schwedischen Vorbild spricht, wie es davor jahrzehntelang üblich gewesen ist.

Erbschaften sind nicht die Hauptqelle des Reichtums

Aber nicht nur der Blick in die Geschichte und auf die internationalen Beispiele sollte dringend vor Reichenhatz warnen. Zu dem selben Ergebnis führt auch der Blick auf die Quellen des Reichtums. In der Propaganda wird oft der Eindruck erweckt, dass dieser primär durch seit Generationen akkumulierte Erbschaften zustandegekommen und daher arbeitsloses Einkommen sei.

Das stimmt nur überhaupt nicht. Weder ein Bill Gates noch ein Dietrich Mateschitz noch ein Karl Wlaschek bauten nach dem Krieg auf irgendeinem vorgefundenen Reichtum auf, um nur einige Namen der in ihren Ländern jeweils Reichsten zu nennen. Das gilt auch für die meisten anderen auf den in manchen Medien so beliebten Listen der Reichen und der großen Vermögen.

Die meisten Reichen wurden als Unternehmer reich

Eine internationale Studie (Barclays) kommt zu dem Ergebnis, dass die durch unternehmerische Tätigkeit erworbenen Vermögen gegenüber den ererbten in einem Größenverhältnis von 40 zu 26 stehen. Das heißt, dass unternehmerische Aktivitäten den weitaus größten Teil der Vermögensbildung erzielen. Dass es aber kaum gelingt, Vermögen über mehrere Generationen zu erhalten. Dass man primär durch Arbeit und Leistung – und gewiss dem nötigen Quäntchen Glück – reich wird.

Nun können gewiss Moralisten die Nase darüber rümpfen, dass es ein zentrales Motiv vieler Unternehmer ist, reich zu werden. Realisten werden das aber im Sinne der Allgemeinheit zu nutzen versuchen. Denn sie wissen und haben an unzähligen Beispielen gelernt, dass ein Land ohne ausreichende unternehmerische Tätigkeiten in die Armut absinkt. Nur Unternehmer schaffen Arbeitsplätze.

Logischerweise stammt auch der weitaus größte Teil der Einkommensteuer-Einnahmen von Gutverdienern, von Reichen, von Unternehmern oder leitenden Angestellten, die wie ein Eigentümer Entscheidendes zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.

An dieser Tatsache kann auch der Umstand nichts ändern, dass es Steuerhinterzieher gibt. Die sind mit allen rechtlich erlaubten Methoden zu verfolgen. Die illegalen Einkommen vom Pfusch bis zum Drogenschmuggel können aber niemals die teilweise oder gar gänzliche Konfiskation legal erworbener und versteuerter Vermögen legitimieren.

Wer nicht reich werden kann, strengt sich nicht an

Vor allem ist jede gänzliche oder teilweise Konfiskation kontraproduktiv. Denn die Dynamik, die Leistung, die Risikobereitschaft von Millionen auf Reichtum hoffenden Menschen ist absolut unersetzbar. Der Versuch, diese Motivation – polemisch neuerdings oft Gier genannt – durch Beamte und staatliche Planer zu ersetzen, ist immer dramatisch gescheitert.

Eine weitere schädliche Folge der Reichenhatz: Viele Menschen stellen ihre Anstrengungen ein, wenn sie keine Chance mehr sehen, Reichtum zu erwerben. Überdies sind schon unzählige Male Unternehmer und Leistungsträger in ein anderes Land übersiedelt, wenn ihnen der Staat ihr erarbeitetes Vermögen wieder wegzunehmen beginnt. Solange nicht wieder Eiserne Vorhänge aufgezogen werden, ist Abwanderung von Vermögen leicht und schnell. Lediglich bestimmte Freie Berufe (insbesondere Rechtsanwälte und Steuerberater) können meist nur im eigenen Land hoffen, reich zu werden.

Die angeblich arbeitslosen Vermögen

Nun wird von den Reichenjägern argumentiert: Es ginge ja nur um die arbeitslosen Vermögen. Dabei lügen sie aber gleich mehrfach:

  • Erstens kann man die erarbeiteten nicht von den ererbten und geschenkten Vermögen trennen.
  • Zweitens sind die meisten Vermögen in aller Regel wieder in Unternehmen angelegt. Eine Besteuerung würde also die Investition in Unternehmen reduzieren.
  • Drittens unterliegt fast jede Vermögensvermehrung ohnedies auch in Ländern ohne Vermögenssteuer längst der Besteuerung, etwa durch Kapitalertrags- oder Aktien- und Immobiliengewinnsteuern. Unversteuert sind de facto bis auf winzige Ausnahmen nur jene Vermögen, die sich nicht vermehren oder die gar an Wert verlieren, was eine Besteuerung besonders absurd macht.
  • Viertens zählen zu den wenigen derzeit unversteuerten Vermögenszuwächse vor allem die Wertgewinne von Bildern und anderen Kunstwerken. Das sind aber sehr volatile Wertgewinne. Es gibt viel mehr Kunstwerke, die nach Abflauen einer Modewelle kaum mehr wert sind als die bemalte Leinwand. Daher wird sich kaum noch jemand eine Kunstsammlung anschaffen, wenn allein deren Besitz besteuert wird. Die wahren Opfer eines Zugriffs auf die Reichen wären daher die Künstler, auch wenn es diese noch gar nicht richtig begriffen haben.
  • Fünftens trifft man mit Reichenhatz in fast jeder Konstruktion immer auch die Eigenheimbesitzer. Man würde also eine Steuer auf Wohnraum einheben, den die Politik eigentlich zu fördern versprochen hat.
  • Sechstens würden bei einer Besteuerung privater Vermögen natürlich viele Gold und Schmuck kaufen – und dann sofort vergraben oder sonstwie verstecken.
  • Das führt siebentens zwangsläufig zu einem widerlichen Eindringen von Finanzbeamten in den Intimbereich, die im Wäschekasten nach Golddukaten fahnden. Eine absolut abstoßende Vorstellung.

Sind Erbschaften wirklich leistungsfrei?

Aber die Erbschaften! Die sind doch wirklich leistungsfreies Einkommen, sagen da manche. Und liegen auch damit völlig falsch. Denn für den Erblasser sind sie keineswegs leistungsfrei, sondern ganz im Gegenteil die Summe seiner Lebensleistung. Für viele Erblasser war und ist es eine oft sogar dominierende Motivation, Werte für die Kinder zu schaffen und hinterlassen.

Noch abschreckender sollte auch die Tatsache sein, dass große Erbschaften fast immer primär aus unternehmerischem Vermögen bestehen. Dadurch würde also wiederum unternehmerische, arbeitsplatzschaffende Aktivität belastet. Es gibt viele Beispiele aus Ländern mit Erbschaftssteuer, wo Betriebe den Todesfall des Eigentümers auf Grund der Steuerlast nicht überleben konnten.

Dennoch wollen die österreichischen Gewerkschaften sogar schon ab 150.000 Euro nach den Erbschaften greifen. Dieser Betrag ist in der Summe von Autos, Briefmarkensammlungen, Häusern, Bargeld und vielem anderen in den meisten Familien erreicht, noch bevor man auf Unternehmensanteile und Aktien kommt.

Doppelte Steuer bei zwei Todesfällen

Was ebenfalls gerne übersehen wird: Bei einem doppelten Schicksalsschlag, also bei zwei Todesfällen in kurzer Abfolge, ist die Erbschaftssteuer dann gleich doppelt zu bezahlen, also für kaum jemanden noch finanzierbar.

Eine Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer hätte noch eine weitere Wirkung: Sie würde zu einer Fülle von Umgehungskonstruktionen führen, weil ältere Menschen eben alles tun, um ihren Besitz zur Gänze ihren Erben zu sichern. Sie lassen sich auch dadurch nicht abhalten, dass diese Konstruktionen meist sehr teuer werden, nicht nur wegen der Anwaltskosten. Oder dass sie sich erfahrungsgemäß später oft ärgern werden, wenn sie in Notsituationen ohne ihr einst erworbenes Vermögen dastehen, wenn sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind.

Die Konklusion kann also nur heißen: Seien wir froh, wenn wir Reiche haben. Je mehr desto besser. Lassen wir sie und das von ihnen Erworbene in Ruhe, zu Lebzeiten wie am Todestag. Es wäre für uns alle schlechter, wenn es keine Reichen, keinen Reichtum oder viel weniger davon gäbe.

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Zweifelhafte AK-Studie: Manager verdienen das 49-fache der Österreicher drucken

Jedes Jahr bemüht der Manager-Vergleich der Arbeiterkammer wissenschaftlich fragwürdige Methoden, um die Ungerechtigkeit des „Systems“ zu beweisen. Dabei vergleicht man die Jahresbezüge der 78 wichtigsten Manager der 20 größten ATX-Konzerne (im Schnitt 1,4 Mio. Euro) mit den Durchschnittsgehältern von 3.627.300 Österreichern (27.800 Euro) und kommt auf ein Verhältnis von 1:49.

?In der wissenschaftlichen Forschung werden Ausreißer nach oben wie nach unten aus Stichproben entfernt, um das Ergebnis nicht zu verzerren. Es sei denn, man wünscht genau dieses. ?Anif ist eine kleine Gemeinde südlich der Stadt Salzburg. Dort lebt auch Eliette von Karajan, sie wird auf 400 Millionen Euro geschätzt. Wollte man das Durchschnittsvermögen der 4.021 Anifer berechnen, würde alleine das Karajan-Erbe jeden Einwohner statistisch um 100.000 Euro reicher machen – selbst wenn dieser drei Jahre alt wäre und in einer Sozialwohnung lebte. Darum scheidet man solche Fälle in seriösen Untersuchungen aus. Die 78 wären von den 3.627.300 „Normalos“ also auszuscheiden.

Arbeiterkammer-Heuchelei: Huub Stevens bekam das 63-fache
Die AK möchte die steuerliche Abzugsfähigkeit von Managergehältern bei 500.000 Euro deckeln. Sie hat dies allerdings nicht mit Fußballer-Gehältern vor: Bei Red Bull Salzburg etwa verdient niemand weniger als 600.000 Euro.

Wenn Österreichs 78 Top-Manager 1,4 Millionen verdienen, dann ist das „ausufernd“, gierig und kapitalistisch. Dem ist allerdings nicht so, wenn es Fußball-Trainer wie Huub Stevens (bis 2011 bei RB Salzburg) mit 2,0 Millionen tun – immerhin das 72-fache des österreichischen Durchschnittslohnes. Der Salzburg-Spieler Gonzalo Zarate soll 1,2 Millionen Euro brutto im Jahr abgecasht haben, Rapidler Steffen Hofmann eine Million Euro.

Ungerechtigkeit künstlich herbeigerechnet
Will man die Ungerechtigkeit eines Systems künstlich herbeirechnen, braucht man aus einer Millionenzahl bloß ein paar Dutzend Ausreißer herauszupicken und sie in Relation zu den Millionen zu setzen. Genauso gut könnte man aus 3,6 Millionen Angestellten auch ein paar Dutzend Top-Pfuscher hervorheben und damit die Ungerechtigkeit des Sozialstaates beweisen. ?Oder die Ungleichverteilung der 3000er-Gipfel in Österreich beklagen: Immerhin haben Tiroler hier 640-mal so viele wie die Oberösterreicher.

AK vergleicht Äpfeln mit Birnen
Auch der Vergleich von 78 (größtenteils) Industrie-Managern mit einem „österreichischen Durchschnittsgehalt“, das insbesondere aus niedrigen Dienstleistungs- und Handwerkerlöhnen besteht, ist wissenschaftlich zweifelhaft.? Beispiel: Ein Vorstand des AMAG-Konzernes verdiente 2012 etwa 706.000 Euro brutto im Jahr. Ein AMAG-Mitarbeiter bekam 52.000 Euro – und nicht 27.800, wie von der AK angedeutet. Damit bekam der AMAG-Manager das 14-fache eines Angestellten. Und nicht das 49-fache, wie den Menschen suggeriert wird. ?Die Österreicher arbeiten vor allem in kleinen Dienstleistungsbetrieben. Dort ist man aber weniger produktiv als in der Industrie – es können weder Maschinen, Groß-Anlagen noch Fachleute eingesetzt werden. So fällt für Mitarbeiter auch weniger ab.

Ein Beschäftigter in der Gastronomie produziert 49.000 Euro Umsatz (nicht Lohn!), ein Beschäftigter in der Metallverarbeitung aber 469.000 – beinahe das Zehnfache. Bei 49.000 Euro Umsatz muss der Kellner froh sein, wenn ihm überhaupt 27.800 Euro Brutto gezahlt werden können. Von wegen „27.800 Euro“: Nicht nur beim Aluminium-Konzern bleibt Angestellten mit 52.000 Euro fast doppelt so viel übrig.

Seriöse Betrachtung – 1:7
Lässt man die 78 Ausreißer weg, verdienen Österreichs Manager der ersten Ebene das 7-fache eines Durchschnittsgehaltes, die der zweiten Ebene das 4-fache. Von der AK bejubelte Gesellschaftskritiker wie Reinhard Fendrich bringen es hingegen mindestens auf das 11-fache, der von der AK völlig unbeachtete Huub Stevens sogar auf das 72-fache.

Verantwortung für Demokratie
Mit dem politisch inszenierten „Gerechtigkeits-Defizit“ unterstützt die AK seit vielen Jahrzehnten die SPÖ, die sich als „gerechte“ Partei vermarktet und so die verunsicherten Wählerstimmen auffangen kann.? Seit zehn Jahren haben die Angriffe aber eine andere Dynamik bekommen: „Das System muss weg“, meinte der scheidende Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel aggressiv. Und auch Nachfolger Rudolf Kaske wurde mit Bürgerkriegs-Getöse („… dann wird Österreich brennen!“) berühmt. ?Wer den Bürgern über die Jahrzehnte hinweg weismacht, dass „alles immer schlechter und ungerechter“ werde, die Armut wachse (obwohl sie sinkt) und dass sich eine kleine Minderheit (auf Kosten der Mehrheit) immer unverschämter bereichere, der sollte sich mit der jüngeren Geschichte Österreichs befassen.

Denn die Destabilisierung eines Systems kann es tatsächlich kollabieren lassen – aber nicht in die Richtung, die den Herren Tumpel, Kaske und Co gefallen dürfte.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge befasst sich in seinen Büchern mit Kapitalismus und Globalisierung aus liberaler Sicht und wendet sich gegen „die staatlich geschürte Abstiegsangst“. Zuletzt erschien sein Buch „Die Gemeinwohl-Falle“. 

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Auf Kosten der Patienten sparen drucken

Weltweit jubeln Politik und Medien: Die Pharma-Preise sinken. In Indien etwa haben sogar Gerichte die Patentrechte der Pharma-Konzerne geknackt. Und nicht nur Österreicher bekommen immer öfter Generika statt der Originalmedikamente. Da Generika meist dasselbe können, scheint kein Schaden zu entstehen, wenn man einmal vom Placebo-Effekt absieht. Und die Gewinne der Pharma-Konzerne interessieren ja nur deren Aktionäre und Mitarbeiter; Patienten, Krankenkassen, Finanzminister und Gesundheitsbehörden haben ganz andere Interessen. Oder?

Erst in der längerfristigen Globalperspektive kann man den Schaden erkennen. Der ist freilich gigantisch. Nur: Wer hat schon eine längerfristige Globalperspektive?

Der Schaden liegt nämlich weit in der Zukunft. Er ist aber nicht „bloß“ ein finanzieller, sondern ein sehr konkreter medizinischer. Denn die pharmazeutische Industrie investiert viel weniger in  Forschung und Produktentwicklung, wenn dort weniger oder keine Gewinne zu erzielen sind. Die Einsparungen verkürzen ihr Investitionskapital, und es gibt auch kein frisches Geld von den Sparern, die ja primär auf Rendite aus sind.

Das Fatale: Der entstehende Schaden ist kaum zu spezifizieren. Er trifft ja nicht jene Patienten, die jetzt billiger zu Therapien kommen, sondern Patienten mit anderen Krankheiten. Man kann aber nie genau sagen, welche Krankheiten, welche Leiden durch die Ergebnisse der Forschung einmal behandelbar werden. Beweisbar ist nur eines: Je mehr geforscht und entwickelt wird, umso mehr medizinischen Fortschritt gibt es. Lediglich ein Hundertstel der begonnen pharmazeutischen Forschungsprojekte landet ja am Ende auch in den Apotheken. Alle anderen werden als zu wenig wirksam, als zu riskant ausgeschieden. Die vielen Versuche, Tests und Genehmigungen machen jedes neue Produkt, bis es letztlich bis zum Patienten kommt, zu einem Multimilliarden-Projekt. Der Populismus sieht freilich nur die direkten Kosten der Herstellung oder Beschaffung jener Chemikalien, die zur Herstellung einer Pille oder Ampulle nötig sind.

Manche werden nun entgegnen: Aber die Staaten sind doch ohnedies so intensiv bei der Förderung von Forschung. Das nutzt wenig. Staaten können weder quantitativ noch qualitativ die Anstrengungen der Wirtschaft ersetzen. Staatliche Forschungsförderung bewegt sich überdies fast immer im Mainstream, sie ist weder mutig noch kreativ. Es ist ja erschreckend, wo man staatliches Forschungsgeld findet: viel zu oft fließt es „gerechtigkeitshalber“ in geisteswissenschaftliche Projekte; es finanziert Zeitungsbeilagen zur eigenen Beweihräucherung; es bevorzugt politiknahe Forscher; wer „Global Warming“, „Frauenförderung“, „Entwicklungshilfe“, „Solar“ und ein paar ähnliche Modewörter in den Förderungsantrag hineinschreibt, hat schon fast gewonnen. Das kreative wie risikoabschätzende Denken unabhängiger Unternehmer kann eine staatliche Kommission hingegen nie und nimmer substituieren.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Unsere Pensionen drucken

Im Jahre 2005 musste der Staat 4,4 Milliarden Euro zu unseren Pensionen zuschießen. 2013 werden es nach dem erweiterten Budgetrahmen rund 9,9 Milliarden sein, das heißt mehr als eine Verdopplung innerhalb von acht Jahren. Die Beamtenpensionen werden 2013 rund 8,7 Milliarden Euro betragen. Wie lange kann sich Österreich das heutige Pensionssystem ohne Reformen also noch leisten?

Die Beitragszahler stagnieren, die Zahl der Pensionisten steigt. Damit wächst das Loch zwischen Einnahmen und Ausgaben bedrohlich. Auf diesen Härtetest ist man trotz der Reformen in der Vergangenheit, die man aber nur als „Reförmchen“ bezeichnen kann, nicht genügend vorbereitet. Man hätte schon längst überlegen müssen, den Rentenbeginn mit der Entwicklung der Lebenserwartung zu verknüpfen. Schon längst müsste also das Antrittsalter für Pensionen gravierend angehoben werden; der deutsche Trendforscher Sven Janszky hat unlängst als Folge der demografischen Entwicklung sogar von einem Antrittsalter von 75 Jahren gesprochen.

Da erklärt jedoch der zuständige Minister Hundstorfer, dass er keinen Handlungsbedarf sieht. Dies kann jeder vernünftig denkende Mensch nur als grob fahrlässige und verantwortungslose Aussage den jetzigen Pensionisten und den Menschen gegenüber bezeichnen, die in Zukunft in Pension gehen werden.

Das immer wieder kolportierte Argument, dass ältere Menschen keinen Job bekommen, stimmt zumindest für Deutschland nicht. In der FAZ konnte man am 5.4. 2013 auf Seite 13 von einem Beschäftigungsboom für Ältere lesen. Sie sind so gefragt wie nie zuvor. Die Zahl der Arbeitnehmer in der Gruppe „60plus“ ist binnen Jahresfrist um 12,3 Prozent gestiegen. Die Verhältnisse in Österreich werden von diesen Zahlen nicht gravierend abweichen.

In Österreich gibt es eine Reihe von Pensionssystemen für verschiedene Berufsgruppen, die in ihren Leistungen höchst unterschiedlich sind. Eine Harmonisierung ist dringend erforderlich. Die Ungerechtigkeiten müssen eliminiert und die entsprechenden Reformen schleunigst in Angriff genommen werden.

In Österreich leben die Alten auf Kosten der Jüngeren - Ergebnisse einer internationalen Studie der Bertelsmann Stiftung

Diesen Titel hatte ein Bericht auf Seite 2 im Wirtschaftsblatt vom 16. April. Die Bertelsmann Stiftung hat 29 Länder untersucht. Österreich schneidet in dieser Studie mit Rang 20 bei der Generationengerechtigkeit besonders schlecht ab. Wir geben für Pensionisten, also Menschen über 65 Jahre, fast sechs Mal so viel aus wie für Kinder. Gut schneiden die skandinavischen Länder ab. So hat Dänemark sein Sozialsystem reformiert und liegt in der Wertung auf Rang eins. Diese Studie zeigt, wie groß der Reformbedarf hierzulande ist.

Unsere Reformen

Welche Reformen hat man bisher in Österreich ergriffen, um das Problem zumindest in Ansätzen in den Griff zu bekommen?

Positive Maßnahmen:

  • Man hat die unselige Hacklerregelung entschärft. Prinzipiell dürfen in Zukunft nur die wirklichen so genannten Hackler, die ein Leben lang hart und unter widrigen Umständen z.B. im Freien gearbeitet haben, vorzeitig nach ärztlicher Untersuchung in Pension gehen und nicht – wie  in der Vergangenheit – Beamte. Dem Chef der Beamtengewerkschaft Neugebauer haben wir übrigens diese Verhöhnung der wirklichen Hackler zu verdanken.
  • Seit Jahren wird über die Angleichung des Pensionsantrittsalters der Frauen an das der Männer geredet. Für ÖVP-Chef Spindelegger kommt dies nicht vor 2024 infrage, Minister Mitterlehner kann sich das Jahr 2017 vorstellen. Die für Frauen zuständige Ministerin Heinisch-Hosek denkt auch an das Jahr 2024. Es bleibt das große Geheimnis der drei Damen und Herren, wie sie auf solche Jahreszahlen kommen. Wenn es um die Angleichung der Gehälter von Frauen und Männern geht, ist Frau Heinisch- Hosek bedeutend angriffslustiger.

Wahrscheinlich gibt es einige weitere positive Maßnahmen, die mir aber nicht bekannt sind.

Negative Maßnahmen:

  • In der Vergangenheit wurden die Pensionen jeweils um einen geringeren Prozentsatz als die Inflationsrate, die im Jänner 2,7 Prozent, im Februar 2,5 Prozent und im März 2013 2,3 Prozent betrug,  jährlich angehoben. Das bedeutet real einen Verlust. Wenn diese Praxis so weitergeht, drohen weitere Verluste. Die jeweiligen Verhandlungsführer Blecha und Khol, die Bosse der SPÖ- und ÖVP-nahen Pensionistenklubs, haben jeweils „freudestrahlend“  von einem großartigen Erfolg ihrer Verhandlungen berichtet. Diesen „Erfolg“ kann man allerdings als Betroffener vergessen.
  • Stillschweigend wurden die zweimal pro Jahr ausbezahlten doppelten Pensionen plötzlich ohne Ankündigung nicht wie bisher Ende März bzw. September sondern erst Ende April und Oktober überwiesen. Dadurch erspart sich der Staat beträchtliche Zinsen.

Was ist also zu tun

Ich nenne nur die Maßnahmen, die wir als betroffene Pensionisten ergreifen können:

Das Wichtigste und Vordinglichste ist meines Erachtens, dass wir Pensionisten uns nicht länger das Heft des Handelns von Herren wie Blecha und Khol aus der Hand nehmen lassen dürfen. Wir müssen verstärkt unsere Interessen selbst wahrnehmen. Ich zumindest  fühle mich von diesen beiden Herren nicht entsprechend vertreten.

Wir könnten uns natürlich so genannten Protestparteien wie der FPÖ oder dem Team Stronach anschließen. Aber die Gefahr besteht, dass wir „vereinnahmt“ werden, dass unsere Anliegen nicht entsprechend vertreten werden.

Wir brauchen also keine Partei, wir müssen aber unsere Interessen gegenüber der Politik selbst massiv vertreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir für die politischen Parteien einen enormen Machtfaktor darstellen, je nachdem, wem wir unsere Stimmen bei Wahlen geben.

Wir haben nicht die Möglichkeiten wie Streiks, um unsere Forderungen durchzusetzen bzw. Wünsche zu deponieren. Wir haben derzeit keine Lobby, das ist unser Problem. Aber mit den modernen Kommunikationsmitteln wie Social Media können wir uns untereinander austauschen,  mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft gestalten und damit in der Folge auf die Politik Druck ausüben.

Wir können in Zukunft Unternehmen und Organisationen,  die uns Pensionisten besonders beachten, bei unseren Einkäufen berücksichtigen. Ich nenne nur einige Beispiele, die mir gerade einfallen:

  • Die Firma Zielpunkt räumt jeden Mittwoch Pensionisten einen Rabatt in Höhe von zehn Prozent ein.
  • Die Westbahn bietet für Pensionisten von Montag bis Donnerstag verbilligte Tickets an. Warum eigentlich nicht auch die ganze Woche. Gerade an Wochenenden finden Besuche bei den Enkelkindern gerne statt.
  • Die ÖBB hat bei der Vorteilscard einen eigenen Tarif für Pensionisten. Das Gleiche gilt bei  anderen öffentlichen Verkehrsmitteln.
  • Der österreichische Alpenverein hat für Rentner einen wesentlich geringeren Jahresbeitrag.
  • Der ÖAMTC allerdings räumt Pensionisten keinen Rabatt ein.

Jeder Leser dieses Blogs wird Beispiele nennen können, die in diesem Zusammenhang als erfreulich bzw. weniger erfreulich anzusehen sind. Das wäre doch schon ein erster interessanter Ansatz sich auszutauschen und Informationen weiterzugeben.

Anregung

Andreas Unterberger hat mich gebeten, meine Gedanken zum Thema Pensionen zu äußern. Ich hoffe, dass ich Sie mit diesem Beitrag anregen konnte, Ihre Gedanken und Ideen zu äußern, wie wir weiter vorgehen können. Er wird sicher dieses Projekt auch in Zukunft unterstützen. Nun sind Sie dran! Ergreifen Sie die Initiative, es geht um unsere Pensionen auch in Zukunft.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart.
Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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Wirtschaftspolitik aus Grüner Sicht drucken

Seit dem Abgang des stets bedächtigen „Wirtschaftsprofessors“ Van der Bellen konzentriert sich die gesamte wirtschaftspolitische Kompetenz der Grünen in der Person des gelernten Volkswirts Werner Kogler, der den Grünen als Finanz- und Budgetsprecher dient und derzeit das Amt des Vorsitzenden des parlamentarischen Rechnungshofausschusses innehat. Im Club Unabhängiger Liberaler sprach er zum Thema Wirtschaftspolitik aus Grüner Sicht.

Eingangs betonte Kogler, „…dass bei den Grünen praktisch alles auf Wirtschaftspolitik hinausläuft, wie andererseits auch alles unter dem Aspekt der Umweltpolitik gesehen wird“. Die beiden Themenfelder seien schließlich nicht voneinander zu trennen. Die Grünen wären sich durchaus bewusst, dass es eine funktionierende Wirtschaft brauche, um die Gesellschaft zu versorgen. Dass man am Ende nur verteilen könne, was zuerst einmal erarbeitet wurde, wäre ihnen ebenfalls klar.

Unter diesen Voraussetzungen überrascht nicht einmal das Bekenntnis zu einem „ausgeglichenen Staatshaushalt“ – wenngleich dieses Ziel nur „über einen sehr langen Zeitraum“ angestrebt werde. Ganz im Sinne Maynard Keynes´ allerdings äußert Kogler seine Überzeugung, dass „Nachfrageausfälle während einer Krise durch staatlich finanzierte Nachfragesubstitution ausgeglichen“ werden müssten – was faktisch auf das Anwerfen der Geldpresse hinausläuft.

Kogler hat eine beruhigende Botschaft an Investoren und Unternehmer im Gepäck: „Die Grünen sind nicht grundsätzlich wirtschaftsfeindlich.“ Sie träten allerdings entschlossen gegen „Marktverzerrungen“ auf, wie sie insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion und Transitpolitik an der Tagesordnung seien. „Kostenwahrheit“ in allen Sektoren lautet hier das Grüne Credo. Man sei zum Beispiel nicht gegen den Warentransit, aber der müsse einfach alle von ihm verursachten Kosten tragen.

Die Grünen sähen sich auch als „Anwaltschaft der Vernunft“ für vernachlässigte „Gruppen, die über keine einflussreichen Lobbys verfügten, die ihre Interessen durchsetzen.“ Kogler ortet „Marktversagen“ – etwa im Bereich fossiler Energieträger, die „viel zu wertvoll zum Verheizen sind“ und die man eher zur Fertigung langlebiger Produkte, denn als Treibstoff verwenden sollte. Hier käme es durch „falsche Kostenbedingungen“ zu Fehlverwendungen.

Zur Frage der Bankenrettung: Es sei „…falsch gewesen, sich bedingungslos auf die Rettung maroder Banken festzulegen.“ Auch Banken müssten in Konkurs gehen können. Dazu bedürfe es allerdings eines Bankeninsolvenzrechts, das es derzeit weder auf nationaler, noch auf EU-Ebene gebe. Die Privatisierung allfälliger Gewinne von Banken, die im Falle schwerwiegender Misswirtschaft ihre Verluste aber ungestraft sozialisieren könnten, sei das „Gegenteil von Marktwirtschaft“ – womit Kogler den Nagel auf den Kopf trifft. Bisher wären „rund sechs Mrd. Euro“ für die Rettung der Hypo Alpe-Adria verbraten worden. „Dieses Geld sehen wir nie mehr wieder“.

Die Grünen seien keineswegs „Planwirtschafter“. Preise sollten sich durchaus auf dem Markt bilden – allerdings unter klaren (politischen) Vorgaben. Dem Staat obliege die Aufgabe, darüber zu wachen, dass es nicht zur Bildung von Monopolen oder Oligopolen zum Nachteil der Konsumenten kommt.

Kogler wendet sich gegen den Austritt einzelner Länder aus der Eurozone. „Das bringt nur Nachteile.“ Man könne die bereits entstandenen Verflechtungen nicht ohne weiteres und ohne kollektive Schäden wieder auflösen. Man hätte allerdings „…einige „Südländer“ seinerzeit nicht aufnehmen dürfen“. Konkret nennt er Griechenland und Portugal.

Paternalismus?

Nach seiner Haltung zum Steuersystem befragt, zeigte er sich von der hohen Gesamtbelastung unbeeindruckt. Über die Verteilung der Steuerlasten allerdings sollte man sich Gedanken machen. Dass jemand, der in seinem ganzen Leben fünf Mio. Euro verdient, davon (alle Steuern und Abgaben zusammengerechnet) die Hälfte an den Fiskus abzuführen hat, während jemand, der fünf Mio. Euro erbt, alles behalten könne, „…geht weder in meinen Kopf, noch in mein Herz“. Der Begriff „Substanzsteuer“ (im Falle der Erbschaftssteuer) sei zu diskutieren, denn beim Erbe handle es sich ja um einen Vermögenszulauf – also ein (nach seiner Meinung also zu versteuerndes) Einkommen.

Die Ursachen der gegenwärtigen Krise führe er nicht allein auf „Gier“ und „Spekulation“ zurück. Ursache sei vielmehr eine Mischung aus mehreren Ursachen, zu denen auch „Staatsversagen“ – z.B. eine unverhältnismäßige Aufblähung der Ausgaben und die mangelnde Kontrolle des Finanzsektors – zähle.

Der Europäischen Integration stehe er Großteils positiv gegenüber, weil „vieles nur im Großen zu regeln ist.“ Eher überraschend seine Feststellung „kein Kritiker des Zinssystems“ zu sein. Besonders Linke erblicken den Teufel ja sehr häufig in Gestalt von Zins und Zinsenszins.

Kogler stellte fest, nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen zu sein. Er habe (anders als viele seiner Parteigenossen) nicht einmal etwas gegen von privater Hand geführte Schulen. Allerdings müsse zur Herstellung von Chancengleichheit der Staat denjenigen (kostenlose) Bildungsangebote machen, die es sich sonst nicht leisten könnten. „Meinetwegen können Sie das Paternalismus nennen.“

Genau das ist es wohl! Grüne Politik läuft leider meist auf Paternalismus hinaus. Wirtschaftskompetenz hat dagegen noch nie zu den Dingen gezählt, die man den Grünen zuschreibt. Wie alle überzeugten Etatisten verstehen sie zwar viel vom Geldausgeben, haben aber keinen Schimmer, wie Geld verdient wird.

Das ist deshalb nicht weiter verwunderlich, da (linke) Berufspolitiker private Wirtschaftsbetriebe, in denen Werte geschaffen werden und die nicht durch Subventionen am Leben gehalten werden, üblicherweise nie in ihrem Leben jemals von innen gesehen haben. Exemplarisch der Vorstoß der Chefin der Wiener Grünen, Vassilakou, die im Zuge der Debatte um den Mangel an Mietwohnungen eine Mietzinsobergrenze von sieben Euro pro Quadratmeter gefordert und damit ein bestürzendes Maß an Ahnungslosigkeit im Hinblick auf wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten offenbart hatte. Politische Träume können die harte Realität des Zusammenhanges von Angebot und Nachfrage eben nicht aufheben.

Fazit: Zwar klingen die Ausführungen des grünen Budgetsprechers über weite Strecken gar nicht so übel. In der Realität jedoch – dort, wo Grüne tatsächlich über die Macht zur Umsetzung ihrer Vorstellungen verfügen, wie das etwa in Wien der Fall ist, läuft Grünpolitik, wie Nikolaus Jilch in der Wiener „Presse“ kürzlich ebenso pointiert wie zutreffend feststellte, auf die Trias „Verbieten, Verteuern oder Radweg“ hinaus…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Buchbesprechung: The Spirit Level Delusion drucken

Bei seinem Erscheinen (2009) hat das Buch von Richard Wilkinson und Kate Pickett große Beachtung gefunden. Es hieß „The Spirit Level: Why more equal societies almost always do better“ (Gleichheit ist Glück. Berlin 2009). Das Medienecho war groß. Allzu gut passte es in das Credo der alten Linken, die sich immer gern als Neue Linke versteht: „Gleichheit“ ist eine alte Losung, die hier als Lösung präsentiert wird (nicht als Gleichheit der Chancen oder der Rechte, sondern der Ergebnisse; der Tocqueville’sche Unterschied wird im Buch wohlweislich nicht gemacht). Man ließ sich durch die Kernaussagen des Buches, die schon im Titel anklingen, bereitwillig zu der Meinung herumkriegen, die man vermutlich immer schon hatte: Ungleichheit ist ein Übel. Sie mache nicht nur die Gesellschaft krank, sondern (das ist neu!) auch den Einzelnen; ja mehr noch: Ungleichheit in der Gesellschaft senke die Lebenserwartung.

Wirklich geprüft haben die begeisterten Kommentatoren die der Behauptung zugrundeliegenden Daten offensichtlich nicht. Die letztere These hatte R. Wilkinson schon 1992 bzw. 1976 vertreten. Aber mit der Krise, die 2007 begonnen hatte, lohnte sich ein weiterer Aufguss – wenn auch mit alten Daten, die bei Erscheinen von „Spirit Level“ schon überholt waren. Nunmehr übernahmen sie viele Gutgläubige (Bereitwillige) – offensichtlich ohne einen professionellen Blick darauf zu werfen; sie bauten auf die Richtigkeit der Analyse. Aber viele Luftschlösser lösen sich in nichts auf, wenn man ihre Datenfundamente untersucht.

Eben dies tut Christopher Snowdon in seinem Buch „The Spirit Level Delusion“. Nüchtern und Schritt für Schritt. Er benützt dieselben Datenquellen wie Wilkinson und Pickett; einziger Unterschied: Sie sind aktueller und er inkludiert Länder, die jene (wohlweislich?) übergangen hatten.

Das Konzept von „Spirit Level“ ist einfach: Länder werden bezüglich des Grades der in ihnen herrschenden Gleichheit/Ungleichheit beschrieben. Als Maß dient der Abstand zwischen den untersten und obersten 20 Prozent einer Bevölkerung ihr Durchschnittseinkommen betreffend (Quelle: UN-Statistik). Snowdon kritisiert nicht den Maßstab – obwohl auch dies möglich wäre. Er übernimmt ihn vielmehr, um Wilkinson und Pickett (und Anhänger) mit den eigenen Analysewaffen zu schlagen.

Nach der Vermessung ganzer Länder bezüglich Gleichheit/Ungleichheit an Hand eines einzigen Merkmals hatte Wilkinson zu zeigen versucht, dass sein Kriterium Zusammenhänge mit einer ganzen Anzahl von Indikatoren aufweist: Dass z.B. höhere Ungleichheit mit einem schlechteren Gesundheitszustand der Bevölkerung, ja mit einer geringeren Lebenserwartung einhergeht. Das ist auch seine langgepflegte Hauptthese. Aber er erweitert sie durch die Behauptung, mehr Gleichheit sei auch förderlich für „Glück“ (Happiness, gemessen im World Value Survey); Vertrauen (in andere Menschen), mehr Arbeitsplätze, niedrigere Selbstmordraten, niedrigere Mordzahlen, mehr Spendenverhalten u.v.a.m.

Dieser – angeblich datengestützten – Behauptungen nimmt sich Christopher Snowdon kritisch an. Er bezweifelt nicht, dass Armut häufig mit einem schlechteren Gesundheitszustand und vielen anderen Übeln verbunden ist; er „zerlegt“ aber eindrucksvoll die These, dass es die „Ungleichheit“ in einer Gesellschaft ist, die als verursachender Faktor gelten kann.

Vom Umgang mit Statistik

Seine Stoßrichtung ist dabei nicht einmal der Hinweis auf die schlichte Wahrheit, dass aus Korrelationen keine Kausalschlüsse möglich sind. Das lernt man in jeder Einführung zur deskriptiven Statistik. Beispiele für „absurde“ Korrelationen gibt es schließlich zur Genüge (z.B. zwischen der Zahl der Vornamen eines Neugeborenen in alten Kirchenregistern und der Überlebensdauer der Kinder). Er macht auch nicht die größtenteils sehr sehr niedrigen Korrelationen (0.1 und weniger!), die sich aus den verwendeten Daten errechnen lassen, zum Hauptvorwurf. Er zeigt vielmehr, dass Wilkinson und Pickett selektiv vorgegangen sind (obwohl mehr Länderdaten verfügbar sind), dass sie alte Daten verwendeten (obwohl ihnen neuere, die ihrer These allerdings widersprochen hätten, vorlagen), dass sie auf der Hand liegende Erklärungen für die Situation in bestimmten Ländern einfach ignorierten – nur um ihre „große Idee“ von den verheerenden Folgen der Ungleichheit ungestört vertreten zu können.

Eine kritische Analyse dieser Art ist spannender als jeder Plagiatsvorwurf, wie er heute so gerne erhoben wird. Sie bestreitet den wissenschaftlichen Anspruch, den „The Spirit Level“ erhebt. Der Vorwurf lautet: Es werden Fakten ignoriert oder gar verfälscht. Hätte man sie berücksichtigt – und Snowdon zeigt das an Hand vieler Beispiele – wären die angeblichen „Zusammenhänge“ zwischen Ungleichheit und „Übeln“ glatt verschwunden.

Nun wäre ein Werk wie „Spirit Level“ und das darin enthaltene Credo nicht weiter beachtenswert, würde es nicht auch weitreichende Politikempfehlungen enthalten, die von „Gutgläubigen“ gerne aufgegriffen werden. Eine Schlussfolgerung von Wilkinson und Pickett lautet: Wirtschaftliches Wachstum hat keinen Effekt (mehr) auf die Gesundheit und Lebenserwartung der Bevölkerung. Es geht darum, die Ungleichheit zu reduzieren. Am besten durch höhere Steuern. Das nun klingt sehr vertraut. Aber die Behauptung, durch mehr Gleichheit der Einkommen entstünde eine gesündere, langlebigere und von vielen anderen Übeln befreite Gesellschaft, wird nur durch die Überzeugung der Autoren gestützt, nicht durch die von ihnen verwendeten Daten.

Es ist nicht das geringste Verdienst von Snowdon, dies durch detaillierte Analyse gezeigt zu haben. Die Lektüre lohnt sich für alle, die erfahren wollen, wie politisch Engagierte (auch Wissenschaftler) von ihren monokausalen Erklärungsmodellen und Theorien so besessen sind, dass sie sich die Daten zurechtbiegen, bis sie passen.

„…Menschen deuten oft nach ihrer Weise die Dinge – weit entfernt von ihrem Sinn“ (Cicero in W. Shakespeare „Julius Cäsar“ 1.Akt 3. Szene).

The Spirit Level Delusion: Fact-Checking the Left's New Theory of Everything, Christopher Snowdon

Rudold Bretschneider ist seit Jahrzehnten in diversen Cheffunktionen bei GfK (früher Fessel-GfK) tätig und einer der prominentesten Marktforscher und politischen Analysten des Landes.

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Gesetzlicher Mindestlohn: Ökonomischer Unverstand oder zynisches Kalkül? drucken

Nicht nur die Sozialdemokraten Europas haben erkannt, dass der Zeitgeist ein Genosse ist. Auch viele Konservative hecheln dem vermeintlich unumkehrbaren Trend hinterher und rücken immer weiter nach links. Kommt es zu Neugründungen politischer Parteien, handelt es sich – nahezu ausschließlich – um solche, die das Spektrum auf der Linken erweitern: „Piraten“ in Deutschland und Österreich, Beppe Grillos seltsamer Haufen in Italien oder die „Neos“ in Österreich (der eitle Versuch einer Reanimation des entschlafenen „LIF“ – unter Beteiligung von „Julis“ und einiger abtrünniger Grüner) sind aktuelle Beispiele. Die soeben bei Regionalwahlen erfolgreich aufgetretene Partei Frank Stronachs bildet eine, wenn auch derzeit nur schwer einzuschätzende, Ausnahme.

Vollmundig abgegebene Versprechungen, durch die Anwendung politischer Mittel (also staatlicher Gewalt) die Welt verbessern zu wollen, kennzeichnen die Handschrift der Linken. Die Behauptung, mittels eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns die materielle Lage der Arbeitnehmer verbessern zu können, ist bei den Sozialisten in allen Parteien folglich besonders populär. Selbst die deutschen „Liberalen“ meinen, auf diesen Zug aufspringen zu müssen (der marktorientierte Rebell Frank Schäffler findet sich mit seiner Kritik an diesem Eingriff in die Privatrechtsautonomie parteiintern völlig im Abseits).

Dass mit der Verheißung vermeintlicher Wohltaten Wahlen gewonnen werden können, ist indes erwiesen. Wer in einer wohl etablierten Prolokratie mit dem Schlachtruf „Freibier für alle“! hausieren geht, schneidet – angesichts einer von der Allmacht des Staates überzeugten Wählerschaft – besser ab, als jemand, der zur Nüchternheit rät. Der mittels Stimmzettels erfolgende Griff in fremder Leute Portemonnaie ist schließlich das wesensbestimmende Merkmal einer Demokratie mit allgemeinem, geheimen Wahlrecht.

Der aus allen Poren Edelmut ausdünstende US-Präsident trifft präzise den Nerv der Mehrheit seiner Landsleute, wenn er behauptet, dass ein Vollzeit arbeitender Amerikaner problemlos von seinem Lohn leben können müsse. Prompt leitet er daraus die Forderung nach einem Mindestlohn von neun Dollar je Arbeitsstunde ab. In Deutschland hat die SPD sich zeitgleich auf eine Mindestlohnforderung von achteinhalb Euro pro Arbeitsstunde festgelegt. Weshalb die für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der proletarischen Massen streitenden Linken nicht gleich 18 Dollar oder 17 Euro Stundengage fordern, liegt indes im Dunkeln – schließlich wäre das doch doppelt so „sozial“!

Die kuriose Vorstellung, Marktbedingungen per Dekret aus der Welt schaffen zu können, ist nicht neu. Allerdings ist auch die Erkenntnis nicht neu, dass keine Regierung über jenes Wissen verfügt, das erforderlich wäre, um zentral getroffene Entscheidungen, die Auswirkungen auf eine ganze Volkswirtschaft haben, in einer Weise treffen zu können, die keine ökonomisch nachteiligen Folgen nach sich zieht. Wie in aller Welt kann ein Politbüro sich daher anmaßen, den Preis einer Arbeitsstunde – ohne Ansehen der besonderen Lage des betroffenen Betriebes und der seiner Mitarbeiter – festlegen zu wollen, ohne dabei schweren Schaden für alle Betroffenen in Kauf zu nehmen?

Die empirische Evidenz spricht jedenfalls eine ebenso eindeutige Sprache wie die ökonomische Theorie: Wer einen Preis über seinem auf dem Markt realisierbaren Wert erzwingen will, bleibt auf seinem Angebot sitzen. Das gilt für Arbeitszeit nicht weniger als für Wein, Unterhosen oder Sportwagen. Eine Ideologisierung dieser Frage im Sinne von „Arbeitskraft ist keine Ware!“ führt zu nichts. Wasser fließt eben auch dann nicht bergauf, wenn man sich das noch so sehr wünscht.

Die Preisbildung ist ein hochkomplexer Prozess, hängt von einer Unzahl sich ständig ändernder Parameter (etwa den jederzeit veränderlichen Konsumentenpräferenzen) ab und ist daher, wie das Beispiel der untergegangenen sozialistischen Planwirtschaften eindrucksvoll belegt, selbst unter Einsatz modernster Computer unmöglich zentral planbar. Wenn einer das Gegenteil behauptet, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder um den Dorftrottel oder um einen Politiker.

Was ein über dem Marktniveau gesetzter Arbeitslohn bedeutet, kann am Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit verschiedener Länder Europas studiert werden. Um es kurz zu machen: Je höher der Mindestlohn, desto höher die (Jugend-)Arbeitslosigkeit.

Der US-Ökonom Thomas Sowell („Der wahre Mindestlohn ist null – Arbeitslosigkeit“) hat sich der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Mindestlöhnen und Jugendarbeitslosigkeit gewidmet und kommt zum selben Ergebnis: Gesetzliche Mindestlöhne schaden denjenigen am meisten, zu deren vorgeblichem Nutzen sie eingeführt worden sind (http://www.twincities.com/opinion/ci_19922475 & http://harmful.cat-v.org/economics/minimum-wage/ ).

Dass ökonomische Grundsätze nicht durch politischen Willen außer Kraft gesetzt werden können (zum „Triumph des Willens“ kommt es nur in der Vorstellungswelt totalitärer Spinner), sollte daher auch den Dümmsten – ja sogar Gewerkschaftern – einleuchten. Tut es aber nicht, wie ihre unverdrossen gepflegten Mindestlohnphantasien zeigen, die sich in faktischen Arbeitsverboten für Minderqualifizierte manifestieren.

Die wahre Motivation für den Mindestlohn

Da man Mindestlohnbefürwortern wie Obama & Co. aber nicht einfach Ignoranz, Erkenntnisresistenz oder schiere Dummheit unterstellen sollte, muss also nach einem anderen Grund gesucht werden, weshalb sie nicht von dieser Torheit lassen wollen. Dieser besteht wohl in der planmäßigen Schaffung einer Klientel, die dauerhaft von der Wohlstandbürokratie abhängig, und nicht (mehr) imstande ist, sich aus eigener Kraft zu ernähren. Wenn es nämlich illegal wird, seine Arbeitskraft zu einem mit dem Dienstgeber frei vereinbarten Preis zu verkaufen, gibt es für diese Menschen zum Wohlfahrtsscheck keine Alternative mehr.

Die selbst erklärten Wohltäter spekulieren also in einer an Zynismus schwer zu übertreffenden Weise auf jene Vorteile, die sie aus dem von ihnen geschaffenen Elend der zur Dauerarbeitslosigkeit Verurteilten ziehen können. Profiteure dieser frivolen Politik sind eben nicht die werktätigen Massen sondern politische Klasse und Sozialbürokratie. Tausende unproduktive Politbonzen und Bürokraten (vorwiegend Angehörige der Mittelschicht) werden damit zu Parasiten – und glühenden Apologeten – des Wohlfahrtstaates.

Wie die Bilder sich gleichen: Schon Leo Trotzki erkannte, dass in einem Staat, der über alle Produktionsmittel gebietet, der Dissident zum langsamen Hungertod verurteilt ist. In unserer Wohlfahrtsprolokratie verhungert zwar (noch) keiner, seine aus dem Wunsch nach Selbstbestimmung resultierende Selbstachtung und Würde ist der zur Dauerarbeitslosigkeit Genötigte aber immerhin los.

Fazit: Gesetzliche Mindestlöhne führen zu struktureller Arbeitslosigkeit und steigern damit die Kosten des Sozialsystems. Zugleich wird die Zahl der Beitragszahler reduziert, was Steuererhöhungen und damit eine Verringerung der Unternehmensproduktivität nach sich zieht. Dies wieder senkt die Nachfrage nach Arbeit weiter. Eine klassische Interventionsspirale mit ausschließlich negativen Konsequenzen.

Der von nachfrageorientierten Ökonomen immer wieder strapazierte Kalauer, wonach man alles daran setzen müsse, um die Massenkaufkraft zu stärken – wodurch man „die Wirtschaft anzukurbeln“ gedenke, hält einer logischen Analyse nicht einmal auf den ersten Blick stand. Denn um das alles entscheidende Faktum ist nicht herumzukommen: Man kann eben nicht damit beginnen, einen Kuchen aufzuessen, ehe er gebacken ist. So einfach ist das. Aber wenn Sozialisten etwas vom Wirtschaften verstünden, wären sie ja schließlich keine…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 421: ORF-Hetze, die nächste Etappe drucken

Der – theoretisch – zur öffentlich-rechtlichen Ausgewogenheit verpflichtete ORF nutzte die Papst-Wahl zur nächsten Eskalation seiner Anti-Kirchenhetze. Und ist dabei noch verlogener als sonst.

Er benutzte dazu ein Pamphlet aus der grün-schwulen Szene, laut dem die Kirche viele Milliarden vom Staat bekäme. Diese Milliarden setzen sich fast zur Gänze aus den Bereichen Schulen, Spitäler, Soziales zusammen. Und überall macht in Wahrheit der Staat dabei ein blendendes Geschäft. Kirchliche Spitäler bekommen beispielsweise für jeden einzelnen Eingriff deutlich weniger als ein staatliches Spital für denselben Eingriff (obwohl sich dort die Patienten meist besser betreut fühlen). Wenn also „die Kirche“ das Geld nicht mehr bekäme, müssten staatliche Spitäler all diese Operationen machen – was den Steuerzahler viel teurer käme. Genau das Gleiche spielt sich bei all den sozialen Aktivitäten der Kirche ab. Die Caritas (bei aller sonstigen Kritik an ihr) betreibt Altersheime, Lehrwerkstätten und Dutzende andere Dinge deutlich billiger (und wiederum: liebevoller) als es Gemeinden und Länder könnten. Noch krasser ist es in den Schulen: Da kommt den Staat jeder Schüler einer Privatschule deutlich billiger als der einer öffentlichen. Dennoch haben deren Absolventen weit bessere Ergebnisse – und die Familien drängen mehr denn je in diese Schulen, weil sie den staatlichen Lehranstalten fliehen. Das alles verschweigt der Hetz-ORF. Hetzen die dort ganz bewusst oder sind sie wirklich so blöd, dass sie das alles nicht wissen?

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Wie Österreich arm gerechnet wird drucken

Immer mehr Armuts-Kennzahlen beschreiben ein und dieselbe Situation der etwa vier Prozent an „wirklich Armen“ in Österreich. Weil Journalisten wie Medien von den immer ähnlicher werdenden Kennzahlen überfordert sind, glaubt die Öffentlichkeit, jede einzelne für sich würde eine andere Armut beschreiben und ist schockiert. Die Mittelschicht fühlt sich von Armut und Abstieg bedroht. Das ist auch so gewollt.

Exemplarisch, wie mit Armuts-Kennzahlen Abstiegsangst geschürt wird, ist die der „Armutsgefährdeten“. So bezeichnet die EU seit dem Rat von Laeken (2001) alle, die weniger als 60 Prozent eines (jährlich aktualisierten) „äquivalisierten Haushaltseinkommens“ verdienen. Dieses Haushaltseinkommen besteht aus der Summe aller Erwerbseinkommen und Sozialleistungen eines Haushaltes. Wer bloß 40 Prozent weniger verdient als der Landesdurchschnitt (also 60 Prozent), wird schon als „armutsgefährdet“ angeführt. Auch wenn er in einer Eigentumswohnung lebt oder ein Ferienhaus in Ungarn besitzt.

Trend: Langfristig sinkend

EU-weit lag die Quote 2009 etwa bei 16% Prozent, am geringsten war sie mit 9 Prozent in Tschechien, am höchsten mit 22 Prozent in Rumänien.

In Österreich sank die Quote über die letzten 15 Jahre leicht aber stetig auf etwa 12 Prozent. Allerdings kommt man auf den Österreichwert von 12 Prozent nur, wenn man auch die kurzfristig Betroffenen mit einbezieht. Länger als ein Jahr sind in Österreich nur 6 Prozent der Bürger armutsgefährdet.

Auf Null wird der Wert wohl niemals sinken. Denn armutsgefährdet ist, wer 60 Prozent des Durchschnittes unterschreitet. Steigt der Durchschnitt aller hier Lebenden in einem Jahr um 2 Prozent real, die Einkommen der „Armutsgefährdeten“ aber nur um 1,5 Prozent, dann sind die Armutsgefährdeten zwar neben der Inflation um weitere 1,5 Prozent reicher geworden, ihr (relativer) Anteil an der Gesellschaft ist aber trotzdem gestiegen.

Arm mit 2.238 Euro netto monatlich?

Die meisten Österreicher setzen „armutsgefährdet“ mit arm gleich. Dabei kommt man auf die 12 Prozent nur, wenn man vierköpfige Familien dazuzählt, die knapp 2.238 Euro verdienen. Und die 2.238 Euro sind auch nur die reinen Geldleistungen, über die die Familie dann verfügt. Nicht gewertet – bzw. dazu kommen jetzt noch kostenlose Arzt- und Krankenhausbesuche, Medikamente, gratis Schule mit gratis Büchern oder eine günstige Gemeindewohnung.

Eine Familie, die heute aber in einer schön (en) (subventionierten) Gemeindewohnung lebt und über 2.200 Euro im Monat ausgeben kann, ist mit Sicherheit nicht arm. Natürlich kann es sein, dass die Familie einmal etwas sparen muss, wenn sie etwa gerade den Türkeiurlaub gebucht hat – aber das musste vor 20 Jahren ein Großteil der Bevölkerung.

„Inländer-Armut“ durch Caritas

„Rund eine Million Menschen in Österreich, das sind 12 Prozent der Bevölkerung, sind bereits arm oder gefährdet“, ließ die Caritas auf ihrer Homepage traurig wissen, als sie im Winter ihre „Inlandshilfekampagne“ startete.

Kein Wort davon, dass man auf 12 Prozent nur kommt, wer auch die kurzfristig Gefährdeten mitzählt (länger als ein Jahr sind es nur 6 Prozent). Der Trend steigt auch nicht (wie impliziert), er sinkt seit vielen Jahren. Und Inländer trifft dieses Schicksal überhaupt nur zu 10 Prozent. Für Afrikaner oder Araber liegt der Wert allerdings bei 57 Prozent, für Türken bei 46%, für Ex-Jugoslawen bei 15 Prozent.

Österreich ist ein Einwanderungsland, ohne Zuzug würde es über kurz oder lang aussterben, die Sozialsysteme würden kippen. Es hat mit dem Zuzug aber etwas Armut importiert. Das ist eigentlich auch nicht schlimm, denn in ihren Heimatländern ginge es den meisten Immigranten schlechter.

Außerdem sinkt die Armutsquote schon wenige Jahre (nach der Einbürgerung) auf 26 Prozent. (Indirekt) zu behaupten, die Armut wäre in Österreich ein Massenphänomen, und sie würde vor allem Inländer treffen, ist scheinheilig. Und die Absicht ist nur allzu durchsichtig: Man will die Angst des Bürgertums vor dem sozialen Abstieg schüren, um an mehr Spendengelder und Subventionen heranzukommen. Denn die aufgebaute Sozial-Industrie aus Tausenden Sozialarbeitern verschlingt immer größere Summen – Steuergeldes. Und die immer höheren Steuern für „Caritas und Co“ kürzen die Realeinkommen vor allem der Inländer.

Aus Öster-reich mach Öster-arm

Das Problem liegt in der Grenzziehung. Setzte man den Grenzwert etwa nicht bei 60 Prozent, sondern bei 50 Prozent an, so wären nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung (kurzfristig) armutsgefährdet, sondern nur mehr 6 Prozent. Ein noch geringerer Prozentsatz länger als ein Jahr (4 Prozent).

Die Menschen sind heillos überfordert: Für sie bedeutet „eine Million Armutsgefährdete“ eine „Million auf dem Niveau der Sahelzone vegetierende Österreicher“. Das lässt die Menschen vor Wut schäumen, wählen sie (und spenden sie) doch schon seit Jahrzehnten (an) jeden, der sich als „gerecht“ und „fair“ vermarktet. Und offensichtlich wird es trotzdem immer schlimmer!

Dabei sind die Österreicher keine Raunzer, wie man gern behauptet. Wer in seinen Staats- und Boulevard-Medien aber täglich hört, dass es in diesem System nur einer kleinen Minderheit an Reichen (Kapitalisten) auf Kosten einer immer stärker verarmenden Mehrheit besser ginge, der wird nun einmal immer zorniger und zorniger.

Die Situation ist heute höchst gefährlich. Das lässt Richard N. Coudenhove-Kalergis Buch „Judenhass von heute“ ahnen. Damals in den 1920ern, so der Onkel einer bekannten Journalistin, hätten die Rechten bald erkannt, dass sie den „Volkszorn in Form von allgemeinem Hass und Neid gegen die Reichen in einen besonderen Hass und Neid gegen die reichen Juden umlenken konnten“.

Und von den 1920er Jahren trennen uns nur noch (oberflächliche) Stabilität und Wohlstand.

Michael Hörl. Der Wirtschaftspädagoge und Betriebswirt ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt sich neben den Thesen Christian Felbers und der „inszenierten Armutsdiskussion“ mit der Wut-Berichterstattung von Arbeiterkammer und Co.

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Fußnote 417: Zwischen Malta und Kärnten drucken

Malta hat seine Regierung abgewählt. Was hatte man sonst erwartet? Und der Inselstaat gleicht nicht nur diesbezüglich Kärnten.

Derzeit wird ja im EU-Raum jede Regierung abgewählt. Ganz besonders sicher ist diese Regel in allen südeuropäischen Schuldenländern. Daher auch in Malta (obwohl dieses so wie Frankreich, Italien und Spanien noch gar nicht um europäische Hilfe angesucht hat). Nichts liegt ja für eine Oppositionspartei näher, als zu versprechen, dass die unpopulären Sparnotwendigkeiten, also die Rechnungen für frühere Vergnügen, mit ihr geringer wären als unter der alten Regierung. Das ist natürlich immer eine Lüge, egal ob es um rechts oder links geht. Aber sie wirkt noch immer. Dies sieht man ja auch in Kärnten: Der neue SPÖ-Landeshauptmann will nun als erste Maßnahme  die Rückforderung von Pflegekosten bei den Angehörigen abschaffen, also die Pflicht der Angehörigen, etwas zu den Betreuungskosten der eigenen Eltern beizutragen (obwohl diese in der Regel fünf Jahre davor Haus und Sparbücher an die Kinder übertragen haben). Kärnten hat‘s ja offenbar, und kann daher locker weitere Wohltaten unters Volk zu streuen. Dabei war dieser Regress eines der ganz wenigen Dinge, welche die dortigen Freiheitlichen bei ihren sonstigen Geldverbrennungsaktionen ausgelassen haben. Lehre: Es geht immer noch verschwenderischer . . .

 

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Informationspflicht: Die nächste Augenauswischerei drucken

Es wird wieder einmal ein österreichisches Begräbnis. Die nun plötzlich auch von der SPÖ versprochenen Informationspflichten der Verwaltung und Politik sind schon von ihrer Grundkonzeption her eine Farce. Und sie werden genauso wenig das versprochene Ziel erreichen wie viele Pseudoreformen dieser Regierung: Das Medientransparenzgesetz hat die Inseratenkorruption (insbesondere im Bereich der Gemeinde Wien) nicht beendet; die Schuldenabbau-Versprechungen werden niemals auch nur in die Nähe des angekündigten Nulldefizits führen; die Eurorettungsaktionen können nicht den Euro retten; die verwaschenen Schulschwänz-Gesetze werden das Schulschwänzen nicht reduzieren; die ORF-Reformgruppe des Medienstaatssekretärs bedeutet eine nahtlose Fortsetzung des täglichen ORF-Skandals; das sogenannte Demokratiepaket bringt nicht die dringend notwendige direkte Demokratie.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, die zeigen, dass vor allem mit der SPÖ keinerlei sinnvolle Reformen möglich sind, sondern nur noch der gemeinsame Machterhalt von Rot und Schwarz. Die Summe der Regierungspolitik bedeutet eine Fülle von schlechten Kompromissen, wo es meist besser gewesen wäre, gar nichts zu ändern. Aber da haben sich halt alle gefürchtet, dass dann irgendwelche minderbemittelte Journalisten von Stillstand und Blockade reden.

Nur wenn man – im aktuellsten Beispiel – „Informationspflicht“ über ein Gesetz schreibt, bedeutet das noch nicht, dass damit die Bürger die wirklich relevanten Informationen von Verwaltung und Politik bekommen werden.

Dabei zeigen alle Studien und internationalen Vergleiche, dass nur wirklich volle Transparenz imstande wäre, die Korruption wirksam zu bekämpfen. Wir haben es hingegen mit skurrilen Anfütterungsregeln über die Bezahlung von Essensrechnungen versucht. Und sonst fallen uns halt immer nur strengere Strafen als erste und meist einzige Therapie ein, die aber nie etwas bessern.

Es ist jedenfalls absolut kein Zufall, dass jene Länder die weitaus geringste Korruption haben, in denen die weitaus strengsten Informationspflichten gelten. Das sind also jene Länder, in denen jeder – jeder! – staatliche Akt einem anfragenden Bürger gezeigt werden muss (wobei da meist eine Gebühr verlangt wird, um Missbräuche zu vermeiden). Skandinavien und Neuseeland liegen sowohl bei der Transparenz wie bei der Korruptionsvermeidung weltweit an der Spitze.

Aber ist es nicht positiv, dass Werner Faymanns Mann für Denken und Taktik, also der Staatssekretär Josef Ostermayer, nun ein Informationspflichtgesetz vorschlägt? Das wäre es schon, wenn das geplante Gesetz den Namen wert wäre. Denn Herr Ostermayer hat im gleichen Atemzug so viel Ausnahmen von der Informationspflicht verlangt, dass von dieser wirklich nur die Überschrift bleibt.

Anders formuliert: Die Bürger werden von den Regierungen in Bund und Land auch weiterhin nur das erfahren, was deren Propaganda-Apparate immer schon unter die Menschheit bringen wollten. Aber nicht das, was für Politiker oder Beamte unangenehm ist. Die Ausnahmen sind nämlich so weit formuliert, dass selbst juristische Analphabeten in der hintersten Amtsstube jederzeit begründen können, warum sie leider, leider doch nicht informieren können.

An der Spitze der von Ostermayer gewünschten Ausnahmen steht wieder einmal der Datenschutz. Jeder, der einmal bei Behörden zu recherchieren versucht hat, weiß, dass man dabei auch schon bisher fast immer auf den Datenschutz als Begründung für die Verweigerung von Auskünften gestoßen ist. Dabei war die Einführung des Datenschutzes einst nur eine Reaktion auf eine der Tausenden grünen Paniken. Anlass war damals, dass auch im öffentlichen Dienst (mit etlichen Jahren Verspätung) Personenregister nicht mehr händisch, sondern mit dem Computer geführt werden sollten. Die Grünen mit ihren engen Verbindungen zum damaligen Linksterrorismus haben damals natürlich gefürchtet, dass man dann Tätern leichter auf die Spur käme.

Aber auch die Sozialisten und Bürgerlichen waren schnell erregt, wenn sie irgendeinen Werbebrief mit einer computerverarbeiteten Adresse bekamen. Inzwischen erhalten wir alle weiterhin DVR-Briefe, ohne dass es aber noch jemanden stört (notfalls sind da halt slowakische Büros zum Adresshandel zwischengeschaltet).

Seither ist jedenfalls Faktum: Jede Verwaltungsbehörde verweigert mit der Begründung „Datenschutz!“ die Herausgabe irgendwelcher ihr unangenehmer „Daten“. Schließlich ist ja alles irgendwie in einem Computer gespeichert.

Solange der Datenschutz bei uns eine Heilige Kuh bleibt, wird sich daher weder an der Informations-Unfreiheit noch an der Korruption etwas ändern.

Ostermayer begnügt sich aber gar nicht mit der Universal-Keule „Datenschutz“, um jede echte Information zu verhindern. Er lässt gleich noch ein paar weitere wunderbare Ausreden ins Gesetz schreiben: Eine davon sind die „wirtschaftlichen Interessen einer Gebietskörperschaft“. Da jede Gebietskörperschaft nur durch Beamte oder Politiker handeln kann, ist auch da klar, wessen Taten und Schiebereien und Faulheiten geheim gehalten werden sollen. Und als dreifache Absicherung gegen jede Form von Transparenz will Ostermayer auch noch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verankern.

Warum pflanzt uns die Politik eigentlich ständig?

PS.: Ach ja, es soll laut Ostermayer auch noch ein „Informationsregister“ mit zahllosen Daten geben. Klingt gut? Es ist nur völlig unklar, was da anderes drinnen stehen soll, als längst schon auf gv.at zu finden ist. Außerdem hat gerade die jüngste Zeit gezeigt, wie es ein ideologischer Apparatschik an der Spitze der Statistik Austria schafft, dass politisch unkorrekte (oder sonstwie unerwünschte) Daten halt auch von der scheinbar wertneutralen Statistik unterdrückt werden. Andere werden hingegen extrem manipulativ aufbereitet, wie etwa die auch bei der Hundertsten Wiederholung falsche Behauptung, die Statistik Austria könne irgendwie (qualitativ und quantitativ) „gleiche“ Arbeit messen.

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Zwei Bundesländer haben Qualtag drucken

Manches Mal bin ich froh, nicht überall die Qual der Wahl zu haben. An diesem Wochenende bin ich sogar sehr froh, weder Niederösterreicher noch Kärntner zu sein. Denn in beiden Bundesländern muss man sich über unglaublich Vieles ärgern, mehr als in allen anderen Bundesländern (bis auf Wien). Deswegen würde ich aber doch auch in diesen Ländern bei der Devise bleiben, jede der wenigen demokratischen Mitentscheidungs-Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen, die einfache Bürger haben. Selbst wenn es sehr schwer fällt.

Besonders verärgert wäre ich zweifellos als Kärntner. Dort haben die bisherigen Machthaber in aller Heimlichtuerei zehnmal so viel Haftungen für die Hypo Alpen-Adria unterschrieben, wie das gesamte Landesbudget ausmacht. An der Empörung darüber können die Streitereien überhaupt nichts ändern, ob dann später die Kärntner die Bayern oder die Bayern die Republik Österreich über den Tisch gezogen haben. Tatsache ist nur, dass bei dieser vorerst der Schaden gelandet ist. Was sie damit begründet hat, dass sie doch Kärnten nicht in Konkurs gehen lassen wollte.

Die einstige grob fahrlässige Haftungsübernahme ist jedenfalls unabhängig von der späteren Schadenstragung ein Faktum und ein politisches Verbrechen. Ebenso ist das der Zynismus, mit dem sich der einstige Landeshauptmann Haider ständig bei der Landesbank für parteipolitische Zwecke bedient hat (dass mir da gerade wieder die Wiener Volksbefragung einfällt, bei der provozierenderweise ein Privatisierungsschutz für Landesbetriebe verlangt wird, ist alles andere als ein Zufall).

Diese hemmungslose Verantwortungslosigkeit in Sachen Hypo stellt alles in den Schatten, was aus anderen Bundesländern an riskanten Geschäften bekannt ist. Sie übertrifft auch bei weitem alles, was an sonstigen Kärntner Geschichten in letzter Zeit durch Medien oder Staatsanwaltschaft hochgespielt worden ist: ob es die Verwendung des Wortes „Kröte“ für einen Richter oder die Art der Verleihung einer Staatsbürgerschaft ist.

Das sind Peanuts im Vergleich zum hemmungslosen Umgang mit den Landesfinanzen. Vor allem wegen jener Haftungen für die Hypo hat sich die blaue FPK-Partie eine kräftige Strafe verdient. Das gilt ebenso für die Kärntner Orangen, die noch heute als ihren offensichtlichen Hauptberuf täglich demutsvoll die Kranzschleifen des Jörg Haider streicheln.

Aber auch die Schwarzen haben schwer gefehlt. Sie haben das kriminelle System ermöglicht und zumindest zu guten Teilen mitgetragen. Sie haben zwar seither zum Unterschied von Blau und Orange wenigstens die alte Mannschaft hinausgeworfen. Nur ist völlig rätselhaft, wofür das neue Team eigentlich steht. Außer für Harmlosigkeit und als Steigbügelhalter für einen roten Landeshauptmann.

Also werden die Roten wieder an die Macht kommen. Nur: Soll man das mit seiner Stimme (ob rot, ob schwarz, ob grün) auch selbst mitunterstützen? Immerhin war Kärnten vor den Haider-Zernatto-Dörfler-Jahren bis zum letzten Landeslehrer hinunter fast totalitär rot beherrscht. Immerhin bedeutet ein roter Landeshauptmann eine noch tiefere Einzementierung der roten Macht im ORF. Immerhin hat in jenen Jahren die SPÖ genauso hemmungslos auf Deutschnationalismus gemacht, wie sie es später den Freiheitlichen vorgeworfen hat. Und vor allem hat die SPÖ – wenn auch mehr die in Wien als in Klagenfurt – jahrelang die Lösung der Ortstafelfrage blockiert, obwohl diese zwischen Heimatdienst, den meisten Slowenenverbänden, Schüssel und Haider ausverhandelt war. Die damals ausverhandelte Lösung war praktisch identisch mit jener, die dann später unter einem neuen Bundeskanzler beschlossen werden durfte. Das war damals reinster Macht-Zynismus, der etwas Sinnvolles nur deshalb blockiert hat, um Schwarz-Blau den Erfolg zu nehmen.

Aber auch Grün ist keine gute Entscheidung, trotz einiger Verdienste um Korruptionsbekämpfung. Einerseits weil man damit automatisch rot wählt. Und andererseits haben sich die Grünen in den letzten Jahren im Wiener Rathaus als so willenlose Erfüllungsgehilfen erwiesen, dass man sie nicht mehr als eigenständige Kraft wahrnehmen kann. Wo sie in Wien überhaupt eigenständig aufgefallen sind, haben sie durch Postenbeschaffung für Parteifreunde und durch Parkpickerl- sowie Straßenlahmlegungs-Chaos ihre Regierungsunfähigkeit bewiesen.

Also Stronach? Der Mann ist von der Vergangenheit nicht belastet. Er sagt mitten in seinem sinnfreien Kauderwelsch auch drei oder vier durchaus richtige Sätze. Aber sonst herrscht in dieser Partei ein absolutes geistiges Vakuum. Stronach erinnert stark an den italienischen Anarchisten Beppe Grillo, der vor allem deshalb Zulauf gefunden hat, weil er gegen alles und alle ist; und dessen jeweilige Meinung von allen anderen Figuren in seiner Partei als Evangelium akzeptiert werden muss, auch wenn sie oft eher plakativ als irgendwie durchdacht ist. Stronach ist ebenso wie Grillo nie und nimmer selbst zu regieren imstande. Das aber ist ja noch immer die eigentliche Aufgabe der Demokratie.

Ich würde aber trotz all dem hingehen und eine der Parteien korrekt ankreuzen. So schwer es mir auch fällt.

Niederösterreich: Wollt ihr den Grölaz haben?

Das gilt auch für Niederösterreich, wo ich mit der Entscheidung ein ähnliches Dilemma hätte. Wenn auch aus ganz anderen Gründen.

Dort geht alles um eine einzige Person. Dort heißt es nur: Wollt ihr wieder den Grölaz haben oder nicht? Den größten Landeshauptmann aller Zeiten. Viele Menschen sehnen sich in der Tat geradezu nach einem starken Mann. Es spricht in der Tat an sich auch nichts gegen eine starke Persönlichkeit oder gegen Politiker, die schon Jahrzehnte regieren, oder gegen solche, die ganz auf einen simplen Landespatriotismus setzen. Für Pröll spricht auch, dass Niederösterreich etwa im Schulwesen ein wesentliches und positives Gegengewicht gegen die verheerende rote Dominanz in Wien und Bund ist.

Schon viel problematischer ist die Tatsache, dass Prölls Knappen seit Jahren binnen knappster Frist automatisch jedem mit dem Bihänder eine überziehen, der auch nur die leiseste Kritik am Herrscher wagt. Daher haben in Niederösterreich jene Medien heftige Probleme, die nicht bei der Hofberichterstattung für Pröll servil mitmachen. Der diesbezügliche Machtmissbrauch grenzt fast schon an Wiener Dimensionen.

Zentrales Thema des Wahlkampfs war die Veranlagung von niederösterreichischen Geldern. Dabei gingen jedoch die Attacken der Opposition völlig daneben. Denn im Nachhinein zu stänkern, dass diese oder jene andere Veranlagung mehr Zinsen gebracht hätte, ist läppisch. Auch wenn man noch so oft „Pfui, Spekulation!“ ruft.

Viel schlimmer ist hingegen die zugrundeliegende Tatsache, dass Niederösterreich die Einnahmen aus den vergebenen Wohnbaukrediten überhaupt vorzeitig verpfändet und versilbert hat. Damit ist das sichere Landeseinkommen kommender Jahrzehnte vorzeitig zur kurzfristigen Erhöhung des Pröllschen Glanzes verschwendet worden. So als ob nicht auch Niederösterreich ein demographisches Problem hätte, weshalb man in kommenden Jahrzehnten viel mehr Geld brauchen wird als heute.

Dabei ist die Tatsache, dass mit diesen Geldern „spekuliert“ worden ist, nicht das Problem. Da hat man wenigstens versucht, Geld im Interesse des Landes gut anzulegen. Es geht einem aber wirklich das Geimpfte auf, wenn ein ÖVP-Nationalratsabgeordneter aus dem Waldviertel, der noch dazu ein Wirtschaftsspezialist sein will, sogar öffentlich rühmt, dass man einen Teil des Geldes für soziale Zwecke ausgegeben habe. Das aber ist in Wahrheit ein Verbrechen: Künftige Einnahmen schon jetzt zu konsumieren. Und Sozialausgaben sind eben nichts anderes als Konsum.

Schamhaft verschwiegen wird das Thema Semmeringtunnel. Mit seinem zum Teil paralegalen Kampf gegen diesen Tunnel hatte Pröll hingegen noch frühere Wahlkämpfe bestritten. Jetzt aber darf der Tunnel auf einmal doch gebaut werden – allerdings in einer viel teureren und längeren Variante. Der blutende Steuerzahler kann sich bei Pröll bedanken. Doch die Opposition wagt diese milliardenschwere Geldverschwendung nicht einmal zu thematisieren. Offenbar fürchtet auch sie einen der berüchtigten Zornesausbrüche Prölls.

Besonders widerlich an dessen Politik ist, wie viel niederösterreichisches Geld er dubiosen oder echten Künstlern und Seitenblickestars hineinsteckt. Einziger Zweck: Diese mussten vor der Wahl für Pröll Propaganda machen. Was sie nicht hindert, anderswo für die SPÖ zu marschieren. Anderswo sitzt freilich die rote Unterrichtsministerin am Geldhahn. Künstler sind ganz offensichtlich fast alle in hohem Ausmaß käuflich. Sie haben politisch und ökonomisch meist weniger Ahnung als die Durchschnittsbürger. Sie wollen nur Aufträge, also Geld.

Angesichts der hohen Schulden des Landes sind solche Aktionen in Niederösterreich jedenfalls genauso verwerflich wie bei der roten Unterrichtsministerin.

Daher würde sich die Wahl einer anderen niederösterreichischen Partei als logisch aufzwingen. Jedoch: Diese sind durch die Bank inhaltlich wie personell so brustschwach, dass ich bei ihnen weit und breit niemandem sehe, dem ich mein eigenes Bundesland gerne anvertrauen würde.

Vor allem lässt ein ganz anderer Aspekt zögern, irgendeine dieser Parteien zu wählen: Falls Pröll die absolute Mehrheit verlieren sollte, wird er doch nur knapp unter dieser bleiben. Ein nicht-schwarzer Landeshauptmann in Niederösterreich bleibt daher absolut unmöglich. Die Hinzunahme einer Kleinpartei (Rot, Blau, Grün, Stronach) in eine Koalition mit der mächtigen ÖVP würde aber nur dasselbe bewirken, was wir aus Wien oder Oberösterreich oder auch Kärnten kennen: Die Sache würde noch teurer, weil auch der kleine Koalitionspartner seine Leute versorgen und ein paar Duftmarken hinterlassen will. Ansonsten wird aber die alte Mehrheitspartei fast ungehindert, nur mit etwas mehr noch teurerem Sand in ihrem professionellen Getriebe weiterregieren.

Also auch hier: eine extrem schwere Entscheidung. Vor der ich mich aber auch als Niederösterreicher nicht drücken würde. Ein Wahllokal ist ja kein Schlaraffenland.

 

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Wozu braucht Linz eine Medizin-Uni? drucken

Oberösterreich will eine eigene Medizinische Universität (oder Fakultät). Da hierzulande ja fast immer das geschieht, was die Bundesländer wollen, kann man fast wetten, dass noch vor den Nationalratswahlen ein diesbezüglicher Beschluss fallen wird. Allen Sparversprechen zum Trotz.

Lediglich Wissenschaftsminister Töchterle stellt sich noch tapfer gegen diese Forderung. Aber da er ja nur ein sympathischer Intellektueller und kein politisches Schwergewicht ist, wird sein Widerstand bald weggeblasen werden.

Inzwischen haben hingegen schon alle aus Oberösterreich stammenden Minister im Interesse ihres politischen Überlebens stramm und öffentlich die Forderung nach einer Linzer Medizin-Uni unterstützt, richtiger: unterstützen müssen. Darunter auch der Gesundheitsminister, der es besser wissen müsste; und – besonders beschämend – die Finanzministerin. Das ist genau jene Frau, die eigentlich unser Geld zusammenhalten sollte. Sie stellt sich so wie ihre ministerialen Landsleute lautstark hinter das Verlangen nach einer neuen Geldausgabe, während der eigentlich zuständige Wissenschaftsminister skeptisch den Kopf wiegt.

Er hebt sich damit positiv von seinem Vorgänger Erhard Busek ab, der einst Krems eine eigene Universität zugestanden hat. Von dieser weiß aber bis heute niemand so richtig, wer sie eigentlich braucht außer den Druckereien, die schöne Hochglanzprospekte drucken. Ja, und natürlich hatte sie auch der niederösterreichische Landeshauptmann gebraucht, der dem - damals - schwarzen Krems etwas zukommen lassen wollte, nachdem das rote St. Pölten die Landeshauptstadt bekommen hatte (die selbst wieder ein eigenes Kapitel an Steuergeldverschwendung ist).

Aber ist nicht in der Tat die oberösterreichische Argumentation zwingend, dass es bald keine Landärzte mehr geben wird, wenn es nicht neue Medizin-Ausbildungsplätze gibt? Dass das besonders in einem so großen Flächenbundesland wie Oberösterreich problematisch werden wird?

Nein, diese Argumentation ist nicht zwingend. Zwar wird es in der Tat zunehmend schwieriger, Ärzte für Ordinationen draußen im Mühlviertel oder in anderen abgelegenen Gegenden zu finden. Zwar ist in der Tat die (aus sachlichen Gründen unumgängliche) Limitierung bei der Zulassung zum Medizinstudium für viele junge Möchtegern-Mediziner eine menschliche Katastrophe, werden sie doch vom ersehnten Arztberuf abgehalten. Worauf sie dann mit dem völlig überlaufenen Biologie-Studium Vorlieb nehmen.

Dennoch liegt das Problem nicht an der Limitierung der Ausbildungsplätze. Das zentrale Problem ist die schlechte Bezahlung vieler Ärzte. Oder umgekehrt: die viel bessere Bezahlung für junge Ärzte in etlichen anderen europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland. Dort wird besonders gut bezahlt, denn dort besteht jetzt schon ein wirklicher Ärztemangel. Wenn alleine beim großen Nachbarn schon zweitausend österreichische Ärzte arbeiten – mit jährlichen Zuwachsraten von zehn Prozent! – dann sollte sich niemand wundern, dass es schwer geworden ist, Ärzte für Kassenordinationen im Mühlviertel zu finden. Die wird man aber auch dann nicht finden, wenn man noch ein paar weitere Medizin-Universitäten baut.

Zwischen Österreich und Deutschland besteht ja sogar eine doppelte Schmarotzersituation. Zum einen wandern so viele österreichische Jungmediziner hinaus. Und zum anderen bildet Österreich zugleich um teures Geld zahlreiche junge Deutsche zu Ärzten aus, die dann ebenfalls fast alle in ihr Heimatland zurückgehen. Auf Grund der rätselhaften Judikatur des EU-Gerichtshofs können sie nämlich in Österreich ohne Rücksicht auf den daheim geltenden Numerus clausus studieren. Es ist juristisch nicht einmal sicher, ob wenigstens die österreichische Notbremse letztendlich halten wird, die zumindest 75 Prozent der Studienplätze für einheimische Studenten reserviert. Dabei ist ein Medizinstudium (hinter den pikanterweise vor allem von Ostasiaten konsumierten Kunststudien) eines der teuersten. Aber das kümmert ja den EuGH nicht.

Daher sähe die logische Lösung ganz anders aus, als oberösterreichische Politiker sie sich vorstellen: Österreichs Gesundheitssystem müsste dafür sorgen, dass jeder Medizinabsolvent umgehend einen guten Turnus- oder Ausbildungsplatz in einem Spital bekommt. Österreich müsste um einen Bruchteil des Geldes, das eine Medizin-Uni kostet, die Kassenärzte besser honorieren und die jungen Spitalsärzte besser entlohnen. Solange aber jeder Installateur für einen Hausbesuch um ein Vielfaches besser entlohnt wird als ein Kassenarzt, wird die Malaise die gleiche bleiben. Solange junge Spitalsärzte mit unzähligen Überstunden auch jene unqualifizierten Arbeiten machen müssen, für die sich Krankenschwestern auf Grund der Stärke ihrer Gewerkschaft in öffentlichen Spitälern zu gut sein können, wird selbst bei gleicher Bezahlung der deutsche Spitalsjob oft viel interessanter sein.

Vielleicht müsste ein Teil des nötigen Geldes auch gar nicht von der öffentlichen Hand kommen. Denn wenn einmal die schlechte Bezahlung der jungen und der Kassenärzte gebessert worden ist und alle Posten besetzt sind, dann würden vermutlich die exorbitant guten Verdienste der Herren Professoren und Primarii auf Grund der Marktmechanismen ein wenig abschmelzen. Ohne dass die deswegen gleich am Hungertuch nagen müssten.

Und wenn dann Oberösterreich trotz allem noch eine Medizin-Universität haben will, dann könnte es das machen, was in Salzburg mit Erfolg getan wurde: Es könnte eine Privatuniversität gründen, wo die jungen Menschen durchaus ordentlich für eine Ausbildung zahlen müssten, die ihnen später ein gutes Einkommen und vor allem einen befriedigenden Beruf ermöglicht.

 

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Unsere Pensionen, der Europäische Gerichtshof und der Wahltag drucken

Die EU-Kommission hat es klar gesagt. Sozialminister Hundstorfer hat es zumindest angedeutet. Dann hat es auch Finanzministerin Fekter betont, sie bekommt aber dafür Prügel vom eigenen Koalitionspartner. Womit sich zeigt: Der Wahlkampf ist voll eröffnet. Logik, Vernunft und Grundrechnungsarten bleiben dabei endgültig auf der Strecke.

Die EU-Kommission hatte die Lage der österreichischen Staatsfinanzen in nüchternen, aber auch ernüchternden Worten deutlich gemacht: Weder die hohe Verschuldung noch das gegenwärtige Pensionssystem können aufrechterhalten werden; da müsse dringend etwas geschehen.

Diese – für Tagebuchleser nicht gerade neue – Erkenntnis ist erfreulicherweise auch irgendwie schon beim Sozialminister angekommen, obwohl der als alter Gewerkschafter normalerweise nicht gerade an der Spitze der Reformfreunde zu finden ist. Immerhin hat Rudolf Hundstorfer angedeutet, dass (wenigstens) nach der Wahl über eine raschere Erhöhung des derzeit noch auf 20 weitere Jahre einbetonierten Frauenpensionsalters geredet werden könnte. Das ist zwar in der Sache eigentlich alternativlos, aber für einen Sozialdemokraten fast sensationell revolutionär.

Ein paar Tage später hat dann Maria Fekter die Warnungen der EU-Kommission zitiert. Aber jetzt fährt ihr sofort der (eigentlich ressorteigene!) SPÖ-Staatssekretär Schieder vehement über den Mund. Nix da. Bei den Pensionen wird nichts verändert. Da Herr Schieder aber sehr ehrgeizig ist und unbedingt noch mehr werden will, während Hundstorfer zumindest bisweilen schon den Altersmut zur Wahrheit zeigt, ist klar: Schieders Linie ist jene der SPÖ. Damit zerstäubt nun die letzte Hoffnung, dass eine neue rot-schwarze Koalition (also das, was vor Jahrzehnten noch eine „große“ war) irgendetwas anderes werden könnte als eine wirklich gefährliche Drohung.

Da es hier nicht um eine Randfrage, sondern um die wohl wichtigste Herausforderung für Österreich geht, wird man jetzt umso genauer die anderen Parteien beobachten müssen. Das sollte man zumindest dann tun, wenn man irgendwie noch Zukunftshoffnungen hegen will.

Wird die FPÖ trotz ihres Hangs zum Populismus und trotz ihrer derzeit rückläufigen Umfrageergebnisse in Sachen Pension mehr Verantwortungsbewusstsein zeigen als die SPÖ? Wird Frank Stronach es in seinen Wortschwurbeleien vermeiden, irgendwelche Pensionsgarantien abzugeben? Wenn beide Hoffnungen erfüllt werden, dann gibt es eine solche auch für Österreich. Es sei denn, die ÖVP lässt sich wieder von der Wirtschaftskammer in eine neue rot-schwarze Eiszeit zwingen oder gar in den totalen rot-schwarz-grünen Winter.

Damit keine Irrtümer entstehen: Bei den Pensionen geht es keineswegs nur um das Frauen-Antrittsalter. Es geht auch um eine Anpassung aller anderen Pensionsbeginn-Termine an die (erfreulicherweise) weiter steigende Lebenserwartung und Gesundheit. Es geht um die sofortige Abschaffung von Witwen/Witwer-Pensionen für Kinderlose. Es geht um die versicherungsmathematische Anpassung der Pensionshöhe an die Höhe der Einzahlungen.

Und es geht auch um die Reparatur des bisher weitgehend geheimgehaltenen Skandals bei der jüngsten Mini-Pensionsreform: Dabei war zwar fixiert worden, dass junge Menschen nicht gleich lebenslang in eine Invalidenpension gehen können. Aber insgeheim wurden die Zahlungen an solche potenziellen Invaliden auf ein Vielfaches erhöht. Sodass das Ergebnis der letzten Reform statt eines Weniger ein Mehr an Kosten sein dürfte. Dass dieses Mehr halt aus anderen öffentlichen Kassen gezahlt wird, ist in Wahrheit total egal.

Die größte Katastrophe droht vom EuGH

Überhaupt zur Katastrophe könnten aber zwei Rechtsstreitigkeiten werden, die beim Europäischen Gerichtshof anhängig sind. Diese sind zwar in der Öffentlichkeit noch überhaupt nicht bekannt. Denn die Koalition und ihre Medien versuchen die Gefahren noch totzuschweigen; und sämtliche Oppositionsparteien sind pensionsrechtlich sowieso ahnungslos. Aber beide Verfahren haben gewaltige Explosivkraft.

Beide Male geht es um die von den (drei bis vier) Regierungsparteien des letzten Jahrzehnts populistisch weit über die Zuwächse der sonstigen Pensionserhöhungen hinaus gesteigerten Ausgleichszulagen.

Einmal geht es um die im Tagebuch schon öfters aufgegriffenen Zahlungen an zuziehende Rentner etwa aus Rumänien. Dort kommen ja viele Menschen im Alter kaum über Hundert Euro im Monat. In Österreich stehen jedem Pensionisten hingegen mindestens 837 Euro zu (Ehepaaren sogar 1255). Nun haben die Behörden versucht, sich gegen einen solchen Pensionistenzuzug dadurch zu wehren, indem sie streng prüfen, ob die Menschen auch ohne diese Ausgleichszulage selbsterhaltungsfähig sind.

Mit anderen Worten: Diese Menschen aus den neuen EU-Ländern müssten derzeit eine fünfstellige Summe Geldes vorweisen können. Das haben die meisten nicht, es sei denn, sie arbeiten mit irgendwelchen Umgehungs-Tricks (die freilich für Schlepperbanden nicht so schwer sein dürften). Daher gibt es noch nicht viele, die von diesem Ausgleichszulagen-Anspruch profitieren.

Aber ist diese Prüfung der Selbsterhaltungsfähigkeit überhaupt EU-rechtens? Der juristische Boden für diesen österreichischen Versuch, Zehntausende Sozial-Immigranten aus armen EU-Ländern abzuhalten, ist zumindest brüchig. Denn vor Judikaten des oft sehr realitätsfremden EuGH muss die Republik jedenfalls zittern. Nicht nur aus der schockierenden Erfahrung des einstigen Medizinstudenten-Spruchs, sondern auch deshalb, weil die Koalition Maria Berger vom linken SPÖ-Rand als Richterin dorthin entsandt hat.

Beim zweiten Rechtsstreit vor dem EuGH muss Österreich noch viel mehr zittern. Auch hier geht es um die Ausgleichszulagen. Diesmal stehen überwiegend Frauen aus dem Balkan oder der Türkei im Mittelpunkt, die auch einige wenige Jahre Pensionsanspruch in Österreich erworben haben. Zusammen mit in ihrer Heimat (wirklich oder angeblich) erworbenen Zeiten erreichen viele von ihnen gerade die für eine Zahlung aus österreichischen Pensionskassen nötigen 15 Beitragsjahre. Diese Jahre ergeben aber auch in Österreich nur eine kleine Pension; eine solche wird nach österreichischem Recht auf die Ausgleichszulage erhöht.

Was aber ist, wenn die Frau (im Pensionsversicherungsdeutsch: die Anspruchsberechtigte) im Ausland lebt, etwa wieder in der alten Heimat? Dann streicht Österreich derzeit – noch – die Ausgleichszulage wieder weg, für die ja nie etwas eingezahlt worden ist. Denn die Republik sieht diese Zulage als Sozial- und nicht als Pensionsleistung an. Für Sozialleistungen ist das Aufenthaltsland zuständig (beispielsweise Polen oder die Türkei), und nicht jenes Land, wo irgendwann einmal Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt worden sind (beispielsweise Österreich).

Ist Österreichs Argumentation logisch? Nun ja. Rechtsexperten halten die Karten der Republik für ziemlich schlecht. Für eine Verurteilung der Republik genügt dem EuGH etwa ein Blick auf die vom Bundeskanzleramt gestaltete Seite help.gv.at. Dort kann jeder EU-Richter nämlich lesen: „Jeder Pensionsantrag wird auch als Antrag auf Ausgleichszulage gewertet.“ Es wird den Republiksjuristen daher ziemlich schwer fallen, etwas als Sozialleistung darzustellen, für das nicht einmal ein eigener Antrag neben jenem auf Pension ausgefüllt werden muss.

Eine Niederlage in dieser Auseinandersetzung wird Österreich sehr viel Geld kosten. Und es ist durchaus fraglich, ob dann ein schon von manchen ins Auge gefasster kompletter Umbau des Sozialsystems gelingen wird, also die Verwandlung der Ausgleichszulage in eine Sozialleistung. Und noch fraglicher ist, ob dieser Umbau dann irgendwann doch vom EuGH anerkannt werden wird. Abgesehen von den juristischen Risken ist die Ausgleichszulage vor allem für die Sozialdemokraten eine Heilige Kuh, die freilich bisher auch für den ÖAAB unantastbar gewesen ist.

Geht dieses, gehen gar beide Verfahren verloren, dann ist Feuer an Bord. Die Koalitionspolitiker können derzeit im Interesse ihrer Wahlchancen nur hoffen und bangen, dass keiner der beiden Rechtsstreite vor dem Wahltag entschieden wird, und dass die Öffentlichkeit die Gefahr bis dahin nicht mitkriegt. Und wir müssen in jedem Fall hoffen, dass auch in der SPÖ doch einmal alle Entscheidungsträger erkennen, wie sehr unser Pensionssystem ohne tiefgreifende Änderungen gegen die Wand donnert.

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Die Lehrer, unsere Kinder und die Volksschulkrise drucken

Es ist eines der Projekte, das die Regierung noch mit Brachialgewalt vor den Wahlen über die Bühne bringen will; es ist aber deswegen alles andere als zwingend und logisch: das geplante neue Lehrerdienstrecht. Während die Politik ständig vom Dienstrecht reden will, herrscht an anderen Fronten im Bildungssystem längst ein Flächenbrand. Vor allem an unseren Volksschulen.

Das einzige, was an den Regierungsvorhaben im Prinzip richtig ist, ist der Plan, die Lebensverdienstkurve der Lehrer abzuflachen. Lehrer zu sein ist zwar längst kein Hungerleider-Job mehr wie einst, aber in den ersten Jahren ist das Einkommen alles andere als üppig. Hingegen sind die Einkommen in den letzten zehn bis zwanzig Jahren überaus reichlich.

Die subjektiven Bedürfnisse verhalten sich genau umgekehrt. In jüngeren Jahren ist eine Wohnung zu kaufen und einzurichten, man gründet (hoffentlich) eine Familie, die Kinder liegen einem (hoffentlich) auf der Tasche. Am Ende der Karriere ist es umgekehrt. Die Bedürfnisse gehen da subjektiv wie objektiv zurück.

Auch der Markt führt zur gleichen Erkenntnis: Ein 55-jähriger Lehrer wird nur in den seltensten Fällen von der Privatwirtschaft abgeworben. Mit 25 oder 30 hingegen sind gerade die Tüchtigen unter den Lehrern auch für viele andere Arbeitgeber interessant. Auch alle jene, die verachtungsvoll die Augen verdrehen, wenn das Wort „Markt“ fällt – unter den Lehrern sind das leider besonders viele! –, sollten irgendwann begreifen: Die Marktmechanismen sind immer wirksam, ob man sie nun mag oder nicht.

Nach drei Jahren ist kein Unterschied mehr legitim

Die niedrigen Einstiegsgehälter sind zweifellos auch ein Grund, warum der Lehrerberuf so massiv verweiblicht. Männer verhalten sich (auch in anderen Bereichen) viel stärker gehaltsorientiert als Frauen. Es wird heute jedoch von allen Seiten der Wunsch nach einem höheren Männeranteil in unseren Schulen als dringend angesehen. Natürlich hat der hohe Frauenanteil auch mit anderen Dingen wie insbesondere der Arbeitszeit zu tun. Freilich ist es politisch nicht korrekt, das zu erwähnen.

Lediglich ein Argument spricht für niedrigere Einstiegsgehälter: In den ersten zwei oder drei Jahren ist ein junger Lehrer noch ein wenig Lehrling, der manche pädagogischen Tricks und administrativen Vorgänge lernen muss. Aber etwa nach dem dritten Jahr ist er meist schon gleichwertig mit einem Lehrer in seiner letzten Berufsdekade. Daher gibt es ab diesem Zeitpunkt eigentlich keine Gründe mehr für eine unterschiedliche Bezahlung, es sei denn, jemand übernimmt zusätzliche Verantwortungen oder Aufgaben. Die jungen Lehrer ersetzen in der Regel das durch Dynamik und Engagement, was die älteren an – ebenfalls wertvoller – Erfahrung einbringen.

So weit so klar. Das erste Problem taucht aber für den Übergang auf. Und der würde ein paar Jahrzehnte dauern: Es wäre ja wohl ungerecht, den älteren Lehrern – die einst in ihren Anfangsjahren in der Erwartung des späteren Geldsegens wenig verdient haben – das Einkommen zu kürzen, nur weil jetzt die jüngeren Kollegen mehr bekommen. Mehr Geld aber wird es gerade in Sparzeiten nicht geben können. Und Sparzeiten gibt es eigentlich immer. Daher wäre eigentlich nur eine Strategie realistisch: Bei jeder Gehaltsrunde unten ein wenig aufzurunden, und oben ein wenig zu kappen. Das ist gewiss ein langer Prozess, aber nur so ist eine Änderung politisch möglich. Bei uns jedoch wird seit Jahren von der großen Reform geredet, sodass nicht einmal die mögliche kleine begonnen worden ist.

Nun versucht jedoch die Regierung gerade wegen dieser Notlage, die Lebenseinkommen der Lehrer signifikant zu reduzieren. Das aber kann sich wiederum keine Gewerkschaft gefallen lassen. Vor allem wenn ihre Gruppe als einzige betroffen ist. Einen Lehrerstreik will sich die Regierung jedoch ganz gewiss nicht leisten, in Wahljahren schon gar nicht.

Gleichzeitig wird versucht, die Lehrerdienstzeiten deutlich zu verlängern. Die Jungen sollen also deutlich länger arbeiten als die Älteren – obwohl diese weiterhin mehr verdienen. Eine solche provozierende Zweiklassengesellschaft würde aber mit Sicherheit zu einer Sprengbombe mit Zeitzünder für jedes Konferenzzimmer in unseren Schulen. Kann man das ernsthaft  wollen, wenn es eigentlich um bessere Schulen gehen sollte?

Aber arbeiten die Lehrer nicht tatsächlich recht wenig? Dem werden in der Tat die meisten Österreicher zustimmen. Die Studien über eine lange Jahresstundenleistung von Lehrern genießen wohl zu Recht wenig Glaubwürdigkeit, beruhen sie doch mangels objektiver Messmöglichkeiten vor allem auf Eigenangaben der Lehrer selbst. An die glaubt aber eher nur die Gewerkschaft.

Löwenbändigen macht Stress

Dennoch kann man es sich nicht so einfach machen, wie viele Zeitungskommentatoren, deren liebste Beschäftigung des Lehrer-Prügeln ist, und einfach nach weniger Lehrer-Entlohnung zu rufen. Dem steht nicht nur das erstaunlich hohe Ansehen der Lehrer in der Bevölkerung entgegen, sondern auch die Tatsache, dass eine Unterrichtsstunde vor einem Haufen (vor/post)pubertärer Jugendlicher einen unglaublichen Stress bedeutet, der mit kaum einem anderen Job vergleichbar ist. Im Gegensatz zu sonstigen Berufen darf man ja als Löwenbändiger keine Sekunde die Konzentration verlieren. Diese Aufgabe ist zweifellos noch viel schwieriger geworden, seit die Immigrationspolitik die Klassen mit Massen Jugendlicher aus bildungsdesinteressierten Kulturen vom Balkan und aus der Dritten Welt gefüllt hat.

Dazu kommt ein gewichtiges psychologisches Argument: Selbst in der Krise hat in Österreich keine größere Gruppe ein echtes dauerhaftes Minus (weniger Einkommen verbunden mit mehr Leistung) hinnehmen müssen. Das jetzt einzig und alleine von Lehrern erreichen zu wollen, ist eine absolute Mission impossible. Das ginge höchstens in echten Notzeiten, in einem gemeinsamen nationalen Kraftaufschwung, wenn also auch die Richter 40 Stunden im Gericht sein müssen, wenn der Handel am Sonntag öffnen wird, wenn auch ÖBBler erst mit 65 in Pension gehen könnten usw. Oder eben wenn – wie in Griechenland – alle deutlich weniger verdienen. Eine Gruppe allein gezielt herauszupicken, kann aber niemals funktionieren.

Natürlich könnte man die Lehrer auch außerhalb des Unterrichts zur Anwesenheit in der Schule zwingen. Dann können sie dort Arbeiten verrichten wie Vorbereitungen, Weiterbildung, Korrigieren, Eltern- und Schülergespräche. Nur: Wenn ein Dienstgeber das will, dann muss er seinen Mitarbeitern auch genauso viel Raum zur Verfügung stellen wie jeder andere Arbeitgeber: also mindestens acht Quadratmeter, einen funktionalen Schreibtisch und einen PC mit Internet und Drucker als Mindestausstattung.

Statt jahrelang sinnlose Verhandlungen über ein Dienstrecht zu führen, wäre es viel klüger gewesen, ein paar Schulen mit ordentlichen Lehrer-Arbeitsplätzen auszustatten. Dann hätte man dort ohne vorheriges Warten auf die  Weltrevolution an konkreten Einzelbeispielen beobachten können, wie sich das auswirkt: auf die pädagogischen Erfolge wie auch auf die Motivation der Lehrer. Aber vieles deutet ja darauf hin, dass diese Unterrichtsministerin das gar nicht will. Sie will keine positiven Veränderungen, sie will nur stänkern, ideologisieren und Journalisten PR-Geschichten über die bösen Lehrer ins Blatt drucken.

Worum es eigentlich gehen sollte

Eine wirksame Dienstrechtsreform würde auch viel stärker als bisher die Weiterbildungspflicht der Lehrer beachten. Sie würde auch das sachliche Wissen und Können der Lehrer neben ihren pädagogischen Fähigkeiten zur Voraussetzung einer Anstellung machen.

Mit anderen Worten: Die Direktoren müssten sich leicht von Lehrern trennen können, die einer Klasse nicht gewachsen sind; von allen jenen, die etwa nach zwanzig Jahren nicht mehr auf dem Laufenden ihres Faches sind (beispielsweise nicht einmal die gelehrte Fremdsprache perfekt beherrschen); sowie von all jenen, die schon von Anfang an Opfer des dramatischen Qualitätsverlustes unserer Universitäten sind, wo leider weder meritorisch noch pädagogisch die Unfähigen ausgesiebt werden.

Ein perfektes Dienstrecht würde aber auch vorsehen, dass jeder neue Lehrer zumindest zwei Jahre im wirklichen Leben gearbeitet haben soll, also irgendwo außerhalb von Klassenzimmern und Hörsälen. Nur solche Lehrer können den Kindern einen Eindruck von der realen Welt vermitteln, die sich halt total von den Lesebuch- und Gutmensch-Vorstellungen der Grünen unterscheidet.

Der allerschlimmste Wahnsinn ist aber, dass diese Dienstrechtsreform wie ein Prokrustesbett für alle Lehrer gelten soll. Also von der Volksschule bis zur AHS und BHS. Während die Praxis schon längst zeigt, dass vor allem bei bestimmten technischen Fächern an einer Berufsbildenden Höheren Schule nur durch (marktgerechte) höhere Gehälter gute Lehrer gefunden werden können, sollen sie nun mit Volksschullehrern gleichgestellt werden. Das ist entweder völlig unfinanzierbar oder es heißt: Gute Nacht für unsere – noch – exzellente Techniker-Ausbildung.

Dieses Prokrustesbett würde auch für die AHS zur Katastrophe: Denn jeder weiß – bis auf die Unterrichtsministerin –, dass wir dort in den nächsten Jahren eine gewaltige Pensionierungswelle haben, gegen die dringend vorgebaut werden müsste. Aber vielleicht teilt irgendwer einmal der unglückseligen Claudia Schmied mit, dass in den nächsten sieben Jahren jeder dritte Lehrer in Pension gehen wird. Vielleicht leistet sich die ÖVP auch wieder einmal einen Schulexperten, nachdem man den ungeliebten und unbeliebten Neugebauer auf die Strafbank gesetzt hat.

Gleichmacherei über alles

Hinter dieser geplanten Einheitsbezahlung steckt natürlich die gleichmacherische Ideologie, dass alle dieselbe Ausbildung genießen sollen. Was völlig absurd ist.

Volksschullehrer, die selbst schwere Rechtschreibdefizite haben, werden nicht besser, wenn man nur noch Master auf unsere Kleinsten loslässt. Denn das Rechtschreiben lernen sie ebensowenig auf der Universität wie das Einmaleins oder die Namen der Wiener Bezirke, also jene Dinge, an denen Zehnjährige bei allen internationalen Vergleichstests so blamabel scheitern. Die wahren Probleme liegen nämlich schon bei der Auswahl der Möchtegern-Lehrer an den Pädagogischen Hochschulen, wo man viel zu wenig konsequent ist. Und vorher bei der Matura, wo es immer weniger selbstverständlich ist, dass ein Maturant die Rechtschreibung beherrscht.

Das von der ÖVP offenbar nicht durchschaute Motiv der SPÖ: Diese will den Weg zur Gesamtschule durch die Hintertür noch breiter zu machen. Die linken Ideologen glauben in ihrer Dummheit nämlich, dass der Hauptwiderstand gegen die Gesamtschule von AHS-Lehrern kommt, die nicht auf eine gleiche Stufe mit Volksschullehrern geraten wollen.

Das mag es zwar schon geben. Aber der entscheidende Hauptwiderstand kommt natürlich von all jenen Eltern, die für ihre Kinder die bestmögliche Ausbildung wollen. Und die diese in einer zwangsweisen Einheitsschule mit Sicherheit nicht bekommen werden – schon gar nicht in Wien, wo bereits mehr als die Hälfte der Kinder einen Migrationshintergrund hat.

Alle Kraft den Volksschulen

Eine ernsthafte Bildungspolitik würde neben einer ganz anderen – realistischen, daher kleinen – Dienstrechtsreform die ganze Energie unseren Volksschulen widmen. Dort nämlich, also in der Gesamtschule für die 6- bis 10-Jährigen, spielt sich nach allen vorhandenen Untersuchungen die wahre Bildungskatastrophe ab.

Was zu deren Behebung notwendig wäre, wäre eine strengere Lehrerauslese, eine ernsthafte und auch individuell anrechenbare externe Leistungsevaluation, die Rückkehr zu Disziplin im Klassenzimmer, Mut zu mehr Frontalunterricht und zu einem altersangepassten Leistungsdruck, mehr erlaubte Vielfalt an Volksschul-Modellen, Aufnahmsprüfungen am Wechsel von der Volksschule zur AHS und vieles andere mehr. Es ist kein Zufall, dass es sich in einem ganzen Bezirk herumspricht, wo es noch eine strenge Volksschullehrerin gibt. Zu der wollen dann fast alle Eltern ihre Kindern schicken. Und nicht zu den Kuschellehrern im Ungeist der Siebziger Jahre.

Um nur ein paar Daten über die Dimension der Volksschulkatastrophe zu nennen (von der Frage, ob diese auch mit dem hohen Frauenanteil gerade in den Grundschulen zu tun haben könnte, will ich dabei gar nicht reden – auch wenn dieser zumindest auffällt):

  • Bei den 10-Jährigen ist der Vorsprung der finnischen auf die österreichischen Kinder ein halbes Jahr größer als dann mit 14 nach der ach so bösen differenzierten Unterstufe (dass die Finnen übrigens immer vor Österreich bleiben werden, liegt an drei ganz anderen Faktoren: In Finnland dominiert der Frontalunterricht; dort darf noch Wert auf Disziplin gelegt werden; und dort gibt es fast keine Kinder, die nicht Finnisch als erste Sprache zu sprechen gelernt haben).
  • Unter allen bei den internationalen Tests untersuchten europäischen Ländern gibt es in den österreichischen Volksschulen die meisten disziplinären Probleme.
  • Bei der Lesekompetenz der 10-Jährigen nimmt Österreich unter 14 untersuchten europäischen Vergleichsländern den letzten Platz ein. Österreich hat in dieser Gruppe auch die wenigsten „sehr guten“ Lese-Kinder, und die meisten leseschwachen.
  • Bei Mathematik liegen Österreichs 10-Jährige unter den 14 Vergleichsländern an 11. Stelle. Was in Nordirland 25 Prozent der Kinder schaffen, schaffen in Österreich nur 2 Prozent.

Es ist lichterlohes Feuer am Dach. Aber wir reden nur über Dienstrecht und Gesamtschule, also leistungsverschlechternde Dinge. Und niemand redet über die echten Notwendigkeiten.

Ob das vielleicht gar Absicht ist?

 

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200 Milliarden für Deutschlands Familien? drucken

Auf acht Seiten erklärt der “Spiegel” (Ausgabe 6/2013) warum „der Großteil des Geldes”, nämlich die Familienförderung in Deutschland, „verschwendet” werde. Beziffert werden die Ausgaben der Familienpolitik mit 200 Milliarden Euro. Das ist so viel Geld, dass sich der normale Bürger überhaupt nichts darunter vorstellen kann. Zum Vergleich: im Bundesvoranschlag der Republik Österreich sind insgesamt Ausgaben von 75 Milliarden vorgesehen.

Und doch ist diese Zahl falsch oder zumindest stark verzerrend. „Der Spiegel” rechnet etwa die ganze Eheförderung mit ein – ja in Deutschland gibt es so etwas – und zwar sind das rund 75 Milliarden Euro, hauptsächlich ein Ehegattensplitting in der Steuer und die Witwen- und Witwerrenten. Das hat allerdings mit einer Familienförderung nur im allerweitesten Sinne zu tun, ähnlich wie der Straßenbau, denn auch Familien benützen die Straße.

Die steuerlichen Maßnahmen der Familienförderung werden mit 45 Milliarden Euro beziffert. Die Berücksichtigung der Kinder im Steuersystem ist aber keine Förderung, sondern eine – im Betrag ohnehin unzulängliche – Ausgleichszahlung, die die Steuergerechtigkeit verlangt. Auf Grund der Unterhaltspflicht kann über bestimmte Anteile des Einkommens nicht verfügt werden, diese müssen steuerfrei gestellt werden. Auch Leistungen der Sozialversicherung, etwa die Kranken-Mitversicherung werden aufgelistet (27 Milliarden) oder Beiträge für die Jahre der Kindererziehung in der Rentenversicherung. Wenn man genau schaut, bleiben eigentlich nur sehr wenige Milliarden einer Familienförderung im engeren Sinne übrig, etwa 14 Milliarden Euro.

Nachdem nun so die gigantische Summe aufgezeigt wurde, die die Familien vom Staat geschenkt bekommen, wird eine Forschergruppe präsentiert, die „noch vertrauliche” Ergebnisse einer Analyse dieser Politik fabriziert haben. Das Ergebnis überrascht nicht, zumal die „OECD diese Studie sehr innovativ nennt”. Familienvertreter wissen inzwischen: Wo OECD draufsteht, ist der Zwang zur vollständigen Frauenerwerbstätigkeit drinnen. Und so erfahren wir, dass diese veraltete Familienpolitik Frauen an ihrem Lebensglück hindere – nämlich eine ganztägige Vollerwerbstätigkeit möglichst rasch nach dem Kreißsaal – und in Deutschland deswegen so wenige Kinder auf die Welt kommen.

Ehe, Krippen und die Geburtenrate

Garniert wird diese Story mit rührseligen Geschichten, aus dem familiären Alltagsleben genommen; etwa Claudia und Andreas, die beide im Schichtdienst arbeiten und keine geeignete Kinderverwahrungsstätte finden können, die 24 Stunden geöffnet hat. „Für viele Sozialleistungen verdienen sie zuviel” und steuerliche Vorteile bekommen sie auch nicht, weil sie nicht verheiratet sind. Zahlt sich wohl nicht mehr aus das heiraten, wo doch der „Spiegel” spaltenweise gegen das Ehegattensplitting anschreibt. Schade, dass den Autoren kein einziges Argument für diese „Subventionierung einer juristischen Rechtsform” eingefallen ist, etwa die gegenseitige Unterhaltsverpflichtung oder die Wirtschaftsgemeinschaft. Wird künftig auch genauso vehement gegen die Unternehmensbesteuerung von Konzernen angeschrieben, die gegenseitig Gewinne und Verluste ausgleichen können?

Oder die Geschichte des homosexuellen Leif, der Vater eines Kindes ist, das bei seiner lesbischen Mutter Marie aufwächst. Auch diese zwei Familien, „die gemeinsam in den Urlaub fahren”, bekommen kein Ehegattensplitting.

Das Kindergeld, derzeit 184 Euro im Monat, wird rein unter dem Aspekt der Armutsbekämpfung gesehen. Doch eigentlich ist es eine Maßnahme der steuerlichen Gerechtigkeit für Familien. Der Betrag ist auch nicht zu hoch, wie im Artikel erklärt, denn die Kinderkosten betragen im Monat rund 480 Euro (Studie Guger, 2003), ohne Berücksichtigung der entgangenen Einkommen durch die Kindererziehung.

Auch das alte Märchen von den steigenden Geburtenzahlen bei einem guten Angebot an Kinderbetreuungsplätzen wird wieder aufgewärmt. Das wurde schon mehrmals widerlegt. Die höchste Geburtenrate hat Niedersachen (1,5) und gleichzeitig die niedrigste Krippenquote, und die meisten Krippen gibt es in Sachsen-Anhalt (über 50 Prozent) mit der niedrigsten Geburtenrate (1,2). In Europa hat Irland die meisten Geburten und praktisch keine Kleinkindbetreuung. Die Geburtenrate in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt bei 2,0 – und das ohne Familienpolitik.

Überhaupt nicht beleuchtet wurden familienpolitische Maßnahmen, die nicht budgetwirksam sind, etwa kommunale Initiativen oder gesetzliche Maßnahmen der Zeitpolitik, wie Elternzeit (Karenzzeit) oder Arbeitszeitregelungen. Teilzeitarbeit wird natürlich sehr negativ bewertet (siehe OECD), den Autoren scheint es offenbar nicht möglich, dass eine Mutter oder ein Vater freiwillig etwas weniger berufstätig sind, weil sie selber ihre Kinder aufziehen wollen. Dementsprechend wird auch das Betreuungsgeld, das die Wahlfreiheit sichern soll, als „Resultat einer ziellosen Politik” schlecht geredet.

Was bringt Familienförderung der Volkswirtschaft?

In Frankreich bestand nie Zweifel an der Zielsetzung der Familienpolitik, nämlich der Hebung der Geburtenrate. Viele Fördermaßnahmen greifen deswegen dort auch erst ab dem zweiten Kind. In Deutschland oder Österreich wurde dies so nie festgelegt, wahrscheinlich auch aus historischen Gründen. Die Effekte der Familienpolitik können deshalb auch nicht nur an der Geburtenrate gemessen werden.

Um die kritische Aussage des Berichtes nicht zu gefährden, hat „Der Spiegel” es auch peinlich vermieden auf die gesamtfiskalische Sicht einzugehen. Bei einer Kosten-Nutzen-Bilanz von Kindern müssen auch die zukünftigen Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge einberechnet werden. Das ifo-Institut hat 2006 eine solche Gesamtrechnung aufgestellt. Die Resultate zeigen, dass Familien mit jedem Kind im Durchschnitt ein kleines Vermögen an den Staatshaushalt transferieren. Bei den gesetzlichen Sozialversicherungen ergibt sich aus dem kumulierten Saldo aus Beiträgen und Leistungen für ein Kind die Höhe von 240.500 Euro! In das Steuersystem zahlt das Kind im Laufe seines Lebens durchschnittlich 227.400 Euro ein. Dem gegenüber stehen familienpolitische Leistungen in der Höhe von 64.900 Euro. Im „Spiegel” Artikel wird ein Betrag von 133.400 Euro an Leistungen genannt – immer noch ein erklecklicher Gewinn für den Staat.

Mag. Dr. iur. Peter Pitzinger ist Familienvater von fünf Kindern, Jurist und als Beamter tätig.

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Loben, wo es nur geht – ein bisserl was geht immer drucken

Das Tagebuch kommt kaum mehr nach mit dem Aufarbeiten der konzentrierten Blödheit in Politik und Medien. Dennoch braucht es auch bisweilen Tage zum Durchatmen, also der Konzentration auf positive Dinge. Bei der nötigen Suchanstrengung findet man diese Dinge immer noch. Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Ob es nun um das Erwachen des indischen Mittelstandes geht, um neuerdings sogar Recht sprechende chinesische Gerichte, um die Suche der amerikanischen Armee nach Gerechtigkeit, um die Entlarvung des modischen Akademikerfimmels, um die wachsende Anerkennung für das differenzierte Schulsystem, um neuen Mut der Wiener Wirtschaftskammer, um tricksende Fluglinien, oder um lesbische Möchtegern-Pflegeeltern.

Da ist es zum Beispiel wirklich eindrucksvoll und bewundernswert, wie in Indien so viele Bürger aufstehen und protestieren, damit nicht weiterhin Vergewaltigungen, selbst die allerbrutalsten, von Polizei, Politik und Justiz unter den Teppich gekehrt werden können. In Indien hat sich in den letzten Jahren (durch das Aufblühen der nun erlaubten Marktwirtschaft!) ein breiter Mittelstand entwickelt, der solche atavistischen Bräuche nicht mehr hinzunehmen bereit ist. Das soll man ohne Hochmut anerkennen. Auch unsere Kultur hat ja vom mythologischen Raub der Sabinerinnen bis zum Ius primae noctis eine üble einschlägige Vergangenheit. Die Entwicklung in Indien ist umso wichtiger, als es bald das größte und jedenfalls heute schon das weitaus jüngste Land unter den Großen dieser Welt ist (dass die Dinge im ethnisch gleichen Pakistan so ganz anders sind, liegt an der dortigen Retro-Religion, deren Abgesandte gerade in Wien vom hiesigen Bischof begeistert betreut werden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte, die heute nicht dazupasst).

Ebenfalls bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Aufruf des Vizegouverneurs von New Delhi, dass Besitzer legaler Waffen auf den Straßen patrouillieren sollten, um vor allem nächtens bedrohten Frauen beizustehen. Dieser Aufruf erfolgt genau zu dem Zeitpunkt, da in Amerika (und bei unseren papierenen und elektronischen Boulevardmedien) jeder Waffenbesitz medial zum Schwerverbrechen hochgeschrieben wird. Zumindest in Indien, aber auch bei der Mehrheit der Amerikaner sieht man hingegen eine eindeutige Schutzfunktion legaler Waffen.

Auch aus dem – noch – einwohnerreichsten Land dieses Globus gibt es Lobenswertes zu berichten. Nämlich einen Prozess. Vor einem chinesischen Gericht hat sich die deutsche Firma Kärcher gegen einen chinesischen(!) Konkurrenten voll durchgesetzt. Der Prozessverlierer hatte das gemacht, was in China bisher weitgehend straflose Folklore gewesen ist: Er hat interessante westliche Produkte hemmungslos plagiiert. Nun aber hat zumindest dieser Richter einen  wichtigen Schritt in Richtung einer rechtsstaatlichen Zukunft Chinas gesetzt. Ein ebenso bedeutender Schritt war fast gleichzeitig, dass China Nordkorea vor der UNO seinen (Veto-)Schutz entzogen hat. Diesen Schritten müssen freilich noch viele weitere folgen: von der Herstellung der Meinungsfreiheit über eine effiziente Bekämpfung der Korruption, über eine Autonomie der Tibetaner und Uiguren, bis zu einer Verbesserung der Umwelt, wobei es insbesondere um einen raschen Ersatz der luftverpestenden Kohlekraftwerke durch die einzige funktionierende Alternative gehen müsste: noch deutlich mehr Kernkraftwerke.

Ebenso bemerkenswert ist eine Entscheidung des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Es hat John Allen, den Oberbefehlshaber in Afghanistan, von allen Vorwürfen eines unangemessenen E-Mail-Verkehrs mit einer Frau eines anderen reingewaschen. Das ist besonders lobenswert nach der grauslichen Medienkampagne, die monatelang gegen Allen und diese Frau gelaufen ist (die ganz der in Mitteleuropa laufenden Kampagne gegen den Spitzenkandidaten der deutschen Freidemokraten gleicht). Die USA haben bewiesen: Man kann dem Druck der Medien auch widerstehen. Die widerliche Verletzung der Privatsphäre der Betroffenen kann freilich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und sollte eigentlich spürbare Konsequenzen haben.

Ebenso interessant ist noch eine weitere Entwicklung in den amerikanischen Streitkräften. Dort dürfen Frauen erstmals auch an vorderster Front kämpfen. Das eröffnet ihnen in halbwegs friedlichen Zeiten – und die haben wir, trotz der in Afghanistan und Irak getöteten 130 US-Soldatinnen, – gute Karrierechancen ohne den Quotenschmäh. Das ist die logische Folge des Geburtenrückganges und der sehr negativ gewordenen sozialen Auslese in der US-Armee. Diese neuen Rechte für die Frauen bedeuten aber natürlich auch, dass für sie künftig die genau gleichen körperlichen Hürden vor einer Aufnahme in solche Kampfeinheiten gelten müssen; denn im Kampf ist jede Einheit so schwach wie ihr schwächstes Glied. Da kann es keine Rücksichten auf ein (einst so bezeichnetes) schwaches Geschlecht geben. Das „Frauen an die Front“ wird nach einiger Zeit interessante Erfahrungswerte ergeben. Dabei ist es freilich durchaus möglich, dass dann gerade auf Grund dieser Erfahrungen die volle Gleichberechtigung auch in solchen Extremsituationen kritisch hinterfragt werden könnte. Oder eben auch nicht.

Zurück nach Europa. Da hat eine Studie der EU-Institution Eurofound Spannendes herausgefunden: In vielen europäischen Ländern sind zahllose junge Universitätsabsolventen auch noch lange nach der Ausbildung ohne jede Chance auf einen Job. Das ist zwar betrüblich, aber für die völlig verquere österreichische Bildungsdebatte eine wertvolle Erkenntnis: Denn linke OECD-Experten, österreichische „Qualitäts“-Zeitungen, Gendarmen als Landeshauptmann-Darsteller und Rot-Grün versuchen  uns ja einzureden, wie gut es wäre, wenn wir noch ein paar Tausend Politologen, Publizisten, Literatur-Absolventen und Ähnliches hätten. Die Fakten zeigen jedoch: Der in diesen Kreisen modische Akademikerfimmel führt in eine absolute Sackgasse. Hingegen ist die Lage der Jungen am Arbeitsmarkt in jenen Regionen, die ein differenziertes Schulsystem, also keine Gesamtschule haben, viel besser.  In Italien beispielsweise ist die Arbeitslosenrate unter Akademikern doppelt so hoch wie in Österreich die Arbeitslosenrate unter Absolventen einer Lehre. Diese sind im Gegensatz zu den Italienern, Griechen oder Spaniern bisher ohne den Fluch einer Gesamtschule aufgewachsen. Und gehen daher zweifellos in ein glücklicheres Leben.

Besonders erfreulich (auch wenn von Frau Schmied und Herrn Androsch krampfhaft verschwiegen) ist im gleichen Zusammenhang: Österreich wird derzeit von ausländischen Delegationen gestürmt, die das hiesige System der auf der Hauptschule aufbauenden Facharbeiterausbildung studieren und übernehmen wollen. Das Problem: Diese Fact-Finding-Emissäre werden in jenem Ministerium wie auch bei den ideologisch deformierten Bildungs-„Experten“ von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung nicht wirklich die volle Wahrheit hören. Dazu müssten sie beispielsweise in Österreichs Vorzeigebundesland Oberösterreich fahren, wo noch keine weltfremden Ideologen sitzen.

In anderen Zusammenhängen verdient auch die Wirtschaftskammer Lob. Zum einen gilt das deren Sozialpolitik-Experten: Diese produzieren regelmäßig ganz ausgezeichnete Studien mit harten Fakten, die nur einen Nachteil haben: Sie werden von den Medien ignoriert, weil sie nicht in die gängigen Vorurteile passen.

Zum anderen gilt dieses Lob der Wiener Kammer-Präsidentin Jank. Sie hatte einst von ihrem Vorgänger einen Verein übernommen, der zum Schoßhund des Rathaus-Machtwerks degeneriert war. Jetzt stellt Jank den bis ins letzte Frage-Detail manipulativen Skandal-Befragungen durch das Wiener Rathaus mutig eine eigene unter den Unternehmern gegenüber. Jank will die Handelsbetriebe in Wiens größter Einkaufsgegend fragen, ob sie die von Grün-Rot (also einer weltfremden Griechin und einem groggy und desinteressiert in den Seilen hängenden Bürgermeister) geplante Lahmlegung der Mariahilferstraße für sinnvoll finden, die ja in eine Fußgängerzone verwandelt werden soll. Das dürfte für die dortigen Unternehmen zur Katastrophe werden, über die sich nur die niederösterreichischen Einkaufszentren freuen können. Dennoch fährt das Rathaus über den größten Handelsmagneten Wiens drüber. Es befragt die wirklich Betroffenen trotz der gerade modischen Umfrageflut kein einziges Mal. Eigentlich müsste angesichts des explodierenden Stadt-Defizits und der alle anderen Bundesländer weit überragenden Arbeitslosigkeit als erste die Wiener Finanzstadträtin gegen die Mariahilferstraßen-Katastrophe protestieren. Die aber isst und küsst sich nach dem Motto „Hallöchen“ sehr lustig, aber an Sachfragen völlig desinteressiert durch die Landschaft (offenbar ist das die beste Strategie, um vielleicht doch noch Bürgermeister-Darstellerin werden zu können). Umso lauter ist die tapfere Initiative von Jank zu loben. Sie befragt übrigens die Unternehmer nicht nur zur Mariahilferstraße, sondern auch zu den Parkpickerln. Denn längst haben immer mehr Gewerbetreibende gespürt, dass in den Bezirken 13, 18 und 19 zwar ihre burgenländischen Friseurinnen weiter einen ganztägigen Gratisparkplatz haben, dass aber immer mehr Kunden ausbleiben, wenn sie angesichts völlig überparkter Straßenzüge nicht mehr zufahren können.

Zu loben sind diesmal auch zwei Urteile von Höchstgerichten. Der OGH hat einen miesen Trick der AUA verboten: Diese hatte Passagiere bisher mit einer zusätzlichen Gebühr bestraft, wenn sie trotz Buchung von Hin- und Rückflug nur einen Flug beansprucht haben. Das darf künftig nicht mehr sein. Dieses Urteil ist übrigens von der Tiroler Arbeiterkammer erfochten worden, womit diese zum ersten Mal seit langem ihre Lebensberechtigung bestätigt hat.

Ebenso anerkennenswert ist ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der zuletzt ja einige eher merkwürdige Sprüche beschlossen hatte. Der VfGH hat die Beschwerde eines lesbischen Paares aus Niederösterreich abgelehnt, das kein Pflegekind bekommen hat. Grundlage der Entscheidung ist das Wohl des Kindes. Das muss immer wieder festgehalten werden. Dieses Kind wächst in der nicht gerade landesüblichen Atmosphäre eines lesbischen Paares alles andere als problemfrei auf. In Wien freilich bekommen solche Paare durchaus Pflegekinder. Warum geht das dort? Weil das Opfer, also das Kind, ja kein Klagerecht hat.

Womit noch einmal gezeigt ist: Viele dieser hier aufgelisteten Dinge sind nur deshalb lobenswert, weil sie im Kontrast zu anderen, recht üblen Erscheinungen stehen.

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Arbeitslosenstatistik 2012 drucken

Anteil an den Arbeitslosen nach höchstem Bildungsabschluss in Prozent

 

Bildungsabschluss Anteil
Pflichtschule

46,3

Lehre

33,8

Höhere Schulen

5,6

Mittlere Schulen

5,4

Uni/FH/Akademie

5,0

AHS

3,1

 

Arbeitslosenquote & Anstieg seit dem Vorjahr nach Bundesland in Prozent

 

Bundesland Arbeitslosenquote Anstieg
Burgenland

7,8

6,3

Kärnten

9,1

3,6

Niederösterreich

7,1

6,6

Oberösterreich

4,5

7,5

Salzburg

4,7

5,8

Steiermark

6,8

8,3

Tirol

5,9

3,3

Vorarlberg

5,6

1,6

Wien

9,5

4,9

Österreich gesamt

7,0

5,7

Quelle: AMS

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Ausgerechnet jetzt entdecken sie den Generationenkonflikt drucken

Die Linke und ihre pseudobürgerlichen Wasserträger sind phänomenal: Kaum haben sie eine vernichtende Niederlage erlitten, lenken sie mit raffinierten Tricks davon ab und starten eine moralistisch klingende Gegenoffensive. Plötzlich reden sie flächendeckend von einem Generationenkonflikt, attackieren die bösen Alten – ausgerechnet dort, wo das sicher nicht der Fall gewesen ist, nämlich bei der Wehrpflicht-Abstimmung.

Dieser Spin hat natürlich den Zweck, die Linke doch noch irgendwie als die Sieger, als die Guten darzustellen. Anknüpfungspunkt: Eines (ein einziges) von drei Meinungsforschungsinstituten will herausgefunden haben, dass die Jungen als einzige Gruppe (abgesehen von den Wiener Wählern, samt den vielen hier lebenden Studenten) mehrheitlich für die Abschaffung der Wehrpflicht wären. Nun soll hier gar nicht die Methodenfrage aufgeworfen werden, welche der drei Studien seriöser ist, welche die geringere Schwankungsbreite hat. Es sei auch nur am Rande vermerkt, dass es ganz zufällig ein SPÖ-nahes Institut ist, das ja gerade deshalb ganz zufällig vom ORF regelmäßig beschäftigt wird.

Nehmen wir die Studie aber ruhig so hin, wie sie dasteht. Auch ich hätte ja vielleicht einst knapp vor dem Bundesheer und insbesondere nachher gegen die Wehrpflicht gestimmt, hätte mich jemand gefragt. Aus Zorn über primitive Ausbildner mit ihren ausgelebten Minderwertigkeitskomplexen gegenüber Maturanten und Akademikern; aus Zorn über saufende und nichtstuende Unteroffiziere; aus Zorn über Offiziere, die sich möglich weit von den Wehrdienern entfernt bewegten. Das dürfte heute kaum anders sein.

Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass man ausgerechnet in dieser Frage der mittleren und älteren Generationen keinerlei Vorwurf machen kann. Denn sie verlangen von den Jungen nicht mehr, als sie selber im gleichen Alter zu leisten hatten. Ja im Gegenteil: Die meisten Ex-Wehrdiener hatten der Republik acht oder neun Monate zu dienen gehabt, während es jetzt de facto bei fast allen nur sechs sind.

Daher ist die Beibehaltung der Wehrpflicht keinerlei Ungerechtigkeit gegenüber den davon betroffenen Jahrgängen. Daher braucht sich keiner, der für die Wehrpflicht gestimmt hat, jene moralische Vorwürfe machen zu lassen, wie sie jetzt auch in einst bürgerlichen Medien in riesiger Dimension erhoben werden. Der Vorwurf geht ins Leere, auch wenn er noch mit einem weiteren Argument verbunden wird: Jetzt würden wir in friedlichen Zeiten leben, in denen es keine Armeen mehr brauche. Das ist aber erstens falsch und total unhistorisch argumentiert. Und zweitens wird dabei übersehen, dass heute zunehmend der Zivildienst als Reaktion auf die demografische Katastrophe an gesellschaftspolitischer Notwendigkeit gewonnen hat, der in früheren Jahrzehnten nur eine ideologische Institution gewesen ist.

Das Motiv hinter dieser plötzlichen Generationen-Kampagne: Die hasserfüllte Linke will einfach nicht zugeben, dass ihr ein rein populistisch motivierter Schachzug missglückt ist. Häupl und seine Kronenzeitung haben einfach geglaubt, der Kreisky-Wahlsieg lasse sich wiederholen, den dieser einst mit der versprochenen Verkürzung des Wehrdienstes eingefahren hat. Nur dürfte Häupl inzwischen ein paar Jahrzehnte beim Weinglas eingeschlafen sein, sodass er nicht mitgekriegt hat, dass die damals den Ton angebenden Babyboomer heute an der Schwelle zum Pensionsalter sind und daher über vieles eben ganz anders denken. Daher können Kreisky-Tricks halt heute nicht mehr funktionieren.

Das ist aber sein persönliches Problem, und das kollektive von Rot-Grün, etwa auch des Franz Vranitzky, der sich noch vor ein paar Wochen für die Wehrpflicht ausgesprochen hat, der aber zum Schluss dann als alter Parteisoldat wieder brav auf die Parteilinie eingeschwenkt ist. Charakter ist halt Glückssache (Einem Heinz Fischer muss man hingegen zubilligen, sich relativ anständig verhalten zu haben, auch wenn er am Schluss nicht mehr Stellung beziehen wollte).

Für die Bürger aber ist das Ärgerliche: Jene, die sich beim Thema Wehrpflicht plötzlich so über ein angebliches Diktat der Alten über die Jungen aufregen, haben bisher absolut den Mund gehalten. Dabei haben sich die im Babyboom bis 1970 Geborenen durchaus seit langem den Jungen gegenüber wirklich unfair verhalten. Sie haben den Generationenvertrag wirklich brutal verletzt:

Sie haben konsumiert, konsumiert, konsumiert. Sie haben (ihr eigenes!) Pensionsantrittsalter trotz stark zugenommener Lebenserwartung drastisch gesenkt, sodass das Pensionssystem kollabieren muss. Sie haben die Kinderproduktion in unverantwortlicher Weise reduziert. Sie haben ständig Sozialleistungen aller Art erhöht (in Hunderten „sozialen“ Reformen, die von der Zunahme des Urlaubs über die Reduktion des Schulunterrichts bis zu der komfortablen Grundsicherung reichen, welche die Gemeinde Wien im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern auch an abgewiesene Asylwerber weiterzahlt!). Und sie haben das mit Schulden, Schulden, Schulden finanziert: 1970 hingegen war Österreich trotz der Wiederaufbaujahre praktisch nicht verschuldet! Heute hat es unerträglich hohe Schulden, die nur deshalb noch nicht zur Katastrophe geführt haben, weil die Europäische Zentralbank wie verrückt Geld druckt (und damit entwertet).

Das Dreieck Schulden-Geburtendefizit-Konsumrausch ist das zentrale Verbrechen der letzten Jahrzehnte. Dafür trägt vor allem Rot die Hauptverantwortung, zunehmend auch die Grünen, die ja seit ihrer Gründung die Sozialdemokraten an Soziallizitation noch zu übertreffen versucht haben. Aber auch Schwarz und Blau haben vielfach ihr einstiges Verantwortungsbewusstsein abgestreift, als sie gemerkt haben, wie erfolgreich die Schuldenmach-Politik von Kreisky und Androsch bei den Wählern angekommen ist. Viele ihrer Politiker haben dann – unter Missbrauch der christlichen beziehungsweise heimatverbundenen Wurzeln ihrer Wähler – begonnen, munter mitzulizitieren.

All diese Zusammenhänge sind aber jahrzehntelang auch von den immer mehr nach links rückenden Medien ignoriert worden.

Wobei übrigens im Journalismus ein noch viel übleres Diktat der Alten herrscht, das aber immer verschwiegen wird: Die Kollektivverträge schanzen den älteren – auch den mittelmäßigen – Journalisten unglaublich hohe und oft außer jeder Relation stehende Bezüge, Kündigungsfristen und so weiter zu. Den Jungen hingegen gelingt es immer seltener, überhaupt eine Anstellung zu erringen. Sie können immer öfter nur als schandbar entlohnte „Freie Mitarbeiter“ journalistisch arbeiten. Aber die sozialistisch-grün geführte Journalistengewerkschaft (samt den kommunistischen Elementen aus dem ORF) verteidigt diese Privilegien bis heute mit Zähnen und Klauen. Privilegien, die ganz, ganz zufällig ausschließlich die Privilegien der Funktionärs-Generation, der Alt-68er-Generation sind.

Und genau diese Medien schreiben ausgerechnet bei der Wehrpflicht einen Generationenkonflikt herbei – ganz, ganz zufällig im Interesse der rot-grünen Ablenkungsstrategie. Es könnte einem wirklich übel werden.

PS.: Interessant ist, dass diese medialen Spin-Doctoren nicht darüber diskutieren, dass auch die dienstpflichtfreien Frauen über die Wehrpflicht abgestimmt haben, was mit zumindest der gleichen Logik wie diese Generationendebatte erfolgen könnte. Noch interessanter ist, dass eine Volksbefragung, die ganz eindeutig für die Beibehaltung des Istzustandes ausgegangen ist, nun im Nachhinein als Befehl zu massiven Veränderungen interpretiert wird, von denen bei der Umfrage aber nie die Rede war.

 

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Vermögensberichte von Gemeinde Wien und Nationalbank: Künstlich konstruierte Schieflagen drucken

Seit Jahrzehnten werden die Österreicher im Wochentakt durch Berichte aufgeschreckt, die das größer werden von sozialer Kluft, Armut, Ungerechtigkeit, Welt-Unheil und Fußpilz beweisen sollen. Im Dezember künden gleich zwei Berichte von einer sozialen Schieflage – diesmal bei den Vermögen. Und wieder lohnt ein Blick hinter die Zahlen, um Entwarnung zu geben. Oder über das politische Motiv der Herausgeber nachzudenken.

Für den Sozial- und Reichtumsbericht der Stadt Wien scheint die Bundeshauptstadt ein Hort an himmelschreiender Ungerechtigkeit zu sein. Im Vergleich zum Rest-Österreich wären die Vermögen hier besonders ungleich verteilt: 30 Prozent der Wiener besitzen 92 Prozent des Vermögens. Doch das liegt an Österreichs bzw. Wiens Tradition als Mietergesellschaft begründet – und vor allem an der sozialistischen Politik der Stadt Wien. Denn das Vermögen der „Reichen“ besteht ja nicht in Autos, Geld und Uhren (wer könnte so etwas auch messen) – nein, das untersuchte Vermögen besteht zu zwei Dritteln aus dem fiktiven Wert von Immobilien (und zu einem Drittel aus dem der Firmenwerte).

Die Gemeinde Wien besitzt 220.000 Wohnungen, zusätzlich gibt es 80.000 Genossenschaftswohnungen. Mit Steuergeld verbilligt die Gemeinde ihre Mieten künstlich und hält Mieter so davon ab, sich für Wohnungseigentum zu interessieren. Damit besitzen 750.000 (!) Wiener am Papier zwar kein Eigentum, verfügen aber immerhin über eine höhere Realkaufkraft als Wohnungs-Eigentümer.

Geldschwemme blies Immobilienwerte auf

Die 30 Prozent der „Wiener Reichen“ entsprechen ziemlich genau den 30 Prozent der Wiener, die Wohnungs- oder Hauseigentümer sind. Die exzessive Ausweitung staatlichen Notenbank-Geldes in Europa (und den USA) hat bekanntlich die Immobilienwerte aufgeblasen. Von der Geldschwemme konnten folglich nur Eigentümer und nicht Mieter profitieren. Nur weil eine Eigentumswohnung statt 100.000 Euro jetzt aber 200.000 wert ist, ist sie gleichzeitig nicht auch größer geworden. Der Vermögenszuwachs entstand rein auf dem Papier. Warum soll der nun fiktiv „reiche Besitzer“ jetzt aber real Vermögenssteuer bezahlen, wie Arbeiterkammer und Gemeinde Wien nun unisono fordern?

Der Sozialbericht der Gemeinde Wien wurde von der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) unter der Leitung von Ewald Novotny (SPÖ) erarbeitet. Ein eigener ÖNB-Bericht für das ganze Bundesgebiet stößt ins gleiche Horn, was den ORF sofort folgern lässt: „Die Vermögen in Österreich weisen eine Schieflage auf“.

Dabei müsste einem der Bericht eigentlich Mut machen: Über 20 Prozent der gesamt-österreichischen Bevölkerung besitzen Vermögen von über 300.000 Euro. Weitere 25 Prozent eines von 100.000 bis 300.000 Euro. Nur 39,5 Prozent haben weniger als 50.000 Euro. Und auch österreichweit entsprechen die 45 Prozent der Vermögenden haargenau dem Anteil jener Österreicher, die in den eigenen vier Wänden wohnen.

Höhere Steuern kürzen Kaufkraft

Markus Marterbauer von der Arbeiterkammer fordert nun die Erhöhung von Reichen-, Erbschafts- und Schenkungssteuer, um die vermeintliche Ungleichheit bei den Vermögen auszugleichen und sozial Schwache zu unterstützen.

Abgesehen davon, dass der europäische Armutsbericht EU Silc für Österreich ein langfristiges Absinken der Armutsgefährdeten (1993: 14 Prozent, 2011: 12 Prozent) und der „Working Poor“ (2004: 7,8 Prozent, 2010: 4,9 Prozent) bemerkt, warnt der von Marterbauer vorgebrachte ÖNB-Vermögensbericht auf Seite zehn: „Im Jahresverlauf 2012 hat sich die Inflationsrate wegen staatlicher Steuer- und Abgabenerhöhungen erhöht.“ Auf Deutsch: Es waren immer die neuen Steuern, die die Realeinkommen Europas kürzten. Und ist es nicht der Machtapparat um die Arbeiterkammer, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit immer neue und höhere Steuern fordert?

„Mieten“ verhindert jeden Vermögensaufbau. Es führt zu Altersarmut und macht politisch abhängig. Zwar ist die Miete niedriger als die vergleichbare Kreditrate – aber selbst wenn die Differenz auf ein Sparkonto wandert, so verliert das angesparte Kapital über die Zeit durch die wahre Inflation massiv an Wert. Zum Schluss hat der Mieter weder (Wohnungs-)eigentum noch Geld.

Schon im Kindesalter werden die Wiener in Gemeindekindergärten, Staatsschulen und Wiens omnipräsenter (SPÖ-freundlicher) Boulevard-Presse zu braven Miet-Deppen sozialisiert. Als Mieter ist man aber ein ganzes Leben lang auf die Mieter-Partei SPÖ angewiesen – und den Kampf ihres Mieterbundes für maßvolle Mieterhöhungen.

In der Pension steigt der relative Anteil der Miete (am geringeren) Pensionsentgelt. Nun ist man auf die „Pensionisten-Partei“ SPÖ angewiesen – und dass der SPÖ-Pensionisten-Verband für eine kräftige Anhebung der Mindestpensionen kämpft. So rennt man sein Leben lang verzweifelt seinem Traum vom materiellen Glück hinterher und hat zum Schluss doch nichts – außer ein Leben lang nur „rot“ gewählt.

Gemeindewohnungen verkaufen

Will man die Wiener vom Preisanstieg bei Immobilien profitieren lassen, muss man sie zu Immobilien-Eigentümern machen. Der schnellste Weg besteht darin, Gemeindewohnungen an Mieter zu verkaufen. Nach zwanzig Jahren Miete sollen die Wiener ihre Wohnung gegen eine Abstandszahlung erwerben können. Alternativ könnten Gemeindewohnungen auch bei kürzeren Mietzeiten zum Marktpreis erworben werden bzw. mit künftigen Mieten gut gerechnet werden können. In beiden Fällen müsste ein 20-jähriges Veräußerungsverbot vereinbart werden.

Wer Vermögens-Ungleichheiten ehrlich bekämpfen will, darf die Bevölkerungsmehrheit nicht mehr trickreich vom Immobilieneigentum fernhalten. Und wenn er es tut, dann muss er so anständig sein, dies im Vermögensbericht entsprechend zu erläutern.

Der Wirtschaftspädagoge und Betriebswirt Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt sich kritisch mit der Armutsdiskussion, aber auch den Thesen Christian Felbers oder Jean Zieglers.

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Fußnote 390: Unsere lieben Postler wollen streiken drucken

Die Postgewerkschaft droht wieder einmal mit Streik. Sie fürchtet sich vor Mehrarbeit, während sich kaum noch jemand vor der Postgewerkschaft fürchtet. Wie aber sieht nun wirklich die Post-Realität aus?

Am Tag der Streikdrohung stehe ich in der Schlange vor den drei Schaltern meines Postamtes. Bei meinem Eintreten wird auch noch überall gearbeitet. Aber während dieses Wartens fällt mir mit zunehmender Nostalgie der Supermarkt und das dortige Arbeitstempo ein, das ich eine halbe Stunde vorher erlebt habe. Denn: Eine Postlerin schließt trotz der Warteschlange plötzlich – um 10,20Uhr vormittags – ihren Schalter und taucht in der Folge nie wieder auf. Am zweiten Schalter beginnt der dahinter sitzende Amtsträger eine Plauderei mit einem Pensionisten, der offensichtlich vor Jahrzehnten selber Postler gewesen ist. Eine Viertelstunde lang können die wutschnaubenden Wartenden der lauten Unterhaltung darüber zuhören, wie gut es einst bei der Post gewesen sei. Und wie sehr deren Mitarbeiter heute ausgebeutet werden. Der Schalterbeamte sieht die erzürnten Kunden – und genießt ganz offensichtlich darob die gemütliche Plauderei doppelt. Ach ja, die Dame am dritten Schalter. Sie schickt eine Kundin wieder zurück in die Warteschlange, weil sie noch etwas zu tun habe. Nach drei Minuten beginnt sie aber dann tatsächlich in aller Ruhe die Wünsche der Kunden aus der Warteschlange zu bearbeiten. Diese wird freilich immer länger. Warum wohl?

Und das alles war wohlgemerkt noch nicht der Streik. Auch wenn der Unterschied nicht sehr auffällt.

 

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Fußnote 388: die weiße Riesenpracht und die Gewerkschaftsmacht drucken

Der gigantische Schneefall im Osten Österreichs hat dort fast alles verändert. Nur unsere liebe Gewerkschaft nicht.

Denn während ringsum alle fieberhaft werken, um das Leben trotz der weißen Massen in Rekorddimensionen (vermutlich eine Folge der globalen Erwärmung) einigermaßen in Gang zu halten, hat sich auch die Gewerkschaft zu Wort gemeldet. Mit einer einzigen Botschaft: Selbst bei einer Schneekatastrophe dürfe keinesfalls die Höchstarbeitszeit überschritten werden. Und wenn doch, dann solle das sofort angezeigt werden. Jetzt frage ich mich nur noch: Soll man diesen Schwachsinn (der freilich weitgehend der ebenso „lebensnahen“ Judikatur vieler Arbeitsgerichte entspricht) unter „Gewerkschaftliches Fingerspitzengefühl“ oder eher unter „Gewerkschaftliche Solidarität“ ablegen?

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SN-Kontroverse: Wehrpflicht drucken

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel „Kontroverse“, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Wehrpflicht noch sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Profis statt Zwang

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Zwangsverpflichtung junger Männer zum Bundesheer ist sinnlos und eine Verschwendung von Ressourcen. Sie entspricht nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Landesverteidigung. Das derzeitige System ist sehr teuer. Laut einer Studie der Wirtschaftswissenschafterin Gudrun Biffl kostet die Wehrpflicht jeden Grundwehrdiener rund 77.500 Euro durch den Verlust an Lebenseinkommen und beruflicher Perspektiven.

Bereits 21 von 27 EU-Länder haben eine Berufsarmee. Eine konventionelle militärische Bedrohung durch Panzer gibt es nicht mehr. Die Bedrohungen sind komplexer geworden, sie treten kurzfristig ein. Terrorismus, das Scheitern von Staaten, Angriffe auf IT-Systeme, die Bedrohung strategischer Infrastruktur oder der Klimawandel, das sind die modernen Gefahren.

Im Kampf dagegen sind gut ausgebildete Soldaten nötig. Das derzeitige System ist veraltet. Es ist auf die nicht mehr existente Bedrohung des Kalten Krieges aufgerichtet mit einem Massenheer, in dem 60 Prozent der etwa 24.000 Grundwehrdiener als Systemerhalter und somit als Fahrer, Köche, Kellner oder Schreiber eingesetzt werden. Ein gewaltiger Apparat ist damit beschäftigt, die restlichen 40 Prozent der Rekruten in kürzester Zeit zur Abwehr eines Feindes auszubilden, den es in dieser Form nicht mehr gibt. Das ist absurd!

Durch ein Berufsheer ist der Katastrophenschutz besser gewährleistet. Bei den Pionierbataillonen, den Spezialisten im Katastrophenfall, werden im Profiheer die Grundwehrdiener eins zu eins durch Berufssoldaten ersetzt. Das heißt gleiche Mannstärke bei besserer Ausbildung.

Ein Berufsheer bedeutet keineswegs Abschaffung der Neutralität. Einen Zusammenhang zwischen Profiheeren und NATO-Mitgliedschaften gibt es nicht. Neutrale und allianzfreie Staaten wie Irland und Schweden haben ein Profiheer. Es ist hoch an der Zeit, den Zwang zum Heer abzuschaffen und auf Profis zu setzten.
 

Wenn uns Österreich noch etwas bedeutet

Andreas Unterberger

Am Bundesheer ist vieles dringend zu verbessern: Von der oft lustlosen Ausbildung über die (laut linken Politikern) Asylanten nicht zumutbaren Kasernen, die veraltete Ausrüstung, den Überhang an Schreibtischbeamten, die Abschaffung der Miliz bis zum Missbrauch von Wehrpflichtigen als Gratis-Kellner für Offiziere & Co (die es ja für Staatsbeamte sonst auch nicht gibt). Die Abschaffung der Wehrpflicht wäre aber die völlig falsche Antwort.

Sie würde das Heer nicht verbessern, sondern überdies in eine gefährliche Ansammlung aus arbeitslosen Unterschicht-Angehörigen und Zuwanderern verwandeln. Sie würde in Zeiten sinkender Geburtenraten große Lücken bei Aufgaben wie Katastrophenhilfe oder Zivildienst reißen. Sie würde noch dazu mit Sicherheit mehr kosten - die Versuche von Herr Darabos, seine Ideen mit ständig neuen Zahlen schönzurechnen, sind nur noch grotesk.

Eine Wehrpflicht - und Dienstpflicht für echte(!) soziale Aufgaben - bedeutet ein zentrales Zeichen, dass Staatsbürgerschaft, dass Gemeinschaft nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten heißt (übrigens auch für Frauen). Zumindest solange uns diese Republik noch irgend etwas bedeutet.

Wehrpflicht ist pädagogisch für viele junge Menschen in einer schwierigen Orientierungsphase sinnvoll. Sie geht auch von der historischen Erfahrung aus, dass sich die - derzeit gute - Sicherheitslage viel rascher ändern kann, als ein Heer wieder aufgebaut wäre. Nur bei einer Wehrpflicht gibt es ausreichend Bewaffnete, welche die sensible Infrastruktur (Wasserleitungen, Kraftwerke . . .) gegen terroristische Bedrohungen sichern können.

Über ihr Ende nachzudenken, wäre höchstens dann sinnvoll, wenn Österreich in ein Bündnis mit Arbeitsteilung einträte, in dem die einen die Luftraumsicherung besorgen, die anderen etwa friedensschaffende Polizeieinsätze. Aber darüber will ja heute niemand auch nur diskutieren.

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Die Pyramidenspieler von der Arbeiterkammer drucken

Die Sorgen der Menschen um die eigene Altersversorgung, um die Bewahrung ihres Lebensstandards wachsen ständig. Viele schließen daher Privatversicherungen ab. Die Arbeiterkammer kämpft jedoch aus schwer ersichtlichen Gründen mit untergriffigen Slogans dagegen (und gefährdet damit auch gleich die Jobs ihrer Zwangsmitglieder in den Versicherungen): „Versicherungen ziehen Dir das Geld aus der Tasche und können zur Bereicherung anderer führen. Pass auf!“ Wahr ist aber eigentlich ein anderer Satz: „Die Arbeiterkammer zieht dir das Geld aus der Tasche und bereichert sich damit. Pass auf!“

Die erstgenannte Aussage findet sich in einem „Bilderbuch“ der oberösterreichischen Arbeiterkammer. Dabei ist die AK selbst die raffinierteste Selbstbereicherungs-Organisation der Republik. Während jede Änderung bei Steuern, Abgaben, bei Benzin- oder Zigarettenpreis sofort für große Aufregung sorgt, kassiert die Arbeiterkammer in aller Ruhe von allen Arbeitnehmern 0,5 Prozent des Lohns. Sie schneidet damit auch bei jeder Lohnerhöhung automatisch mit. Sie hat sich auf diese Weise eine stolze Kriegskasse für die bevorstehenden Wahlkämpfe gesichert, in denen sie jedes Mal die SPÖ kräftig unterstützt.

Was noch ärger ist: Die Arbeiterkämmerer haben durchgesetzt, dass der ganze Coup geheim bleibt. Bleiben muss. Kein Arbeitgeber darf diesen Abzug auf den Gehaltszetteln ausweisen. Das Arbeiterkammergeld ist laut Gesetz vielmehr im Sozialversicherungsbeitrag zu verstecken. Das ist eine der übelsten Betrügereien in dieser ohnedies nicht gerade für Transparenz berühmten Republik.

Noch übler ist aber, was die Arbeiterkammer mit diesem Geld macht. Jüngstes Beispiel ist ein „Bilderbuch Pensionspanorama – wie junge Menschen das Thema Altersvorsorge sehen“. Darin finden sich neben halblustigen  Zeichnungen „Infos und Tipps“ der Arbeiterkammer. In den Zeichnungen wird jeder, der privat für eine Zusatzpension vorsorgt, als so naiv verhöhnt wie ein kleines Mädchen, das sich von einem Missbrauchstäter ins Auto locken lässt.

Um diese infame Botschaft zu verbreiten hat man den Altkarikaturisten Haderer beauftragt, junge Kunststudenten zeichnen zu lassen. Zwar muss Haderer in seinen Anmerkungen im Bilderbuch selber zugeben, dass sich die Zeichner „davor nur wenig mit Pensionen und Altersvorsorge beschäftigt“ haben. Aber „in mehreren Sitzungen“ sind sie dann von den Arbeiterkämmerern belehrt worden. Danach haben ihre Zeichnungen jedenfalls eine hundertprozentig Arbeiterkammer-konforme Sichtweise angenommen.

Diese rasche Bereitschaft zum Meinungswandel bei politisch in aller Regel ahnungslosen Möchtegern-Künstlern hängt wohl damit zusammen, dass sie von der AK „wirklich anständig honoriert“ worden sind, wie es Haderer selbst formuliert.

Wo das Geld, dort die Meinung. Oder bekäme irgendjemand von der Arbeiterkammer auch dann ein Honorar, wenn er betont, dass alle Arbeitnehmer Österreichs ihr ganzes lohnabhängiges Leben lang die hochbezahlten Arbeiterkämmerer samt deren großzügigen Pensionsregeln zwangsfinanzieren müssen? Und dass die Arbeitnehmer das ungefragt und ohne Wahlmöglichkeit tun müssen – also ganz im Gegensatz zu jedem, der eine Privatversicherung abschließt.

Gewiss: In Jahren, da die Schuldenpolitik reihum zu Bankrotten führt, verlieren auch viele private Versicherungen an Wert. Gewiss: Es gibt Versicherungsverkäufer, die nicht immer vollständig über alle Risken aufklären. Da ist jedem Einzelfall nachzugehen. Da sind schon einige Versicherungsverkäufer verurteilt worden, wenn sie Unwahrheiten gesagt haben. Da sind Informationspflichten zu verschärfen, falls es da irgendwelche Lücken geben sollte (worauf aber nichts Konkretes hindeutet).

Aber all das ist geradezu harmlos im Vergleich zur betrügerischen Behauptung der AK-Broschüre, dass sich kein junger Mensch Sorgen um die staatliche Altersversorgung machen brauche. Trotz der demographischen Katastrophe, die immer weniger Einzahler immer mehr Pensionsbeziehern gegenüberstellt. Trotz der Rekordschulden aller öffentlichen Pensionskassen. Trotz des schon seit Jahren stattfindenden realen Schrumpfens vieler staatlicher Pensionen. Gerade jene, die als Leistungsträger gearbeitet und verdient haben, werden von den gleichmacherischen Pensionsreformen der letzten Jahre hart getroffen. Während die Ausgleichszulagen (also Pensionen, für die nichts oder zu wenig eingezahlt worden ist) überdurchschnittlich steigen, verlieren die Pensionen, für die viel eingezahlt worden ist, alljährlich real deutlich an Wert.

Die Arbeiterkammer verteidigt jedoch nicht die Interessen dieser Pensionisten. Sondern sie stellt – mittels der bestellten Zeichnungen – Versicherungen und deren Mitarbeiter, die auf diese Bedrohungen hinweisen, als üble Rattenfänger dar. Und als Monster. Als Hütchenspieler. Als Räuber. Als gefräßiger Wolf. Und jeder, der sich selbst versichert, wird als einfältiges Baby skizziert.

Wohlgemerkt: Diese Kampf-Karikaturen entstanden nicht als spontane persönliche Meinungsäußerung, sondern als Folge von Indoktrination und Missbrauch öffentlicher Zwangsabgaben.

Die Kammer versucht in diesem Heft auch Argumente zu finden, warum die staatliche Pension sicher sei. Diese Argumente sind dann besonders abenteuerlich: Man brauche sich keine Sorgen zu machen, weil die Geburtenrate steigen werde (wofür es keinerlei Anzeichen gibt) und weil die Produktivität hoch sei (obwohl deren Wachstum in Wahrheit von Jahrzehnt zu Jahrzehnt abnimmt).

Versprechungen, die auf reinem Wunschdenken beruhen, sind für Strafrechtler ein reines Pyramidenspiel. Mit und ohne Karikaturen einfältiger Jungzeichner.

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Die grüne Schlacht gegen Hänge-WC und Badfliesen drucken

Viele Jahre war der Berliner Stadtteil Pankow ein Synonym für die dort ansässige DDR-Regierung. Heute zeigt der Bezirk eine Rückkehr des Totalitarismus in breiter Front – und die real existierende grüne Wohnungspolitik. Da kann selbst die Wiener Bürgerhasserin und Mietzins-Reguliererin Vassilakou noch vieles lernen (aber diesbezüglich ist sie ja wohl lernfähig).

In Pankow wird von der Linken so richtig Ernst im Kampf gegen die Reichen gemacht. Dort ist sogar schon die Installierung von Hänge-WC genehmigungspflichtig, weil diese als zu luxuriös gelten. Dem grünen „Stadtentwicklungs-Stadtrat“ ist das als Kampfansage gegen die ihm verhasste „Luxussanierung“ aber noch viel zu wenig.

Seit dem Jahreswechsel ist es in etlichen Gebieten Pankows nun auch verboten, zwei Kleinwohnungen zu einer größeren zusammenzulegen. Weiters ist neuerdings verpönt, eine Fußbodenheizung zu installieren. Ebenfalls vom Verbot betroffen ist der Einbau von Kaminen, der Einbau eines zweiten Bades oder eines zweiten Balkons. Wärmedämmungen von Fassaden – einige Jahre lang die wichtigste Fahnenfrage für aufrechte Grüne! – wird jetzt auf einmal nur noch genehmigt, wenn nicht mit neuen Fenstern und Heizungen ohnedies die Vorgaben der „Energiesparverordnung“ erreicht werden.

In anderen grün regierten Gegenden Berlins ist es untersagt, Bäder bis zur Decke zu fliesen. In den nächsten Jahren soll überhaupt die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen verboten werden, ebenso die gewerbliche Nutzung von Wohnungen (in einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit!).

Ursache des grünen Klassenkampfs – der natürlich auch von den dortigen Roten unterstützt wird – ist der Zuzug besser verdienender Familien. Andere Städte locken solche Mieter an, aber in Pankow will man sie nicht. Die Linksparteien fürchten ganz offensichtlich dadurch den Verlust von Wählern und lokalen Mehrheiten. Das geben sie natürlich nicht offen zu, sondern sprechen von der Notwendigkeit einer „Durchmischung“. Das heißt aber nichts anders, als dass letztlich die Politik vorgibt, wer wo wohnt.

Ähnliche Motive hatte ja auch jahrzehntelang in Wien die SPÖ. Sie hat deswegen in die teuersten Wohngegenden am Westrand der Stadt Gemeindebauten und parteinahe Studentenheime hineingebaut, um die politischen Mehrheiten in den dortigen Bezirken umzudrehen. So weit, dass sie den Menschen auch noch die Verbesserung ihrer eigenen Wohnungen verboten hätten, sind aber nicht einmal die Wiener Genossen gegangen. Dazu brauchte es wohl erst die Grünen.

Was wird dann wohl als nächstes kommen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit und Logik droht dann die Zwangseinweisung von Mietern und die Festlegung von Quadratmeter-Höchstgrenzen pro Kopf. In Pankow ist es ja auch noch gar nicht so lange her, dass die dort lebenden Menschen das alles erdulden mussten (nur natürlich nicht in den Wohnungen und Häusern der herrschenden Nomenklatura).

Anders als mit einer ständigen Eskalation solcher regulatorischen Zwangsmaßnahmen können die Linken den steigenden Wohnbedarf nämlich gar nicht mehr in den Griff bekommen. Gerade in Berlin sind die Stadtkassen radikal leer, die Stadt kann also kaum bauen. Und kein privater Investor wird dort Geld anlegen, wo er mit solchen radikalen Enteignungsmethoden rechnen muss.

Zwar ist es richtig, dass durch Zusammenlegungen Wohnungen verloren gehen. Aber das in einem funktionierenden Wohnungsmarkt angelockte Investitionskapital würde selbst bei starker Nachfrage (solange es genügend Stadtentwicklungsraum gibt) immer mehr Wohnraum schaffen, als solcherart verloren geht.

Kompliziertere ökonomische Zusammenhänge waren den Linken jedoch immer schon fremd. Und die Freiheit der Menschen, die frecherweise heute etwas komfortabler wohnen wollen als vor 100 oder 200 Jahren, ist für Grüne und Rote sowieso ein Verbrechen.

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Die lustigen Armutsstatistiken: Die armen Deutschen und die reichen Griechen drucken

In den Weihnachtstagen war die Chance besonders groß, dass man von einem Priester oder Politiker oder Journalisten wieder etwas von der wachsenden Armut in Österreich vorgeschwätzt bekam. In diesem Fall sollte man ihn einfach mit seinem Geschwätz stehen lassen, eine andere Kirche besuchen, eine andere Partei wählen oder das Medium wechseln.

Denn in Wahrheit sinkt die Armut in Ländern wie Deutschland oder Österreich seit vielen Jahren ganz signifikant. Es wird nur deshalb ständig vom Wachsen der Armut geredet, weil dies bestimmten Interessen hilft. Die einen wollen zur Auflagen/Seher-Vermehrung auf Tränendrüsen zu drücken (was meist wenig hilft); andere wollen die Spendenbereitschaft erhöhen (was zu Weihnachten deutlich hilft); auf der politischen Ebene ist die Armutsrhetorik die Universalwaffe, um immer noch mehr Steuern und Umverteilung zu fordern (die ja in der Tat ständig intensiviert wird); und wieder andere müssen im eigenen Interesse den Geldfluss Richtung der großen Armutsindustrie aufrechterhalten und vermehren (was offensichtlich sehr erfolgreich ist).

Zu dieser Industrie gehören etwa die Caritas, die Diakonie, sogenannte Armutskonferenzen und zahllose andere private wie staatliche Organisationen, Vereine, Ämter. Diese wollen alle jedenfalls einmal sich selber verwalten und am Leben erhalten. Sie alle können daher nie im Leben zugeben, dass sich die Armuts-Situation signifikant verbessert hat.

Armut nimmt in Österreich jedoch nur in einer einzigen Gruppe zu: Bei den Zuwanderern aus afrikanischen und islamischen Ländern – sofern wir von den offiziellen Einkommensdaten ausgehen. In diesen ist freilich naturgemäß keinerlei Schwarzarbeit verzeichnet.

Die Absurdität der Armutsstatistiken zeigt sich im internationalen Vergleich besonders krass. In Deutschland wird für den Zeitraum 2005 bis 2011 eine Zunahme der Armutszahlen von 18,4 auf 19,9 Prozent ausgewiesen. Dabei hat sich dort im gleichen Zeitraum die Zahl der damals fünf Millionen Arbeitslosen halbiert. Das ist wohl der beste Beweis eines Erfolgs im Kampf gegen Armut. Die Ursache dieses Erfolgs war Hartz IV, eine parteiübergreifende Reform (Agenda 2010), die unter der rotgrünen Regierung Schröder begonnen worden war. Sie hat den Bezug des Arbeitslosengeldes zeitlich beschränkt, und den daran anschließenden Erhalt von Not-Unterstützung an strenge Kriterien und vor allem Arbeitswilligkeit gebunden. Und siehe da: Die Arbeitslosigkeit schmolz so schnell dahin, wie es vor zehn Jahren absolut niemand für möglich gehalten hatte.

Aber dennoch hat laut Statistik die Armutsgefährdung in Deutschland zugenommen.

In Wahrheit zeigen solche Armutsmessungen nämlich immer nur das Ausmaß von Ungleichheit. Und die kann eben auch dann zunehmen, selbst wenn es allen zu hundert Prozent besser geht. Und damit nimmt eben auch die angebliche Armutsgefährdung zu. Diese gibt es statistisch immer dann, wenn man weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens verdient (das ist das mittlere Einkommen).

Wie grotesk diese Behauptung ist, zeigt sich vor allem im Vergleich zu Griechenland und Portugal: Denn während in Deutschland die Armut in dieser Zeit gestiegen sein soll, ist sie laut der gleichen Messmethode in diesen beiden Ländern gesunken. Sie haben richtig gelesen: Laut Armutsstatistik gibt es in Griechenland und Portugal heute deutlich weniger Arme als in der dortigen (schuldenfinanzierten) Boomzeit von 2005. Dabei sind die beiden Länder seither in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt.

Man kann diesen statistischen Armuts-Schwachsinn auch konkret zeigen: In Österreich ist eine durchschnittliche vierköpfige Familie armutsgefährdet, wenn sie "nur" 2160 Euro im Monat ausgeben kann. Gar nicht zu reden von den rund 15 Prozent des Volkseinkommens, die nach seriösen Schätzungen noch zusätzlich (wenn auch gewiss nicht von jeder Familie) schwarz, also an allen Statistiken vorbei verdient werden.

Zu dem bar verfügbaren Betrag kommen in sehr vielen „armen“ Fällen noch durch Steuermittel geförderte Eigentumswohnungen, von anderen subventionierte Kranken- und Pensionsversicherungen, ORF- und Telefongebührenbefreiung, Gratis-Schule, Gratis-Kindergarten, aus sozialen Gründen subventionierte Verkehrsmittel und vieles andere mehr. All das sind Dinge, die es in vielen deutlich ärmeren Ländern nicht gibt. Und fast alle hierzulande vorgeblich Armen haben Waschmaschine, Farbfernseher und auch ein Auto zur Verfügung.

Trotz dieser extensiven Armutsberechnung ist in Österreich die Zahl der Armutsgefährdeten sowohl absolut wie relativ zurückgegangen. Aber bevor einer aus der Armutsindustrie diesen Rückgang zugeben würde, beißt er sich lieber die Zunge ab. Statt dass man endlich einmal sagt: „Danke, liebe Steuerzahler und Spender, dank Eurer Hilfe war der Kampf gegen die Armut in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr als erfolgreich“, erfindet man halt neue Armutsdefinitionen.

Die österreichische Armutsindustrie hat seit einigen Jahren einen manipulationssicheren Verbündeten im neuen Leiter der Statistik Austria. Dieser Herr Pesendorfer kam direkt aus dem SPÖ-Machtzentrum, für deren Selbstverständnis ja der Glaube an die ständig steigende Armut noch wichtiger ist als für die Tabakindustrie der Glaube an die Ungefährlichkeit des Rauchens. Mit Pesendorfers Hilfe wurde 2008 nun eine manifeste Armut erfunden. Seither ist man „manifest“ arm, wenn man mehr als 25 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgibt. Diese ebenso seltsame wie willkürliche Definition machte über Nacht beispielsweise Zehntausende Studenten zu Armen.

Und Rot wie Grün haben dadurch wieder ein Argument mehr, um noch mehr Steuern zu verlangen. Und die Journalisten können weiterhin alljährlich den gleichen Betroffenheitsartikel zu Weihnachten schreiben (viele tun es auch das Jahr über regelmäßig, weil ihnen nichts anderes einfällt). Und die Kirchen können gegen die wachsende Armut predigen – obwohl sie über mehr Arme eigentlich froh sein müsste, weil ja kaum ein Reicher ins Himmelreich kommt . . .

PS.: Um nicht missverstanden zu werden: Weniger materielle Armut heißt keineswegs, dass ein Land wie Österreich automatisch glücklicher geworden wäre. Immer mehr zerbrochene Familien und deren Kinder, immer mehr einsame Alte (deren Zahl noch dramatisch zunehmen wird, da jetzt die vielfach kinderlosen Babyboomer ins Rentenalter rutschen), misshandelte Muslim-Frauen, bildungsfern aufwachsende Kinder in Zuwandererfamilien: Das alles bietet mehr als genug Anlass für persönliches, zwischenmenschliches Engagement. Das alles sind Alarmsignale einer wachsenden seelischen Armut. Das alles bietet jedoch kein Argument für immer noch mehr Umverteilung. Das alles ist zum Teil sogar direktes Produkt des Wohlfahrtsstaatsdenkens. Daher wird es eben aus bestimmten Interessen heraus ignoriert.

PPS.: Dieses expansive Wohlfahrtsdenken ist natürlich auch die Hauptursache der schweren Schuldenkrise, die Österreich, Deutschland und noch viel mehr den Rest Europas erfasst hat. Die ja an diesem Ort an anderen Tagen immer wieder analysiert wird.

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Ein Weihnachtspackerl von der Pharmaindustrie für die Kinder? drucken

Um die Kindergesundheit ist es in Österreich nicht zum Besten bestellt. Neben Übergewicht und Diabetes sind da vor allem die mangelhaften Leistungen der Krankenkassen für Kinder ein zentrales Problem. Wer Kinder hat, der weiß, wovon ich rede.

Brillen, Zahnspangen, Legasthenikertherapien (in Deutschland von der Krankenkasse bezahlt), Psychologe hier, Therapie da. Es gibt die Eltern, die sich diesen Luxus leisten können und alles auch privat zahlen – und eben die anderen, die das nicht können. Die rennen von Pontius zu Pilatus und hören Antworten wie: „Die nächste freie Ergotherapie auf Kassenkosten gibt’s in circa 18 Monaten.“ Das tröstet eine Mutter sicher, deren Zweijähriger jetzt motorische Probleme hat.

In dieser Hitliste führt das jüngste Bundesland übrigens: Das Burgenland hat sieben Kinderfachärzte mit Kassenvertrag für das ganze Bundesland und zwei Spitalsabteilungen für Kinder. Da empfehle ich jedem Gesundheitspolitiker, einmal ein paar Stunden in der Ambulanz zu verbringen. Das eröffnet neue Welten. Keine Sorge, der Herr Landesrat für Gesundheit hat erst kürzlich eine Umfrage gemacht: Die Burgenländer sind zufrieden mit ihrem Gesundheitswesen. Da fragt sich nur: Wen hat er gefragt? Ich kenne keinen von den zufrieden Strahlenden. Denn im Burgenland gibt es nicht einen einzigen Logopäden mit Kassenvertrag, keine Physiotherapeuten mit Vertrag. Keinen Facharzt für Kinder-Neuropsychiatrie. Die gibt’s sowieso nur privat. Also offenbar paradiesische Zustände.

Geld für Kindergesundheit falsch investiert

Zurück zu den Kindern: Die Pharmig, ein Interessenverband der Pharmaindustrie, schüttet nun viel Geld aus, damit etwas für die Kindergesundheit geschieht. Klingt gut. Aber wie tut sie das? Und wer bekommt das meiste Geld? Das meiste Geld haben sich ausgerechnet die Krankenkassen von der Pharmig geholt. Wäre die medizinische Grundversorgung nicht eigentlich etwas, das die Krankenkassen leisten müssten?

Und ganz zufällig saßen die Krankenkassen auch in jenem Gremium, das über die Geldverteilung zu beschließen hatte. Von insgesamt 112 eingereichten Projekten bekommen 18 eine Unterstützung durch die Pharmig. Fast alle jener Initiativen, die sich eigenständig um die Verbesserung der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen bemühten, gingen leer aus.

Stattdessen möchte die Wiener Gebietskrankenkasse plötzlich psychische Gesundheit groß schreiben und mit dem Pharmig-Geld Workshops für Jugendliche finanzieren. Wie wärs, wenn sie endlich einmal die Therapie psychischer Krankheiten zahlt? Mediziner kritisieren, dass die Verschreibungen von Methylphenidat steigen (Ritalin, Concerta), aber das ist die einzige Therapie, welche die Kasse bei der Krankheit ADHS zahlt – von Psychotherapie, Ergotherapie oder ähnlichem werden hingegen nur rund 20 Prozent gedeckt. Nun wird uns vorgegaukelt, dass Workshops in 35 Schulen der Sekundarstufe 1 eine gezielte Förderung der psychischen Gesundheit und langfristige Einsparungen erreichen werden.

Zu den Nutznießern des Pharmig-Geldes zählen auch die Steiermärkische Gebietskrankenkasse und die SVA (der gewerblichen Wirtschaft), die ganz zufällig durch ihren Vize-Präsidenten McDonald ebenfalls im Gremium vertreten war. Dort will man Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche fördern. Wie viele Menschen nehmen Vorsorgeuntersuchungen wahr? Wie viele davon sind bei der SVA? Im Übrigen  gehört die SVA zu den wenigen sehr positiv bilanzierenden Kassen. Warum muss sie gesponsert werden? Ein Schelm, wer hier irgendwelche Zusammenhänge erahnt.

Gleich fünf Gebietskrankenkassen kassieren gemeinsam mit der Liga für Kinder und Jugendgesundheit zum (an sich zweifelsfrei wichtigen) Thema frühe Hilfen.

Aber es kommt noch besser: Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Promotion Research wird auch gesponsert. Dieses Institut wird regelmäßig mit Studienaufträgen des Unterrichts- und Gesundheitsministeriums gefüttert und veranstaltet dann datenrechtlich bedenkliche Studien wie die HBSC-Studie (Health Behavoiur in School-aged Children). Medial wird dann groß diskutiert, wie viele dieser schrecklichen Jugendlichen rauchen und Alkohol trinken. Dann kommt die Studie in eine Lade und fertig. Ändern tut sich nichts – bis zur nächsten Studie. Vielleicht hat sich dann das Problem von alleine gelöst?

Dieses Institut wird jetzt in einer epidemiologischen Studie die psychische Gesundheit erheben. In bewährter Art wird das in Schulklassen erfolgen, wie bei HBSC sind 11-, 13-, 15- und 17-Jährige die Objekte, deren Eltern wahrscheinlich wieder nicht um ihre Zustimmung gefragt werden. Was braucht‘s dringender: Konkrete Therapien oder die Aufbereitung der epidemiologischen Situation?

Aber es haben auch zwei wirklich sehr interessant klingende und sicher dringend bedürftige Projekte den Zuschlag bekommen. Beide kümmern sich um Autisten (Angeblich war der Attentäter beim kürzlichen Amoklauf in Newtown/Connecticut Autist). Dabei bleibt aber eine große Unbekannte, nämlich: Welches Projekt hat wie viel Geld bekommen?

Ich vermute, die Projekte der Krankenkassen liegen im sechsstelligen Bereich, die für Autisten und andere Randgruppen bleiben vierstellig. Und jetzt möge jeder für sich beurteilen, ob das ein schönes Geschenk für Kinder unter dem Christbaum ist.

Der Hintergrund der Pharmig-Aktion: Anstatt die Spannen der Großhändler und Erzeuger zu kürzen, haben diese einen Solidarbeitrag beschlossen. Also: Die Pharmabranche ist solidarisch mit dem Defizit der Kassen. Und zahlt. Sie zahlt insgesamt 82 Millionen Euro Solidarbeitrag.

Davon werden über mehrere Jahre 6,75 Millionen Euro, das sind also rund acht Prozent des ganzen Kuchens, in das hehre Ziel der Kindergesundheit investiert. Aber ganz zufällig haben sich eben bei der Verteilung dieses Betrags wieder primär die Kassen selber bedient. Da schaltet man halt nach gut österreichischer Art eine angeblich völlig unabhängige Kommission dazwischen, welche die Projekte auswählt und lauter liebe Menschen, die Kindern etwas Gutes tun wollen. Tun sie aber nicht, auch wenn sie die angebliche Kinderfreundlichkeit knapp vor Weihnachten verkünden.

Der Autor ist ein Wiener Arzt

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Hilfe, die Einkommen fallen. Oder doch nicht drucken

Alle Zeitungen haben breit über die Statistik berichtet, und der ORF natürlich auch: Im Vergleich zu 1998 fallen alle Einkommen in ihrem realen Wert, nur bei den Beamten und Pensionisten steigen sie. So wurde es ohne jedes Nachdenken vermeldet. Immerhin stammen die Zahlen ja vom Rechnungshof. Diese Informationen müsste eigentlich vorrevolutionären Zorn aufkommen lassen. Wenn sie richtig wären.

Aber kein Journalist hat sich die Mühe gemacht nachzudenken, obwohl doch bei fast jedem Lohnabschluss die Gewerkschaft weit über der Inflationsrate liegende Abschlüsse erkämpft. Da können doch eigentlich die Realeinkommen nicht sinken? Das taten sie auch keineswegs. In dem untersuchten Zeitraum 1998 bis 2011 sind alle Realeinkommen in Wahrheit deutlich gestiegen, auch deren „Median“-Wert.

Da aber die große Mehrzahl der Journalisten links ist, hat ihnen die Meldung von den schrumpfenden Realeinkommen sehr gefallen. Passt doch die Behauptung wunderbar in die linke Gehirnwäsche, dass die Armen und der Mittelstand immer ärmer würden.

In der Statistiken des Rechnungshofs scheint das auch tatsächlich so zu sein (zumindest wenn man seinen Bericht schlampig liest). Das Phänomen ist jedoch eine statistische Täuschung. Zu dem falschen Eindruck hat die Tatsache geführt, dass zugleich der Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Arbeitnehmern massiv zugenommen hat. Ein Gutteil des Zuwachses der Erwerbstätigen besteht aus Menschen, die nicht voll arbeiten, die daher auch deutlich weniger verdienen als ein voll Erwerbstätiger.

Wenn man nun einfach einen Median aller Lohnbezieher berechnet (also das genau in der Mitte liegende Einkommen), dann ist dieser dadurch viel langsamer gestiegen als der Medianwert nur der voll Erwerbstätigen. Dabei ist auch für einen nur zu 50 Prozent beschäftigten Arbeitnehmer, der vorher in der Mehrzahl der Fälle gar nicht beschäftigt war, die Steigerung von Null auf ein halbes Einkommen eine gewaltige Verbesserung.

Die gleiche Ursache hat auch das steigende Auseinanderklaffen von Männer- und Fraueneinkommen. Denn die meisten der nur in Teilzeit Werktätigen sind Frauen. Diese wollen zum Großteil gar nicht länger arbeiten. Dennoch drückt der Wechsel von der Nur-Hausfrau (die in der Statistik mangels Einkommen gar nicht vorkommt) zur Teilzeitkraft statistisch das Median-Einkommen aller Frauen.

Wieder einmal ist damit die ganze Nation einer unsauber aufbereiteten Statistik hineingefallen.

Unrichtig ist nämlich auch das angeblich stark überproportionale Steigen der Beamtengehälter, das berichtet worden ist. Dieses hängt einzig und allein mit der massiven Überalterung der Beamten und dem teilweisen Aufnahmestopp zusammen. In höheren Lebensjahren verdienen aber Beamte halt deutlich mehr als in jüngeren (ob man das nun für gut oder falsch halten mag).

Auch bei den scheinbar reicher gewordenen Pensionisten trügt die Statistik. Diesmal täuscht sie aber in die andere Richtung. Real mehr Geld gibt es nur für die Bezieher der kleinen (Zusatz!-)Pensionen und vor allem der Ausgleichszulagen. Die Bezieher besserer Pensionen sind hingegen die einzige Gruppe, die echt einen realen Verlust erlitten hat, obwohl sie für ihre Pensionen prozentuell am meisten eingezahlt haben. Dieser Verlust für die höheren Pensionen ist auch dann der Fall, wenn man die Beamten (mit ihrem – noch – sehr eigenen Pensionssystem) herausnimmt.

Zeitungen und ORF haben also ziemlich genau das Gegenteil der Wirklichkeit berichtet. Der Dank für die Aufklärungshilfe hat diesmal primär den Sozialexperten der WKO zu gelten, die den Rechnungshof-Kuddelmuddel nachgerechnet haben.

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Arbeiterkammer und Abstiegsangst: Wie man eine Gesellschaft zu Wutbürgern erzieht drucken

Neunzig Prozent der Österreicher finden generell, dass es ungerecht im Lande zugeht, die Armenzahlen würden steigen. Mit dem eigenen Leben (sehr) zufrieden sind hingegen achtzig Prozent der Menschen, fast siebzig Prozent auch in materieller Hinsicht (Kurier, 1.11.). Und laut EU wird die Armut hierzulande immer kleiner. Damit dieser eklatante Widerspruch so bleibt, impft die Arbeiterkammer (AK) die heimischen Redaktionen wöchentlich mit einer Dosis „Gift“: Danach werde es seit Jahren ungerechter, teurer und ungleicher.

In den 1920ern war die Taktik, das System so zu ändern, entsetzlich gescheitert.

  • „Noch nie so viele Arbeitslose im Pinzgau!“, lässt Siegfried Pichler von der AK Salzburg die Salzburger Nachrichten titeln. Im Kleingedruckten erfährt man von 5,3 Prozent, und dies auch nur im Oktober. In den meisten Regionen dieser Welt gelten 5 Prozent als Vollbeschäftigung – noch dazu in einer abgelegenen Gebirgsregion. Oder anders gesehen: 95 Prozent der Menschen haben gut(e) Arbeit.
  • „Kühle Zeiten am Arbeitsmarkt!“, behauptet die AK OÖ (SN, 9.11.) in ihrem Arbeitsklima-Index. Diesen erstellt das (eher SPÖ-nahe) SORA Institut u.a. auf der Basis von Internet-Eingaben auf der AK-Homepage. Das Ergebnis: Die Zufriedenheit mit Arbeitsklima, Vorgesetzten oder Karrierechancen nimmt ab. Beauftragt man hingegen unabhängige Institute wie das Market mit einer repräsentativen Umfrage (14.11.), sieht die Sache anders aus: 80 Prozent sind mit ihren Vorgesetzten zufrieden, 82 Prozent mit dem Arbeitsklima, 67 Prozent mit dem Verdienst.
  • „Die Manager haben ihre eigenen Bezüge um 13 Prozent erhöht – die ihrer Angestellten aber um 5 Prozent gekürzt!“, behauptete Wiens Arbeiterkammer (23.5.2008). Das trieb den Hass der Menschen auf Konzerne oder Manager in dunkle Höhen.?Dabei hatte die AK geschickt den Absturz osteuropäischer Währungen gegenüber dem Euro während der Finanzkrise ausgenutzt: Beim Umrechnen Hunderttausender Löhne von in Osteuropa beschäftigten Mitarbeitern österreichischer Konzerne aus den lokalen Währungen hatte dies zu niedrigeren Euro-Beträgen in heimischen Konzernbilanzen geführt. Aber niemand hatte die Löhne gekürzt – im Gegenteil!
  • „Die Manager verdienen das 48fache ihrer Mitarbeiter!“, schrie die AK damals wütend in die Welt. Auch dieser Vorwurf stand auf schwachen Beinen. Auf 1:48 kam nur, wer ukrainische Schalterbeamte mit österreichischen Vorständen verglich. Verglich man österreichische Beschäftigte mit ihren österreichischen Top-Managern, kam man nur auf 1:11.

In ihrer Gerechtigkeitskampagne schwört die AK die Österreicher auf die Ungerechtigkeit des Systems ein. „Alles“ würde teurer werden, das Leben immer schwerer und ungerechter. In Wahrheit können sich die Menschen heute aber in vielen Bereichen doppelt so viel leisten wie noch vor 30 Jahren (Gewinn 4a/12). Nie zuvor waren persönliche Freiheiten, Berufschancen oder Lebenserwartung höher.

„Kommunistische Rhetorik“: Wie in den 1920ern?

Für den Arbeiterkämmerer Pichler sind an der Finanzkrise nur Banken („irgendwelche G`fraster“) oder Spekulanten schuld, die Kleinen müssten für die Krise zahlen. Kein Wort, dass 97 Prozent von Österreichs Schulden schon vor der Krise bestanden hatten. Und dass diese auf ein marodes Pensionssystem zurückzuführen sind, deren Reform die AK schon seit Jahrzehnten zu verhindern weiß. 18 Milliarden schießt die Republik Jahr für Jahr aus Steuermitteln zu. Ohne sie hätte Österreich kein Defizit von 13 Milliarden – sondern einen Überschuss von 5 Milliarden. Und es würde sich weitere 8 Milliarden für die Zinsen sparen – denn das Land wäre komplett schuldenfrei.

Systematisch schürt die SPÖ-geführte Arbeiterkammer die Wut unserer Mitmenschen mit der immer gleichen Meta-Botschaft: „Dieses System ist ungerecht – und es muss weg!“ Weil sich eine reiche Clique auf Kosten aller Anderen bereichern würde. Österreichs Bürger sind heute aufgehetzt und hasserfüllt wie seit den 1920ern nicht mehr.

„Ich war auf dem 42. Parteitag der SPÖ und ihre Rhetorik ähnelt jener der Kommunistischen Partei in der Ukraine“, so Ukraines Botschafter Andrii Bereznyi in der „Presse“. Von einem neuen, gerechteren (und sozialistischeren) Wirtschaftssystem war auch Europas Linke in den 1920ern elektrisiert. Unendlich wütend waren die kommunistischen Hasstiraden gegen Reiche, Millionäre, Banker oder Kapitalisten gewesen.

Spiel mit der geschürten Wut

Die Situation ist heute höchst gefährlich. Das lässt Richard Nicolaus Coudenhove-Kalergis Buch „Judenhass von heute“ ahnen. Damals in den 1920ern, so der Onkel der gleichnamigen Journalistin, hätten die Rechten bald erkannt, dass sie den „Volkszorn in Form von allgemeinem Hass und Neid gegen die Reichen in einen besonderen Hass und Neid gegen die reichen Juden umlenken konnten“.

Obwohl es wie heute letztendlich die Sozialpolitiker waren, die mit der staatlichen Notenpresse Wahlen gewinnen bzw. Schuldenprobleme (nach dem Weltkrieg) lösen wollten, schob die Linke Weltwirtschaftskrise und Hyperinflation Banken oder Spekulanten in die Schuhe. Die Nazis brauchten den Sündenböcken dieser Zeit dann nur mehr das nationale Element zu verleihen – und plötzlich waren es „jüdische" Banken und „jüdische" Spekulanten.

Die Linke hatte Europa aufgestachelt, um ein neues, anderes – und vor allem antikapitalistisches – System zu erzwingen. „Abkassiert“ hatten aber die Rechten, die ihre Botschaften nur mit dem Adjektiv „sozialistisch“ zu schmücken brauchten, um quasi über Nacht als Heilsbringer verstanden zu werden.

25-Punkte-Programm der NSDAP – Auszug

Viele Phrasen, mit denen Hitler das Wutbürgertum seiner Zeit zu ködern wusste, werden auch heute wieder gerne verwendet. So forderte man schon 1920:

  • Abschaffung von Arbeits- u. mühelosem Einkommen, Brechung der Zinsknechtschaft (Art. 11).
  • Verstaatlichung aller bereits vergesellschafteten Betriebe („Konzerne“) (Art. 13).
  • Gewinnbeteiligung an Großbetrieben (Art. 14).
  • Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke. Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation (Art. 17).
  • Ersatz der materialistischen Weltordnung durch deutsches Gemeinrecht (Art. 19).
  • Und generell: Gemeinnutz vor Eigennutz (Art. 24).

Mitschuld an der Wut

Die Österreicher sollen Nörgler sein? Wenn man ihnen täglich sagt, dass ihre Welt ungerechter, ungleicher und kälter würde – und dass dies nur an einer kleinen Clique läge, die sich auf Kosten „von ihnen, den 99 Prozent“ bereichern würde-, dann kann man von Glück sprechen, wenn nur genörgelt wird. Wie sich eine Gesellschaft radikalisiert, merkt man zuallererst immer an der Sprache.

Wer sich bei Wahlen durch das Schüren von Abstiegsängsten als „gerechter“ Retter zu positionieren sucht, verhält sich nicht besser als jemand, der dies mit Ausländer-Ängsten macht.

Wenn unsere Gesellschaft nicht umkehrt und den Weg von Ausgleich, Pluralität und Demokratie verfolgt, dann wird unser gesellschaftliches Gefüge immer noch labiler. Dann werden immer weitere und immer radikalere Kräfte an die Oberfläche kommen. Käme es zur Verschlimmerung der Finanzkrise – und sei es auch nur für ein, zwei Jahre – könnte das dann wieder in die Katastrophe führen.

Oder auf den Punkt gebracht: Wer in unserer aufgeheizten Stimmung Meldungen, die nur Ängste schüren sollen, unkritisch und ungeprüft publiziert, der macht sich (mit)schuldig.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. In seinem aktuellen Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt er sich mit den Thesen Christian Felbers, Jean Zieglers, der Arbeiterkammer und der Caritas. Zentrales Thema ist bei Hörl „die geschürte Abstiegsangst“.

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Wer bekommt wie viel Pflegegeld? drucken

Anzahl der Bezieher und monatlich ausbezahlter Betrag pro Stufe

 

Pflegegeldstufe Euro/Monat Bezieher
Stufe 1

154

98.194

Stufe 2

284

132.069

Stufe 3

442

75.440

Stufe 4

664

61.554

Stufe 5

902

42.718

Stufe 6

1.260

17.956

Stufe 7

1.655

9.016

Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungsträger

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Arbeitgeber werden wieder bestraft drucken

Man hat den Beschluss schon fast vergessen. Aber am Jahresende tritt er in Kraft – und wird mit Sicherheit den Wirtschaftsstandort Österreich weiter schädigen: Arbeitgeber müssen künftig eine Kündigungsabgabe zahlen, wenn sie sich von einem Mitarbeiter trennen.

Damit werden vor allem jene bestraft, die so blöd gewesen sind, Mitarbeiter überhaupt anzustellen. Dabei wird der Anteil von Arbeitgebern an den Unternehmern ohnedies immer geringer, wie die steil gestiegenen Zahlen der Einpersonen-Unternehmer zeigen. Für etliche von ihnen ist es schon bisher viel zu mühsam und bürokratisch, auch nur einen Mitarbeiter anzustellen – selbst wenn das wirtschaftlich sinnvoll wäre.

Diese neue Kündigungsabgabe von 110 Euro wird auch bei einvernehmlichen Auflösungen fällig. Sie kommt wohlgemerkt zu allen anderen Kosten in solchen Situationen hinzu, wie etwa Kündigungsfristen (während der Mitarbeiter ja kaum noch eine echte Hilfe sind), Urlaubsauszahlungen, Abfertigungen (bei alten Dienstverträgen), Sozialplänen und eventuellen gerichtlichen Konflikten.

Die neue Abgabe fließt nicht den Arbeitnehmern, sondern der öffentlichen Hand zu, ist also de facto nichts als eine neue Steuer. Aber scheinheilig wurde von der Politik nur davon geredet, dass das eine Maßnahme gegen die Arbeitslosigkeit wäre. Was freilich absoluter Nonsens ist. Denn jede Maßnahme, welche die Kündigung erschwert oder teurer macht, wirkt sich negativ auf den Arbeitsmarkt aus, nämlich als Bremse schon bei der Neuaufnahme von Mitarbeitern. Überdies könnte man fast wetten, dass jetzt noch rasch Mitarbeiter gekündigt werden, bevor die Kündigungsabgabe wirksam wird. Die Konjunkturaussichten sind ja dementsprechend durchwachsen. Überdies werden Arbeitgeber künftig öfter versuchen, statt der teuren Kündigung die billigere, aber konfliktreiche Entlassung auszusprechen.

Im Gegensatz zu dem, was Österreich jetzt tut, haben von der EU bis zur OECD alle internationalen Institutionen dem Land mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt empfohlen. Im Gegensatz zu dem, was Österreich jetzt tut, fordern Arbeitgebervertretungen ständig eine Senkung der Lohnnebenkosten. Jetzt aber werden diese erhöht. Mit Zustimmung von Arbeitgebervertretern.

Würde es wirklich um den Arbeitsmarkt gehen, wären ja ganz andere Maßnahmen sinnvoll: Die Nichtannahme (irgend)eines der offenen Jobs hat nach spätestens sechs Monaten viel stärkere Konsequenzen als heute; der weitgehende Kündigungsschutz für Über-50-Jährige wird aufgehoben, was die Kündigungen von Endvierzigern reduziert und die Jobchancen für Über-50-Jährige erhöht; wer häufiger arbeitslos wird, bekommt weniger AMS-Geld; Leiharbeit wird erleichtert statt erschwert; Lohnabgaben werden reduziert, Konsumabgaben dafür erhöht.

All das würde mit Garantie den Arbeitsmarkt stabilisieren. Eine Kündigungsabgabe tut das aber mit Sicherheit nicht.

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Die geheimen Verhandlungen der Gesundheitsreform und die Ärztekammerproteste – eine Analyse drucken

Ich habe sie gelesen, die geheim verhandelten Vereinbarungen nach Artikel 15a der Bundesverfassung. (Sie sind per e-Mail unter ernest_pichlbauer@hpi-sag.com zu bestellen). Und ich habe den Eindruck, die Ärztekammer muss etwas anderes gelesen haben. Denn diese Reformpapiere schlagen Regeln und Steuerungsinstrumente vor, die aus unserem Gesundheits(un)wesen ein Gesundheitssystem machen könnten.

Auch wenn die Variante vom 27.9.2012 gegenüber der vom 21.11.2012 (dazwischen liegen zwei Monate politische Verhandlungen, an deren Ende Texte statt klarer und gesetzesfähiger immer unschärfer und unverbindlicher klingen) im Sinne der Versorgungsforschung deutlich besser war: Das was herausgekommen ist, kann Grundlage einer echten Reform darstellen.

Wesentliche Aussage der noch immer geheimen Papiere ist, dass unsere Versorgung zielorientiert gestaltet werden soll, wobei Ziele patientenorientiert aufzustellen sind. Die Institutionen-Orientierung (also im Wesentlichen die Fixierung auf Spitalsstandorte und Kassenordinationen) soll einer integrierten Versorgung weichen. Patienten sollen dort behandelt werden, wo es richtig ist, und nicht dort, wo gerade eine Gesundheitseinrichtung steht und offen hat.

Messgrößen und Zielwerte sind zu entwickeln und zu implementieren, welche die Patientenorientierung sowohl in Ergebnissen, Strukturen und Prozessen messen. Es soll also transparent werden, ob der Patient zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle die richtige Leistung erhält.

Rahmenziele werden zwar zentral aufgestellt, aber sie sind dezentral unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind definitiv keine „zentralistischen“ Diktate. Dezentral bedeutet übrigens auf Ebene der Versorgungsregionen des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG), und davon gibt es 32. Es ist also jedes Bundesland weiter unterteilt – das sollte dezentral genug sein.

Dass es die meisten Messgrößen und Zielwerte in und für Österreich noch nicht gibt, stört wenig. Die wissenschaftliche Literatur dazu ist ausführlich und vielfältig. Aus der Literatur ebenfalls bekannt ist, dass überall, wo man begonnen hat, mit Indikatoren zu arbeiten, am Anfang die „Datenunsicherheit“ beklagt wird und darauf aufbauend der Vorwurf erhoben wird: „Alle Daten sind falsch.“ Das wird auch bei uns passieren. Die Frage, die sich stellt: Werden unsere Entscheidungsträger jenen Mut und jene Tatkraft aufbringen, diese Eingangsphase durchzuhalten? Ist das so, dann verschwinden sowohl Datenunsicherheit als auch Vorwürfe. Wesentlich dabei wird wohl sein, dass die Messgrößen und Zielwerte von Anfang an international vergleichbar sind – und das verspricht das Reformpapier.

Das Monitoring, also das Beobachten, ob es zu echten, patientenorientierten Veränderungen kommt, und ob Messgrößen und Zielwerte nicht populistisch gesetzt, verändert oder „retrograd kalibriert“ werden, ist ebenfalls gut und plausibel erklärt. Damit alles nicht nur Schönreden und Schönfärben wird, wird die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) mit der wissenschaftlichen Begleitung und Berichterstattung befasst. Es ist zu hoffen, dass die GÖG unabhängig genug ist, um auch ungeliebte Ergebnisse publizieren zu dürfen. Leider zeigen sich aber hier bereits erste Risse. Denn der Kampf um die GÖG ist zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen entbrannt. Das ist kein gutes Zeichen dafür, dass sich die Systempartner gegenseitig vertrauen.

Aber wenn der Streit beigelegt werden kann und der Schulterschuss zwischen Ländern und Sozialversicherungen klappt, könnten sogar die vorgeschlagenen Sanktionen erstmals scharf sein. Denn bei Versäumen der Ziele werden Berichte erstellt, die analog zu Rechnungshofberichten veröffentlicht werden müssen. Transparenz eignet sich hervorragend, um Veränderungen positiv zu gestalten.

Mehr Geld für ambulante Behandlung

Klar festgehalten wird weiters, dass die Leistungsangebote in allen Sektoren (womit vor allem Spitäler samt Ambulanzen und Kassenordinationen gemeint sind) aufeinander abgestimmt werden müssen. Patienten sollen, entsprechend der Idee der integrierten Versorgung, an der richtigen Stelle behandelt werden, am „Point of best service“. Wo das ist, das wird aber nicht von Wien dekretiert, sondern das ist in jeder der 32 Versorgungsregionen festzulegen. Konsequenz dieses Denkens ist es, dass künftig eben nicht mehr in Kassenordinationen und Spitalsstandorten, sondern in den Kategorien „ambulante Versorgung“, „stationäre Versorgung“ und Patientenbedarf geplant werden soll.

Parallelstrukturen oder Überkapazitäten sind zu verhindern bzw. abzubauen. Ja, da steht wirklich „abbauen“ drinnen! Ob damit endlich die kleinen Spitäler verschwinden? Tenor jedenfalls ist, dass die ambulante Versorgung der stationären vorzuziehen ist.

Im ambulanten Bereich bereits festgehalten ist, dass (Rand)Öffnungszeiten ein wesentliches Quailitätskriterium sind. Damit könnte es endlich zu Gruppenpraxen kommen, die nicht an der Finanzierungslogik, sondern am Patienten-Bedarf ausgerichtet sind. Die jetzigen Rahmenbedingungen haben zu gerade einmal einer Hand voll Gruppenpraxen geführt, die noch dazu so aufgestellt sind (sowohl örtlich, als auch organisatorisch), dass sie kaum geeignet sind, die Patientenströme vom Spital wegzuhalten. Grund für den Optimismus ist, dass ein funktionierendes „Geld folgt Leistung“-System fixiert wird, das dafür sorgt, dass reales Geld aus der stationären in die ambulante Versorgung fließt. Auch wenn es für Außenstehende schwer vorstellbar ist: Spitalsambulanzen werden aktuell über die Bettenstationen quersubventioniert (die eigenen Einnahmen decken im Schnitt nur 25 Prozent der Kosten). Und noch nie hat ein Cent den Weg aus dem Spital nach „draußen“ gefunden, selbst wenn durch Kassen Maßnahmen gesetzt wurden, die lächerlich hohe Zahl der Spitalsaufnahmen zu reduzieren.

Abb.: Entlassungen pro 100 Einwohner im internationalen Vergleich

Beim Finanzrahmen muss es endlich dazu kommen, dass der Finanzdeckel nicht nur für Kassen, sondern auch für Spitäler gilt. Ein nicht unwesentlicher Grund für unsere extreme Spitalslastigkeit liegt darin, dass Spitalsausgaben ungedeckelt sind. Werden diese nun ebenfalls wie die Kassenausgaben gedeckelt, dann ist eine Leistungsverschiebung von stationär zu ambulant die logische Folge – bei zunehmend frei werdenden Mitteln, weil eben die Effizienz der ambulanten Versorgung die der stationären weit übersteigt – das zeigen zumindest alle Studien aus dem Ausland. Bei uns werden solche Studien nicht gemacht.

Es besteht die politische Absicht, wenigstens sieben Prozent der aktuellen Spitalsaufenthalte durch ambulante Versorgungskonzepte zu reduzieren. Sieben Prozent Reduktion bedeutet, dass etwa 150.000 Spitalsaufenthalte (oder etwa 800.000 Spitalstage) vermieden werden. Mit einer solchen Reduktion würde die Zahl der Aufnahmen von derzeit etwa 26,5 auf knapp unter 25 pro 100 Einwohner sinken, und noch immer weit über dem EU-Schnitt liegen.

Ziele bleiben unambitioniert

Man sieht also bereits anhand dieses Ziels, dass die Politik nicht sehr ambitioniert vorgeht. Dass drückt sich dann auch in den prognostizierten Ausgaben aus.

Abb.: Entwicklung öffentlicher Gesundheitsausgaben mit/ohne Reform

Die angenommene Kostenentwicklung OHNE Reform (rote Linie) setzt einen kaum erklärbaren Anstieg ab 2012 voraus (man beachte die „Orientierungslinien Steigerungen“ in der Grafik). Dieser Anstieg wurde politisch festgelegt. Je höher die Wachstumsraten sind, desto leichter lässt es sich dann nämlich realiter „Einsparen“. Die Entwicklung MIT Reform (grüne Linie) zeigt immer noch einen deutlich höheren Anstieg, als er in den letzten Jahren (graue Orientierungslinie) zu beobachten war. Also wurde auch hier sehr vorsichtig vorgegangen, um nur ja nicht den politischen Erfolg zu gefährden.

Die Fläche zwischen roter und grüner Linie ergibt dann die mehrfach kolportierten elf Milliarden Euro, die bis 2020 „einzusparen“ sind. Stellt man diese Einsparungen den mindestens 230 Milliarden Gesamtausgaben zwischen 2012 und 2020 gegenüber, sieht man rasch, wie wenig Ambition und Risiko in diesem Zahlenwerk liegt. Aber politisch betrachtet ist so ein vorsichtiges Vorgehen nicht dumm, nimmt es doch, oder sollte es wenigstens, den Kritikern den Wind aus den Segeln, die das Kaputtsparen proklamieren.

Fazit: Noch nie hat ein ausgereifterer Vorschlag die politischen Verhandlungen überlebt, daher war eine echte Reform nie realistischer als jetzt. Großer Wermutstropfen, wie bei jeder Gesundheitsreform bisher: Alle neuen und alten Gremien, die für die Umsetzung der Reform nötig und verantwortlich sind, entziehen sich der parlamentarischen oder oppositionellen Kontrolle! Dass die Ärztekammer nicht dabei ist, ist daher selbstverständlich. Und so, wie sie sich benimmt auch alles andere als ein Wermutstropfen.

Was stört die Ärztekammer?

Warum wehrt sich die Ärztekammer dagegen, statt aktiv an Umsetzung und (noch wichtiger) Umsetzungskontrolle mitzuarbeiten?

Nun, mit der Reform wird die Verhandlungsmacht der Ärztekammern, was die Vergabe von Kassen-Stellen betrifft, erheblich eingeschränkt. Da aber die Ärztekammer seit Jahrzehnten ihre Macht ausschließlich auf dieser Basis aufbaut, fürchtet sie nun um ihren Einfluss auf die Gesundheitspolitik. Dieses Denken der Kammer mutet seit Jahren eigenartig an. Schließlich sollte sie alle 41.000 Ärzte vertreten, und nicht nur jene etwa 8.000, die einen Kassenvertrag haben. Mehr noch, betrachtet man die Situation und Rolle der etwa 4.000 Hausärzte im Österreichischen Gesundheitssystem, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Kammer vertritt eigentlich nur Fachärzte mit Kassenvertrag. Diesen geht es nämlich im internationalen Vergleich sehr, sehr gut.

Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass selbst innerhalb der Ärzteschaft die Kämmerer immer weniger ernst genommen werden. Brisante Themen rund um den ärztlichen Beruf werden seit Jahren links liegen gelassen. Weder die mangelhafte Ausbildungsqualität im Turnus (es gibt übrigens fast so viele Turnus- wie Kassenärzte!), noch die Tatsache, dass das Ärztearbeitszeitgesetz (es gibt drei Mal so viele Spitals- wie Kassenärzte) seit jeher systematisch von den Spitalsträgern gebrochen wird, war bislang eine angemessene Reaktion wert. Interessant ist: Neben der englischen, war es nur die Österreichische Ärztekammer, die bei der EU Einspruch gegen die Begrenzung der Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche eingelegt hat.

Alternativ zu diesem Machtdenken ist es allerdings auch möglich, dass maßgebliche Köpfe der Ärztekammer wirklich glauben, dass unser jetziges System bleiben muss, wie es ist – obwohl unsere gesunde Lebenserwartung verglichen mit z.B. Großbritannien fünf Jahre geringer, die Diabetiker-Sterblichkeit dreimal höher und die Zahl kaputter Zähne bei Zwölfjährigen doppelt so hoch ist. Und das bei deutlich höheren Kosten.

Dr. Ernest Pichlbauer ist Arzt und Österreichs führender Gesundheitsökonom, der zum Thema Gesundheit auch regelmäßig publiziert.

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Fußnote 379: Haltet den Dieb! drucken

Die sich neuerlich verschlechternden Arbeitsmarktzahlen haben mehrere Gewerkschafter zu Wortmeldungen veranlasst, die ihre absolute Lernunfähigkeit zeigen.

So tadelte der vida-Vorsitzende Rudolf Kaske wörtlich den „unsinnigen Jugendkult“ am Arbeitsplatz. So erklärte Arbeiterkämmerer Herbert Tumpel, dass Betriebe künftig Strafe zahlen sollen, die zu wenig Ältere beschäftigen. Dabei weiß jeder Kenner der wirklichen Arbeitswelt, dass der Hauptschuldige an Arbeitsmarktproblemen Älterer die Gewerkschaft selber ist. Die Gewerkschaft ist dafür verantwortlich, dass Ältere relativ wirksam kündigungsgeschützt sind; weshalb viele Arbeitgeber naturgemäß bei der Beschäftigung Älterer bremsen. Und die Gewerkschaft ist ebenso dafür verantwortlich, dass ältere Arbeitnehmer nach den meisten Kollektivverträgen viel teurer als junge kommen – und zwar ganz unabhängig von der Leistung, nur auf Grund ihrer Jahresringe. Würden diese gewerkschaftlichen „Errungenschaften“ fallen, würden viele Arbeitgeber mit absoluter Sicherheit in viel breiterem Umfang und viel längerer Dauer auf die Erfahrung und Verlässlichkeit der Älteren zurückgreifen. Aber für die durchschnittliche Intelligenz eines Gewerkschaftsbosses ist es halt allemal einfacher, statt selber umzudenken, von sich abzulenken und  lautstark „Haltet den Dieb“ zu rufen.

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Bundesvoranschlag 2013: Phantasielosigkeit in Zahlen drucken

Ein Budget, so heißt es, sei „der in Zahlen gegossene politische Wille der Regierung“. Zwischen den in Sonntags- und Wahlkampfreden getätigten Willensbekundungen der Herrschenden und deren tatsächlichen Handlungen, die sich in der hoheitlichen Einnahmen- und Ausgabenrechnung manifestieren, liegen bisweilen allerdings Welten.

Ehe hier auf die kürzlich im Nationalrat beschlossenen Budgetdaten für das Jahr 2013 eingegangen wird, ein kurzer Blick auf die aktuelle Finanzsituation der Republik: Der Gesamtschuldenstand des Bundes beläuft sich gegenwärtig auf 192,1 Mrd. Euro (ohne die ausgelagerten Schulden, wie z. B. der ASFINAG und der ÖBB, sowie ohne Berücksichtigung kapitalisierter Anwartschaften aus der Sozialversicherung, also „implizite“ Staatsschulden).

Gemessen am Jahr 1970, als die Sozialisten unter Kanzler Bruno Kreisky erstmals die Regierungsgeschäfte übernahmen, bedeutet das eine nominelle Erhöhung der Schuldenlast um das 55-fache. Gemessen am BIP ergibt sich seit 1970 eine Steigerung von 12,5 Prozent auf 62,3 Prozent. Trotz des gegenwärtig historisch niedrigen Zinsniveaus beläuft sich der jährliche Zinsendienst immerhin auf gewaltige 7,7 Milliarden Euro (Quelle: Finanzministerium). Steigt das Zinsniveau wieder auf in der Vergangenheit bereits erlebte Höhen an, was im Moment allerdings nicht abzusehen ist, wird die Zinslast entsprechend ansteigen und die Staatsfinanzierung erheblich erschweren.

Die für den Schuldzins aufzuwendenden Mittel engen den Budgetspielraum naturgemäß erheblich ein. Die insgesamt prekäre Lage des Finanzsektors legt es aber ohnehin nahe, zu einer konservativen Budgetpolitik überzugehen. Und in der Tat: Sparen, so hören wir allerorten, sei angesichts der angespannten Lage der Staatsfinanzen unerlässlich. Selbst die stets spendierfreudigen Genossen lassen eine gewisse Einsicht in die Tatsache erkennen, dass nicht jede von ihnen gewünschte, in aller Regel kostspielige, Wohltat auch tatsächlich finanziert werden kann.

Führt man sich nun die Zahlen des eben beschlossenen Budgets zu Gemüte, wird indes schon auf den ersten Blick klar, dass der Begriff „Sparen“ offensichtlich mehr als nur eine Interpretation zulässt. Der schlichte Mann oder die sprichwörtliche „schwäbische Hausfrau“ stellen sich darunter nämlich vor, dass weniger ausgegeben als eingenommen wird.

Damit befinden sich aber beide offenbar im Irrtum, denn die Finanzministerin – die es ja dank der ihr eigenen, überlegenen Urteilskraft und nicht zuletzt auf Grund der Expertise hochkarätiger Experten unter ihrer Beamtenschaft, besser wissen muss – legt für das kommende Jahr ein „Sparbudget“ vor, das einen Ausgabenüberschuss von rund 6,33 Mrd. Euro vorsieht. Für die Bedienung der Schulden sind beachtliche 2,4 Prozent des BIP an bloßen Zinszahlungen eingeplant. Diese Annahme ist allerdings deshalb als hochgradig optimistisch einzuschätzen, weil darin z. B. bereits Einnahmen aus dem Titel einer Art „Reichsfluchtsteuer 2.0“ – Stichwort „Schwarzgeld in der Schweiz“ – eingeplant wurden, über deren wahre Höhe auch die beste Kristallkugel der Welt keine seriösen Angaben zu machen imstande ist.

Steigen die Einnahmen, ziehen die Ausgaben nach

Bleibt anzumerken, dass als „Schwarzgeld“ neuerdings keineswegs ausschließlich jene Gelder tituliert werden, die als Ergebnis einer Steuerhinterziehung anfallen, sondern auch voll versteuerte und daher legal ins Ausland verbrachte Mittel! Offenbar ist man im Finanzministerium (und bei den nicht nur in dieser Frage offensichtlich gleichgeschalteten Hauptstrommedien) der Ansicht, dass jeder von Privaten verdiente Euro zunächst und ganz grundsätzlich einmal dem Fiskus gehört, der dann allerdings gelegentlich huldvoll die Genehmigung erteilen kann, diesen zu behalten und – etwa zum Ankauf einer Stange Zigaretten – sogar ins Ausland zu verbringen.

Der für das kommende Jahr zu erwartende Zinsendienst übersteigt mit rund 7,6 Mrd. Euro die Höhe des Abgangs deutlich. Immerhin – und das ist wohl das einzig Positive, das sich über den Entwurf des ÖVP-geführten geführten Ministeriums sagen lässt – bedeutet das einen „Primärüberschuss“.

Die Dynamik der Staatsausgaben bleibt indessen ungebrochen. Wie die Analyse der Entwicklung von Einnahmen- und Ausgabenseite der letzten Jahre deutlich zeigt, bringt es die Regierung fertig, trotz massiver Einnahmensteigerungen (das Steuervolumen liegt gegenwärtig auf einem historischen Höchststand und wird auch im kommenden Jahr wieder kräftig wachsen), kein ausgeglichenes Budget zustande zu bringen – womit übrigens das vorgebliche Ziel zu sparen ja noch längst nicht erreicht wäre!

Dass „Sparen“ in der Praxis des österreichischen Fiskalstaates faktisch stets Einnahmensteigerung durch die Erfindung neuer oder die Erhöhung bestehender Steuern bedeutet, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Dass jede Einnahmenerhöhung postwendend in neuen Staatsausgaben mündet, ist von vielen Zeitgenossen allerdings noch nicht so recht erfasst worden. Der Ökonom Josef Schumpeter illustrierte dieses Phänomen einst so: „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve.“ Das sozialistische Faymann-Regime bildet in dieser Hinsicht selbstverständlich keine Ausnahme.

So steigt etwa der Personalaufwand – allen Einsparungsankündigungen zum Trotz – weiterhin an. Und ein besonders bemerkenswertes Detail stellt die veranschlagte Höhe der Transferzahlungen dar, die mit 50,6 Mrd. Euro rund zwei Drittel der Auszahlungen ausmachen, in denen u. a. Pensionen, Arbeitslosenentgelte und Subventionen enthalten sind. Angesichts dieser mit Abstand größten Aufwandsposition mutet es einigermaßen kurios an, dass die Rufe nach noch mehr Umverteilung nicht nur nicht verstummen wollen, sondern – ganz im Gegenteil – beständig lauter werden…

Die vom Nobelpreisträger James M. Buchanan einst getroffene Feststellung, wonach „die Steuerlast endlich ist“, hat sich bis in die Wiener Himmelpfortgasse noch nicht durchgesprochen. Dass eine leichte Abflachung der Verschuldungsdynamik mit Sparen nicht identisch ist, ebenso wenig.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie man das Wohnen noch teurer macht drucken

Wenn man den Brotpreis unter dem Niveau des Marktpreises deckelt, löst das dreierlei aus: Brotmangel, Verschwendung bei den Konsumenten und die Entwicklung von Schwarzmärkten. Das haben in den letzten Jahrzehnten sämtliche Planwirtschaften in bitteren Lektionen lernen müssen. Die meisten lassen daher – nicht nur beim Brot – den Markt wieder funktionieren. Lediglich einige verbliebene Retro-Staaten wie Nordkorea oder Kuba produzieren weiter durch Preisregelungen gezielt bittere Not.

Daher ist es mehr als erstaunlich, wenn plötzlich das rotgrüne Wiener Rathaus in den verschiedensten Varianten über eine Mietpreisdeckelung diskutiert. Eigentlich hätte man geglaubt, dass hierzulande niemand mehr ernsthaft an solche Abenteuer glaubt.

Aber sind nicht tatsächlich die Preise für neue Mietwohnungen oft ärgerlich hoch? Das sind sie in der Tat. Nur ist das eine Folge, nicht die Ursache von Knappheit. Und eine neue Mietendeckelung würde die Knappheit noch dramatisch verstärken. Kein vernünftiger Mensch würde künftig seine Ersparnisse in ein Wohnhaus oder eine Vorsorgewohnung investieren.

Dass solche Vorschläge ausgerechnet im Wiener Rathaus entstehen, ist besonders skurril. Steht doch hier die ganz große Mehrheit der Wohnungen im Eigentum der Gemeinde oder politisch kontrollierter Genossenschaften. Daher prägt deren Angebot quantitativ wie qualitativ die Preisbildung im kleinen freien Sektor. Zugleich ist gerade in Wien die Belastung der Mieter durch von der Stadtverwaltung gewaltig in die Höhe gepeitschte Infrastrukturkosten (Wasser usw.) überproportional steil gestiegen.

Ein weitere Ursache hoher Mieten ist die ohnedies schon für viele Wohnbauten geltende Mietpreisbindung. Wenn ältere Einzelpersonen nur deshalb in großen Altwohnungen mit oft fünf und noch mehr Zimmern wohnen, weil ein Wechsel in eine kleinere (und für ihre Bedürfnisse besser passende!) Wohnung für sie viel teurer wäre, zeigt das die ganze Absurdität der Wohnungssituation. Die, die haben, profitieren. Die, die suchen oder wechseln, zahlen drauf. Um ein Vielfaches.

Angesichts der stark steigenden Zuwanderung nach Wien und der wachsenden Immobilienblase – eine Folge der Schuldenpolitik von EZB und Staaten – wäre es aber illusorisch, vorerst sinkende Mieten zu erwarten. Eine vernünftige Politik sollte jedoch zumindest alles tun, was deren Explosion bremst: durch einen modernen Mieterschutz, der die absurden Privilegien einiger Altmieter Schritt für Schritt auslaufen lässt und so mehr Familienwohnungen auf den Markt bringt; durch ein neues Genossenschaftsrecht, das Wettbewerb zulässt, Parteisubventionierungen verhindert und nur solange Annuitätenzahlungen erlaubt, bis die Wohnungen abbezahlt sind; durch korruptionsfreie Möglichkeiten für private Bauträger, ausreichend Grundstücke zu erwerben; und durch eine Verkehrspolitik, die auch die großen Siedlungsräume rund um die Stadtgrenze rasch einbezieht.

 

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Entwicklung der Gesundheitskosten seit 2001 drucken

Zentrale Kennzahlen der Gesundheitsversorgung in Österreich mit Veränderung 2001-2011

 

  2001 2011 Veränderung (in %)
Gesundheitsausgaben      

gesamt (Mrd. €)

20,9 31,4  

% des BIP

10,0 11,0

+ 10,0

für Spitalsversorgung      

gesamt (Mrd. €)

8,1 12,6  

% des BIP

3,9 4,4

+ 12,8

Spitalsaufenthalte (Mio.) 2,39 2,81

+ 17,8

durchsch. Aufenthaltsdauer (Tage) 7,4 6,6

– 10,9

Quelle: Statistik Austria

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Demokratie mit eingebauter Zeitbombe drucken

Es wird zur vielleicht wichtigsten Überlebensfrage der demokratischen Systeme: Wie kann die Diktatur der nur noch profitierenden, aber immer zahlreicher werdenden Transferempfänger über die leistungsorientierten und werktätigen Teile der Bevölkerung noch revidiert werden? Wie werden diese zunehmend entmachteten, aber für die Erhaltung des Wohlstands essenziellen Leistungsträger in ihrer Frustration reagieren? Werden immer mehr von ihnen in die innere oder äußere Emigration gehen, also entweder selbst die Leistungsbereitschaft einstellen oder in solche Länder auswandern, wo sie noch auf Anerkennung stoßen? Pessimisten meinen freilich, für eine Entschärfung dieser Zeitbombe sei es in vielen europäischen Ländern ohnedies schon viel zu spät.

Die Zunahme des Anteils der profitierenden und nicht (mehr) durch Abgabenzahlungen zum Gemeinwohl beitragenden Wähler ist jedenfalls in vielen Ländern längst Faktum.

Die Ursachen dieser Verschiebung sind: die kontinuierlich steigende Lebenserwartung, die gleichzeitige Senkung des Pensionsantrittsalters und damit die steile prozentuelle Zunahme der Rentner unter der Wählerschaft; die absurde Vermehrung der Invaliditätspensionen junger Menschen; die Zuwanderung von Menschen vor allem aus dem Balkan und dem arabischen Raum, die signifikant weniger erwerbstätig sind als die restliche Bevölkerung; die Auswirkungen des seit 1970 stattfindenden Geburtenrückgangs, die selbst bei einer Nichtzunahme der Lebenserwartung zu einer Verschiebung des Gewichts von den Erwerbstätigen zu den Nichterwerbstätigen führen würden; die Einkommensteuerbefreiung eines Gutteils der Erwerbstätigen; und last not least die mangelnde politische Teilnahme der Jungen.

Dieser Prozess hat längst schon massive politische Auswirkungen. Das zeigt etwa Österreich: Während in den 70er Jahren Bruno Kreisky mit einer Verkürzung des Präsenzdienstes und Heiratsprämien, also Zuwendungen an junge Wähler, Wahlen gewinnen konnte, denken alle Parteistrategen in den letzten Jahren primär an eine Verbesserung der Pensionen.

So hat beispielsweise der französische Wahlsieger François Hollande nicht zuletzt deshalb gewonnen, weil er eine Senkung des Pensionsantrittsalter von 67 auf 65 Jahre versprochen hat. So hat Werner Faymann die von den Meinungsforschern schon als fix bezeichnete Wahlniederlage 2008 noch dadurch abwenden können, dass er die Hacklerregelung – also einen für viele Österreicher, vor allem Beamte früheren Pensionsantritt – verlängern ließ.

Nimm den Kindern und gib den Pensionisten

So ist auch das soeben beschlossene Pensionskonzept der deutschen Sozialdemokraten zu sehen. Obwohl viele auf Peer Steinbrück als Vertreter der ökonomischen Vernunft an der SPD-Spitze und damit auch als eventuellen nächsten Bundeskanzler gehofft haben, bedeutet dieser Pensionsplan eine Totalunterwerfung unter die Interessen der nichtwerktätigen Klassen. Die Kosten seines Pensionsplans liegen deutlich im zweistelligen Milliardenbereich.

Den Ostdeutschen wird durch diesen Plan eine Angleichung ihrer Renten auf Westniveau versprochen, obwohl ihre Wertschöpfung noch immer deutlich unter jener der alten Bundesländer liegt. Das einst unter führender Mitwirkung der Sozialdemokraten fixierte Rentenalter von 67 soll nun doch erst dann in Kraft treten, wenn mindestens die Hälfte der älteren Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist – also wohl nie. Denn gleichzeitig soll auch eine deutsche Form der Hacklerregelung eingeführt werden, bei der man mit 45 Beitragsjahren auch schon vor dem 65. Geburtstag abschlagfrei in Pension gehen kann. Ferner sollen die Erwerbsminderungsrenten deutlich günstiger berechnet werden.

Das sind nur die wichtigsten unter zahlreichen Versprechungen, die ganz, ganz zufällig Monate vor dem deutschen Wahltag gemacht werden. Finanziert sollen sie über Steuererhöhungen werden – und skurrilerweise laut SPD auch über eine Erhöhung des Mindestlohns. Dabei bleibt freilich völlig unklar, wie die dadurch zwangsläufig erhöhte Arbeitslosigkeit zu höheren Einnahmen der Rentenkassen führen soll. Aber ökonomische Logik ist ja ohnedies in der Partei, die einst tolle und mutige Reformer wie die Herrn Clement und Müntefering hatte, außer Mode.

Ja, und dann gibt es auch eine Einsparungsforderung: Gleichzeitig will Steinbrücks Partei nämlich die Sozialleistungen für kleine Kinder reduzieren, welche die ebenfalls nicht gerade sparsamen Unionsparteien jetzt beschlossen haben. Das sogenannte Betreuungsgeld für Mütter, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst und nicht auf Kosten des Staates betreuen, soll wieder abgeschafft werden. Was auch immer man von der Debatte Kindergarten vs. Mütter hält: Es ist jedenfalls ein verheerendes Signal für die Prioritäten und die Zukunft einer Gesellschaft, wenn man gleichzeitig bei den – ohnedies weniger werdenden – Kindern noch etwas wegnimmt, bei den Alten hingegen kräftig zubuttert. Zukunft brauchen wir offenbar nicht mehr, es geht nur noch um die Vergangenheit und einen allerletzten kräftigen Schluck an der Konsumflasche in der Gegenwart.

Beweise für diesen Trend kann man auch in Österreich finden: Dort sind die Familienbeihilfen seit langem eingefroren, während es für Pensionen regelmäßig eine Inflationsanpassung gibt. Diese Pensionserhöhungen haben vor allem den Ausgleichszulagenbeziehern mehrere echte Realzuwächse gebracht. Also ausgerechnet jenen, die – etwa nach einem Leben der Schwarzarbeit – nur einen besonders kleinen Teil ihrer Rente versicherungsmathematisch wirklich eingezahlt haben.

In Zahlen heißt das für die letzten zehn Jahre: Der Ausgleichszulagen-Richtsatz ist um mehr als 29 Prozent höher geworden. Hingegen sind die ASVG-Höchstpensionen nur um 14,5 Prozent gestiegen, also weniger als die Hälfte. Zum Vergleich: Die Verbraucherpreise sind in der gleichen Zeit um 22 Prozent gestiegen. Das heißt, jenen Leistungswilligen, die lebenslang ordentlich ins System eingezahlt haben, werden die Renten real spürbar gekürzt; jene, die fast nichts gezahlt haben, bekommen hingegen mehr (Bei diesen Daten geht es wohlgemerkt nur um ASVG-Pensionen, hingegen nicht um jene der Beamten mit einer wiederum ganz anderen Problematik).

Noch aus vielen anderen Ländern lassen sich Beispiele finden: Alle laufen sie aber auf dasselbe Muster hinaus: Die Demokratie hat sich in den letzten Jahren zu einer De-facto-Diktatur jener Mehrheit verwandelt, die von der Gesellschaft nur noch profitiert und nichts für sie leistet.

Sparsamkeit wird bestraft

Das ist ein signifikanter Systemwandel weg von der einstigen sozialen Marktwirtschaft. In dieser war noch die Leistung im Vordergrund gestanden. Damals hatte man noch sehr bewusst gewusst, dass Leistung nötig ist und belohnt werden muss, um die Absicherung für die wirklich Bedürftigen nachhaltig finanzieren zu können. Jetzt hingegen haben sich die politischen Mehrheitsverhältnisse und damit auch Mechanismen gedreht. Die Parteien sind heute überzeugt, dass sie nur noch dann reüssieren können, wenn sie der konsumierenden Masse ständig mehr Brot und Spiele servieren. Und da man aus den Leistungsträgern nichts mehr herauspressen kann, geht das halt auf Schulden.

Die Parteien haben damit in ihrer Perspektive vielleicht auch recht: Bei fast allen Wahlen der letzten Jahre bis auf Polen, Schweden und Großbritannien sind jene Parteien schwer geschlagen worden, die ihren Nationen Sparsamkeit und Reformen verschrieben haben. Selbst im schwer bankrotten Griechenland haben ausgerechnet die Parteien Zulauf, die am lautesten Nein zu jedem Sparversuch sagen.

Auch der geschlagene US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte – bei all seinen sonstigen Fehlern und persönlichen Defiziten – mit Berechtigung darüber klagen können, dass er mit seinen Sparsamkeits-Vorstellungen bei jenen 47 Prozent von vornherein keine Chance hat, die vom Staat nur profitieren, aber nichts hineinzahlen.

Ungarns nationaler Irrweg

Ein anderes, aber besonders kurzsichtiges Rezept wird in diesem Dilemma von der Rechtsregierung in Ungarn verfolgt. Dort ist die Regierung Orban zwar unschuldig an der katastrophalen Lage der Staatsfinanzen, die sie nach ihren verantwortungslosen Vorgängern vorgefunden hat. Der konservative Regierungschef versucht aber nun in einer seltsamen Akrobatik die Finanzen zu sanieren, ohne seine Wähler zu treffen.

Dazu hat Orban nicht nur auf scheinbar verstecke Schätze wie etwa Privatpensionskassen zugegriffen. Er hat darüber hinaus auch gezielt alle Ausländer, die in Ungarn in den letzten 20 Jahren investiert hatten, durch maßgeschneiderte Sondersteuern auszunehmen versucht. Das hat zwar kurzfristig Geld hereingebracht. Das führt aber natürlich dazu, dass keine ausländische Firma mehr in Ungarn investieren mag. Was für die Zukunft des Landes eine Katastrophe bedeutet. Ein solcher nationaler Sozialismus wird daher erst recht die Arbeitslosigkeit vermehren.

Insgesamt scheint der Trend der Demokratien jedenfalls fast unaufhaltsam: Alle Macht den Profiteuren des Wohlfahrtssystems, keine Macht den Leistenden. Dieser Trend führt die Demokratien zwar in den finanziellen und wirtschaftlichen Kollaps – aber nicht einmal nach diesem ist ein Umdenken sicher. Zwar gab es in Skandinavien ein solches nach dem Zusammenbruch der Wohlfahrtssysteme. Zwar ist in fast ganz Süd- und Ostasien nach den leistungsfeindlichen Jahrzehnten der Armut und Not fundamental umgedacht worden. Aber von Griechenland bis Frankreich finden sich Null Anzeichen für einen echten inneren Neuanfang. In vielen anderen EU-Ländern gibt es nicht einmal mehr eine einzige Partei, welche das versuchen würde.

Klassen- oder Kinderwahlrecht als Ausweg?

Könnte vielleicht eine da und dort diskutierte prinzipielle Änderung des Wahlrechts zu einer Rückkehr des gesunden Menschenverstandes führen?  

Wenig aussichtsreich sind jedenfalls alle jene – vereinzelten – Denker, die meinen, die Entwicklung müsste wieder ein deutliches Stück in Richtung eines Mehrklassenwahlrechts gehen. Dieses im 19. Jahrhundert dominierende System hatte das Wahlrecht ganz nach der Steuerleistung geregelt: Wer mehr zahlte, hatte auch bei den Ausgaben mehr mitzureden. Das hatte auch für großen Bürgerstolz gesorgt.

Ebenso isoliert dürften auch alle jene bleiben, die das Wahlrecht an Bildungsabschlüsse binden wollen. Das scheitert freilich auch daran, dass Bildungsabschlüsse viel zu unterschiedlich und willkürlich vergeben werden. Außerdem ist zu befürchten, dass sich ohnedies bald die populistischen Ideen der Leistungsgegner durchgesetzt haben werden: Matura für alle.

Relativ mehr Unterstützer haben die Modelle eines Kinderwahlrechts: In diesem können die Eltern für ein noch nicht wahlberechtigtes Kind eine zusätzliche Stimme abgeben (oder eine halbe). Dieses Modell klingt für moderne Ohren jedenfalls gerechter als Überlegungen eines Klassenwahlrechts. Es würde ja weiterhin das demokratische Grundprinzip gelten: One man, one vote.

Aber auch dieses Modell hat kaum Durchsetzungs-Chancen: Sind doch die Schichten der Pensionisten und sonstigen leistungslosen Transferempfänger längst schon viel zu übermächtig geworden. Sie werden jedenfalls auch eine nur teilweise Entmachtung zugunsten eines stärker zukunfts- und leistungsorientierten Wahlsystems vehement verhindern. Statt dessen debattiert man völlig nebensächliche Fragen wie etwa die Wahlkreisgröße.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Zweifel an den Armutszahlen drucken

Was tun Parteien, deren Geschäftsmodell auf dem Schüren von Armutssangst zu basieren scheint, wenn die Armut immer weiter schrumpft? Richtig – man erfindet neue Kennzahlen und berechnet die „alte“ Armut auf die „neue“ Weise. Der Sozialbericht von Minister Rudolf Hundstorfer erweckte kürzlich den Eindruck, die manifeste Armut wäre gestiegen – dabei hatte man sie nur neu berechnet.

Nach EU-weit verwendeten Kriterien sind in Österreich schon seit Jahrzehnten zwischen drei und vier Prozent „manifest arm“ (2011: 3,9 Prozent). Dabei sind „manifest Arme“ heute weniger arm als noch vor etwa 20 Jahren, denn sie verfügen heute fast ausnahmslos über Fernseher, Waschmaschine oder Telefon.

96 Prozent der in Österreich Lebenden betrifft „manifeste Armut“ also nicht.

Damit kann man Österreichs Mittelschicht aber nicht mehr suggerieren, sie stünde vor dem sozialen Abstieg und solle deshalb vermeintlich „soziale und gerechte“ Parteien wählen.

2008 erfand die Statistik Austria eine neue Armuts-Kennzahl (siehe S. 74 „EU-Definition“ im Armutsbericht). Nach EU-Definition galt als „manifest arm“, wer „vier von neun Kriterien“ erfüllte (Grafik-Übersicht unten), nach österreichischer Definition gilt nun als manifest arm, wer auch nur „ein (oder zwei) von sieben Kriterien“ erfüllt. Und die Kriterien selber verschärfte man auch noch. So strich man den „Besitz von TV, Telefon und Waschmaschine“ aus der Kriterien-Liste (Weil das fast niemanden mehr betraf) und ersetzte sie durch neue Kriterien wie „Können Sie unerwartete Ausgaben von 950 Euro spontan tätigen?“

So waren Österreicher, die nach EU-Definition nicht arm waren, nach „österreichischer“ Definition ab 2008 plötzlich schon arm, wenn sie nicht mindestens einmal im Monat Freunde zum Essen einladen konnten oder nicht jeden zweiten Tag Fleisch/Fisch/vegetarisch aßen („Machen Germknödel arm?“).

Wie willkürlich die Verschärfung erfolgte, demonstriert die Tatsache, dass nicht nur 323.000 Armutsgefährdete es sich nicht leisten konnten, Freunde regelmäßig zum Essen einzuladen, sondern auch 591.000 Nicht-Armutsgefährdete.

Ebenfalls 2008 erschuf die Statistik Austria (mit Armutskonferenz, …) einen Katalog von 17 nationalen Eingliederungsindikatoren, um die Armuts- bzw. Ausgrenzungsquote zu ermitteln. Demnach sind 18 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer gefährdet (siehe S. 110 ff im Armutsbericht), weil sie…

  • „…mehr als 25 Prozent des Einkommens für Miete ausgaben“, was 18 Prozent der Bevölkerung betraf (und was - schwuppdiwupp - 100.000-e Studenten oder Junge über Nacht in die „manifeste Armut“ rutschen ließ. Ohne dass diese freilich davon etwas ahnten).
  • „…Bad oder WC am Gang hatten oder ein Raum dunkel oder schimmlig war“, drei Prozent kreuzten dies an (Wem fällt bei so einer Befragung da nicht ein dunkles Zimmer ein? Oder der Badezimmerschimmel vom letzten Jahr?)
  • „…sich durch Kriminalität oder Lärm oder Umweltverschmutzung belästigt fühlten“, das betraf 10 Prozent (!) aller Bürger (immerhin fühlten sich plötzlich 100.000-e Haushalte an Durchzugsstraßen wie dem Gürtel oder der Ringstraße betroffen).

Durch Studenten war Dauerarmut plötzlich gestiegen

Die Experten von Armutskonferenz und Co hatten ganze Arbeit geleistet. Mit der neuen Kennzahl ist es fast schon eine Kunst, nicht arm bzw. durch Armut ausgegrenzt zu sein. Zusätzlich hatten die „neu designten“ Kennzahlen viele Studenten nicht nur in die manifeste, sondern sogar in die dauerhaft manifeste Armut/Ausgrenzung geschickt. Dies wird marketingmäßig nun intensiv verwendet.

Wer mit übertriebenen Armutszahlen Ängste schürt, stellt sich auf die gleiche Ebene wie jene, die dies mit übertriebenen Fremdenzahlen tun. Es ergibt sich dringender Handlungsbedarf: 

  • Rücknahme der willkürlich erschaffenen Kennzahlen
  • Künftig Berechnung wieder nach EU-weit anerkannten Definitionen
  • Demokratisierung der Armutsdiskussion. Der ORF hat auch solchen Organisationen eine Plattform zu bieten, die der bisherigen Darstellung kritisch gegenüber stehen. Es dürfen nicht nur negative Detailergebnisse aus Sozial- und Armutsbericht herausgepickt werden.
  • Die Bevölkerung ist über die wahren Inhalte des EU-Armutsberichtes zu informieren
  • Die Statistik Austria wird mit Konrad Pesendorfer vom Kanzlerberater Faymanns (SPÖ) geleitet. Ideologisch motivierte Besetzungen schaden dem Ansehen solcher Organisationen und sind nicht angetan, das Vertrauen in die demokratischen Strukturen unseres Landes zu festigen.
  • Die öffentlichen Subventionen für Organisationen, deren einzige Aufgabe das Schüren von gesellschaftlicher Abstiegsangst zu sein scheint, sollten einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. In seinem aktuellen Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt er sich mit Zahlen und Thesen Christian Felbers, Jean Zieglers, der Arbeiterkammer und der Caritas. Zentrales Thema ist bei Hörl „die geschürte Abstiegsangst“.

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SN-Kontroverse: Pendlerpauschale drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll das Pendlerpauschale abgeschafft werden?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Pendeln mit Köpfchen

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Wer wartet schon gerne? Als Pendlerin auf zugigen Gleisen im Winter auf Kopfbahnhöfen, wie es z.B. der Wiener Westbahnhof Richtung Salzburg ist. Da kann es kalt werden. Denn der Zug, der fahrplanmäßig gegen Mitternacht eintreffen sollte, kommt mit großer Verspätung aus Ungarn, weil die Grenzübergabe halt wieder einmal nicht geklappt hat. Oder anders herum gefragt: Wer steht gerne im Morgengrauen auf, um z. B. aus dem Mühl- oder Waldviertel in den Zentralraum zur Arbeit zu pendeln? Mit den "Öffis" geht es nicht, weil diese im Lauf der Jahre eingestellt wurden. Wie sehr verfluchen dann die Leute Gott und die Welt. Im Zweifel ist die nicht funktionierende Straßenräumung schuld, wenn man nicht pünktlich zur Arbeit erscheint.

Wer steht gerne in der Sommerhitze im Stau auf den Ring-Autobahnen?

Nicht weil es ab in den Urlaub geht, sondern die Kinder quengeln. Sie wollen schwimmen gehen, aber in letzter Minute scheitert das familiäre Vorhaben, weil die beruflichen Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt wurden. Die hohe Mobilität verursacht hohe Kosten. Sie fair zu verteilen, ist daher nur logisch. Und es ist nicht einzusehen, dass diese Kosten nicht über einen Steuerfreibetrag (von dem man mehr profitiert, je mehr man verdient) in einen Absetzbetrag umwandelt wird. Nicht jeder verfügt über einen Dienstwagen mit Chauffeur oder hat einen U-Bahn-Anschluss direkt vor der Haustür.

Die Ausdehnung der Pendlerpauschale auf Teilzeitarbeitskräfte, denen ohnedies wenig im Geldbörsel am Monatsende übrig bleibt, ist eine kluge Idee und alles andere als ein "Wahlzuckerl". Wenn sie noch mit einem ökologischen Ansatz umgesetzt wird, haben Spindelegger & Schieder & Co. ihre Arbeit gut gemacht. Wenn auch noch ökologische Aspekte in die volkswirtschaftliche Rechnung einbezogen werden, ist das nur zu begrüßen.

 


Wählerbestechung für Niederösterreicher

 

Andreas Unterberger

Es ist mehr als offensichtlich und peinlich, warum plötzlich eine Diskussion über eine weitere Ausdehnung der Pendler-Förderung ausbricht: Niederösterreich wählt in Kürze. Und Niederösterreich hat den weitaus höchsten Pendleranteil unter allen österreichischen Bundesländern.

Das macht klar, worum es geht: Das Pendlerpauschale ist nichts anderes als gezielte Wählerbestechung. Diese baut Österreich sogar noch am Höhepunkt des Schuldenberges weiter aus. Was sich das Land aber längst nicht mehr leisten kann.

Dabei ist jede Pendlerförderung auch ökologisch unsinnig. Denn damit fördert man das, was man durch andere teure Budgetposten gleichzeitig bekämpft: nämlich Benzinverbrauch und Autofahrten, noch dazu in stauanfälligen Tageszeiten. Und zugleich zahlt Österreich Strafen, weil es das leichtfertig zugesagte CO2-Reduktionsziel nicht erreicht.

Jedes Pendlerpauschale ist überdies zutiefst ungerecht. Denn damit werden in der Regel jene belohnt, die einen relativ billigen Wohnsitz in schöner Grünlage haben. Während jene die Dummen sind, die in der Nähe des Arbeitsplatzes wohnen, oder die gar extra dorthin ziehen. Dort sind die Wohnungen aber meist weniger attraktiv und dennoch immer teurer. Aber sollte man nicht für alles sein, was die Steuer senkt? Ganz gewiss sollte man das. Nur sollte die Steuer für alle sinken und nicht nur ausgerechnet für jene, die den Verkehr vermehren und die sich für billigere und schönere Wohnlagen entschieden haben. Und wenn man trotz all dieser Argumente unbedingt doch etwas für die niederösterreichischen Pendler tun will, dann sollte man ihnen bei jeder U- und Schnellbahn-Endstation gratis Parkplätze anbieten. Dann sollte man die Wiener U-Bahnen ins niederösterreichische Umland hinaus verlängern. Dann sollte man ähnliche Lösungen auch für alle anderen städtischen Agglomerationen entwickeln.

 

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Marktwirtschaft versus konservative Wirtschaftsauffassung drucken

Der Tagebuchbetreiber teilt Friedrich Romigs wirtschaftstheoretische Vorstellungen über weite Strecken nicht. Denn sie beruhen auf einem völligen Missverständnis von Marktwirtschaft, einem Ignorieren der durch sie erzielten Wohlstandsvermehrung und dem Fehlen jeder Wertschätzung für die Freiheit als zentralem Wert (auch des Christentums). Die liberalen Ökonomen waren auch die einzigen, die von Anfang konsequent die Schulden-Ansammlung in der EU sowie die diversen Rettungspakete kritisiert haben. Romigs Vorstellungen einer durch Stände und Kammern regulierten Ökonomie sind nicht nur im einstigen Ständestaat total gescheitert.
Die begeisterte Zitierung von Linksaußen-Ökonomen wie Kurt Rothschild zeigt trotz Romigs eigentlich konservativ-katholischen Hintergrunds die große Nähe seines Theorieansatzes zu sozialistischem Denken. Dieses war in der Geschichte immer die sichere Garantie für allgemeine Verarmung. Dennoch präsentiert das Tagebuch in der Folge Romigs Text ohne jede weitere Anmerkung, weil er eine konsistente Zusammenfassung einer sonst kaum noch so artikulierten Weltsicht darstellt, weil er jedenfalls als interessante Herausforderung gelten kann, und weil Mainstream-Medien solchen Sichtweisen keinerlei Artikulations-Chancen bieten. (a.u.)

„Marktwirtschaft" ist ein Kind des Liberalismus, Liberalismus ein Kind der Aufklärung.[i] Das Projekt der Aufklärung ist die Lostrennung („Emanzipation") des Menschen von Gott und schließlich von jeglicher Autorität unter Rekurs auf die als „mündig" angenommene einzelmenschliche Vernunft[ii].

Was eigentlich ist „Marktwirtschaft"?

Die auf sich selbst gestellte („autonome") menschliche Vernunft, die sich nicht mehr als Manifestation des göttlichen Logos versteht, muss ihr Prinzip in sich selbst finden, um auf die Frage, was vernünftig sei, antworten zu können. Wir bezeichnen das als „Rationalismus"[iii].

Vernünftig, „rational" ist für den Rationalismus zuletzt nur das, was Lust verschafft (die Nationalökonomen nennen es „Nutzen", „Bedürfnisbefriedigung", „Ertrag", „Wohlfahrt") und Unlust (Missnutzen oder „Disutility", „Mühe", „Arbeit", „Aufwand", „Kosten") meidet[iv]. Das handlungsbestimmende Prinzip der Vernunft ist nach rationalistischer Auffassung das ökonomische Kalkül von „pleasure and pain“, „utility and disutility", „Nutzen und Aufwand", „Ertrag und Kosten"[v].

Insoweit der Mensch rational handelt – und nur dann handelt er als „aufgeklärter" Mensch, als animal rationale – ist er homo oeconomicus. Sein ganzes Dichten und Trachten, alles was er tut, zielt auf Lustgewinn („Profit") sowie auf den Erwerb von äußerem Reichtum und Macht ab, die beiden Mittel, um sich jeden Wunsch zu erfüllen („Macht ist Münze"). Genau das sind denn auch die Antriebsmotive der „Marktwirtschaft": „Die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht"[vi].

Das Streben des Einzelnen nach Profit (Lustgewinn, Reichtum) und Macht, stößt auf das gleichartige Streben der Mitmenschen, d. h. auf Konkurrenz. Sie ist das regulative Prinzip, welches das Verhältnis der Menschen zueinander bestimmt, und der Markt der „Ort", auf dem der Wettbewerb ausgetragen wird. „Marktwirtschaft" wird daher häufig mit „Wettbewerbswirtschaft" gleichgesetzt.

Wettbewerb (z.B. im Sport) bezweckt Auslese der Besten nach Regeln oder Normen. Solche (Spiel-)Regeln oder Normen „organisieren" den Wettbewerb („die Wettbewerbsveranstaltung") und bestimmen, wer beim Wettbewerb auf Grund seiner alle anderen Konkurrenten überragenden Leistung („Performance") als Sieger gelten und als der Tüchtigste („Beste", „Stärkste", „Schnellste") den Siegespreis erhalten soll. Auf dieser Idee des Wettbewerbs beruht die der „Marktwirtschaft" zugeschriebene Leistung oder „Funktion", das Hauptproblem der Nationalökonomie, die „Allokation knapper Ressourcen", optimal zu lösen.

Die Ressourcen wandern zum „besten Wirt", zu den tüchtigsten Unternehmen, zu den kaufkräftigsten Käufern, zu den „Orten" des höchsten Ertrages (z.  B.  Kapital in die Länder mit dem höchsten Realzinsniveau) – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die Auslese der Besten und die Wanderung der Ressourcen dürfen nicht gestört, der Wettbewerb nicht „verzerrt", in den Markt nicht „eingegriffen" werden. Jedenfalls nicht anders als mit „marktkonformen" oder „wettbewerbsneutralen" Mitteln. Der  Markt soll „frei" sein. Nur wenn Markt und Wettbewerb sich selbst überlassen bleiben, können sie ihre „Selbstregulierungsfunktion" erfüllen. „Marktwirtschaft" ist daher politisch immer mit der Forderung nach „Laissez faire", und durch sie mit dem Liberalismus verbunden. „Der Markt braucht keinen Meister", hier wirkt der Automatismus der „Selbstorganisation", die „spontane Ordnung" (F. A. v. Hayek), die „invisible hand" (A.  Smith). Einzig die Spielregeln und Normen, unter denen der Wettbewerb stattfinden und seine Auslesefunktion erfüllen soll, sind festzulegen.

Wettbewerb ist Krieg

Wie im sportlichen Wettbewerb, so gibt es auch in der wirtschaftlichen Konkurrenz Sieger und Besiegte, in der Wirtschaft jedoch u. U. mit fatalen Konsequenzen für den Unterlegenen. In der Marktwirtschaft – und das ist der Sinn des Wettbewerbs als Ausleseveranstaltung – soll der Unterlegene auf dem Markt nicht zum Zuge kommen, er soll vom Markt verdrängt und ferngehalten werden. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist daher immer Verdrängungswettbewerb, Kampf um Marktanteile und Marktkontrolle (insbesondere auch der Marktzugangskontrolle).

Als Verdrängungswettbewerb tendiert Wettbewerb dazu, sich selbst aufzuheben, d.h.: Er tendiert zum Monopol. Wettbewerb ist Kampf ums Monopol, um Vorzugsstellungen, um Kontroll- und Machtpositionen, ähnlich wie in der Parteiendemokratie. Sie ist das politische Korrelat zur „Marktwirtschaft".[vii]  Die moderne Industriegesellschaft stellt sich dem Betrachter denn auch in der Tat als eine „Welt von Monopolen"[viii] dar, die, wenn nicht gerade Waffenstillstand (z. B. auf Grund von Kartellvereinbarungen) zwischen einigen von ihnen herrscht, sich alle gegenseitig bekriegen und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Kriege, so wissen wir aus Erfahrung, werden durch (Unternehmens-) Strategien, Ausrüstungen (Waffen, Munition, logistische Einrichtungen), (Mitarbeiter-) Truppen und Kampfgeist („Motivation", Begeisterung, „Identity") entschieden. Militärische Termini haben seit langem Einzug in die Hörsäle, Lehrbücher und Führungskader der Wirtschaft gehalten.  Kein Wunder, dass da einer der klügsten Nationalökonomen seinen Studenten empfohlen hat, Clausewitz' „Vom Kriege" zu studieren[ix]. Was sie dort lernen würden: Strategie, Aufmarschplanung, Angriff, Überraschung, Umgehung, Tarnung, Täuschung, Umzingelung, Einkesselung, Grabenkampf, Belagerung, Zermürbung, Ausfall, Rückzug etc., das alles sei viel realitätsnäher als alle ökonomischen Modelle und Theoreme.

Die theoretische Form, in der sich die „soziale Marktwirtschaft" heute darstellt, ist die „Neoklassik". Das Überraschende nun ist – und deshalb ist K. W. Rothschild rückhaltlos zuzustimmen – dass es kein einziges mikro- oder makroökonomisches neoklassisches Grundtheorem gibt, das modernen wissenschaftstheoretischen Ansprüchen sowohl in logischer wie empirischer Hinsicht genügen würde und die erforderlichen Tests bestanden hätte. Kein einziges! Mit anderen Worten: Es gibt kein einziges „ökonomisches Gesetz", dessen kausal-mechanische Eindeutigkeit empirisch bewiesen wäre. Was wir heute in der neoklassisch ausgerichteten Nationalökonomie betreiben, ist im Wesentlichen „angewandte Mathematik" oder, wie H. Albert den Nationalökonomen spöttisch vorhielt, „Modellplatonismus"[x], Modellschreinerei ohne Realitätsbezug[xi].

Markt, Angebot und Nachfrage gibt es nicht

Das viel berufene „Gesetz von Angebot und Nachfrage" zur Bestimmung der Preise erwies sich als Tautologie.[xii] In der Praxis gibt es keine Angebots- und Nachfragekurven (in deren Schnittpunkt der Preis zu finden ist).  Die Unternehmer (Anbieter) können nicht einmal die Frage beantworten, was denn eigentlich ihr Produkt tatsächlich „kostet".[xiii] Die Kostenrechnungen und Kalkulationssysteme, die man ihnen einredete, brachten Resultate hervor, die eine „Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit"[xiv] darstellen, geeignet, „jenen Preis zu rechtfertigen, der erzielbar ist".[xv]

Die „Gesetze über die Zu- oder Abnahme der Grenzrate der Substitution", mit denen die Theorie erklärt, wie Verbraucher sich verhalten und Haushalte ihre Budgets verwalten, lösten bei den Betroffenen (Hausfrauen, Konsumenten), je nach dem Grade des Verständnisses, erstauntes Kopfschütteln oder Lachkrämpfe aus. Am Ende mussten selbst die Neoklassiker die Idee einer geschlossenen Preistheorie aufgeben und zugestehen, dass die von ihnen aufgestellten „Marktgesetze" nicht ausreichen, um das Zustandekommen von Preisen zu erklären.[xvi]

Und dann verloren sie auch gleich noch den Marktbegriff, sie konnten ihn nicht mehr definieren! Sie hatten den einen „Markt" solange in Teil- und Elementenmärkte zerlegt, bis er sich verflüchtigte und nur noch „Verhaltensweisen" und „individuelle Kundenbeziehungen" übrig blieben. Schon vor rund fünfzig Jahren kam von einem mit neoklassischen Methoden arbeitenden Nationalökonomen daher die Empfehlung, „den Marktbegriff nicht mehr zu verwenden".[xvii] Er ist nichts als ein flatus vocis.

„Marktwirtschaft" ohne „Markt"? Wo sollten da die Marktgesetze herkommen, auf die man sich immer berief, wenn Betriebe geschlossen und Arbeiter auf die Straße geworfen wurden? Denn das Problem, das sie zu lösen versprach, das Problem der Arbeitslosigkeit, diese Geißel des Kapitalismus, bekam die neoklassische Theorie und „Synthese" nie in den Griff. Der Keynes'schen Revolution ging der Atem aus.

Die Theorie zur Bestimmung des Volkseinkommens und der Beschäftigung durch Sparen und Investieren erwies sich als eine „metaphysische Konzeption".[xviii]  Die Annahmen über die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", den „Hang zum Verbrauch" und die „Liquiditätsvorliebe" waren nichts als „Catchwords", welche die unverantwortliche Ausweitung der Budgetdefizite begründen halfen. Sie fachten die Inflation an,  versteinerten die Strukturen und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. Als man damit auch die Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Griff bekam, ließ man die Keynes'sche Theorie fallen.

Politiker kamen ans Ruder, welche die „Sanierung" der Budgets versprachen, und versatile Ökonomen aus dem klassischen Lager, die „Monetaristen", sprangen ihnen bei, die ihnen ein altes Museumsstück, die „Quantitätstheorie des Geldes", frisch abgestaubt und hochglanzpoliert, als Neuheit verkauften. Jetzt waren „schlanker Staat", Privatisierung und Deregulierung angesagt. Das Problem der Arbeitslosigkeit ließ sich damit zwar auch nicht lösen, aber die Schuld daran konnte man wenigstens auf die Vorgänger im politischen Amte abschieben, die keinen budgetären „Spiel"raum für Ankurbelungsmaßnahmen übrig gelassen hatten. Wirtschaftspolitik pendelte zwischen „Gas geben" und „Bremsen".

Der Leser, der bis hierher durchgehalten hat und Bilanz zieht, wird sich fragen, was denn das Ganze soll? Eine Theorie ohne Praxisrelevanz? „Gesetze" ohne Beweis?  Begriffe ohne Substanz? Was wird denn dann mit dieser Worthülse „Marktwirtschaft" bezweckt?

Die Antwort klingt, als würde sie aus der linken Suppenküche kommen:

„Marktwirtschaft" ist Ideologie! Ihr Zweck ist die Verschleierung und Verdeckung von Machtpositionen, Machterwerb, Machtkämpfen, Machtsicherung, Machtkontrolle. Sie soll das Nachdenken darüber ausschließen oder ablenken, wie die moderne Industriegesellschaft tatsächlich funktioniert, wie, durch wen und zu wessen Gunsten sie motiviert und kontrolliert wird. Kommt Kritik dennoch auf, so wird sie unter Hinweis auf „Selbstregulierung" und „Laissez faire", auf „Sachzwänge" und „Globalisierung", auf „Gemeinsamen Markt" und „internationale Vereinbarungen" abgetan.  Statt angesichts der schrecklichen Verwüstungen unserer Umwelt politisch zu handeln, wird das „Laissez faire" zur Maxime der Politik. Die Berufung auf die sich selbst regulierenden „Marktgesetze" ist Ausdruck der Resignation der classe politique vor einer Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft, die sie selbst in Szene gesetzt hat.

Kennzeichnend für diese Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist die totale Verschmelzung von Großindustrie, Geschäft, Rüstung, Forschung, Technik, Massenproduktion, -konsum, -unterhaltung, -kommunikation, -manipulation, Staatsbürokratie und Politik.[xix] Das gesamte Ausbildungs- und Erziehungssystem des „Produktionsfaktors" Mensch ist auf die Bedürfnisse der Großindustrie abgestellt. Die Großforschung, inzwischen selbst zu einer Industrie geworden, wird vom Staat unterhalten: Elektronik, Weltraumfähren, Satellitenkommunikation, Atomforschung, Genforschung, sie alle sind „social costs of private enterprise". Die Industriegesellschaft dient nicht den Bedürfnissen des Menschen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen. Ihre Rationalität manifestiert sich in ihren höchsten Formen in der Destruktion („Atomgesellschaft"), in der Verschwendung („Gesellschaft im Überfluss") und in der Verdinglichung des Menschen („Entfremdung").[xx]

Das Verdikt Pius XI.

Die moderne Dreifaltigkeit von Naturwissenschaft, Technik und Industrie – Erwin Chargaff macht hierauf wiederholt aufmerksam – arbeitet mit immer größerer Beschleunigung („Wachstumsraten") an der Zerstörung der Welt. Die liberalkapitalistische „Marktwirtschaft" und die mit ihr verbundene neoklassische Theorie sind nichts anderes als der ideologische Überbau für die „Struktur der Sünde", wie Johannes Paul II. sie klarsichtig benennt. Die Verbrämung der „Marktwirtschaft" mit „sozialen" oder „ökologischen" Attributen ändert nichts an diesem  harten Verdikt. Es ist so gültig wie jenes, das Pius XI. vor 80 Jahren mit einer Prägnanz ausgesprochen hat, die erschauern lässt:

„Das ist ja der Grundirrtum der individualistischen (= neoklassischen, F. R.) Wirtschaftswissenschaft, aus dem alle Einzelirrtümer sich ableiten: in Vergessenheit oder Verkennung der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe gegenüber der Wirtschaft nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen (= Laissez faire.  F. R.); im Markte, das heißt im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip… Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein.

Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt … Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt … Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, dass niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann.

Diese Zusammenballung von Macht, das natürliche Ergebnis einer grundsätzlichen zügellosen Konkurrenzfreiheit, die nicht anders als mit dem Überleben des Stärkeren – das ist allzu oft des Gewalttätigeren und Gewissenloseren – enden kann, ist das Eigentümliche der jüngsten Entwicklungen.

Solch gehäufte Macht führt ihrerseits wieder zum Kampf um die Macht, zu einem dreifachen Kampf: Zum Kampf um die Macht innerhalb der Wirtschaft selbst; zum Kampf sodann um die Macht über den Staat, der selbst als Machtfaktor in dem Interessenkampf eingesetzt werden soll; zum Machtkampf endlich der Staaten untereinander … (= Imperialismus, F. R.) … Der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine Grausen erregende Härte".[xxi]

Kein Kommunist, so meinte Maurice Thorez in seiner historischen Ansprache vom 26.  Oktober 1937, habe den „Wirtschaftsliberalismus" je so heftig kritisiert wie Pius XI.[xxii]

Die Konservative Wirtschaftsauffassung

Für die konservative Auffassung ist Wirtschaft „Leistungsgemeinschaft" im Dienste der Gesellschaft, genauer noch „ein Gebäude rangordnungsmäßig gegliederter Leistungen von Mitteln für Ziele".[xxiii] Diesem Begriff zufolge unterscheidet konservative Wirtschaftstheorie:

  1. Die der Wirtschaft von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele, zu deren Erreichung die von der Wirtschaft bereitzustellenden Mittel notwendig sind. Zu diesen Mitteln gehören nicht nur solche, welche die „Bedürfnisse" der einzelnen Menschen („Konsumenten") „befriedigen" (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnung), sondern auch Weltraumfähren, SDI (Raketenabwehr-)-Systeme, Atomraketen, Neutronenbeschleuniger zur Erzeugung von Nobelpreisen, Gefängnisse, Kirchengebäude, Wasserwerfer der Polizei, Überwachungssysteme bei Grenzübertrittsstellen; Güter also, die von der neoklassischen Theorie in der Regel ausgeklammert werden.  Welche Mittel bereitzustellen sind, darüber entscheidet nicht die „Wirtschaft", sondern die Gesellschaft in ihren der Wirtschaft vorgeordneten „Kultursachbereichen" (mit ihren „Haushalten" und „Budgets").
  2. Die Leistungsarten oder Funktionen: Organisatorische Leistungen (Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsrecht, Besteuerungssystem, Geld-, Währungs- und Kreditsystem), Vorleistungen (Erfinden und Lehren), Hervorbringungsleistungen (Kreditschöpfung und Kreditgewährung, Handel, Lagerhaltung, Transport, Erzeugung, Schadensverhütung und Versicherung).
  3. Die Leistungsgebilde oder Sozialwirtschaftsstufen, die jeweils alle Leistungsarten in spezifischer Weise darstellen oder „ausgliedern" (Weltwirtschaft, Großraumwirtschaft, Volkswirtschaft, Regionalwirtschaft, Verbandswirtschaft, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft).
  4. Die Leistungs- oder Wirtschaftsgrundlagen: Der Mensch als Verrichtungsträger, die Natur (Boden, Bodenschätze, Wald, Wasser, Pflanzen- und Tierarten, Mikro- und Makroklima), Wissenschaft und Technik
  5. Die Leistungsgrößen, Leistungs„werte" oder Preise
  6. Die Vorrangverhältnisse, insbesondere der Vorrang der Ziele vor den Mitteln, der Mittel vor den Leistungsgrundlagen, der höheren Leistungen und Wirtschaftsstufen vor den niedrigeren, der Leistungen vor den Leistungsgrößen.
  7. Die Wirtschaftspolitik als Inbegriff von organisatorischen Maßnahmen zur Umbildung der Wirtschaft zwecks Effizienzsteigerung oder Festigung der Gesellschaft.

Nach ihren grundsätzlichen Absichten („Schlüsselbegriffen"), ist konservative Wirtschaftspolitik: Wirtschaftsausbaupolitik (z.B. Entwicklungspolitik, „Vollbeschäftigungspolitik"), Dezentralisationspolitik (z.B. Großstadtauflockerungspolitik); Struktur(krisen)politik, Stabilisierungspolitik (z.B. Konjunkturpolitik); Kreativitäts(anregungs)politik (z.B. Innovationspolitik).

Konservative Ordnungspolitik erschöpft sich nicht in Wettbewerbspolitik oder Marktordnung: Im Vordergrund steht nicht die „Konkurrenz", sondern die Förderung der Zusammenarbeit oder „Kooperation" der einzelnen Wirtschaftsgebilde nach den Prinzipien Selbsthilfe (solidarische Hilfe), Selbstverwaltung (Subsidiarität) und Gemeinwohlwahrung (Gesamtwohlfahrt, bonum commune, sittliche Bindung). Ihr regulatives Prinzip ist nicht die Konkurrenz, sondern die Gerechtigkeit (Angemessenheit, Entsprechung, iustitia commutativa et distributiva).[xxiv]

Durch die Politik der Zusammenarbeit wird die Wirtschaft „formiert" oder „durchorganisiert", d.h. verbandlich gegliedert. Je kräftiger die Verbände entfaltet und hierarchisch gegliedert sind, desto besser funktioniert die Selbstverwaltung, der Interessenausgleich zwischen den Verbänden und die Zusammenarbeit mit dem Staat.

Verband schluckt Staat

Der Staat kann sich auf seine eigentlichen Hoheitsaufgaben zurückziehen und die wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten der (sozial-)partnerschaftlichen Regelung der Wirtschaftsverbände weitestgehend überlassen, die, im Gegensatz zur Staats- und EU-Bürokratie, den zu solchen Regelungen gemeinsamer Angelegenheiten notwendigen Sachverstand besitzen. Hoheitliche Eingriffe sind dann nur erforderlich, wenn der Interessenausgleich versagt oder das Gemeinwohl verletzt wird.

Je nach geschichtlicher Situation wurden von praktisch allen westlichen Industriestaaten ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt und Einrichtungen geschaffen, durch welche die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung angetrieben und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft verbessert und geregelt wurde.

Erinnert sei hier nur an den „Reichswirtschaftsrat" der Weimarer Republik (wegen seiner Zusammensetzung ein Fehlschlag), an die heutige relativ geordnete „Repräsentation organisierter Interessen" in der BRD, an das schweizerische „Vernehmlassungsverfahren" und die „Friedensabkommen", an die österreichische „Sozialpartnerschaft", an den „Sozialökonomischen Rat" in den Niederlanden, an die „Planification a la franVaise", an die „Camera Corporativo" in Portugal (unter Salazar eingerichtet), an das wenig nachahmenswerte System des „Lobbying" in den USA, das jedoch ergänzt wird durch die „Hearings".

Immerhin zeigen diese wie auch andere, zum Teil äußerst erfolgreichen Ansätze, dass kein Staat allein auf den „Marktmechanismus" vertraut. Allzu viele Wahlmöglichkeiten hat der Staat ja heute nicht mehr: Entweder überlässt er die Kontrolle des „Marktes" den Großunternehmungen mit allen Nachteilen für das Gemeinwohl, die im ersten Abschnitt beschrieben wurden; oder er kommt seiner Gemeinwohlaufgabe nach und fördert die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung nach den oben beschriebenen Prinzipien. Die dritte Möglichkeit: Sozialisierung und zentrale Planung, wird nach dem Scheitern der realsozialistischen Experimente heute ja kaum noch jemand in Betracht ziehen.

Die neoklassische Theorie hat zu den Verbänden und ihren Funktionen praktisch keinen Zugang.  Für sie sind Verbände Träger von privater Macht, welche die Märkte kontrollieren und die Konkurrenz fernhalten wollen (also Kartelle oder Monopole). Um ihr Ideal von der möglichst vollständigen Konkurrenz- und Marktfreiheit durchsetzen zu können, würden die Vertreter der Neoklassik daher am liebsten alle Verbände auflösen, womöglich auch die Gewerkschaften. Alles, was sie damit erreichen, ist die Kontrolle der Märkte durch jene Mammutunternehmungen, die übrig bleiben, wenn die Konkurrenz ihre Auslesefunktion erfüllt hat.

Die Ziele konservativer Wirtschaft

Jede Gesellschaft ist umso lebendiger und reicher, je mehr die kleinen Gemeinschaften und Verbände entwickelt und differenziert sind. Daher Dezentralisationspolitik, Auflockerung, Betonung der Unterschiedlichkeit, „Spezifizität" statt Gleichheit und Uniformierung.  Daraus ergibt sich als anzustrebendes Bild konservativer Wirtschaft:

  1. Humane Arbeits- und Konsumwelt: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben („small is beautiful"), Dezentralisation von Großbetrieben (Werkaussiedelung, Gruppenarbeit, Vollfertigung statt Fließbandarbeit, Automation zwecks Entlastung von stumpfsinniger Repetitivarbeit), Förderung gediegener, gesunder und dauerhafter Produkte und des persönlich geprägten Bedarfes, Zurückdrängung der Massenproduktion und Massenunterhaltung, des Massentourismus etc.
  2. Humane Wohnwelt: Förderung der Großstadtauflockerung, Eigenheim- und Gartenstadtbewegung, Zurückdrängung der Mietskasernen und Slums, Förderung der Nachbarschafts-, Dorf-, Bezirks- und Heimatkultur.
  3. Bändigung von Wissenschaft und Technik: Auflösung der militärisch-technisch-industriellen Superstrukturen, Förderung naturnaher und humaner Wirtschaftstechniken, regenerativer Kreisläufe, intermediärer Techniken.
  4. Schutz der Natur, sorgfältiger Umgang mit den Naturgrundlagen; Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Schonung der Bodenschätze und Energiereserven, Bekämpfung des Waldsterbens und der Großrodungen, Reinhaltung der  Seen, Flüsse, Meere und Grundwasserreserven; Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten, naturnahe Züchtungsmethoden, tiernahe Stallhaltung, Bekämpfung der Klimaverschlechterungen (Ozonbelastung, Treibhauseffekt) und der Luftverschmutzung.
  5. Umfassende Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen (betrieblich, regional, national, international), zwischen allen Leistungsträgern, Klassen und Schichten, ihren Verbänden und Vertretungen. Zurückdrängung der überbordenden Konkurrenz, des Klassenkampfes, der Interessenkonflikte, der Machtkonzentrationen, des Wirtschaftsimperialismus.
  6. Zusammenwachsen und „Formierung" der Verbände zu einem ideellen „Wirtschaftskörper", der die gegenseitige Abhängigkeit und Aufeinanderangewiesenheit aller am Wirtschaftsleben partizipierenden Glieder bewusst, überschaubar und gestaltbar macht und hierbei Eigeninitiative (Selbsthilfe, Eigenvorsorge, Privateigentum) und Selbstverwaltung (Selbstbestimmung, Freiheit) mit Gemeinwohlorientierung (Sozialprinzip) verbindet.

Die Bausteine aus der Tradition

Die Tradition der konservativen Wirtschaftsauffassung[xxv] reicht bis in die Antike zurück. Sie hat ihre Vertreter und Schulen in jeder geistesgeschichtlichen Epoche und findet in der Gegenwart immer mehr Freunde. Die Beiträge von tausenden Verfassern müssten genannt werden, doch mögen hier einige Andeutungen genügen:

Grundlegend ist Platons „Staat" mit seiner Lehre von der Einheit oder Ganzheit der Seinsordnung, Staatsordnung (= Ständeordnung) und Tugendordnung.
Die Summen des Hl. Thomas v. Aquin mit ihrer Lehre vom  „gerechten Preis" und der Güterlehre. Auf Thomas fußt weitgehend die Katholische Soziallehre mit den Enzykliken der Päpste.
Fichtes „Geschlossener Handelsstaat", der in seiner Stringenz den Gegensatz der konservativen Auffassung zur „offenen" oder „freien" Markt- oder Konkurrenzwirtschaft ganz deutlich macht.
Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" mit ihrer Lehre vom „idealischen" oder geistigen Kapital der Nation.
Friedrich Lists „Nationales System der politischen Ökonomie" mit der für alle Wirtschaftspolitik bis heute unverlierbaren „Lehre von den produktiven Kräften".
Die ältere und jüngere historische Schule (Roscher, Knies, Hildebrand, Schmoller) mit ihrer Abkehr von jedem Modelldenken und der Betonung des „geschichtlichen Wachstums der Ordnungen" in Abwehr konstruktivistischer und funktionalistischer Ordnungsversuche der Wirtschaft.
Die soziologische Richtung der Nationalökonomie mit Werner Sombart und Max Weber, an der Spitze Othmar Spanns und Walter Heinrichs „universalistische" oder „ganzheitliche" Schule, die das am gründlichsten durch gearbeitete System der konservativen Wirtschaftstheorie bisher geliefert hat.
Die „institutionelle" Richtung, die vor allem in den USA vertreten ist (Th. Veblen, J. K. Galbraith).
Die auf J. M. Keynes zurückgehende, jedoch weiterentwickelte „strukturanalytische" Schule mit ihrer Input-Output-Rechnung (W. Leontief).
Die kulturmorphologische Schule (E. Egner, B. Laum, F. Perroux), die grundlegende Einsichten in nichtmonetäre Transaktionen (Stichwort: „Schenkende Wirtschaft") gebracht hat.
Die ökologische Richtung mit der Lehre von den „sozialen Kosten" (W. K. Kapp). Die „gemeinwirtschaftliche Schule" mit der Untersuchung von Kommunalbetrieben (G. Weisser, H. Ritschl).
Die "Raumwirtschaftslehre" mit ihrer Betonung von Standortfaktoren und „zentralen Orten" (A.  Lösch).

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Autoren, die sich intensiv mit Spezialfragen und wirtschaftspolitischen Problemen befassen (z. B. Internationale Organisationen, Währungs- und Kreditpolitik, Agrarpolitik, Marketing, Unternehmungsführung, Haushaltswirtschaft usw.), allein schon vom Sachgehalt ihrer Arbeiten her, sich vielfach konservativen Auffassungen nähern. So verfügt etwa die Betriebswirtschaftslehre über ihre eigene konservative Tradition, die sie heute ganz bewusst und mit äußerster Schärfe der auf der neoklassischen Mikroökonomie fußenden Privatwirtschaftslehre (E. Gutenberg) gegenüberstellt (H.  Nicklisch, K. Oberparleiter, E. Schäfer, F. Schönpflug, J. Kolbinger, R. Fürst, R.-B. Schmidt, H. Ulrich, H. A. Simon). Ähnliches ließe sich wohl aus jedem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft berichten.

Paradigmenwechsel?

Durch ihre ganz bewusste Unterordnung unter die geistig-kulturell-sittlichen Dimensionen der Gesellschaft stellt sich die konservative Wirtschaftsauffassung der wichtigsten Aufgabe unserer Zeit: Der „Versittlichung" von Wirtschaft und Gesellschaft oder, um es mit den Worten von Johannes Paul II. auszudrücken, der „Überwindung der Strukturen der Sünde", zu denen der Liberalismus und die liberalkapitalistische Marktwirtschaft samt der sie begleitenden neoklassischen Theorie zweifellos gehören[xxvi].

Im Westen ist sie weithin herrschend geworden, ihre geistigen Wurzeln hat diese Struktur in der Aufklärungsphilosophie. Auf den Denkeinstellungen der „Aufklärung" (Verneinung der Transzendenz, Nichtunterscheidung von Sein und Seiendem, Ablehnung jeder Metaphysik), ihren Denkmustern (Individualismus, Hedonismus, Utilitarismus, Rationalismus) und ihren Denkmethoden (naturwissenschaftlich-technisch-mathematisches Verfahren –Positivismus, kritischer Rationalismus) beruht die „Krise der Neuzeit"[xxvii] mit ihren geradezu lebensbedrohenden Zerstörungen und reduzierten Zukunftserwartungen.[xxviii]

In der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft sind es vier Momente, die auf eine Ablösung der liberalkapitalistischen Marktwirtschaftstheorie hoffen lassen:

  1. Die ganzheitliche Sicht: Es besteht heute in der Theorie ein Zug zur Totalanalyse, zur Erfassung der allseitigen („interdependenten") Bezogenheit aller Einzelerscheinungen und Nebenerscheinungen des wirtschaftlichen Prozesses, so heute vor allem die Beachtung ökologischer, landschaftlicher, sozio-kultureller und technischer Aspekte und Folgen von wirtschaftlichen Projekten und Entscheidungen.
  2. Die Bildung „ganzheitlicher" Institutionen: Schon durch ihre Zusammensetzung schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Projekte oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nach allen Seiten und Interessengesichtspunkten hin abgewogen werden (sozialökonomische Räte, sozialpartnerschaftliche Beiräte, Kammern, Körperschaften öffentlichen Rechts usw.)
  3. Die Entwicklung ganzheitlicher Methoden der Wirtschaftsanalyse: Der Bedarf dieser Institutionen wie auch die ganzheitliche Sicht fordern Methoden, die den All-Zusammenhang der einzelnen Wirtschaftszweige und Haushalte sichtbar und die quantitativen Wirkungen von Maßnahmen der Wirtschaftspolitik abschätzbar machen (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Systemanalysen, Input-Output-Tabellen u.a m.)[xxix]
  4. Die Abwertung des Ökonomischen: Es treten heute immer mehr Bewegungen auf, welche die Ansprüche der „Industriegesellschaft" in die Schranken weisen (Naturschutz, Greenpeace, biologisch-dynamischer Land- und Gartenbau, Gartenstadtbewegung, Aktion ziviler Ungehorsam, Besetzung von Kraftwerksbaugelände, Verhinderung von Straßenprojekten, Bürgerinitiativen u.v.a.). Solche Bewegungen sind Symptome dafür, dass immaterielle, soziale und kulturelle Werte wie Gesundheit, Lebensqualität, „Selbstverwirklichung", persönliche Freiheit und Würde gegenüber Einkommen und Konsum von materiellen Gütern an Bedeutung gewinnen[xxx].

Im gleichen Ausmaß, in dem diese konservativ-ganzheitlichen Denkweisen und Methoden sich durchsetzen, verdrängen sie „Marktwirtschaft" und Neoklassik. Der Paradigmenwechsel, von der „Aufklärung" zum „Konservativismus", scheint sich langsam zu vollziehen. Wie lange der Prozess der Ablösung dauern und von welchen Rückschlägen er betroffen werden wird, kann heute niemand sagen. Eines aber wissen wir heute ganz sicher: „Aufklärung" und Liberalismus, konsequent zu Ende gedacht, führen zu Chaos und Anarchie[xxxi], zur Zerstörung der Natur,[xxxii] zur Auflösung der Ordnungen und letzten Endes zur „Abschaffung des Menschen".[xxxiii] [xxxiv]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i]Die gründlichste Klärung dieses Zusammenhangs von sozialer Marktwirtschaft, (Neo-)Liberalismus und Aufklärung findet sich  bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1961. N. kommt zu dem Schluß, daß es sich beim Neoliberalismus nicht um eine Neuschöpfung, sondern um die Renaissance altliberaler Konzepte handelt, die in keiner einzigen Grundfrage über das geistige Niveau der Aufklärungsphilosophie hinausgekommen ist (S 425). N. setzt sich mit den deutschen Vätern des Neoliberalismus  auseinander (F.  A. v. Hayek, A. Müller-Armack, W. Eucken, W. Röpke, F. Böhm). Im angelsächsischen Bereich firmiert der Neoliberalismus unter "Neoklassik". Die Schlußfolgerungen N's. gelten in gleicher Weise wie für den Neoliberalismus und die "soziale Marktwirtschaft" (social market economy) auch für die "neoklassische Nationalökonomie".  Vgl. dazu: F. Romig: Die ideologischen Elemente in der neoklassischen Theorie - Eine kritische Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson, Berlin 1971, insbes.  S 10; unabhängig kommt zu gleichartigen Aussagen jetzt H. Arndt: Irrwege der Politischen Ökonomie, München 1979. A. behandelt das Schrifttum in seiner ganzen Breite.

[ii]Vgl. Stichwort: "Aufklärung", in: H. Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 20.  Aufl. (neu bearb. v. G. Schischkoff), Stuttgart 1978, S. 45f. Dort bes. zu beachten die Hinweise auf "Rationalismus" und "Liberalismus", die mit der "Aufklärung" untrennbar zusammenhängen. Einen guten und ausführlicheren Überblick bietet F.Schalk: Die europäische Aufklärung, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7, Frankfurt 1986 (Neudruck), S. 469-512.

[iii] Vgl. Stichwort: "Rationalismus", in: Phil.  W. B., a. a. O. (FN 2), S 551: "Der Rationalismus ist die Denkweise der Aufklärung … "

[iv] Lustmaximierung (Hedonismus) als letztes Ziel des Rationalismus folgt aus seiner sensualistischen (materialistischen) Geisteslehre: Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu (J. Locke) Dieser Grundsatz zieht sich von Hobbes über  Marx bis zu den Evolutionisten durch die gesamte Aufklärung. Vgl. O. Spann: Philosophenspiegel-Die Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 3. Aufl. (mit einem Nachwort von G. Schischkoff), Bd. 13 der Othmar Spann-Gesamtausgabe, Graz 1970, S 35.

[v] Die Reduktion des "rationalen" Denkens auf das "ökonomische Kalkül" von "pleasure and pain" (Jevons) läßt sich über A. Smith bis zum neo-epikuräischen Eudämonismus des Th. Hobbes zurückzuverfolgen.  Vgl.  K. Muth: Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, Bd. 2, S. 221, S. 400, S. 421.  Die gesamt neo-klassische "Mikroökonornie" ist in ihrem Kerne nichts anderes als "Nutzenkalkül" von Tausch- oder "Substitutions-Möglichlkeiten ("Optionen", Wahlhandlungen). Politisch begründet das Offenhalten der Substitutionsmöglichkeiten die Forderung nach Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Gewerbefreiheit, "offene" Märkte, "freie" Marktwirtschaft sowie die Abwesenheit von "Macht" und "Zwang". Auf die Tautologie, die dadurch entsteht, ein machtfreies Marktmodell zu konstruieren und dann, um des Funktionierens willen, politisch die Elimination der Macht zu fordern, hat nachdrücklich hingewiesen K. W. Kapp: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge, Mass. 1950, S. 240

[vi] Johannes Paul II: Enzyklika über die soziale Sorge der Kirche "Sollictudo rei socialis", Rom 1987 (abgek.  SRS) n. 37: Zwei Verhaltensweisen kennzeichnen die heutigen "Strukturen der Sünde": "die ausschließliche Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht" die beide "unauflöslich verbunden sind" und "die wahre Natur des Bösen" ausmachen.

[vii] Der Zusammenhang von "Marktwirtschaft" und Demokratie" wird gerade von Neoliberalen oder "Ordo"-Liberalen ("freiheitliche" Wirtschaftsordnung - "freiheitliche" Gesellschaftsordnung) immer wieder betont.  Doch auch hier wirkt so etwas wie die "Dialektik der Aufklärung": In der neoliberalen Konzeption wird aus "Wettbewerbsfreiheit" "Wettbewerbszwang", daher das Verbot von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Verbänden als Formen "privater Macht". F. Ottel: Wirtschaftspolitik am Rande des Abgrundes, Frankfurt 1957, ist diesem Sachverhalt nachgegangen.

[viii] J. Robinson: The Economics of Imperfect Competition, London 1933 (repr. 1948).

[ix] Vgl.  K. W. Rothschild: Preistheorie und Oligopol, in: A. E. Ott (Hrsg.), Preistheorie, Köln 1965, S. 360.

[x] H. Albert: Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung, in: Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschr. f. G. Weisser, Berlin 1963,  S 45.

[xi] Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um den Realitätsbezug durch die "Presidential Addresses", die von den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftern aus dem angloamerikanischen Bereich jeweils zu Jahresende an die American Economic Association gerichtet und anschließend in The American Economic Review veröffentlicht werden.  Gegen die zunehmende Spezialisierung und Trivialisierung werden "Economics of economics" gefordert, also die Anwendung des ökonomischen Kalküls von Nutzen und Aufwand auch auf die Theorienproduktion der Nationalökonomen. Das erinnert an die J. Schumpeter zugeschriebene Bemerkung, von der Arbeit der Nationalökonomen entfielen 10 Prozent auf die Aufstellung neuer Theorien, 90 Prozent auf ihre Widerlegung, das Ergebnis nähere sich Null.  Heute stimmt das sicher nicht mehr: mindestens 50 Prozent ist für das gedankenlose Wiederkäuen von unbewiesenen Grundtheoremen in Lehrveranstaltungen und Textbüchern anzusetzen. "Papageiengeschwätz" nennt das eine der berühmtesten Nationalökonominnen, J. Robinson. Um diesen  Tendenzen - Realitätsferne, Trivialisierung, Verschwendung von Ressourcen -   gegenzusteuern, wäre es marktwirtschatlich konsequent - wenn auch eine kleine Revolution  auslösend -  nicht nur "Economics of economics" zu fordern, sondern Wissenschaft und Forschung samt Lehrbetrieb und Universitäten zu privatisieren und die staatliche Subventionierung einzustellen. In diese Richtung gehen die Vorschläge zweier so bedeutender Kritiker am heutigen "Wissenschaftsbetrieb" wie E. Chargaff und P. Feyerabend (vgl. E. Chargaff: Kritik der Zukunft.  Stuttgart 1983, S 35ff; P. Feyerabend: Irrwege der Vernunft (engl. Farewell to Reason), Frankfurt 1989, bes.  S 381 ff. Wie immer, so ist es auch hier mit marktwirtschaftlichen Prinzipien" zu Ende, wenn "vested interests" betroffen sind.

[xii] Zu diesen, aus der Tatsache des Wirtschaftskreislaufes und der Interdependenzen abgeleiteten und auf den ersten Blick nicht gleich plausiblen Sätzen sowie zu den folgenden Beispielen: F. Romig, a.a. O. und H. Arndt, a. a. O. ( beide FN 1).

[xiii] J. Robinson: Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und Ideologien (engl.  Economic Philosophy), München 1965,S 118.

[xiv] So der führende deutsche Kostentheoretiker und -praktiker P. Riebel: Das Rechnen mit Einzelkosten und Deckungsbeiträgen, in: Zeitschrift. f. handelswissenschaftliche  Forschung, Köln schon 1959, S.  237: "Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen. die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet  werden können.  Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistungseinheit?"

[xv] J. Robinson a.a.O. (FN 13), S. 169.  Der Sarkasmus ist nicht zu übersehen.

[xvi] Vgl.  H. v. Stackelberg: Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 220f.

[xvii] H. Sanmann: Marktform, Verhalten, Preisbildung bei heterogener Konkurrenz, in: Jb. f. Sw., Bd. 14, Göttingen 1963, S 59. Ganz folgerichtig verwendet die konservative Wirtschaftstheorie den Begriff "Leistungswechsel" für "Markt" und nimmt die Funktionen in den Blick, die mit diesem verbunden werden.

[xviii] J. Robinson, a. a. O., (FN 13), S 118

[xix]Überaus anschaulich dargestellt durch J. K. Galbraith: Die moderne lndustriegesellschaft (engl.  The New lndustrial State), München 1968.

[xx] Hierzu noch immer grundlegend H. Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft (engl. One-Dimensional Man), Berlin 1968, 3. Aufl.  Ihn zitiert  Paul Vl. in seiner "Ansprache an die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)" in Genf, am 10.  Juni 1969, n. 20, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre, 8. Aufl., Bornheim 1992, S 451

[xxi]Pius XI.: Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft "Quadragesimo anno".  Rom 1931, n. 88 und 105-109.

[xxii] Hirtenbrief der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika über den marxistischen Kommunismus vom Nov. 1980 (dtsch.), Bonn 1980, Anm. 3. Verdienstvollerweise hat A. Mohler  wieder in Erinnerung gerufen, wo der eigentliche Feind des Konservativen zu finden ist: im Lager der Liberalen. Hier gilt es sich zu absoluter Klarheit durchzuringen und jeden Kompromiß zu vermeiden (vgl.  A. Mohler: Liberalenbeschimpfung.  Sex und Politik, Der faschistische Stil, Gegen die Liberalen - Drei Politische Traktate, Essen 1989, S. 132).

[xxiii]      Wir folgen hier der universalistisch-konservativen Theorie 0. Spanns und seiner Schule, von der Armin Mohler meint, sie habe der Konservativen Revolution "das durchgearbeitetste Denksystem geliefert" (A. Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, Darmstadt 1972 (2. Aufl.), S 203. Als Standardwerk konservativer Wirtschaftspolitik darf gelten: W. Heinrich: Wirtschaftspolitik, 2 Bde., Berlin 1964-1967 (2.  Aufl.); eine kurze Gesamtübersicht bietet F. Romig: Wirtschaft der Mitte.  Eine Einführung in die "Wirtschaftspolitik" von Walter Heinrich, Stifterbibliothek, Bd. 72, Salzburg 1955.  Eine populäre Einführung in das Spannsche System wurde vorgelegt von W. Becher: Der Blick aufs Ganze - Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985; in den "Monographien zur österreichischen Kultur und Geistesgeschichte" liegt als Bd. 4 jetzt vor: J. H. Pichler (Hrsg.): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes, Wien 1988.  Dort auch eine Bibliographie der wichtigsten Arbeiten aus der Spann-Schule (S 279-285).  Eine Othmar Spann-Gesamtausgabe in 21 Bänden ist erschienen In der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, 1963-1979.

[xxiv] Vgl. F. Romig: Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Berlin 1966. Dort auch eine Tabelle als Überblick über das ganzheitliche System von Gesellschaft und Wirtschaft (S 92).

[xxv] In der Iehrgeschichtlichen Darstellung schließen wir uns weitgehend an: 0. Spann: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage. In einem Nachwort weitergeführt v. W. Heinrich. (Bd. 2 der Othmar Spann-Gesamtausgabe), 28. Aufl.,Graz 1969 .

[xxvi] Johannes Paul II. benennt als "Strukturen der Sünde" für den Westen den liberalistischen

Kapitalismus und für den Osten das "System, das sich am marxistischen Kollektivismus orientiert".  Vgl. Enzyklika SRS (FN 6), n. 20.

[xxvii] Für die Aufhellung der geistigen Hintergründe dieser Krise noch immer lesenswert: René Guénon: Die Krise der Neuzeit (franz. La Crise du Monde Moderne), Köln 1950

[xxviii] Aus dem bereits uferlosen Schrifttum seien zwei Hauptwerke hervorgehoben: Bericht an den Präsidenten: "GLOBAL 2000", Frankfurt 1981 (12.  Aufl.); World Comission on Environment and Development: Our Common Future (abgek.  Brundtland-Bericht), Genf 1989 (12.  Aufl.). In beiden Berichten umfangreiche Literaturangaben.  Der letztgenannte Bericht klingt wie ein Verzweiflungsschrei (bes.  S. X f).  Die Zerrüttung der Umwelt schreitet seit Jahren fort und beschleunigt sich ständig.  Effektive Maßnahmen, die geeignet wären, die Entwicklung einzubremsen oder gar zu stoppen, scheitern zumeist an den unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder.

[xxix] Die Nichteinbeziehung des Verzehrs an natürlichen Ressourcen (z.  B. Erdöl) oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität, ferner die Nichtberücksichtigung von marktvermeidenden Leistungen (z.  B.  Haushaltsarbeit) in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen zu falschen Aussagen (etwa über die "Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts"), Fehlschlüssen und Fehlmaßnahmen. Zum Teil werden solche Rechnungen angestellt, um Projekte plausibel zu machen, die auf Widerstand stoßen. Die Rede ist dann von "Umwegrentabilität" (z.B. von "Weltausstellungen"), "Spin-off-Effekten (bei der Raumfahrt und Rüstung). Intangible Kosten bleiben dabei meist unberücksichtigt, im Gegensatz zu den intangiblen Erträgen.

[xxx] Vgl. K. Lehmann: Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens, Bonn 1989, S 8

[xxxi] Sobald nicht Gott, sondern der "Mensch das Maß aller Dinge" ist, führt der Weg, einem Diktum F. Grillparzers zufolge, "von der Humanität  über die Nationalität zur Bestialität". Der Emanzipation von Gott entspricht die Emanzipation des Menschen von (den "Zwängen") der Gemeinschaft, die Auflösung der Familie, das Absterben des Staates, die klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft, die Anarchie.Geistesgeschichtlich konsequent folgte auf Rousseau, Feuerbach, Marx, Bakunin und Kropotkin. Radikal gedacht, endet aller Liberalismus in Anarchismus. Dazu: K. Muth: Die Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, insbes. Bd. 2, Kap.  VII: "Die Doktrin der Anarchie", S 283 ff. Das Ziel der Anarchie: die "herrschaftslose Gesellschaft", findet sich heute in allen "emanzipatorischen" Bewegungen der Gegenwart. so bei den "Grün-Alternativen" den "Basisdemokraten", den "Feministinnen", den "Revolutionären Marxisten", Kommunisten und Sozialisten. Ebenso bei den Liberalen (A.  Rüstow), Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die Umsetzung folgt der  "Strategie des Kulturkampfes", von der vor allem Schulen, Universitäten, Kirchen, Massenmedien, Kunst und Unterhaltungsindustrie betroffen sind.  Ausführlich behandelt in: F. Romig: Der neue Kulturkampf - zur Strategie der Linken: Die "Revolution ohne Revolution", in: Neue Ordnung, H. 4-6, Graz 1988.

[xxxii] Vgl. F. Romig: Erwin Chargaff: Ein Monument des Widerstandes gegen die Dehumanisierung der Welt, - eine Hommage, in: Neue Ordnung , H. 4, Graz 1989, S. 9 f: Naturwissenschaft erforscht nicht die Natur, sie sprengt sie; sie löst keine Probleme, sie schafft sie. Dem Wissenschaftsbetrieb geht es nicht ums Wissen, sondern ums Geld. Hauptfunktion der Wissenschaft ist die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, die von den Universitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf produziert werden. Die Wissenschaft wurde zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, Forscher zu Quasi-Priestern geweiht, die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, "und bestünde diese auch nur darin, eine Gesteinsprobe vom Mars zu holen", gilt als Tabubruch und Sakrileg. Eine kräftige Lobby sorgt dafür, daß dem Staat immer größere Geldmittel entrissen werden, die der Selbsterhaltung der Forschungsindustrie und ihrem krebsartigen Wachstum dienen. Zusammen mit der von ihr getriebenen Industrie ist sie dabei, die Erde unbewohnbar zu machen und alles Leben auszulöschen . Sie ist zur größten Bedrohung der Menschheit geworden.  Sie entstammt dem Ungeist der "Aufklärung", der dafür gesorgt hat, daß  "seit fast zweihundert Jahren ein Frösteln durch die Weit geht" (Warnungstafeln, Stuttgart 1982, S. 184). Ganz in diesem Sinn auch P. Feyerabend: a.a.O.  (FN 11): dort reiche Literaturangaben.

[xxxiii]J. Kardinal Ratzinger : Wider die Abschaffung des Menschen - Antwort zur Krise der Werte und der Moral, in: DIE PRESSE, Beilage SPECTRUM, Wien 5./6. Dez. 1987, S 1: "Der Prozeß, der... den Menschen zerstören wird, spielt sich unter Kommunisten und Demokraten ebenso auffällig ab wie unter Faschisten… Die entgegengesetztesten modernen Weltanschauungen haben den Ausgangspunkt der Leugnung des natürlichen Sittengesetzes und der Reduktion der Welt auf "bloße" Tatsachen gemein. … Es herrscht das Kalkül und es herrscht die Macht. Die Moral ist abgetreten, und der Mensch ist abgetreten".Ähnlich F. H. Tenbruck: Die unbewältigten  Sozialwissenschaften oder die Abschaffung des Menschen, Reihe "Zukunft und Herkunft", Bd. 2, Graz 1984, Abschnitt "Über die Abschaffung des Menschen", S 230ff.

[xxxiv] Die vorgetragene konservative Wirtschaftsauffassung steht in engster Verbindung mit der konservativen Bild vom Menschen. Vgl. F. Romig: Das Wesen des Konservativismus, CRITICON, H. 119, München  1990, 135ff

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Reform à la ÖAAB drucken

Dass der „Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund“ meist allein als Beamtenlobby wahrgenommen wird, ist kein Zufall. Schließlich rekrutiert diese Teilorganisation der einst bürgerlichen ÖVP ihr Führungspersonal bevorzugt in Kreisen, die einen auf Gewinn gerichteten Wirtschaftsbetrieb nachweislich niemals von innen gesehen haben. Insbesondere auf Lehrer scheinen Führungsaufgaben im ÖAAB eine besonders unwiderstehliche Anziehungskraft auszuüben.

Gelegentlich fühlen sich die als Beamtenlobbyisten und Privilegienkonservatoren tätigen Zeitgenossen aber doch bemüßigt, auch normalsterblichen Unselbständigen – also produktiv Tätigen – etwas Gutes zu tun. Dass dabei nichts als Mumpitz herauskommt liegt in der Natur der Sache jeder Arbeitnehmervertretung, die – in Umkehrung eines Vorbilds aus der klassischen Literatur – stets das Gute will und stets das Böse schafft.

Aktuell ist es das zu Herzen gehende Los der Pendler, das, nach Ansicht der Chefin des ÖAAB – der Kryptokommunistin „Her mit der Marie!“-Mikl-Leitner – einer dringenden Verbesserung bedarf. Zu diesem Zweck soll nach dem Ratschluss der gelernten Lehrerin die derzeit gültige, angeblich „starre Regelung“, reformiert werden! Der folgende Satz aus einer E-Mail-Aussendung des ÖAAB besticht nicht nur durch seine sprachliche Brillanz:

„Der ÖAAB hat deshalb ein vereinfachtes, transparentes und gerechteres Pendlermodell entwickelt, welches die Mängel des derzeitigen Systems beseitigt und bringt den Pendlerinnen und Pendlern mehr Geld zum Tanken.“

Großartig, nicht? Zumindest Pendler, Erdölkonzerne und Tankstellenpächter werden sich freuen! Das Ziel der „Pendlerförderung“ soll durch Anhebung der „Fördersätze“ um durchschnittlich 14 Prozent erreicht werden. Außerdem wird „Der Pendlerzuschlag für Kleinverdiener von 141 auf 290 Euro mehr als verdoppelt.“ Selbst eiskalten Liberalen wird es angesichts derart selbstlos gewährter Wohltaten ganz warm ums Herz.

Wer wird schon – schließlich gilt es doch, Mitmenschen Gutes zu tun, die durch das Arbeitsleid besonders schwer niedergedrückt werden – kleinlich nach den Kosten dieser Labsal fragen? Wer wird schon die noch etwas grundsätzlichere Frage aufwerfen, welch seltsamen Überlegungen die Idee geschuldet ist, möglichst weite An- und Abreisen von und zum Arbeitsplatz zu prämieren?

Eingedenk der nicht ganz neuen Erkenntnis, wonach allenfalls der Tod gratis ist, muss am Ende jede „Förderung“ schließlich auch bezahlt werden. Die der Pendler beispielsweise durch jene, die nicht in ihren Genuss kommen – die Nichtpendler. Wer sich einen Arbeitsplatz in der Stadt sucht, den er zu Fuß – und ohne nennenswerten CO2-Ausstoß – erreichen kann, ist selber schuld und daher nicht förderungswürdig. Wer aber – anstatt dorthin zu ziehen, wo es Arbeit gibt – den Segnungen des gesunden Landlebens partout nicht entsagen will und daher eine intensive Reistätigkeit entfaltet, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen, hat Anspruch auf „Förderung“. Arbeitnehmervertreterlogik vom Feinsten…

Dass derartige Lustbarkeiten in einem Wirtschaftssystem zelebriert werden, das auch die Genossen des ÖAAB immer wieder gerne als „kapitalistisch“ apostrophieren, komplettiert das Bild. Würden die Damen und Herren Arbeitnehmervertreter auch nur über rudimentären Sachverstand verfügen, wäre ihnen klar, dass in einem zu Recht marktwirtschaftlich oder kapitalistisch zu nennenden Wirtschaftssystem derart grober Unfug absolut undenkbar wäre, wie ihn die Subventionierung eines gesellschaftlich offensichtlich unvorteilhaften Verhaltens darstellt…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie man Immobilienblasen schafft drucken

Fast immer, wenn die Politik scheinbar Gutes tun will, kommt etwas Falsches und Teures heraus. Das zeigt sich etwa bei den Themen Energieeinsparung und Behindertengerechtigkeit. Beides ist ja sehr populär. Aber in beiden Fällen hat die Politik Wirkungen ausgelöst, die an ganz anderer Stelle Schäden verursachen: nämlich beim Wohnbau. Dieser wird dadurch massiv verteuert.

Das führt zu einer österreichweiten Reduktion der Wohnbauleistung. Das erhöht wiederum den Druck auf die ohnedies durch Inflationsflüchtlinge nach oben getriebenen Preise  von Eigentumswohnungen. Und die katastrophalen Spätfolgen einer Immobilienblase hat man ja in Amerika und Spanien genau beobachten können.

Wie kommt es zu diesen schädlichen Nebenwirkungen? Mehrere Bundesländer – Bauen ist ja Landessache – haben es zur unabdingbaren Pflicht gemacht, dass jede Wohnung in jedem neuen Bau behindertengerecht sein muss. Das hat von den Türen über die Aufzüge bis zu den Gangbreiten eine Reihe kostentreibender Folgen. Das ist auch in der Sache wenig sinnvoll. Wenn man Rollstuhlfahrer im siebenten Stock unterbringt und wenn dort ein Brand ausbricht, sind sie absolut hilflos. Dürfen doch dann keinesfalls die Lifte benutzt werden. Es wäre klüger und sparsamer, für den zum Glück sehr kleinen Prozentsatz an Rollstuhlfahrern Wohnungen mit sicheren Ausgängen anzubieten, statt 99 Prozent aller Wohnungswerber mit höheren Kosten zu belasten (Ein ähnliches Thema sind übrigens die gewaltigen Kosten für die Behindertengerechtheit öffentlicher Bauten, wo es oft viel billiger gewesen wäre, für die nächsten Hundert Jahre eine Hilfskraft anzustellen, die jeden Behinderten durchs ganze Gebäude bringt).

Den gleichen kostentreibenden Effekt hat der Zwang zur Gebäudedämmung. Denn mittlerweile stellt sich heraus, dass die versprochene Verbesserung der Energiebilanz niemals eintritt. Das wagen nun sowohl rote Wohnbau-Genossenschafter in Wien wie auch blaue Landesräte in Oberösterreich kritisch zu beklagen. Thermische Sanierungen bringen zwar dem Baugewerbe hohe Umsätze, dem Nutzer aber nicht die gewünschten und kalkulierten Verbesserungen. Viele – teure – Einsparungs-Versprechungen erweisen sich als falsch. Etwa weil übersehen wurde, dass die Mauerdämmung die Aufnahme der auch im Winter des öfteren scheinenden Sonne verhindert (die in der kalten Jahreszeit auch in viel flacherem Winkel und daher wirksamer einstrahlt).

Sind diese Energieeinsparungs-Ankündigungen deshalb falsch gewesen, weil sich die Techniker geirrt haben? Oder sind solche Studien von der interessierten Bau- und Dämmstoffindustrie forciert worden? Das wird sich wohl nur schwer klären lassen.

Tatsache ist, dass die Politik – von der EU bis zu den Bundesländern – durch gut gemeinte Regelungen Schaden anrichtet und zugleich die angestrebten Ziele verfehlt. Das Schlimme: Gesetzgeber sind unglaublich träge, wenn sie Fehler eingestehen und Vorschriften wieder abschaffen müssten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Wofür steigen die Staatsausgaben? drucken

Anstieg der Budgetausgaben nach Verwendung 2011-2016 in Mio. Euro

 

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Wofür werden Invaliditätspensionen zuerkannt? drucken

Prozentueller Anteil der psychischen Erkrankungen an den Anerkennungsgründen für Invaliditätspension nach Sozialversicherung

 

SVB: Sozialversicherung der Bauern
SVA: Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft

Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungsträger 2012

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Die eingestandenen und die heimlichen Schulden drucken

Deutschland und Österreich sonnen sich. Sie haben derzeit relativ hohe Steuereinnahmen, relativ niedrige Arbeitslosenzahlen und eine Staatsverschuldung, die deutlich unter der griechischen oder italienischen liegt. Freilich: Die über 70 Prozent Staatsschulden im Falle Österreichs und die über 80 Prozent im Falle Deutschlands liegen immer noch weit über der in den 90er Jahren beschworenen Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Doch das ist der geringste Teil ihrer Probleme.

Denn auch diesen beiden Staaten steht das nächste tiefe Konjunkturtal bevor. Denn und vor allem: Die offiziellen Schuldenquoten stimmen überhaupt nicht. Deren Wert ist in Wahrheit viel höher. Dazu tragen vor allem zwei Phänomene bei.

Das erste ist die gewaltige Bedrohung auch scheinbar stabiler Staaten durch die falschen Reaktionen in der europäische Schuldenkrise. Deren Auswirkungen sind nämlich derzeit nur zum kleinsten Teil schon in den offiziellen Staatsschuldenquote berücksichtigt. Dort wo man zur vermeintlichen Rettung von Griechenland&Co vorerst „nur“ Haftungen eingegangen ist, sind diese noch keineswegs darin enthalten.

Die EZB als unkontrollierbares Fass ohne Boden

Insbesondere fehlen die Haftungen jedes Euro-Staates für die Geschäfte der EZB. Von dieser fließen nämlich über die sogenannte Target-2-Schiene fast unkontrolliert Gelder in die Schuldenstaaten. Diese Schiene war zwar eigentlich nur zum technischen Ausgleich von täglichen Schwankungen der wechselseitigen Forderungen und Zahlungsströme zwischen den Nationalbanken in so großzügiger Weise gelegt worden.

Sie wird aber längst zur ständigen Finanzierung des krachenden griechischen Bankensystems verwendet. Zumindest ein wichtiger Teil der unabhängigen Finanzwissenschaftler sieht das als sehr bedrohlich an, auch wenn offizielle Stellen beschwichtigen. Alleine bei Target 2 geht es jedenfalls um Größenordnungen, die jene der vieldiskutierten Hilfsplattformen EFSF und ESM in den Schatten stellen.

Noch dramatischer ist der Zustand des Pensionssystems der einzelnen Staaten. Diese haben darin zum Teil sehr großzügige Zusagen für die Zukunft gemacht. Sie haben aber kein Geld dafür bereitgestellt. Sie haben jahrzehntelang zwar die Beiträge für die künftigen Leistungen kassiert, stehen aber ausgerechnet jetzt, da die Babyboomer-Generation ins Pensionssystem wechselt und da die Arbeitskräfte knapp werden – zumindest die qualifizierten –, mit leeren Kassen und den höchsten Schulden der Nachkriegszeit da. Zu den explodierenden Pensionslasten der Zukunft kommt auch noch die zusätzliche und ebenfalls durch nichts gedeckte Belastung des Gesundheits- und Pflegesystems, wenn die Bevölkerung rasch altert.

Dass diese Pensions-Zusagen nichts anderes als Staatsschulden sind, sieht man im Vergleich zu jenen Staaten, die die Pensionsverpflichtungen ausgelagert haben. Die ausgelagerten Pensionskassen müssen naturgemäß zur Absicherung ihrer Versprechungen für spätere Pensionskassen Geld ansammeln, sie tun dies meistens in Form von Anleihen oder auch Aktien. Wenn eine Pensions-Zusage durch ein normales Unternehmen erfolgt, dann muss dieses Unternehmen dafür Rückstellungen bilden, die das Eigenkapital belasten. Das schmälert den Gewinn oder erhöht unmittelbar den Verlust. Daher kann man aus den Bilanzen sofort erkennen, wenn allzu leichtfertige Zusagen gemacht werden. Weil dann eben immer mehr Geld als Rücklage zurückgelegt werden muss.

Österreich: 300 Prozent Staatsschuld

Die deutsche „Stiftung Marktwirtschaft“ hat mit Hilfe von Zahlen der EU-Kommission diese Verpflichtungen, die man auch „implizite Staatsschuld“ nennt, für zwölf Euro-Länder zu berechnen versucht. Sie ist dabei für Österreich auf den kaum noch vorstellbaren Wert von 226 Prozent des BIP, also der gesamten Wertschöpfung eines Jahres gekommen. Dieser Wert kommt wohlgemerkt noch zur offiziell berechneten und eingestandenen Staatsschuld hinzu, woraus sich dann eine Gesamtlücke von rund 300 Prozent ergibt.

Diese kann naturgemäß nur noch mit einer Fülle von drastischen Maßnahmen geschlossen werden, wenn der Staatsbankrott verhindert werden soll (denn Hilfszahlungen aus Griechenland oder Spanien scheinen eher unwahrscheinlich): Notwendig sind also massive Erhöhungen des Pensionsantrittsalters, Pensionskürzungen, Beitragserhöhungen, andere Abgabenerhöhungen und Einschränkungen der Staatsausgaben auf ganzer Linie. Nirgendwo aber werden diese Maßnahmen auch nur in voller Dimension diskutiert.

Deutschland steht ein wenig besser da. Hat das Land doch sein Pensionssystem insbesondere durch eine beschlossene Erhöhung des Antrittsalters schon signifikant verschlechtert – in Wahrheit natürlich: verbessert. Dort beträgt das implizite Defizit „nur“ rund 110 Prozent. Die Gesamtlücke ist damit kleiner als 200 Prozent. Was freilich ebenfalls noch immer einen heftigen weiteren Reformbedarf bedeutet.

Italien steht überraschend gut da

Unter den untersuchten zwölf Ländern stehen aber dennoch nur zwei besser als Deutschland da. Fast sensationell ist, welches Land zumindest nach dieser Studie an der – positiven – Spitze steht: Es ist Italien, das zwar unter der nach Griechenland höchsten offizielle Staatsschuld laboriert, aber laut dieser Studie die weitaus geringste implizite Staatsschuld hat, nämlich nur 28 Prozent des BIP. Dabei wurde in dieser Studie noch gar nicht der jüngste Anlauf der Regierung Monti zu einer weiteren Pensionsreform berücksichtigt. Das lässt vermuten, dass Italien vielleicht zu Unrecht ins schiefe Licht der Märkte gekommen ist. Seine Nachhaltigkeitslücke wird jedenfalls mit bloßen 146 Prozent angegeben.

Dieser Wert verschwindet im Vergleich zu den Zahlen am anderen Ende der Liste. Am übelsten steht derzeit Irland mit einer Nachhaltigkeitslücke (diese ist die Summe aus expliziter und impliziter Staatsschuld)  von fast 1500 Prozent des jährlichen BIP da. An zweitschlechtester Stelle steht ein Überraschungskandidat: nämlich Luxemburg. Das von einer großen Koalition aus linken Christdemokraten und Sozialisten geführte Land weist zwar eine extrem kleine explizite Staatsschuld von 19 Prozent aus. Die gesamte Lücke beträgt jedoch 1115 Prozent.

An dritter Stelle – wieder viel weniger überraschend – findet sich Griechenland mit ebenfalls über 1000 Prozentpunkten. Alle anderen untersuchten Staaten haben Lücken, die kleiner sind als 600 Prozent.

Viele Stellschrauben sind blockiert

Nun ist klar: Die implizite Staatsschuld lässt sich leichter verändern als die explizite. Kaum werden ein paar Schrauben vor allem im Pensionssystem kräftig gedreht, kann sie sich kräftig verändern. Jedoch wird das politisch immer schwieriger: Denn die Zahl der Pensionisten steigt in allen Ländern kräftig an, so dass Einschnitte in die Pensionen für die jeweils verantwortlichen Parteien katastrophale Rückschläge am Wahltag auslösen würden. Umgekehrt ist eine drastische zusätzliche Belastung der Arbeitseinkommen wirtschaftlich schwer selbstbeschädigend. Denn dadurch vertreibt man besonders die qualifizierten Arbeitskräfte aus dem Land.

Daher bleibt die politisch am leichtesten bedienbare Stellschraube zweifellos jene des Pensionsantrittsalters. Dessen Veränderung kostet keinem Pensionisten etwas. Sie entspricht auch der rasch steigenden Lebenserwartung. Und sie löst auch keinen wirtschaftlichen Schaden aus.

Dennoch verteidigen wichtige politische Gruppen etwa in Österreich das noch auf Jahrzehnte niedrigere Frauenpensionsalter und die sogenannte Hacklerregelung mit Zähnen und Klauen. Dennoch wollen in Deutschland die großen Parteien die Sozialleistungen erhöhen: durch niedrigere Beiträge, durch höhere Mindestpensionen oder durch bessere Familienleistungen. Sie wollen die gegenwärtig noch kräftig sprudelnden Steuereinnahmen gleich wieder verputzen und ignorieren alle Zahlen, die schon für 2015 eine dramatisch schlechtere Situation ankündigen.

Man kann es auch so formulieren: Was halten wir von einem Kaufmann, der der Bank zwei Drittel seiner Schulden verschweigt, sich aber Geld für ein neues Luxusauto ausborgt? Wohl jedem fällt da der Ruf nach dem Strafrichter ein.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Bevölkerungsentwicklung bis 2060 drucken

Österreichs Bevölkerungsentwicklung 2011 bis 2060 nach Altersgruppen

 

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Wie wird sich Österreichs Bevölkerung bis 2060 entwickeln? drucken

Bevölkerungsentwicklung 2011 bis 2060 nach Bundesländern und breiten Altersgruppen

 

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Obsorge und Elga: Können Tote leben? drucken

Christen glauben an die Auferstehung. Aber nicht einmal mehr die Wähler der beiden Koalitionsparteien haben noch an ein Post-mortem-Lebenszeichen dieser Koalition geglaubt. Umso mehr muss dieses fast wie ein Wunder vermerkt werden – vor allem weil es sich nicht nur um ein, sondern gleich zwei Lebenszeichen handelt, die beide diese Woche zu beobachten sind. Irgendwie ist man verwirrt: nicht einmal auf den Tod ist mehr Verlass.

SPÖ und ÖVP sind also doch noch imstande, über ihre üble Rolle als Abwürger des U-Ausschusses hinaus auch noch positive Sacharbeit zustandezubringen. Sie haben sich gleich in zwei wichtigen Fragen geeinigt: Bei der Neuregelung der Kinder-Obsorge nach Scheidungen und Trennungen wie auch bei der elektronischen Gesundheitsakte Elga.

Beide Einigungen scheinen fix zu sein, auch wenn bis zum Abdruck eines Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt noch viele Schritte zu erledigen sind. Dabei waren beides Fragen, um die schon jahrelang gerungen worden ist. Dabei haben sich beide Male kleine, aber parteiintern einflussreiche Wählergruppen quergelegt: in einer Frage die radikalen Feministinnen auf Seiten der SPÖ und in der anderen die Ärztekammer auf Seiten der ÖVP.

Beide Male hat man den Bedenkenträgern lange zugehört. Am Schluss aber sind die Feministinnen ganz auf der Strecke geblieben. Und die querschießenden Ärztevertreter großteils.

Was aber am Wichtigsten ist: Beide Male sind letzten Endes sogar sehr brauchbare Lösungen mit nur kleinen Schönheitsfehlern herausgekommen. Was ja alles andere als koalitionstypisch ist.

Gewiss: Eigentlich sollte man mit einem Urteil noch warten, bis beide Regelungen wirklich in Tücher gewickelt sind. Denn in der Politik ist bis zuletzt jedes Unheil möglich. Aber dennoch sei schon jetzt zumindest eine erfreute Zwischenbilanz gezogen. Offenbar steckt den Regierungsparteien im letzten Jahr vor der Wahl nun doch ein großes – und heilsames – Maß an Angst vor einem Debakel in den Gliedern.

Die positive Energie von Rot und Schwarz darf man aber auch nicht überschätzen. Denn zugleich wird ja von einer saftigen Erhöhung der Grundbuchgebühren bis zur geplanten Transaktionssteuer wieder heftig an neuen Dummheiten gebastelt. Die uns in der nächsten Zeit noch genug befassen werden.

Obsorge: Niederlage für die Männerhasser

Zumindest bei der Einigung über das Obsorgethema muss man auch klarmachen, dass diese wohl nicht zustandegekommen wäre, wenn nicht der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die einseitig Frauen privilegierende Justizpraxis in Österreich verurteilt hätte (und dann in der Folge auch der sonst ja weniger mutige Verfassungsgerichtshof). Die heftigen Querschüsse der männerhassenden Grünen zeigen jedenfalls, dass da ein wichtiger und positiver Schritt gesetzt worden ist.

Hinter allen koalitionären Wortkaskaden, mit denen getarnt werden soll, dass da eine Seite nachgeben musste, ist doch eines Faktum: In Österreich gibt es künftig so etwas wie die gemeinsame Obsorge als Normalfall, die von der SPÖ lange bekämpft worden war.

Es gibt künftig keine automatische Bevorzugung der Mütter ehelicher wie auch unehelicher Kinder mehr. Ganz eindeutig haben die Familienrichter künftig den Auftrag, das Kindeswohl im Zentrum zu sehen. Sie können daher im Gegensatz zur Gegenwart auch ledigen Vätern die Obsorge zusprechen. Sie können im Gegensatz zur Gegenwart auch dann eine gemeinsame Obsorge dekretieren, wenn sich eine Seite dagegen ausspricht. Das haben ja in so manchen Fällen vor allem Mütter gemacht, sei es um damit sonstigen finanziellen Forderungen Nachdruck zu verleihen, sei es um Rache für empfundenen Schmerz zu nehmen. Was natürlich nichts daran ändert, dass wohl auch künftig zu Recht ein wenig öfter Mütter als Väter die Obsorge erhalten dürften, wenn die Gemeinsamkeit absolut nicht funktioniert.

Die nun beschlossene Phase der „vorläufigen elterlichen Verantwortung“ für (mindestens) die ersten sechs Monate nach einer strittigen Trennung bedeutet de facto eine Fortsetzung des Zustandes vor der Trennung (also meist: gemeinsame Obsorge) und keinen plötzlichen Bruch. Beide Seiten haben in dieser Zeit das Recht auf Kontakte zu den Kindern. Und beide Seiten können und sollen in dieser Zeit zeigen, ob sie ihrer Verantwortung für die Kinder ordentlich nachkommen.

Wenn das, was politisch jetzt vereinbart worden ist, von den Gerichten auch ordentlich (und nicht bequem) umgesetzt wird, dann haben Kinder künftig auch eine viel bessere Chance, dass keine Seite mehr die Kontakte zum anderen Elternteil unterbinden kann. Gleichgültig ob das nun rechtlich oder „nur“ durch praktische Schikanen versucht wird. Wobei ja Besuchsrechte wohlgemerkt auch jenen Elternteilen zustehen, die aus welchen Gründen immer keine Obsorge haben. Dazu soll es nun sogar Besuchsmittler geben, die bei Konflikten angerufen werden und auch überprüfen können, ob das Besuchsrecht eingehalten wird.

Lediglich zwei Details an der Neuregelung sind unbefriedigend: Erstens können nun Kinder auch die Doppelnamen bekommen, die ihre Eltern (oder Mütter) tragen. Diese Doppelnamen sind zweifellos in vielen Fällen nicht nur grotesk und umständlich, sondern oft auch eine Last, die den Kindern als Folge der Entscheidungsunfähigkeit der Eltern auferlegt wird. Wer die Einigung auf ein Ja-Wort schafft, sollte auch die auf den Familiennamen der Kinder schaffen.

Zweitens werden die Familienrichter jetzt zwar angeblich durch Psychologen entlastet. Was auch immer deren Hilfe außer einer Job-Beschaffung wirklich wert sein mag, bleibe offen. Aber nicht offen kann bleiben, dass die Familienrichter keine Aufwertung erfahren. Dadurch bleiben sie meist ungeliebte Anfangs-Posten in einer Richter-Karriere, von denen sich fast jeder möglichst rasch wieder wegbewirbt.

Familienrichter zu sein, erfordert aber viel mehr Lebenserfahrung als etwa die Beurteilung eines Verkehrsunfalls. Und Rosenkriege sind zweifellos auch für den Richter emotional belastender als jene Justizbereiche, wo es etwa „nur“ um Geld geht. Überdies sind ja auch die rein wirtschaftlichen Kosten eines Scheidungs- und Unterhalts-Urteils im Lauf der Jahrzehnte oft viel höher als in klassischen Zivilprozessen. Daher wäre ein Aufwertung der Familienrichter in finanzieller und karrieremäßiger Hinsicht zweifellos ein noch wichtigerer Beitrag zur Hilfe für auseinanderbrechende Familien.

Aber zumindest in diesem Punkt ist Nachbesserung ja noch jederzeit möglich. Und wahrscheinlich ist bei einer besseren Auswahl der Familienrichter auch das Geld besser investiert als bei dem nun geplanten Einsatz von Psychologen auf Staatskosten.

Elga: Kein Grund zur Panik

Ebenso im Wesentlichen tauglich erscheint die Lösung rund um die elektronische Gesundheitsakte. Dass alle teuren Befunde wie Röntgen oder Labor-Ergebnisse künftig zentral gespeichert werden müssen (und weitere ärztliche Diagnosen je nach Entscheidung des Arztes gespeichert werden können), kann zweifellos einige Einsparungen bringen. Aus Erfahrung wissen wir freilich, dass Einsparungen selten so groß sind, wie von der Politik anfangs erhofft beziehungsweise versprochen werden.

Zweifellos werden nur sehr wenige Österreicher das ihnen nun zugebilligte Opting-out wahrnehmen. Warum sollten sie auch? Alle Umfragen sprechen für eine Popularität dieser zentralen Speicherung. Damit ist auch ein Opting-out unbürokratischer und billiger als das von den Ärzten vorgeschlagene Opting-in. Schon bei der Organspende-Regelung hat sich diese Lösung als überlegen gezeigt (wie etwa heute auch fast alle deutschen Experten und Ärzte zugeben, die in diesem Bereich mit einem Opting-in leben müssen).

Lediglich in einem Punkt ist den Bedenken der Ärzte voll zuzustimmen. Das ist die unzureichende Nutzerfreundlichkeit der vorgeschriebenen Software: Die Daten eines Patienten können nicht gezielt nach relevanten Informationen durchsucht werden. Sie müssen daher bei jedem Patientengespräch im Grunde von A bis Z durchgeschaut werden, soll der Arzt nicht haftbar werden. Das ist unzumutbar und würde die Ordinationszeiten unendlich ausdehnen. Da hat die Politik noch einen gewaltigen Verbesserungs- oder zumindest Erklärungsbedarf.

Weitgehend unsinnig sind hingegen die lange vorgeschobenen Datenschutz-Bedenken mancher Ärzte. Erstens teilen die Bürger diese mehrheitlich nicht. Zweitens sind die wichtigsten Gesundheitsdaten ohnedies längst über die Krankenkassen gespeichert, ohne dass der Datenschutz dabei irgendwie zu einem Thema gemacht worden wäre; von den Computern der Spitäler und Arzt-Ordinationen gar nicht zu reden, die mit Sicherheit noch viel leichter für neugierige Hacker zu knacken sind. Und drittens kann man sich immer für die Rolle eines Privatpatienten entscheiden, der ja keine Leistungen auf Kosten der Allgemeinheit in Anspruch nimmt und sich daher röntgenisieren lassen kann, so oft er will – und sooft es sein Körper aushält.

Vor einem sollte sich die Politik aber hüten: zu glauben, dass damit die Explosion der Gesundheitskosten wirklich eingedämmt wäre. Ohne eine Ersetzung des negativen Kostenzuschiebungs-Wettbewerbs zwischen Ordinations- und Spitals-Medizin durch einen positiven Effizienz-, Qualitäts- und Sparsamkeits-Wettbewerb zwischen alternativ wählbaren Krankenversicherungen wird das nie und nimmer gelingen. Denn sonst werden Patienten weiterhin bloß deshalb in Spitäler abgeschoben, weil das dort die Länder und nicht mehr die Krankenkassen belastet. Österreich kann es sich nicht mehr lange leisten, die Weltrekordzahl in Sachen Spitalsaufenthalte zu halten.

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In welchem Alter gehen die Österreicher in Pension? drucken

Pensionsantrittsalter nach Geschlecht und Art der Pension seit 2003

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Fußnote 346: Hoch die Alten drucken

Das Ende des Jugendkults – nur in Österreich weiß man noch nichts davon.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wird gerade 70 Jahre alt und niemand spricht von Rücktritt. Peer Steinbrück , der voraussichtliche Kanzlerkandidat der SPD, ist 65. Mitt Romney, der Präsidentschafts-Kandidat der US-Republikaner, ist ebenfalls 65. Ron Paul, einer seiner Rivalen bei der zurückliegenden Vorwahl, ist 77. Aber in Österreich geht man im Schnitt mit 58 in Pension, bei ÖBB und Gemeinde Wien noch viele Jahre davor. Und in der Politik wird bei uns noch immer ständig von Verjüngung geredet, obwohl kaum einer der amtierenden Politiker die wünschenswerte Erfahrung zu haben scheint. Irgendwie haben sie halt noch nicht mitgekriegt, dass der Jugendkult gemeinsam mit der Generation des John F. Kennedy alt geworden ist. Und dass kein Wähler mehr Jugend honoriert, sondern nur Erfahrung.

 

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Die Roten und ihr Sinn für Humor drucken

Dass Linke oft über eine ganze Menge Humor und Witz verfügen, ist schwer zu bestreiten. Kaum ein Kabarettist oder Theaterkomödiant, dessen Herz nicht für den Sozialismus schlägt. Kaum einer der amerikanischen Filmkomiker war oder ist im Lager der Republikaner zu finden (von Bob Hope abgesehen). Während die faden Rechten mit der Schaffung materieller Werte ihre Zeit verplempern und produktiv arbeiten, sorgen die witzigen Linken für Kurzweil und treiben allerlei Schabernack. Das war und ist so und wird sich so bald wohl auch nicht ändern.

Doch nicht nur professionelle Unterhaltungskünstler haben Sinn fürs Komische. Ausgesprochen drollig zeigt sich etwa auch die jüngste Ausgabe der im Monatsrhythmus erscheinenden, von der Wiener Arbeiterkammer (dabei handelt es sich um die lokale Zwangsvertretung der unter dem kapitalistischen Joch fronenden proletarischen Massen) herausgegebenen Kampfschrift AK FÜR SIE.

„Müssen alles wir ausputzen?“ lautet die von viel Sinn für Ironie zeugende Schlagzeile, die auf der Titelseite des dürren Heftchens prangt. Damit gemeint ist das zwar unzweifelhaft von linken Gesellschaftsklempnern verschuldete, allerdings trickreich entmenschten „Neoliberalen“ angelastete Staatschuldendebakel. Der Untertitel fordert: „Auch Millionäre sollen zahlen“. Das ist nur recht und – na ja, billig wird es vermutlich eher nicht werden, denn wo gehobelt wird, da fallen halt Späne. Als Millionär, das lernt jeder aufrechte Streiter für die „soziale Gerechtigkeit“ schon im ersten Klassenkampfworkshop bei den Roten Falken, kommt man bekanntlich zur Welt, oder man wird es einfach, ohne auch nur das Geringste dazu getan zu haben. Dass eiskalte Plutokraten beim ruchlosen Erwerb ihres Reichtums nie auch nur einen einzigen Euro an Steuern abgeführt haben, versteht sich von selbst.

Mit dem „wir“ im Aufmacher sind vermutlich die ewig unterdrückten, ausgebeuteten Lohnsklaven gemeint, die nach Lesart von Berufsrevolutionären den Löwenanteil der Steuerlast zu schultern haben. Besonders in den Redaktionsstuben linker Monatsschriften wimmelt es von Scharen dieser bemitleidenswerten Kreaturen. Dass Traum und Wirklichkeit indes selten etwas gemein haben, wird an der dreisten Unwahrheit, die auf Seite zwei vom Chefredakteur persönlich in aller Deutlichkeit vorgeführt wird, klar. Übrigens, dass es in einer realsozialistischen Organisation so etwas wie einen „Chef“ gibt, ist auch recht spaßig, denn, im Gegensatz dazu, kennt der etwa im Kibbuz idealtypisch verwirklichte Sozialismus überhaupt keine Hierarchie. Falls es dort die Funktion eines „Chefs“ dennoch gibt, dann unterliegt die dem Rotationsprinzip.

In aller Harmlosigkeit wird in der Kolumne des Chefredakteurs die – von seinen Genossen aufgenommene – Schwindel erregende Staatsschuld den von privaten Sparern erarbeiteten Vermögen gegenübergestellt. Dem folgt die – aus dem Blickwinkel eines Sozialisten – offenbar logische Forderung nach einem fiskalischen Raubzug gegen dieses private Eigentum. Für professionelle Witzbolde wie ihn sind absolut spaßfreie Fragen, wie etwa nach Rechtsstaatlichkeit und Rechtmäßigkeit fiskalischer Maßnahmen, naturgemäß ebenso unbedeutend, wie der Respekt vor dem Fundament jeder zivilisierten Gesellschaft – einem felsenfest garantierten Privateigentum nämlich. „Her mit der Marie!“ (© Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ÖVP) – mit diesem Begehren wissen sich die Sozialisten in allen Parteien eines Sinnes.

Dass rund zwei Millionen Arbeitnehmer im Lande (der Großteil davon mutmaßlich Stammwähler der SPÖ), keinen einzigen Cent an direkten Steuern zahlen, ist in diesem Zusammenhang ein ebenfalls lustiges Detail!

Der im kommenden Jahr scheidende, gleichermaßen für beeindruckendes Charisma, sprühenden Geist und geschliffene Rhetorik bekannte Vorsitzende der AK, Herbert Tumpel, legt auf Seite vier, unter der heiteren Überschrift „Millionäre zur Kassa“! noch ein Schäuferl nach: „Dass große Vermögen mehr besteuert werden ist nur gerecht. Nur so können die Krisenkosten fair verteilt werden.“ Diese Behauptung scheint ihm derart evident zu sein, dass er auf jede Begründung dafür verzichtet.

Das ist auch besser so, denn sonst könnte am Ende noch herauskommen, dass es ja der Klassenfeind war und ist, der – etwa als Halter von (griechischen) Staatsanleihen oder Aktionär krisenbedingt gebeutelter Unternehmen – zuletzt kräftig Haare lassen musste (und als Unternehmer, Immobilienbesitzer oder Erbe unter Garantie noch lassen wird!), während der gemeine Pöbel ja gar nichts besitzt, was er verlieren könnte – außer seinem infantilen Glauben an die Segnungen des Sozialismus.

Der gelernte Koch Rudolf Kaske wird voraussichtlich zum neuen AK-Boss gekürt werden. Dieser streitbare Mann hat einst durch einen als veritable Bürgerkriegsdrohung zu verstehenden Sager („…dann brennt die Republik!“) aufhorchen lassen. Ob damit zu rechnen ist, dass während seiner Amtszeit neue Gipfel in Sachen Roten Humors erklommen werden, ist gegenwärtig noch nicht abzusehen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 339: Unsere lustigen Frühpensionisten drucken

Ein 24-jähriger Frühpensionist wurde auf der Westautobahn bei Seewalchen mit einem Tempo von 221 Stundenkilometern geblitzt.

Die Meldungen der Medien dazu befassen sich nur mit Tempo und Führerschein-Abnahme sowie der schwachen Ausrede des Täters, er habe sein Auto bloß testen wollen. Die viel spannendere Frage ist freilich: Wieso kann ein 24-Jähriger, der offenbar voll autofahr-tauglich ist, schon in Frühpension sein? Der dumme Steuerzahler hat ja bisher irgendwie angenommen, dass einer, der in diesem Alter eine Frühpension bekommt, querschnittgelähmt oder mit einem ähnlich schlimmen Los gestraft sein muss. Und dass der selbstverständlich keinen Führerschein mehr haben kann. So kann man sich täuschen. Wir werden wohl – wie im Fall Griechenland – erst nach dem Konkursantrag der Republik all die Tausenden Gschichterln erfahren, wie uns die für die Verschleuderung der Gelder des Sozial- und Wohlfahrtsstaates zuständigen Gutmenschen hinten und vorne betrogen haben und weiter betrügen. Nur weiter so . . .

 

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Das IHS und die Alten drucken

Das IHS, das Wiener Institut für Höhere Studien, gilt als beinahe einziger Hort der wirtschaftlichen Vernunft in diesem Land. Andere Häuser sind ja bekannt dafür, dass man sich dort jede gewünschte Meinung kaufen kann. Seit kurzem hat das IHS einen neuen Chef. Dieser Christian Keuschnigg versucht nun, mit Vorschlägen die lahmende Wirtschaftsdebatte zu beleben.

Was lobenswert ist. Lobenswert und richtig ist auch, dass er vor allem nach einer Reduktion der Steuerbelastung auf Arbeit, also der Einkommensteuer ruft. Lobenswert, richtig und gerecht ist auch, dass er dabei besonders die Steuerlast für Familien mit schulpflichtigen Kindern zu reduzieren vorschlägt. Schließlich sind Kinder die weitaus dringendste Zukunftsinvestition. Schließlich werden Eltern nach wie vor massiv gegenüber kinderlosen Paaren gleichen Einkommens diskriminiert. Und auch der Akzent auf schulpflichtige Kinder hat viel für sich (zumindest wenn diese ihre Schulpflicht in Österreich erfüllen): Hat sich doch die politische Diskussion rätselhafterweise seit Jahren immer nur um Kinder in den allerersten Lebensjahren gekümmert.

Völlig unverständlich, ja geradezu skurril ist aber, dass Keuschnigg auch noch eine andere Gruppe steuerlich bevorzugen will: nämlich die über 55-Jährigen. Dafür gibt es keinerlei soziale Gründe. Haben doch Menschen in diesem Alter deutlich abnehmende Sorgepflichten. Haben doch 55-Jährige meist schon das Haus gebaut, in dem sie ihr Alter verbringen wollen.

Der neue IHS-Chef wird entgegnen, dass es ihm nicht um diese Fragen ginge, sondern um den rasch schrumpfenden Anteil älterer Menschen in Beschäftigung. Dieser ist in der Tat angesichts der rapide steigenden Lebenserwartung eine dramatische Herausforderung. Länder wie Deutschland oder Schweden haben bei den Älteren ein Vielfaches der österreichischen Beschäftigungsquoten. Diese Arbeitsabstinenz der Älteren sollte daher viel mehr im Fokus der Politik stehen als etwa die Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes.

Aber sie hat ganz andere Ursachen als die Steuerlast! Erstens ist es in Österreich nach wie vor viel zu leicht, in eine frühe Pension zu gehen. Rapide zugenommen haben zu diesen Zweck die plötzlichen psychischen Leiden wie ein Burnout-Syndrom ob des beruflichen Ärgers. Zweitens: Ältere Arbeitskräfte sind für die Arbeitgeber ohne Grund viel zu teuer. Wegen der aberwitzigen Kollektivverträge und Gehaltsschemata verdienen nämlich 60-Jährige des Zwei- bis Dreifache eines 30-Jährigen. Auch wenn sie nicht mehr leisten als die Jungen; auch wenn sie auf keiner höheren Hierarchieebene arbeiten: auch wenn ihre Erfahrung nicht mehr imstande ist, die größere Dynamik und Innovationsbereitschaft der Jungen zu kompensieren. Diese Vorrückungen einzig auf Grund des Lebens- oder Berufsalters werden freilich von der Gewerkschaft vehement verteidigt. Nicht ganz grundlos: Dominiert doch dort genau die davon profitierende Altersgruppe.

Offenbar hat der neue IHS-Boss zu lange im Ausland gelebt, um diese heimischen Skurrilitäten zu begreifen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie viele Österreicher kommen auf einen Arzt? drucken

Zahl der Allgemeinmediziner, Fachärzte & Ärzte in Ausbildung absolut und in Relation zur Gesamtbevölkerung seit 1970

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Wie entwickelte sich die Fertilität in Österreich? drucken

Gesamtfertilität (Kinder pro Frau) in Österreich seit 1960

 

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Wie verändert sich die Altersstruktur? drucken

Anteil der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung in Prozent: Prognose für 2030 & 2050

 

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Wie hoch sind die unterschiedlichen Arten der Pension? drucken

Durchschnittliche Höhe der Pensionen nach Art der Pension & Geschlecht in Euro 12/2011

 

Legende: 

IV = Invaliditäts-

BU = Berufsunfähigkeits-

AP = Alterspension

VD = Verdienstdauer

Quelle: PVA, Abt. HSCO

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Wie wurden die Pensionen angepasst? drucken

Prozentuelle Anhebung der Ausgleichszulagen-Richtsätze sowie der sonstigen Pensionen im Vergleich zum VPI seit 1991

Quelle: Hayek Institut

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Wie oft werden die Österreicher aus psychischen Gründen berufsunfähig? drucken

Neuzugänge in die Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension wegen psychiatrischer Krankheiten in Prozent nach Geschlecht

 

Jahr Männer Frauen
2004

20,1

37,9

2007

25,7

45,0

2010

28,0

49,0

Quelle: Statistik Austria

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Spielerisch die Schuldenkrise begreifen lernen drucken

Erstaunlich, wie schon alte Monopoly-Spielanleitungen die Schuldenkrise vorhergesehen haben. Und wie Cartoonisten besser als jeder andere den Kern der Krise auf den Punkt bringen können.

Zuerst die Monopoly-Anleitung. Man muss praktisch nichts an dem Text ändern. Wahrscheinlich haben ja die Spiel-Banken (im wörtlichen wie übertragenen Sinn) immer schon von den Notenbanken gelernt. also auch von jenen, die - theoretisch - für den Euro und den Dollar verantwortlich sind.

Aber nicht nur zwischen alten Monopoly-Anleitungen und dem Verhalten der politisch gelenkten Notenbanken gleichen sich die Bilder. Auch zwischen den politisch gelenkten Sozialversicherungen und dem größten Betrüger der amerikanischen Geschichte gibt es frappierende Ähnlichkeiten, wie diese geniale Karikatur zeigt:

 

 PS.: Wieder einmal besonderen Dank an die vielen Anregungen und Zusendungen, aus denen ich heute diese zwei besonders faszinierenden Gustostücke herausgesucht habe

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SN-Kontroverse: Krankenversicherung drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Ist ein Bonus-Malus-System in der Krankenversicherung sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Ein perverses System

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Auf den ersten Blick schaut die Sache wie das Versprechen einer neuen und guten Welt aus, in der Krankheiten durch ein finanzielles Anreizsystem verhindert werden können. Und es ist einfach umzusetzen, glaubt man den Managern der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA). Sie belohnen Menschen, die sich zu einem "gesunden" Lebensstil verpflichten mit geringeren Selbstbehalten. Die anderen hingegen werden "bestraft". Sie bekommen keinen Rabatt. Dieses Bonus-Malus-System in der Krankenversicherung hebelt das Solidaritätsprinzip aus. Das bewährte Prinzip besagt, dass sich der Leistungsanspruch nach Bedarf und Bedürftigkeit und nicht nach den persönlichen Risikoumständen richtet. Die Beiträge sind nicht vom Risiko des Einzelnen abhängig, sondern - bis zu einer Obergrenze - vom Einkommen der Versicherten. Die Solidarität der Besserverdienenden und Gesunden sichert die Finanzierung der medizinischen Leistungen für alle und gewährleistet die Gleichbehandlung finanziell schlechter gestellter Menschen. Dieser Grundgedanke wird durch das SVA-System untergraben. Kranksein wird als Zustand gebrandmarkt, der selbstverschuldet ist. Das ist absurd. Krankheiten sind oft vererbt, genetisch bedingt oder werden durch soziale Faktoren ausgelöst. Das Bonus-Malus-System bevorzugt außerdem jene, die aufgrund genetischer und sozialer Bedingungen in der "Lotterie des Lebens" das bessere Los gezogen haben. Die Lebensumstände und die Arbeitsbedingungen werden nicht berücksichtigt. Die Gesundheit wird zum Kaufgut herabgewürdigt und Kranksein als unwürdiger Zustand gesehen. Ein perverses System.


 

Der Phäake als Parasit

 

 

Andreas Unterberger

 

Jeder Arzt kann über Patienten berichten, denen die eigene Gesundheit egal ist. Sie nehmen verschriebene Medikamente nicht. Sie weigern sich, ihren Lebensstil zu ändern, sind übergewichtig, trinken ständig gezuckerte Markensäfte, essen zu fett, betreiben Sport nur durch Betätigung der Fernbedienung.
Das alles macht krank. Eine Ursache dieser seuchenartigen Fehlentwicklung ist die Alles-muss-gratis-sein-Mentalität im gesamten Gesundheitsbereich. Wenn es solche Phäaken irgendwo zwickt, hat ja ohnedies die Allgemeinheit ein Gratis-Generalservice des Körpers zu finanzieren.Es ist eigentlich eine Zumutung, dass wegen der krankmachenden Lebensweisen etlicher Mitmenschen das gesamte Gesundheitssystem unfinanzierbar wird. Ein intelligenter Selbstbehalt oder ein Bonus-Malus-System würde viele Menschen zu einem sorgfältigeren Umgang mit ihrem Körper veranlassen. So wie durch solche Systeme ja auch viele Autofahrer vorsichtiger geworden sind. Außerdem kann das Gesundheitssystem angesichts der Schuldenkrise nur noch durch eine Beteiligung der Konsumenten an einzelnen Kosten und insbesondere Bagatellausgaben auch künftig die großen Risken ordentlich abdecken. Diese werden angesichts der Überalterung immer zahlreicher. Gesundheit ist entgegen einer ideologischen Greuelpropaganda keine Frage des Geldes. Wenigverdiener sind statistisch besonders heftige Raucher, dafür beim billigen Wandern, Radfahren oder Schwimmen eher abstinent. Und wer davon schwätzt, dass Gesundheit keine Frage des Geldes sein dürfe, sollte dies einmal mit Ärzten, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und Laborassistenten diskutieren. Die wollen nämlich alle keineswegs gratis arbeiten. 

 

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Dummheit, nicht Armut macht krank drucken

Das Gesundheitssystem mit seinen explodierenden Kosten zählt neben Pensionen, Schulden und Demographie zu den gefährlichsten Zeitbomben, auf denen die Europäer sitzen. Und in keinem Bereich wird so emotional und gutmenschlich, aber in Wahrheit untergriffig argumentiert. Wie: „Gesundheit darf keine Frage des Geldes sein.“ Oder: „Es ist ein Skandal, dass Armut krank macht“.

Solche Sätze werden ständig wiederholt. Und dennoch sind beide Sätze falsch. Denn: Wenn Gesundheit keine Frage des Geldes sein darf, müssen dann etwa Ärzte, Krankenschwestern, Pharmaforscher, Rettungsfahrer und viele andere umsonst arbeiten? Nein, nein, das sei natürlich nicht gemeint. Also geht es doch um Geld.

Aber woher soll es kommen? Früher oder später wird natürlich der Staat als Lösung des Problems präsentiert. Aber wo nimmt dieser das Geld her? Durch noch mehr Schulden? Durch noch mehr Steuern und Sozialabgaben in einer der schon jetzt höchstbesteuerten Regionen des Globus? Obwohl dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Steuerflucht und Steuervermeidung, also in der Summe zu Mindereinnahmen führen würde?

Der Staat muss Vieles reformieren, kann aber nicht alles finanzieren

Wer ehrlich ist – was nicht allzu viele Teilnehmer an der Gesundheitsdebatte sind –, der muss letztlich zugeben, dass auch der Staat keine Antwort auf die ständig steigenden Gesundheitskosten bedeutet. Die Staaten sind jedoch in ganz anderer Rolle gefragt: Sie könnten und müssten jene Einsparungen organisieren, die nicht auf die medizinische Qualität gehen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, nein Notwendigkeiten.

Der Staat, wenn wir jetzt einmal nur von Österreich reden, müsste endlich Konkurrenz zwischen den Krankenkassen schaffen. Er müsste die absurden geographischen wie medizinischen Überkapazitäten der vielen aus Steuergeldern finanzierten Spitäler beenden. Hat doch Österreich so viele Betten und so viele Spitalsaufenthalte wie kein anderes europäisches Land. Werden doch wegen der Eitelkeiten von Landeshauptleuten und Bürgermeistern viel zu viele Spitäler betrieben, werden doch viel zu viele Patienten in teuren Spitalsbetten behandelt, nur weil das gratis ist, nur weil es keinen Altersheimplatz gibt.

Der Staat müsste die Spitäler zur Spezialisierung zwingen, sind doch in vielen Land-Krankenhäusern bestimmte, nur selten anfallende Operationen ein lebensgefährliches Gesundheitsrisiko. Er müsste durch Vorantreiben der Privatisierung von Spitälern für einen Qualitäts- und Kostenwettbewerb sorgen. Er müsste die leistungsfeindliche Macht der Schwestern-Gewerkschaft in vielen öffentlichen Spitälern einschränken. Er müsste insbesondere dafür sorgen, dass für jeden einzelnen Patienten der Hausarzt als einzige Drehscheibe alle jene Behandlungen koordiniert, für die öffentliche Gelder fließen, was viele Doppelbehandlungen und -diagnosen beenden würde.

Die ToDo-Liste ließe sich noch lange erweitern und sieht für jedes EU-Land im Detail anders aus. Mit solchen Maßnahmen ließe sich zweifellos vieles ohne medizinischen Verlust sinnvoller machen. Diese Maßnahmen sind aber bisher immer an Eitelkeiten, verheimlichten finanziellen Interessen und – zum Teil auch parteipolitisch fundierten – Machtkämpfen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, privatwirtschaftlichen Anbietern, Schwesterngewerkschaften und Ärzten gescheitert.

Trotz allem: Medizin wird immer teurer

Dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Langfristig werden die Gesundheitsausgaben dennoch europaweit weiter steigen, selbst wenn – unwahrscheinlicherweise – all diese Sparpotenziale genutzt werden sollten, die in jedem einzelnen Staat anders aussehen.

Das Steigen der Gesundheitskosten ist aus mehreren Gründen gewiss: Wir leben alle viel länger als frühere Generationen; daher fragen wir im Lauf der Jahrzehnte viel mehr medizinische Leistungen nach als frühere Generationen. Die Fortschritte der Medizin machen ständig mehr Leiden therapierbar, die bisher einfach tatenlos und damit in der Regel kostenlos hingenommen werden mussten. Unsere Ansprüche an einen problemlosen körperlichen Zustand werden immer höher.

Und all diese Entwicklungen werden durch die Demografie noch potenziert: Der Anteil der alten und daher krankheitsanfälligeren Menschen an der Gesamtbevölkerung wird immer größer. Und zugleich nimmt der ungesunde Lebensstil vom Übergewicht bis zum Missbrauch problematischer Substanzen ständig zu.

Krankheit ist immer das Risiko des Patienten

Was also tun? Irgendwann werden wir ein von allen involvierten Parteien bisher wie die Pest gemiedenes Tabuthema ansprechen müssen: Das ist der Patient selber. Immerhin ist letztlich jede Krankheit einzig und allein das existenzielle Risiko des Patienten. Das wird oft verdrängt. Er ist aber in vielen Fällen nicht nur für die Folgen, sondern auch für die Ursachen der Krankheit verantwortlich. Es gibt daher überhaupt keinen Grund, dass der Patient nicht auch in irgendeiner Form finanziell an seiner Krank- oder Gesundheit beteiligt wird.

An diesem Punkt einer Debatte wird einem meist sofort das populistische Argument entgegengeschleudert: „Soll der Kranke jetzt auch noch finanziell für seine Krankheit bestraft werden? Der ist eh schon bestraft genug. Das ist doch unmenschlich.“ Nein, das ist es nicht. Denn dadurch würde im Gegenteil das Interesse der Menschen an der eigenen Gesundheit deutlich erhöht werden.

Es kann doch nicht sein, dass die Bürger teuflisch auf ihr Auto aufpassen, weil sie jede Reparatur selber teuer zahlen müssen. Dass viele (natürlich keineswegs alle) Mitbürger ihren Körper aber skandalös vernachlässigen, schlecht behandeln oder gefährlichen Risken aussetzen: aus Ignoranz und weil die Reparatur ohnedies die Allgemeinheit zahlt.

Ärzte denken an den Geldbeutel der Patienten, nicht jenen der Krankenkassen

Interessanterweise beginnen auch Ärzte unabhängig von ihren eigenen Interessen kostenbewusster zu denken, wenn sie wissen, dass der vor ihnen sitzende oder liegende Mensch einen Teil der Kosten selber tragen muss. Das ist eine unterschwellig sehr wirksame Bremse gegen überflüssige Therapievorschläge. Da gibt‘s dann kein „Zahlt eh die Krankenkassa“ mehr.

Heute wissen wir, in welch hohem Ausmaß der eigene Lebensstil und das eigene Risikobewusstsein die eigene Gesundheit beeinflussen. Von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsformen bis zu Diabetes ist unglaublich viel durch Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel signifikant (mit)ausgelöst. Dazu kommen die schweren Verletzungen und bisweilen lebenslangen Behinderungen durch Extremsport oder auch durch die riskante Ausübung harmloserer Sportarten.

Gewiss wäre es jetzt falsch und übel, wenn jeder Kranke mit dem Vorwurf „Selber schuld“ leben müsste. Gewiss kann und soll nicht in jedem Einzelfall gemessen werden, ob und zu wie viel Prozent Selbstverschulden vorliegt. Bei genetischen, infektions- oder umweltbedingten Erkrankungen ist das natürlich Null. Aber in jedem Fall wäre eine spürbare, wenn auch niemanden finanziell ruinierende Beteiligung an den Behandlungskosten ein starker Antrieb zu einem sinnvolleren Lebensstil. Das wirkt zehnmal besser, als es alle staatlichen Propagandaaktionen allein könnten.

Desinteresse und Bildungsmängel

Wichtig ist aber auch ein viel besseres Wissen um die eigene Gesundheit und ihre Bedrohungen. Da gibt es zweifellos gewaltige Mängel im Schulsystem, in dem Gesundheit nicht gerade einen Schwerpunkt bildet. Das wäre auch eine sinnvolle Realisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des Gebührenfernsehens und -radios. Denn nirgendwo anders werden die Menschen mehr desinformiert als im Bereich Gesundheit: Denn hier sind viele Magazine und Beilagen rein inseratengesteuert. Es werden von den Medien also überwiegend jene Produkte und Therapien vorgestellt, die heftig und teuer beworben werden. Das sind aber in aller Regel weder die sinnvollsten noch die billigsten.

Denn nicht Armut macht krank, wie linke Ideologen behaupten, sondern Dummheit. Oder präziser formuliert: Wissensmängel, Desinteresse und Bildungsdefizite machen sowohl arm wie auch krank.

Das Gratis-Gesundheitssystem fördert aber Wissensmangel und Desinteresse. Denn wer glaubt, ohne Eigenleistung nur bisweilen den Körper bei Arzt oder Spital abgeben zu können und ihn gratis topfit zurückzubekommen, der hat natürlich auch kein Interesse an mehr Wissen oder gesünderem Leben.

Von der Pflichtschule zum Herzinfarkt

Das lässt sich auch durch erschreckende Statistiken beweisen. Männer, die nur eine Pflicht- oder Realschule besucht, aber keine sonstige Berufsausbildung haben, haben ein mehr als dreifach so hohes Herzinfarktrisiko wie jene mit Matura oder höheren Abschlüssen. Sie werden aber sicher nicht einer Armut wegen krank, auch wenn das noch so oft behauptet wird, auch wenn Pflichtschulabsolventen im Schnitt weniger verdienen als Akademiker. Denn Rauchen beispielsweise, um ein Hauptrisiko zu nennen, ist sicher weit teurer als Nichtrauchen. Und auch Wandern oder Laufen ist meines Wissens nach billiger als Bier, Stelze und Junk-Food vor dem Fernseher.

Es geht also um Motivation, um Einstellungsänderungen, um Bewusstseins- und Wissensaufbau. All das wird ebenso wie die Bereitschaft, bei Extremsport eigene Versicherungen abzuschließen, für den einzelnen viel wichtiger, wenn er selber finanzielle Auswirkungen einer Krankheit zu spüren bekommt. Wenn einer aber dennoch an allem desinteressiert ist, dann ist es erst recht legitim, dass er sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit durchsetzen kann.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Familie, Freiheit, Frauen: Die Opfer einer Ideologie drucken

Fällt in öffentlichen Debatten das Stichwort „Familie“, dann wird es fast immer mit Assoziationen verbunden wie: Funktionärsthema; Hindernis für die feministische Selbstverwirklichung; katholisch; konservativ; nationalistisch; Mutterkreuz; wirtschaftsfeindlich; teuer; unmodern; Hort der Gewalt und des Missbrauchs. Kurz: Der mediale Diskurs mag das Thema nicht. Dort sind schrille Veranstaltungen wie das von Rathaus und Wirtschaftskammer subventionierte Schwulenfestival „Life Ball“ mit seinem voyeuristischen Reiz viel populärer, die den absoluten Gegenpol zum Konzept „Familie“ verkörpern. Es ist aber falsch, das larmoyant und altväterisch zu beklagen. Viel wichtiger wäre es, sich dem Thema „Familie“ zukunftsorientiert und mit harten ökonomischen Fakten zu nähern.

„Familie“ findet jedenfalls im Gegensatz zu den Medien bei allen Umfragen hohe Zustimmung, bei jung noch mehr als bei alt. Zur Definition: Halten wir fest, dass wir erst dann von Familie reden können, wenn es um das Zusammenleben von mindestens zwei Generationen geht, also um die Aufbringung von Nachwuchs. Und dass die Vater-Mutter-Kind-Familie – mit oder ohne Patchwork-Aspekte – die ideale Kernfamilie bedeutet.

Bis in die 60er Jahre hatte jede Frau im Schnitt zwei oder mehr Kinder. Das hatte damals ein stabiles Überleben der Bevölkerung gesichert. Am Beginn der 70er Jahre ist dieser Schnitt auf rund 1,4 gesunken und seither nie wieder angestiegen. Das wird dazu führen, dass am Ende dieses Jahrhunderts die Nachkommen der Österreicher von 1970 weniger als ein Fünftel der damaligen Größe ausmachen werden.

Der eine Zeitlang verbreitete Glaube, dass Zuwanderung die damit verbundenen Probleme lösen werde, hat sich als Irrtum erwiesen: Durch Zuwanderung ist bestenfalls eine quantitative, aber keine qualitative Kompensation erfolgt. Viele Zuwanderer haben hier nur die Vorteile des Wohlfahrtsstaats gesucht, während Österreich qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht hätte, welche die Zukunft eines rasch schwindenden und alternden Volkes sichern. Die Statistik zeigt: Die Zuwanderer, vor allem jene aus der Türkei und anderen Nicht-EU-Regionen, sind zu einem viel geringeren Prozentsatz arbeitstätig als die Eingeborenen.

Das heißt  überdies: Ab dem Zeitpunkt (certus an, incertus quando), da auch Österreich angesichts von Schuldenexplosion und Überalterung die Leistungen seines Wohlfahrtssystems zurückschrauben muss, wird aus der Zuwanderung auch quantitativ eine Netto-Abwanderung. Zurückbleiben werden die Alten, die weder Pfleger finden noch ausreichende Pensionen erhalten.

Der Rückgang der Kinderzahlen hat viele Ursachen: die damals entwickelten Anti-Baby-Pille; den Wertewandel im Gefolge der 68er Revolte; ein neues Frauenbild; den Wohlstand jener vielen Babyboomer, die sich als Doppelverdiener ein luxuriöses und kinderloses Leben gönnten; das Schwinden der bäuerlichen Lebensform, in der Kinder ohne Probleme in größerer Zahl aufwachsen konnten, in der sie als Alterssicherung und Arbeitskräfte benötigt waren; sowie Gesetzesänderungen wie die Bauernpension und den Wegfall jeder steuerlichen Berücksichtigung von Kindern, was Kinderkriegen für Besserverdiener zum massiven Verlustgeschäft gemacht hat.

Das Ausbleiben der Kinder bedeutet eine schmerzhafte menschliche Verarmung. Zunehmend empfinden das viele Babyboomer – also die in den 40er, 50er und 60er Jahren Geborenen –, auch wenn sie lange über einschlägige Hinweise von Päpsten und Psychologen gelächelt haben.

Das Ausbleiben der Kinder ist aber vor allem auch ein ökonomisches „Groß-Problem“ geworden, wie der nüchterne liberale Ökonom Bernhard Felderer vor kurzem festgestellt hat. „Die Gefahr besteht, dass ein sinkendes Bevölkerungswachstum zu einem rückläufigen Produktivitätswachstum führt.“ Nur Frankreich und Dänemark haben eine positive Reproduktionsrate von mehr als zwei Kindern pro Frau. „Mit großem Ressourceneinsatz“, wie Felderer betont. Durch die bessere Ausbildung der Frauen und ihre zunehmende Berufstätigkeit seien die „Opportunitätskosten des Kinderhabens dramatisch angestiegen“. Aus der Ökonomensprache übersetzt: Wenn sich eine gebildete und besser verdienende Frau für Kinder entscheidet, muss sie dafür einen steilen wirtschaftlichen Abstieg in Kauf nehmen.

Noch einmal Felderer: „Niemand hat darüber nachgedacht, wie wir das kompensieren können.“ Denn es gehe „nicht um eine natalistische (Anm.: geburtenfördernde) Politik aus nationalistischen Gründen, sondern um ein ökonomisches Problem“.

Das sollte auch Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer einmal klar werden: Diese haben zwar großes Interesse an den gut ausgebildeten Frauen als durchgängig Vollzeit arbeitende Arbeitskräfte. Sie begreifen aber nicht, dass dies auf Kosten der wichtigsten Zukunftsinvestition in die Wirtschaft überhaupt geht, eben der bildungsorientiert aufgezogenen Kinder. Die – auch in anderen Fragen stark auf Linkskurs gegangene – Industriellenvereinigung will sogar die Familienförderungen kürzen, um die Frauen noch mehr an die Arbeitsfront zu holen.

Damit treffen sich die kurzsichtigen Industriellen mit den linken Feministinnen, die prinzipiell alles voll Hass bekämpfen, wo Familie draufsteht. Frauenministerin Heinisch-Hosek kämpft sogar gegen die Möglichkeit von Teilzeitarbeit, die vielen Frauen die erwünschte Verbindung von Familie und Berufstätigkeit überhaupt erst möglich gemacht hat: „Ich will nicht, dass irgendeine Frau in Österreich solange daheim bleibt.“ Mit solchen Ich-will-Forderungen die Freiheit der Frauen einzuschränken, zeigt ein geradezu totalitäres Verständnis von Politik. Das ist menschenverachtend, um ein von den Linken ständig gebrauchtes, aber diesmal wirklich zutreffendes Vokabel zu verwenden. Die Forderung der Ministerin, den Rechtsanspruch auf Elternteilzeit zu verkürzen, ist auch in anderer Hinsicht einzigartig: Zum ersten Mal in der Geschichte will ein sozialdemokratischer Politiker gezielt und ohne Not ein Element des Sozialstaats zertrümmern. Aus purer Ideologie.

Aber auch schon bisher hat die sozialdemokratische Ideologie Mitschuld am Kindermangel. Diese Ideologie hatte Kreisky in das Dogma gegossen: Jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein. Das klingt gerecht, ist aber das Gegenteil.

Denn für Zuwandererfrauen mit schlechten finanziellen Chancen bringt die gegenwärtige Kinderförderung eine ausreichende Einnahmenquelle und einen sozialen Aufstieg gegenüber der Kinderlosigkeit; für eine besserverdienende Familie bedeuten Kinder hingegen den von Felderer beschriebenen Abstieg. Dementsprechend fallen gerade in der Oberschicht die Kinder aus. So bekommt nur noch rund jede zweite Akademikerin ein Kind. Aber gerade gebildete Frauen wären die weitaus besten Mütter, welche die künftigen Leistungsträger erziehen könnten, die Österreich so dringend benötigt. Zeigen doch alle Bildungsstatistiken, dass solche Mütter auch die schulisch erfolgreichsten Kinder haben (dieser Erfolg wird von linken Klassenkämpfern zwar als Folge des höheren Einkommens denunziert. Aber er ist in Wahrheit eindeutig eine Folge der guten Bildung der Eltern. Denn diese prädestiniert ja besser sowohl für den Beruf wie auch die Erziehungsarbeit).

Noch ein weiteres – von vielen Bürgerlichen nachgebetetes – linkes Dogma ist in seiner Allgemeinheit falsch und schädlich. Es lautet: Je länger Kinder in einen Kindergarten gehen, umso besser sei das für diese Kinder.

Das stimmt nur bei Kindern aus bildungsfernen Schichten und/oder einer fremden Umgangssprache. Daher wäre für solche Kinder auch das von Sebastian Kurz verlangte verpflichtende zweite Kindergartenjahr eine kluge Idee. (Noch viel wichtiger wäre freilich die Pflicht für hier lebende Migranten, ihre Kinder spätestens ab dem 3. oder 4. Lebensjahr ebenfalls hier aufzuziehen, und diese nicht erst viel später nach Österreich zu holen, wenn alle Bildungschancen versäumt sind.)

Bei gut gebildeten Eltern verhält es sich mit dem Kindergarten hingegen umgekehrt, wie der offizielle deutsche Familienbericht zeigt. Er zitiert Studien, „dass die Berufstätigkeit der Mütter mit negativen Entwicklungsergebnissen des Kindes zusammenhängt, wenn die Familien nicht in ökonomisch belasteten Situationen sind (Mittel- und Oberschichtfamilien)“. Und noch deutlicher: „Dem Kind entgeht also durch die außerfamiliäre Betreuung die Bildung und Erziehung durch seine gut gebildete und erziehungskompetente Mutter . . . Für Kinder aus der Mittel- und Oberschicht bleibt das Bildungsangebot in den Kindertageseinrichtungen hinter der familiären Bildungsanregung zurück.“

Mit großer Wahrscheinlichkeit gelten diese Erkenntnisse auch für Österreich. Nur fehlen hierzulande viele wichtige Studien zu Familienthemen. Diese zeigen etwa in den USA spannende Ergebnisse: Wenn ein Kind bei Alleinerziehern aufwächst, vervielfacht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es später im Gefängnis landet oder drogenabhängig wird. Bei unseren Sozial-„Wissenschaftlern“ gilt hingegen die Devise: Lieber erst gar nichts beforschen, was am Ende ein weiteres Argument für die altmodische Familie bringen könnte. Bei uns werden von Ideologen Bildungsprobleme zwar absurderweise ständig mit dem Fehlen des Gesamtschulzwangs erklärt, aber die zentrale Rolle der Familien dabei wird total ausgespart.

Statt dessen diskutiert man lieber teure Orchideenthemen wie den zwangsweisen Papamonat. Dieser wird aber mit Sicherheit keine einzige zusätzliche Kindergeburt auslösen. Und wäre bei dieser Debatte wirklich wie behauptet eine Förderung der Vater-Kind-Beziehung das Motiv, dann wäre dafür die von der SPÖ bisher verhinderte gemeinsame Obsorge nach Scheidungen viel wichtiger.

Statt auch den gut gebildeten Müttern die Möglichkeit zu bieten, ohne finanzielle und Karriere-Verluste einige für die Erziehung entscheidende Jahre bei den Kindern zu bleiben, setzt man die Mütter – auch durch gesellschaftliche Leitbilder – unter Druck, nur ja weiterzuarbeiten. Was sie einer gewaltigen Doppelbelastung aussetzt. Worauf potenzielle Eltern halt immer öfter mit totalem Kinderverzicht reagieren. Mit katastrophalen Folgen für diese Gesellschaft.

PS.: Politisch inkorrekt, aber realistisch geht dieser Text davon aus, dass auch weiterhin vor allem Frauen Kinderarbeit ausüben. Denn junge Frauen sehnen sich bei allen Studien so wie einst nach dieser Rolle – allen feministischen Indoktrinationen zum Trotz. Und umgekehrt würden auch weiterhin jene jungen Männer bei der Partnersuche überbleiben, die ankündigen, nicht arbeiten, sondern einige Jahre bei den künftigen Kindern bleiben zu wollen . . .

(Dieser Beitrag erscheint im wesentlichen in gleicher Form auch in der jüngsten Nummer der Zeitschrift "Academia")

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Die geheimen Megafonds der Roten drucken

Sollen Parteispenden ab 1000, 5000 oder 7000 Euro veröffentlichungspflichtig werden? Seit Wochen verbeißt sich die polit-mediale Debatte in diese Frage. Und übersieht dabei Tausendmal größere politische Geldflüsse.

Nein, heute ist einmal nicht die Rede von der Korruption durch Inseratenvergaben aus Steuergeldern an politisch willfährige Medien, wo es auch schon um Tausendmal größere Dimensionen geht. Heute geht es um einen völlig im Dunkeln liegenden Bereich, wo noch viel mehr Geld im Spiel ist: die Budgets der Kammern mit Zwangsmitgliedschaft.

Diese werden nämlich nach der Methode „Schmecks“ veröffentlicht. Während bei der Wirtschaftskammer wenigstens noch der große Außenhandelsapparat mit seinen wichtigen Beiträgen für österreichische Exporterfolge als wichtiger Ausgabenposten zu nennen ist (und die Gewerbeordnung als unsinniger), steht man etwa bei der Arbeiterkammer Wien vor einem absoluten Rätsel: Alleine diese Landesorganisation hat im Vorjahr von ihren deklarierten Einnahmen von 105 Millionen Euro ganze 22 Millionen in die Rückstellungen transferiert.

Wozu bitte? Wozu braucht diese Organisation so viele zusätzliche Rückstellungen (samt der – nicht veröffentlichten – Summe der Rückstellungen und Rücklagen aus früheren Jahren)? Ist das alles die geheime Kriegskasse für die nächsten SPÖ-Wahlkämpfe?

Nicht veröffentlicht wird auch, wie viel aus dem AK-Budget an die Fraktionen – also vor allem die sozialistische – fließt. Dazu kommt, dass die Arbeiterkammer selbst, also ganz ohne Umwege über die Partei, ständig und in Wahlkampfzeiten noch verstärkt ideologisch-politische Propaganda macht, welche die SPÖ selber nicht besser machen könnte.

Sozialisten (und auch die mit „Spekulanten“-Hetze ihre Wirtschaftskompetenz gerade entsorgenden Freiheitlichen) reden derzeit ständig von der Notwendigkeit einer Verstärkung der Konsumausgaben als Wachstumspolitik. Da wäre es doch eine wirksame Leichtigkeit, die Zwangsbeiträge der Arbeitnehmer an diese AK zu senken. Selbst wenn in allen anderen dubiosen Bereichen der AK nicht gespart würde, brächte ein Verzicht auf diese überflüssigen Rücklagen jedem Arbeitnehmer ein Zehntelprozent mehr Brutto. Was im Netto noch deutlich mehr ist. So wenig sinnvoll es ist, Löhne und Konsumausgaben durch Schulden zu fördern – wie es der Kern der linken Ideenwelt verlangt –, so legitim wäre es, den Arbeitnehmern nicht für schwarze Kassen Geld abzuknöpfen, sondern ihnen dieses zurückzugeben beziehungsweise zu lassen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was die SPÖ aufführen würde, wenn der Finanzministerin einfach mehr als ein Fünftel ihrer Einnahmen übrigbliebe und sie das stillschweigend in den Tresor legte.

Aber bis heute fehlen Vorschläge, es bei der Arbeiterkammer der Wirtschaftskammer gleich zu tun, die vor ein paar Jahren ihre Beiträge gesenkt hat. Statt dessen erzittert die Republik ob der läppischen Frage, ob ein Oberapparatschik dieser Arbeiterkammer auch weiterhin in der Nationalbank auf unser Geld "aufpassen" darf. Statt dass die Frage diskutiert wird, warum dieser Mann und sein Verein so viel von unserem Geld bekommen und für dunkle Zwecke horten dürfen.

PS.: Das soeben ausgesprochene Sparsamkeitslob an die Wirtschaftskammer wird freilich immer wieder durch grenzwertige Aussagen ihres Präsidenten zunichte gemacht. Hat sich doch Herr Leitl jetzt wirklich für die Einführung von „Eurobonds“ ausgesprochen. Also dafür, dass in irgendeiner Form Österreich und Deutschland (über die schon verlorenen Hunderten Milliarden hinaus) für die Finanzierung des griechischen, spanischen, portugiesischen usw. Staates mithaften müssen. Das wird mit absoluter Sicherheit das Zinsniveau deutlich erhöhen, welches die österreichischen Steuerzahler dann auch für die eigene Staatsfinanzierung zahlen müssen. Vom Ausfallrisiko eines Staates aus dem Club Méditerranée gar nicht zu reden. Dann aber wird Leitl in seiner schlichten Art wieder lauthals über die Explosion der heimischen Defizite klagen . . .

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SN-Kontroverse: Ladenschluss an Sonntagen drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Sonntagsöffnung: Soll sie dem Lebensmittelhandel gestattet werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Dem Götzen Konsum geschuldet

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Sonntagsöffnung für den Lebensmittelhandel gibt es doch längst. Wer in Tourismuszentren wohnt, wie z. B. die Bürgerinnen und Bürger der UNESCO-Weltkulturerbestadt Salzburg, der Wachau, in Tirol, Wien, dem Arlberg oder wo immer sich die Touristen gern und in Massen aufhalten, weiß das. Und er oder sie weiß ein Lied davon zu singen, welche Folgen die Rund-um-die-Uhr-Servicebereitschaft für die Menschen der Region bedeutet.

Die seinerzeit in der Alpen- und Donaurepublik so umstrittene ORF-Serie "Die Piefke-Saga" dokumentiert dies präzise und noch dazu wunderbar humorvoll. Die Realität ist viel schlimmer und härter. Die Genehmigung der Sonntagsöffnung an Großbahnhöfen ist irgendwie ein Zeichen des Konsumwahns. Es ist doch anzunehmen, dass Politiker, die solches genehmigen, genau um die Nöte von Menschen Bescheid wissen, die im Schichtdienst zur Verfügung stehen müssen.

Wobei es wirklich nicht "kleine Nöte" sind, die die Handelsangestellten (hauptsächlich Frauen) im Alltag dann plagen. Wohin mit den Kinder, oder werden gar die Kindergartenöffnungszeiten in den Konsumtempeln Österreichs jetzt auch an Sonn- und Feiertagen großzügig von 8 bis 23 Uhr mit einer Superqualitätsbetreuung und mit einem Betreuer je Kind aufsperren? Etwa in Rauris oder in Zell am See? Oder im Speckgürtel von Wien?

Und wer beteiligt sich an den Kosten von Burn-out-geplagten Lebensmittelverkäufern? Der "freie Markt" ist eine Fiktion. Er bedarf der strengen Reglementierung.

Beim Sprit wird eine solche Vorgangsweise, die Familienminister Reinhold Mitterlehner nach mühsamen Verhandlungen durchgesetzt hat, heiß bejubelt.

Wenn es um Menschen geht, offenkundig nicht.


 Kampf um ein Stück Freiheit

Andreas Unterberger

Selbstverständlich hatten meine Großeltern ihr Lebensmittelgeschäft und meine Schwiegereltern ihre Fleischhauerei an Sonntagen geöffnet. Ebenfalls noch lang in die Nachkriegszeit gab es Raiffeisenkassen, die überhaupt nur sonntags geöffnet hatten. Es ist daher Unsinn, eine Sonntagsöffnung als neumodische Entartung gottloser Liberaler darzustellen, die aus Geldgier jahrhundertealte familienfreundliche Usancen abschaffen wollen.

Die Möglichkeit, an Sonntagen im Handel zu arbeiten, wäre oft sogar familienfreundlicher als der Ist-Zustand: Dann könnten in vielen Familien Väter wie Mütter zumindest Teilzeit arbeiten, ohne ihre Kinder in Fremdbetreuung geben zu müssen, was der Großteil der Eltern ja keineswegs als ideal ansieht. Diese Möglichkeit wäre auch nicht kirchenfeindlich. Findet etwa die Ladenöffnung am Nachmittag statt, würde ein Messbesuch sogar harmonischer in Sonntagsplanungen passen als heute.

An Sonntagen einkaufen zu gehen (auch über Lebensmittel hinaus) ist mindestens so legitim wie der Besuch eines Sportereignisses, eines Kinos, eines Theaters oder der Bezug einer an Sonntagen produzierten Montagszeitung. Nichts davon ist überlebenswichtig. Und alles ist für viele Mitmenschen mit gut honorierter Sonntagsarbeit verbunden. Niemand kritisiert solche Sonntagsarbeit, die anderen Vergnügen und Freizeitgestaltung ermöglicht. Nichts anderes stellt aber für viele Menschen eben auch ein Einkaufsbummel dar. Eine Sonntagsöffnung würde das unwürdige und oft mehr als eine Stunde kostende Gedränge Tausender in den wenigen geöffneten Bahnhofsläden beenden. Sie würde viele Umsatzmillionen in Österreichs Steuerkassen spielen, die derzeit im grenznahen Ausland ausgegeben werden. Und sie wäre endlich wieder ein kleines Stück Freiheit, weg von der unerträglichen Bevormundung durch den Moloch Staat.

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Wie sicher ist das Land? Eine Frage, die weder Politik noch Medien schert drucken

Rund um den Themenkreis Landesverteidigung, Wehrpflicht und Bundesheer ist ein seltsames Vakuum eingetreten. Dieses Vakuum steht ganz im Gegensatz zum starken Scheinwerferlicht der letzten beiden Jahre. Ausgelöst wurde damals die Debatte durch die plötzliche Abkehr der SPÖ vom Konzept der Wehrpflicht im Wiener Wahlkampf. Die Debatte drang aber über die Ebene von Wahltaktik und Intrigen nie zu den wirklich wichtigen Fragen vor. Dabei hat sich keine der Parteien verantwortungsbewusst verhalten. Dasselbe gilt für die Medien, welche hinter der Intrige vom Tag nie die wirklich entscheidenden Fragen gesehen haben. Was bedroht heute die Sicherheit Österreichs und seiner Menschen? Ignoriert wurden auch viele andere Fragen wie etwa: Wie soll das Verhältnis zwischen Beamten und Politik funktionieren?
(Eine grundsätzliche Analyse zur Landesverteidigung)

Eine umfassende Sicherheitsanalyse muss sich mit einer ganzen Fülle sehr konkreter Gefahren befassen, wobei die eines klassischen Krieges die kleinste geworden ist. Die wirklichen Herausforderungen reichen von der Drogenkriminalität bis zu einer weiteren Zunahme eines aggressiven Islamismus. Sie reichen von den Zerfallserscheinungen in der Europäischen Union bis zur Eskalation im Nahen Osten. Die allergrößte und zugleich wahrscheinlichste Sicherheitsgefahr für Österreich ist aber die einer Implosion der Staatsfinanzen als Folge des explodierenden Sozialsystems, vor allem der künftigen Pensionsverpflichtungen. Daraus drohen wieder Unruhen bis hin zu einem Bürgerkrieg zu entstehen. Gleichzeitig haben die Kosten dieses Systems die Budgetmittel für Investitionen und für polizeiliche sowie militärische Sicherheit drastisch dezimiert. Keines dieser Themen wird aber im politisch-medialen Dialog angesprochen, obwohl es dabei und nicht bei der Umverteilung um die obersten Zwecke der Existenz eines Staates geht.

Die Medien, die Parteien, die Beamten

Die mediale Kurz-Bilanz über den Zustand der österreichischen Sicherheitspolitik könnte man kaum besser ziehen, als es Wolfgang Sablatnig, einer der führenden Journalisten Österreichs, zum Nationalfeiertag 2011 getan hat: „Bundespräsident Heinz Fischer und Verteidigungsminister Norbert Darabos haben ihre gegensätzlichen Positionen gefestigt. Die Probleme des Heeres können sie damit nicht lösen. Was fehlt, ist vielmehr eine gesellschafts- und parteipolitische Übereinkunft, was das Militär können muss – und was es nicht mehr zu können braucht.“[1] Und er schließt nach kurzem Verweis auf einige dieser ungeklärten Grundsatzfragen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit der Konklusion: „Ob das österreichische Militär nach Klärung all dieser Fragen aus Freiwilligen oder Zwangsrekrutierten besteht, ist zweitrangig.“

Damit kritisiert Sablatnig indirekt freilich auch die eigene Zunft. Denn nicht nur die Politik, sondern auch die Medien haben sich rund um die Sicherheitspolitik vor allem mit einem befasst: mit den personalisierbaren und parteipolitischen Konflikten rund um die Forderung nach einem Ende der Wehrpflicht.

Die SPÖ wechselte im Oktober 2010 über Nacht von einer axiomatischen Verteidigung der allgemeinen Wehrpflicht zu deren vehementer Ablehnung. Die frühere Pro-Wehrpflicht-Linie gründete vor allem auf dem SPÖ-Trauma der Zwischenkriegszeit, als ein Berufsheer an der Seite der Bundesregierung gegen den revoltierenden Republikanischen Schutzbund der Sozialdemokraten gekämpft hatte. Bis zum Oktober war daher für die SPÖ die Wehrpflicht Dogma, weil sich ein Wehrpflichtigen-Heer nicht so leicht wie eine Berufsarmee in einen Bürgerkrieg einmischen würde.

Die scharfe und völlig unerwartete Haltungsänderung hatte einen klaren Anlass: die Wiener Gemeinderatswahlen, also die Verteidigung des für die SPÖ weitaus wichtigsten Zentrums der Macht und Finanzierung zahlloser Organisationen. Umfragen vor der Wahl signalisierten den Verlust der absoluten Mehrheit. Daraufhin verkündete die Wiener SPÖ die plötzliche Abkehr von der Idee der Wehrpflicht. Dies sollte die Jungwähler wenigstens zum Teil zurückgewinnen (die sich vor allem wegen der Ausländerfrage in relativ hohem Ausmaß der FPÖ zugewandt haben) und in den letzten Wahlkampftagen vor allem eine stärkere Unterstützung der Kronenzeitung bringen.

Obwohl die Wahlen dennoch für die SPÖ wenig erfreulich ausgingen, behielt sie auch nachher ihren Kurswechsel bei.

Was bewegte dabei die einzelnen Akteure?

Die Kronenzeitung kämpft seit vielen Jahren gegen die Wehrpflicht. Hier sind drei Metamotive zu erkennen:

  • Die Zeitung braucht zur Mobilisierung regelmäßig simple und kantige Kampagnenthemen, mit denen sie wie eine Partei ins Feld ziehen kann.
  • Die Anti-Wehrpflicht-Linie Hans Dichands hing mit seinen immer wieder angesprochenen persönlichen Kriegserfahrungen zusammen. Der inzwischen verstorbene Zeitungszar hatte geglaubt, dass ohne Wehrpflicht die Gefahr eines Krieges geringer wäre.
  • Ähnlich wie die SPÖ hatte und hat die Kronenzeitung ein Problem mit den jungen Lesern, von denen viele nicht mehr zum Kauf einer Zeitung motivierbar sind. Dichand glaubte in dieser Situation, dass die Wehrpflicht ein besonders leserattraktives Thema sei.

Die SPÖ übersah bei ihren parteitaktischen Überlegungen rund um die Kronenzeitung folgendes:

  • Wenn die Kronenzeitung eine Kampagne fährt, dann sind die anderen Blätter automatisch dagegen. Keine Zeitung will den Mythos der großen wählerlenkenden Macht der Dichand-Zeitungen noch mehr vergrößern. Daher schreiben selbst linkslastige Journalisten (also die große Mehrheit) eher gegen Krone-Kampagnen.
  • Die Leserzahlen der Kronenzeitung sind in den letzten Jahren in steilem Sinkflug. Auch wenn sie noch immer weit über allen anderen Blättern liegen[2], zeigt sich eine negative Dynamik, die seit dem Tod des charismatischen Hans Dichand noch stärker zu werden droht.
  • Das plötzliche Nein zur Wehrpflicht war zu deutlich als wahlkampftaktisches Manöver erkennbar. Er wurde nicht nur von den anderen Zeitungen, sondern auch vielen Wählern als durchsichtiger Opportunismus gesehen.

Die ÖVP wurde vom Wechsel der SPÖ völlig unvorbereitet getroffen.

  • Sie hatte zu diesem Zeitpunkt keinen einzigen Politiker, der grundsätzlich oder gar konzeptiv in die Materie eingearbeitet war. Die ÖVP hat sich in einem mit jenem der SPÖ vergleichbaren, wenn auch nicht so abrupten Kurswechsel wieder zu einer Verteidigerin der Neutralität entwickelt, nachdem sie mehr als ein Jahrzehnt lang für deren Ende eingetreten war. Zwischen 1995 und 1999 war das VP-Verlangen nach einer endgültigen Entsorgung der Neutralitäts-Fiktion ein dominantes Thema der rot-schwarzen Regierung gewesen.
  • Mit diesem Verlangen haben die damaligen ÖVP-Konzepte auch ein Ende der Wehrpflicht verknüpft. Nach dem Rückzieher in Sachen Neutralität hat die Partei aber nie mehr ernsthaft geprüft, ob dennoch weiter an der Aufgabe der Wehrpflicht festgehalten werden soll.
  • Die Linie der ÖVP nach dem Darabos-Kurswechsel war dann primär von der vehementen Gegnerschaft eines Großteils der Armee- und vor allem Offizierskader gegen eine bloße Freiwilligenarmee geprägt. Hätte sich die ÖVP anders verhalten, wären der FPÖ große politische Einbrüche in die Reihen der bisher überwiegend schwarz wählenden Berufssoldaten geglückt.

Die FPÖ wiederum tat sich als Oppositionspartei am leichtesten, jeweils das abzulehnen, was der amtierende Minister will. Sie tat das ungeachtet der Tatsache, dass die FPÖ in schwarz-blauen Zeiten mit der ÖVP die Ablehnung von Neutralität und Wehrpflicht geteilt hat.

Fischer und Entacher: Die konsequenteste Linie fuhren zwei Sozialdemokraten, die sich gegen die eigene Partei stellten: Bundespräsident Heinz Fischer und der vom Verteidigungsminister abgesetzte Generalstabschef Edmund Entacher gaben zur allgemeinen Überraschung nach einem Leben der Anpassung an die Parteilinie nun ihrem Gewissen und der Verfassung Vorrang. Das hängt gewiss auch damit zusammen, dass beide den absoluten Gipfel ihrer Karriere schon erreicht hatten, dass Fischer sich auch keiner Wiederwahl mehr stellen kann, und dass die Weisungskette Kronenzeitung-Häupl-Faymann-Darabos die beiden Männer trotz ihrer wichtigen Funktionen total übergangen hat. Bei einer nachträglichen Zustimmung wären daher beide zur lächerlichen Figur worden.

Dennoch ist es für die Bürger und für die geistige Identität dieses Landes sehr wichtig, wenn es noch hie und da Funktionsträger gibt, die zumindest einmal im Leben eine wichtige Sache ohne Eigennutz über die Partei zu stellen wagen.

Das Verteidigungsministerium: Eine umso problematischere Entwicklung dieses Jahres war der Missbrauch von Beamten zur Erstellung sogenannter Gutachten, bei denen das Ergebnis schon vorgegeben war. Verschlimmert wurde dieses Vorgehen dadurch, dass die Berechnungen mehrfach geändert werden mussten, je nachdem, wie das Ergebnis aussehen sollte. Dabei ging es nie um das Funktionieren der Landesverteidigung, sondern immer nur um eines: Ein Berufsheer dürfe nicht mehr kosten, als die jeweilige Bundesbudgetplanung vorsah. Dementsprechend wurden die Geld-Entschädigungen für Heeres-Freiwillige ständig adaptiert, ohne dass es seriöse Untersuchungen gab, ob zu den jeweils geplanten Entschädigungen überhaupt noch genug Freiwillige zu finden sind. Geschweige denn eine Mannschaft, die nicht nur wie in anderen Ländern eine Ansammlung potenzieller Arbeitsloser ist.

Leider überhaupt nicht genutzt wurde die Darabos-Entacher-Krise zu einer grundsätzlichen Debatte über die Rolle von Spitzenbeamten. Dabei würden sich einige, auch durchaus widersprüchliche Fragen stellen, deren Bedeutung weit über das Bundesministerium für  Landesverteidigung und Sport hinausreicht:

Wie weit ist es einerseits richtig, dass Beamte – insbesondere jene in exponierten Führungspositionen – ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Meinungsfreiheit nutzen? Wie weit ist es glaubwürdig, wenn sich Minister auf Gutachten der eigenen Beamten berufen, solange sie deren Ergebnis vorgeben können? Was haben etwa auch Aussagen des Verfassungsdienstes noch für einen Wert, wenn dabei seit Jahren immer nur eine Bestätigung der Meinung des Bundeskanzlers herauskommt? Woher bekommt die oft schwer desorientierte Politik in einer schnelllebigen Zeit rasche faktenorientierte Orientierungshilfe? Was bedeutet es, wenn auch die Aussagen von Universitätsprofessoren in hohem Ausmaß von politischer Sympathie – oder Zahlungen eines Auftraggebers abhängig sind? Welcher Beamte ist mit seinen Aussagen noch als eigenständige Persönlichkeit ernstzunehmen, solange er damit rechnen muss, bei einer politisch „falschen“ Meinung am nächsten Morgen suspendiert zu werden, selbst wenn er noch so sehr im Recht sein sollte? Wird die gesamte Beamtenschaft nicht durch solche Vorgänge entweder zu lächerlichen Figuren degradiert oder in die innere Emigration samt passiver Resistenz getrieben? Wo aber bleibt umgekehrt der politische Spielraum eines Ministers, wenn mächtige Sektionschefs öffentlich signalisieren, dass sie die wahren Herren des Ressorts sind und dass sie schon viele Minister kommen und gehen gesehen hätten? Wie kann ein Minister eine Änderung der Gesetzeslage erreichen, wenn ihm seine Beamten Widerstand leisten? Wie geht die Republik künftig mit den abseits der Hierarchie und Verantwortung stehenden Ministersekretären um, die ohne jede verfassungsrechtliche Verantwortung sehr viel Macht haben, ohne die kein Minister überleben kann? Sind Kommissionen ein Ausweg, die sich aber oft als unfähig erwiesen haben, klare Entscheidungen zu treffen? War es wirklich ganz falsch, dass sich speziell in der schwarz-blauen Zeit manche Minister externe Berater und Rechtsanwälte geholt haben, weil sie mit ihren politischen Vorhaben oft auf eine Mauer entweder unfähiger oder anderen Ideologien anhängender Beamter gestoßen sind?

Bei diesen Fragen geht es um ganz wichtige Themen des Funktionierens der Republik , die weder durch ein Beamten- noch ein Politiker-Beschimpfen gelöst werden können, wie es bei den Medien sehr beliebt ist. Es ist für einen Staat vielmehr überlebenswichtig, ständig um ein besseres Funktionieren seines Räderwerks zu ringen. Zu einer ehrlichen Diskussion dieser Fragen ist aber in Österreich niemand bereit. Und den Medien sind sie zu langweilig.

Diese ergötzen sich zwar mit großer Freude an politischen Kämpfen, vor allem wenn sie sich personalisieren lassen. Und wenn sie sich über keinen Konflikt erregen können, geißeln sie den „Stillstand“. Sie bemühen sich aber nur selten um eine fundierte Analyse dessen, was eigentlich richtig wäre; oder wie das Mächtespiel Politik-Beamte künftig ausschauen soll; oder auf welche Bedrohungen sich Österreich besonders vorbereiten soll. Womit wir bei den nächsten Kapiteln sind.

Das sozial-ökonomische Bedrohungsbild

Ein immer größerer Teil der staatlichen Ausgaben wird für zwei Bereiche aufgewendet: Sozialsystem und Schuldendienst. Der Schuldendienst (eigentlich nur: die ständige Umschuldung und Neuverschuldung) ist in Wahrheit primär eine Bezahlung des Konsums der Vergangenheit. Und das Sozialsystem finanziert den Konsum der Gegenwart.

Durch die sich als sozial tarnenden und ständig wachsenden Konsumausgaben wird der Spielraum für Zukunftsausgaben immer geringer, also für Investitionen und für direkte Sicherheitsausgaben. Alleine die Kosten des Pensionssystems zeigen eine so explosive Dynamik, dass das wahrscheinliche Ende dieses System heute als größte Sicherheitsbedrohung Österreichs bezeichnet werden muss. Angesichts dieser Gefahr treten in Wahrheit sämtliche andere Sicherheitsbedrohungen in den Hintergrund.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich[3] rechnet, dass Österreich im Jahr 2040 vor allem der Pensionsausgaben wegen eine Staatsschuld von rund 300 Prozent des BIP haben wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die EU-Kommission. Das heißt auch: Zu diesem gar nicht so fernen Zeitpunkt steht längst kein Euro mehr für Sicherheits- oder Investitionsausgaben zur Verfügung. Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass schon Staatsschulden über 100 Prozent einem Staat jeden Spielraum nehmen, dass solche Schuldenquoten nur noch durch einen Staatscrash, also die Einstellung der Zahlung von Beamtengehältern und Pensionen, oder eine Megainflation beseitigt werden können. Die Beispiele Griechenland und Italien sind ein Beweis für die Richtigkeit dieser Annahmen.

Bei Staatscrash wie Megainflation werden alle finanziellen Sicherheiten zerstört, auf denen die Bürger ihren Wohlstand und insbesondere ihre Vorsorge für Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit aufgebaut haben. Solche Situationen sind durchaus mit den ökonomischen – wenn auch nicht physischen – Folgen eines Krieges vergleichbar. Ganze Lebensläufe enden durch solche Zusammenbrüche in menschlichen Katastrophen.

Diese Perspektive ist aber auch in unmittelbarer Hinsicht sicherheitsrelevant, also auch dann, wenn man Sicherheit nicht auch ökonomisch und sozial, sondern nur in Hinblick auf militärische und polizeiliche Aufgaben versteht. Die Geschichtsbücher sind voller Beispiele, in denen aus ökonomischen Krisen Unruhen und Bürgerkriege entstanden sind[4].

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in solchen Episoden die Jagd auf vermeintliche Sündenböcke beginnt, zuerst medial und in der politischen Rhetorik, die dann jedoch auch sehr konkret werden kann. Eine ganze Reihe von Gruppen kommt als solche Jagdobjekte in Frage: Zuwanderer, Politiker, Beamte, Bankmitarbeiter, die „Reichen“ – also meist die bisherigen Leistungsträger – oder religiös identifizierte Gruppen. Denkbar ist es aber auch, dass sich die Aggression pauschal gegen die Babyboomer-Generation richtet, also gegen die in den 40er, 50er und 60er Jahren Geborenen.

Diese Generation hat in der Tat kollektiv einen sehr großen Schaden angerichtet (während sie selbst lieber kritisch auf die NS-Sünden der Väter verwiesen hat): Sie hat selbst die Kinderproduktion in hohem Ausmaß eingestellt; sie hat auch in Jahren des Wachstums die Staatsschulden ständig vergrößert (die offiziellen und noch mehr die inoffiziellen); sie hat vier Jahre später zu arbeiten begonnen als ihre Vorfahren; sie geht im Schnitt zwei Jahre früher in Pension, obwohl sie weitaus länger lebt; und sie hat im staatlichen Pensionssystems keinerlei Reserven angespart, sondern sich selber ständig wachsende Pensionsansprüche verschafft, ohne dass denen ausreichende Einzahlungen gegenübergestanden wären.

Die internationalen Bedrohungen

Dieses wahrscheinliche Platzen der Blase des Sozial- und Wohlfahrtsstaates fällt zeitlich zusammen mit einer Phase der wachsenden internationalen Destabilisierung des europäischen Raumes. So dramatisch die Entwicklungen des Irak- und Afghanistan-Krieges auch gewesen sind, für Europa sind andere Entwicklungen heute deutlich riskanter:

  1. Die rasche Entwicklung atomarer Waffen in Iran und auch der Türkei[5];
  2. Die völlig ungewisse Entwicklung nach den Umstürzen in einigen arabischen Ländern: Wie aggressiv werden die dort an die Macht drängenden islamistischen Parteien sein? Können die Länder am Südrand des Mittelmeers die innere Stabilität aufrechterhalten oder werden Millionen in die Flucht getrieben? Wie wird sich der revolutionäre Geist auf andere Staaten der Region auswirken?
  3. Die Zuspitzung des Nahostkonflikts als Folge der Kompromissunwilligkeit beider Seiten;
  4. Das wachsende Desinteresse Russlands und der Ukraine am Ziel eines demokratischen Rechtsstaates;
  5. Dazu kommt, dass auch nach Jahrzehnten keine Lösung für die blutigen Konflikte auf dem Balkan gefunden worden ist, obwohl Resteuropa in Bosnien und im Kosovo teure Streitkräfte unterhält. Politik und Diplomatie haben sich opportunistisch um die heiklen Themen gedrückt oder sind auf Grund der innereuropäischen Uneinigkeit gelähmt. So notwendig das Eingreifen des Westens gegen den serbischen Balkan-Imperialismus und zugunsten des Selbstbestimmungsrechtes der betroffenen Völker gewesen ist, so unberechtigt ist es, wenn heute geschlossen serbischen Siedlungsgebieten in Bosnien und im Kosovo unter formaljuristischen Vorwänden das gleiche Selbstbestimmungsrecht verweigert wird.
  6. Last not least zeigen sich gefährliche innere Bruchlinien in der Europäischen Union als schädliche Folgen vieler fauler Kompromisse der letzten Jahrzehnte: Das Fehlen von Mechanismen, um undisziplinierte Länder aus dem Euro verabschieden oder zumindest unter Kuratell stellen zu können, macht sich besonders schlimm bemerkbar, ist aber keineswegs der einzige Konstruktionsfehler der Union, in der einander allzu viele Gremien und Machtträger gegenseitig blockieren, ohne dass die EU eine echte Demokratie wäre. Die Darstellung der EU als großes „Friedensprojekt“ ist heute mehr eine historisch-propagandistische Reminiszenz als eine Garantie für die Zukunft. Noch nie ist so offen über einen Zerfall der Union als Folge allzu vieler innerer Widersprüche diskutiert worden wie im Jahr 2011.

Österreichs Sicherheit im engeren Sinn

Neben all diesen Gefahren einer ökonomischen, sozialen und internationalen Destabilisierung erscheint die klassisch militärische Bedrohung Österreichs weiterhin recht gering. Seit Ende des Kalten Krieges sind Konflikte nur noch sehr schwer vorstellbar, die Österreichs Grenzen als solche in Frage stellen.

Es gibt aber eine Reihe globaler Entwicklungen, die Österreichs Sicherheit auch auf eigenem Boden direkt betreffen, ohne dass sie klassischen militärischen Bedrohungen gleichen. Jedes einzelne dieser Themen wäre eingehender Untersuchungen wert, mit welchen politischen und/oder juristischen Strategien, mit welchen polizeilichen und/oder militärischen Mitteln man eine Eskalation verhindern könnte.

Die Auflistung ist keineswegs umfassend:

Stichwort „Cyber war“: Fremde Geheimdienste und Armeen, aber auch durch politischen Radikalismus oder pure Abenteuerlust motivierte Jugendliche suchen zu Zehntausenden Programmierlücken, um für Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Staatsverwaltung lebenswichtige Computersysteme infiltrieren zu können. Dort, wo das gelingt, kann hemmungslos spioniert werden, dort können sensible Daten nach außen getragen werden, können ganze Industrieanlagen und Versorgungssysteme lahmgelegt werden, können selbst Staaten massivst manipuliert werden.

Stichwort Migrationsströme: Eine zu rasche und zu starke ethnische Verschiebung der Bevölkerungsstruktur führt nach allen historischen Erfahrungen sehr leicht zu inneren Turbulenzen. Eine auf sieben Milliarden gestiegene Weltbevölkerung umfasst auch eine wachsende Anzahl von Menschen, die ihr weiteres Leben in anderen Ländern verbringen wollen. Zwar zeigen alle seriösen Statistiken[6] einen relativen Rückgang von Armut und Hungerkatastrophen[7]. Jedoch hat gleichzeitig die Globalisierung den Migrationswillen stark erhöht. Während früher Milliarden Menschen trotz elender Lebensbedingungen nie ihr Dorf verlassen konnten, bekommen jetzt fast alle Drittwelt-Bewohner über Fernsehen und andere Medien ein Bild luxuriöser Lebensumstände in Europa und den USA ins Haus vermittelt. Und gleichzeitig bieten die modernen Verkehrsmittel Schlepperbanden viele Möglichkeiten, den Migrationswillen dieser Menschen zur Realität zu machen. Die extrem ausgebauten, wenn auch nur durch Schulden finanzierten Sozialstaaten in Europa sind Magneten für Schlepper wie Migranten.

Stichwort Drogenhandel: Das Beispiel Mexiko zeigt, wie sehr ein ganzer großer Staat durch die Drogenkriminalität destabilisiert, korrumpiert und in den Zustand totaler Anomie gestoßen werden kann. Längst ist der Kampf gegen die dortigen Banden nicht mehr bloß eine polizeiliche, sondern auch eine militärische Herausforderung.

Stichwort ABC-Gefahren: Es braucht keinen großen Krieg, sondern nur eine Handvoll aggressiver Wahnsinniger, die mit bakteriologischen, chemischen oder atomaren Waffen unermesslichen Schaden anrichten können.

Stichwort Islamismus: Im Islam gibt es starke Gruppen, die den gesamtheitlichen politisch-juristisch-gesellschaftlichen Anspruch der Religion auch totalitär umsetzen wollen. Große Teile der islamischen Theologie haben kein Konzept entwickelt, das die Trennung von Religion und Staat akzeptiert, wie das der Katholizismus und Protestantismus in der Aufklärung tun mussten[8]. Sie anerkennen wichtige Teile der in Europa geltenden Grundrechte nicht, weder die Meinungsfreiheit – siehe die erbitterte Verfolgung eines dänischen Karikaturisten – noch die Religionsfreiheit: Selbst als liberal geltende muslimische Exponenten sprechen einem Moslem nicht das Recht zu, die Religion zu wechseln. Ein solcher Wechsel wird in den meisten mehrheitlich islamischen Staaten von den Strafbehörden verfolgt. Dieser totalitäre islamistische Machtanspruch wird spätestens ab jenem Zeitpunkt zum Sicherheitsproblem, da Moslems regional oder gesamtstaatlich die Mehrheit bilden. Eine Hochrechnung der Trends der letzten Jahre lässt für Österreich noch in diesem Jahrhundert eine moslemische Mehrheit erwarten, für Wien sogar binnen weniger Jahrzehnte.
Zwar lässt die fast unvermeidliche wirtschaftliche Stagnation des nächsten Jahrzehnts ein massives Abflauen der Arbeitsmigration erwarten. Auf der anderen Seite wird Österreichs sozialstaatliche Attraktivität auch weiterhin für einen Zustrom von Nichtleistungsträgern sorgen.
Als Beweis seien Daten angeführt, die zeigen, in welch geringem Anteil die Zuwanderung aus dem wichtigsten Herkunftsland islamischer Zuwanderer, der Türkei, dem Arbeitsmarkt gegolten hat. Denn während von den 15- bis 64-jährigen Österreichern 75 Prozent erwerbstätig sind, sind es bei den Besitzern eines türkischen Passes in Österreich nur 62 Prozent[9]. Bei den Zuwanderern aus anderen europäischen Staaten ist die Erwerbsquote hingegen durchwegs viel höher – zum Teil sogar über jener der Österreicher. Das heißt, die Türken dürften sich zum Unterschied von anderen Migranten nicht durch eine wirtschaftliche Stagnation von der Migration abhalten lassen.

Schlussfolgerung

Eine verantwortungsbewusste Staatsführung müsste ebenso wie Medien, die sich ihrer Verantwortung als vierte Gewalt bewusst sind, ständig die hier skizzierten, aber sich in einem fortwährenden Fluss befindlichen Gefahren beobachten und analysieren. Davon ist aber weder bei Politik noch bei Medien etwas zu bemerken. Umso weniger findet dann der logische nächste Schritt statt: dass sich das Land möglichst effizient auf die möglichst frühzeitige Abwehr dieser Gefahren konzentriert. Dann aber erst wäre es überhaupt sinnvoll zu prüfen, ob eher eine Berufsarmee oder ein Bundesheer mit Wehrpflicht zur Gefahrenabwehr beitragen können. Dann wären auch viele andere Fragen zu prüfen, wie etwa jene nach einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen.

Dieser Beitrag gleicht weitgehend einem Text für den Sammelband "Strategie und Sicherheit 2012 -  Der Gestaltungsspielraum der österreichischen Sicherheitspolitik" (Böhlau-Verlag)


[1] „Tiroler Tageszeitung“, 27. Oktober 2011.

[2] Bei der Media-Analyse 2010/2011 hatte die einst über 44 Prozent der Österreicher erreichende Kronenzeitung eine Reichweite von 37,9 Prozent, das der Familie Dichand ebenfalls nahestehende Gratisblatt „Heute“ 22,3 Prozent, die Kleine Zeitung 11,3 und das Gratisblatt „Österreich“ 10,0.

[3] Die in Zürich sitzende BIZ kann als die Zentralbank aller Nationalbanken angesprochen werden.

[4] Von der Französischen Revolution bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten mit all ihren Folgen.

[5] Während von der iranischen Atomrüstung öffentlich sehr viel die Rede ist, wird die nukleare Aufrüstung der Türkei seltsamerweise nur von internationalen Nachrichtendiensten bestätigt.

[6] Siehe die Statistiken der UNDP.

[7] An der Verbreitung dieser Fakten haben freilich viele von Spendengeldern lebende Organisationen und die von negativen Nachrichten lebenden Medien kein Interesse.

[8] Die Orthodoxie hat das übrigens noch nicht wirklich akzeptiert.

[9] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbsstatus/erwerbspersonen/index.html

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Stabile Säulen für sichere Pensionen – Stärkung der privaten, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge drucken

Das Pensionssystem ist in Österreich zu rund 90 Prozent umlagefinanziert (staatliche „1. Säule“) und unterliegt de facto dem Leistungsprimat* („defined benefit“; Höhe der Leistungen ist definiert). Mit dem vollständigen Übergang auf das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) oberhalb der Mindestpension wird das Prinzip der Versicherungsäquivalenz jedoch zunehmen. Pensionsleistungen aus den kapitalgedeckten Systemen (private „2. und 3. Säule“) von rund 10 Prozent unterliegen prinzipiell dem Beitragsprimat* („defined contribution“; Höhe der Beiträge ist definiert), wenngleich auch Zusagen im kapitalgedeckten System (alle direkten Leistungszusagen und etliche Pensionskassenzusagen) leistungsbezogen sein können (was allerdings Nachschusspflichten impliziert).

Gemäß langfristiger Projektion wird der Pensionsaufwand von 14,1 Prozent des BIP (2010) auf 16,7 Prozent (2030), die Pensionsbeiträge der Beschäftigten im selben Zeitraum hingegen nur von 8,4 Prozent auf 8,5 Prozent des BIP steigen. Dieser Anstieg des Bundesbeitrags (d.h. zusätzliche Budgetbelastung) um weitere 2,5 Prozent des BIP p.a. erhöht den Druck in Richtung weiterer und auch nachhaltiger Pensionsreformen.

Die EU weist in ihrem jüngsten „Weißbuch“ (Feb. 2012) auf die Notwendigkeit hin, dass deutlich mehr zusätzliches individuelles Ansparen notwendig sein wird, um den Erhalt des Lebensstandards in der Pension abzusichern.

Sie fordert eine regelmäßige und übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten ein, die Auskunft über die zu erwartende Höhe der Pension aus der 1. und 2. Säule gibt. Damit soll der Bedarf nach zusätzlicher Vorsorge wesentlich transparenter werden. Die Qualität der privaten Pensionsvorsorgeprodukte der 3. Säule soll verbessert werden, insbesondere durch regelmäßige übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten hinsichtlich Transparenz, Rentabilität, Kostensynergien und Sicherheit bei Kapitalmarktschwankungen.

Gefährden Finanzkrisen die private Pensionsvorsorge?

Die Finanzkrise hat das Vertrauen auch in die kapitalmarktbasierte Pensionsvorsorge erschüttert: Die Sinnhaftigkeit der Ausdehnung privater Altersvorsorge wurde in dem Ausmaß in Zweifel gezogen, in dem vergessen wurde, dass die Altersvorsorge eine Frage der langen Frist ist. In den meisten OECD-Ländern lag (in lokaler Währung) das in Pensionsfonds gemanagte Vermögen über den Beständen von 2007.

In umfangreichen Simulationen hat die OECD das Ausmaß der Risiken und Unsicherheiten von Anlagerenditen im Kontext der Altersvorsorge, d.h. über die Lebenszeit der Beitragszahler betrachtend, untersucht. Demnach liegen die zu erzielenden realen Renditen selbst bei konservativen Strategien (deutlich) höher als die in Zukunft zu erwartenden Pensionssteigerungen auf Basis der Berechnungen der Pensionskommission.

Neben dem Erhalt der Kaufkraft würde selbst die volle Einbeziehung von Lohnzuwachsraten – langfristig betrachtet – die Kapitalmarktrenditen nicht erreichen.

Verteilung der simulierten jahresdurchschnittlichen Anlagerenditen

Für ein „ausgewogenes“ Portefeuille unter Berücksichtigung von Verwaltungsgebühren, Kosten der Umwandlung des akkumulierten Kapitals in regelmäßige Rentenzahlungen usw. ermittelte die OECD folgendes Ergebnis:

Verteilung der simulierten künftigen Anlagerenditen und Ersatzquoten

Die in den Simulationen erhaltene Medianrendite von 5,0 Prozent liegt unter dem empirisch ermittelten Durchschnittswert der letzten 25 Jahre von 7,3 Prozent.

Ertrag und Risiko der staatlichen und privaten Vorsorgesäule – die Pensionsvorsorge als Portefeuilleproblem

Die Finanzkrise hat den Fokus in der Pensionsvorsorge auf das (kurzfristige) Veranlagungsrisiko gelegt, das (langfristige) politische Risiko in Form von Pensionsreformen (um die prognostizierten steigenden budgetären Belastungen zu senken) aber weitgehend ausgeblendet.

Bereits in den letzten Jahrzehnten ist aufgrund von Pensionsreformen – z.B. Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume von den besten fünf Jahren auf die gesamte Erwerbsphase, Reduzierung der Anrechnungen von Nichterwerbsphasen … – die Leistung des staatlichen Umlageverfahrens deutlich gesunken (ausgedrückt als Verzinsung der PV-Beiträge), trotz diverser „Verlust-Deckelungen“. Die notwendigen Pensionsreformen, die das System versicherungsmathematisch betrachtet „fairer“ gestalten, führen zu einem permanenten Verlust an Pensionsleistungen. Im Gegensatz dazu werden Vermögensverluste in diversifizierten Portefeuilles nach Finanzkrisen u.U. rasch wieder wettgemacht (wie etwa in der aktuellen Finanzkrise). Während ältere Generationen von der politikinduzierten „Blase der staatlichen Pensionsversprechen“ profitieren können, tragen jüngere Generationen die mit dem Platzen dieser Blase verbundenen Kosten in Form von Reformverlusten.

Nicht nur die Renditen auf Finanzmärkten, auch die impliziten Renditen des staatlichen Umlageverfahrens schwanken (je nach Annahme über die Zurechnung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung und über den Abzug von Risikoanteilen vom Versichertenbeitrag) stark. Anzustreben wäre daher eine zwischen öffentlichen und privaten Systemen besser diversifizierte Altersvorsorge, als sie gegenwärtig in Österreich mit rund 90/10 herrscht, mittelfristig könnte der „optimale“ Anteil der privaten kapitalgedeckten Pensionsvorsorge rund 30 Prozent ausmachen.

Wahlfreiheit erfordert Forcierung der rein privaten Pensionsvorsorge (3. Säule)

Innerhalb der nicht-staatlichen, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge sollte jedoch die betriebliche Altersvorsorge reduziert und private Vorsorgeformen forciert werden:

Die Nachteile der 2. Säule (geregelt im Betriebspensions-, Pensionskassen- bzw. im Betriebliche- und Selbstständigenvorsorgegesetz) sind:

  • Unnötige – in Hinblick auf die persönliche(!) Altersvorsorge – Regelungsinstrumente wie Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen
  • Geringe Flexibilität (Veranlagung, Verfügungsmöglichkeiten, …) und fehlende Ausrichtung an persönlichen Bedürfnissen (Zufall des Arbeitgebers)
  • Orientierung an Steuerbegünstigungen statt individuell-optimalen dynamischen Ansparplänen
  • Problematische leistungsorientierte Modelle
  • Tendenziell höhere Gebührenbelastung als in privater Vorsorge
  • Geringere Transparenz und mangelnder Wettbewerb (gilt auch bei einigen Produkten der privaten Vorsorge)

Auch die aktuelle Novellierung des Pensionskassen- und des Betriebspensionsgesetzes (in Kraft tretend Anfang 2013) mit der neu geschaffenen Möglichkeit einer „Sicherheitspension“ (Angebot einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft) und geringfügig flexibleren Anlagestrategien (konservativ, risikoreich) ändert an der grundsätzlichen Problematik nichts, auch wenn einige Nachteile reduziert wurden.

Nur im Rahmen der 3. Säule besteht für einzelne Anwartschaftsberechtigte die Freiheit, das Risiko-Rendite Profil optimal zu wählen (z.B. individuelles „Lifecycle Investing“) bzw. hat er die Freiheit der Wahl unter konkurrierenden Produkten.

Wesentlich ist dabei die Sicherstellung gleicher Besteuerung für alle Produktformen, d.h. durch unterschiedliche steuerliche Belastung soll keine verzerrende Wirkung entstehen. Anzustreben wäre daher ein persönliches Pensionskonto/-depot, das als solches definiert durchgängig der nachgelagerten Besteuerung unterliegt (Einzahlung und Veranlagung ohne steuerliche Belastung, Auszahlung hingegen mit Einkommensteuer belegt).

Intelligentes Design kapitalgedeckter Pensionsvorsorge am Beispiel Schweden

Das schwedische Pensionsmodell wurde in den 1990er Jahren entwickelt, als Schweden sich einer alternden Gesellschaft, einem vergleichsweise geringeren Wirtschaftswachstum und einem ausufernden Budgetdefizit gegenüber sah. Das alte Pensionssystem nach dem Leistungsprimat wurde ersetzt (mit Übergangsregelungen) durch ein stark auf Kapitaldeckung ausgerichtetes System, wobei in allen drei Säulen teilweise bis ausschließlich Beiträge am Kapitalmarkt veranlagt werden.

Die zugrundeliegende Idee des Systems beruht auf der Tatsache, dass die Höhe der Pension (in Form einer Annuität) vereinfacht ausgedrückt von der Höhe des Kapitals zum Pensionsantritt „dividiert“ durch die durchschnittliche Lebenserwartung zum Pensionsantritt abhängt:

Dem Problem der alternden Bevölkerung kann in dieser Logik vor allem mit einem späteren Pensionsantritt begegnet werden. Das Kapital hängt ab von der Höhe der Beiträge und deren Wertentwicklung über die Laufzeit und zeigt die Bedeutung von langfristigem regelmäßigen Sparen und dem Zinseszinseffekt.

Die erste Säule (laufender Beitrag 18,5 Prozent des Bruttogehalts) besteht aus drei Teilen:

  • Einem beitragsorientierten Umlageverfahren (16 Prozent, ergänzt durch „Credits“ für Nichterwerbsphasen)
  • Einer „Premium Pension“ (2,5 Prozent), die frei wählbar in (Aktien-) Fonds veranlagt wird
  • Einer „Garantiepension“, für Niedrigverdiener, die aus dem Budget finanziert wird

Im Rahmen der zweiten Säule werden je nach Kollektivvertrag 3,5 – 4,5 Prozent des Bruttogehalts vom Arbeitgeber in ein vom Arbeitnehmer (!) auszuwählendes Versicherungsprodukt (va fondsgebundene Lebensversicherung) einbezahlt – auch dieser Teil ist beitragsorientiert und vor allem: individuell gestaltbar.

Für die dritte Säule – Private Pension – sind 3 Möglichkeiten vorgesehen:

  • Spareinlagen, Wertpapiere (insb. Aktien) und Investmentfonds
  • Fondsgebundene und traditionelle Lebensversicherungen

Einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems leisten „Finanzielle Stabilisatoren“: Die jährliche Anpassung der Pension aus der 1. Säule berücksichtigt auch die Einkommensentwicklung und gewisse Abschlagsfaktoren und kann sich daher sowohl positiv als auch negativ entwickeln (letzteres 2010 und 2011).  Für die Bezieher niedriger Pensionen wird dies durch die Garantiepension ausgeglichen.

Kritiker von kapitalgedeckten Pensionssystemen weisen immer auf die Abhängigkeit von der Kapitalmarktentwicklung hin. Das schwedische System berücksichtigt kurzfristige negative Schwankungen insoweit, als jeder Einzelne bestimmen kann, wann sein in der 2. oder 3. Säule angespartes „Kapital“ in eine Verrentung übergeführt wird.

Um die Verwaltungskosten dieses Systems zu minimieren, hat man sich entschlossen, ein zentrales „Clearinghaus“ zu etablieren, das „Pensionskonten“ führt und wo man jederzeit umschichten bzw. sich informieren kann. Ebenso gibt es für die Fonds und Versicherungen Obergrenzen für deren verrechnete Kosten.

Politikempfehlungen für Österreich:

  • Ziel sollte ein „ausgewogenes“ Pensionssystem sein, mit etwa 70 Prozent nach dem Umlageverfahren (1. Säule) und 30 Prozent kapitalgedeckter Pensionsvorsorge
  • Der kapitalgedeckte Teil sollte hinsichtlich der Berücksichtigung des Lebensalters und der Risikoneigung möglichst individuell gestaltbar sein
  • Das System sollte möglichst
    • transparent (zentrales Pensionskonto)
    • flexibel (Produkte müssen innerhalb des Systems auswechselbar sein) und
    • effizient sein (z.B. zentrale Clearingstelle → geringere Kosten)

Unabhängig von ihrer jeweiligen beruflichen Funktion haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Uta Pock, Thomas Url) die Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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Warum es keine Spitalsreform geben wird/kann drucken

Auf Bundeslandebene fehlt jegliche „Krankheitseinsicht“; die ist aber nötig, will man therapieren!

„Es ist nicht eine Frage, ob wir uns das leisten wollen, sondern es ist klar, dass wir uns das leisten müssen. Die Bevölkerung hat den Anspruch auf eine optimale Versorgung. Wir lassen uns da von Theoretikern, Experten oder Rechnungshofbeamten, die von der Praxis keine Ahnung haben, nichts vorschreiben.“

Das war die Antwort von LH Erwin Pröll auf die Frage, ob denn die 27 Spitäler in NÖ weiter bestehen werden. Nun, da fällt mir ein Witz ein: Was ist der Unterschied zwischen dem lieben Gott und einem Landeshauptmann? – Der liebe Gott weiß, dass er kein Landeshauptmann ist!

Jedenfalls ist klar, dass die Definition der optimalen Versorgung Hoheitsakt der landesfürstlichen Verwaltung ist! Es dürfte wenig Einsicht geben in das Problem, dass wir zu viele Spitäler und Betten haben, dass unser System schlicht spitalslastig, (XLS-Tabelle des OECD Originallink) wo vor allem stationär statt tagesklinisch (XLS-Tabelle des OECD Originallink) gearbeitet wird, ist, und die Ressourcen, die unnötigerweise dorthin fließen, dann woanders fehlen. Das gilt natürlich nur dann, wenn man noch genug Realitätssinn hat, nicht von unendlichen Ressourcen auszugehen (Allokationsproblem).

In Kärnten wiederum herrscht Freude darüber, dass das LKH Wolfsberg seine Unfallchirurgie und Geburtshilfe behält. Ein Spital mit 68.000 Einwohnern im Einzugsgebiet dürfte nach den Bundesplanungsvorgaben (festgelegt im Österreichischen Strukturplan Gesundheit ÖSG, seit 2005 gesetzlich verbindlich – aber was sind schon Gesetze hierzulande, wo wir doch Fürsten haben) weder eine Unfallchirurgie noch eine Geburtshilfe haben.

Für eine Gynäkologie, die ja eine Mindestgröße (Mindestbettenzahl) nicht unterschreiten darf, sollte das Einzugsgebiet mindestens 110.000, für eine ‚Unfallchirurgie 90.000 Einwohner betragen. Nur dann ist realistisch anzunehmen, dass die dort aufgestellten Betten (für österreichische Verhältnisse, international wären es noch immer zu viele) sinnvoll genützt werden. Ist das Einzugsgebiet kleiner, werden die Betten sicher auch genützt, aber halt nicht sinnvoll – dann liegt möglichst jeder drinnen, egal ob nötig oder nicht. Und mit welcher Folge? Nun, es muss ja einen Grund geben, warum wir, pro Kopf gerechnet, die meisten Krankenhausaufnahmen der Welt haben.

Der rote nach oben ausschlagende Strich ist Österreich.

 

Also auch hier wenig Verständnis dafür, dass auf Bundesebene Vorgaben gemacht werden, die auf Landesebene eingehalten werden sollen.

Tagespopulistisch ist nicht zu erwarten, dass die Länder reformfreudig und vernünftig werden – dass sie polemisch bleiben, ist wohl eher zu erwarten.

Aber auch die Zahlen im Stabilitätspakt deuten nicht darauf hin, dass sich etwas ändern soll.

Den Ländern wird erlaubt, weiter Schulden zu machen, geringere als bisher, aber doch. Zudem werden Mehreinnahmen durch die Erhöhung diverser Steuern in Aussicht gestellt: gesamt etwa 2,3 Mrd.€. Das deswegen, weil der Finanzausgleich und damit die Aufteilung der Steuereinnahmen in der jetzigen Form beibehalten wird. Damit das so bleibt, versprechen die Länder etwa 2,9 Mrd.€, drei Viertel davon bei den Spitälern, zu sparen.

Doch wie geht das Sparen vor sich? Wird hier wirklich gespart? Nein, das läuft ganz anders – und zwar ungefähr so (die jetzt dargestellte Milchmädchenrechnung ist ziemlich ungenau, weil ja auch die Angaben der Politik sehr ungenau sind):

Deckelung der Spitalskostensteigerung

Zuerst wird angenommen, die Spitalskosten steigen ohne Reform um 4,5 Prozent jährlich. Dieser Wert soll angeblich der langjährige Schnitt sein. Wirklich transparent dargestellt ist es nicht, wohl eher politisch einfach festgelegt – nachrechenbar ist der Wert jedenfalls nicht. Jetzt versprechen die Länder, dass die Spitalskosten nicht über 3,5 Prozent steigen werden (eine Bindung der Kostensteigerung an das Wirtschaftswachstum erfolgt nicht, sondern wird uns nur erzählt, wie so vieles erzählt wird).

Rechnet man jetzt aus, was die Spitäler bis 2016 in Summe mehr kosten, wenn die Kosten um 4,5 Prozent steigen, dann kommt etwa 11,2 Mrd.€ heraus. Nimmt man aber die 3,5 Prozent, dann beträgt diese Summe „nur“ 8,6 Mrd.€. Es entsteht also eine Differenz von 2,6 Mrd.€. Und die, so versprechen die Länder, werden sie einsparen! Offiziell meinen die Länder, sie wollen nur 2,1 Mrd.€ einsparen, woher die 500 Mio.€ Differenz zu meiner Milchmädchenrechnung kommen? Ich weiß es nicht! Vielleicht sind die als „wir sind super und über Plan“-Meldungen – analog zu jenen der Kassen – eingeplant! Andererseits sollte man 500 Mio.€ auch nicht so genau nehmen, bei einem Volumen von fast 90 Mrd.€, die uns die Spitäler in dem Zeitraum gekostet haben werden.

Ein nettes Versprechen also, vor allem aber ein sehr leichtes!  Ein kleiner Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Spitalskostensteigerung seit 2009 in etwa bei 3,5 Prozent liegt. Folglich müssen die Länder nur versprechen, dass das so bleibt. Und weil es ohnehin keine Sanktionen geben wird, wenn die Kosten stärker steigen, ist so ein Versprechen gleich noch leichter gemacht.

Dass man so ein Versprechen überhaupt abgeben muss (manche Länder mögen das wohl sogar als Demütigung, gar als Majestätsbeleidigung empfinden), hat weniger mit der Macht des Bundes zu tun, als mit der EU. Die wird sich nämlich die Zahlen genau anschauen, und für die muss es plausibel klingen, das Versprechen!

Ob es eingehalten wird, das steht dann auf einem anderen Blatt. Und dass sich die Länder nicht wirklich anstrengen wollen, auch wenn sie behaupten, vor ihnen liege harte Arbeit, zeigt ja schon die Tatsache, dass alle Länder fest behaupten, sie hätten schon alle Anstrengungen unternommen, um die Kostensteigerung im Zaum zu halten – heißt übersetzt: alles erledigt, Reform umgesetzt, Stabilitätspakt erfüllt! Jetzt muss der Bund unsere Forderungen erfüllen – und die sind heftig, s. Seite 9 letzter Absatz – der Rest der ländlichen Reformvorschläge sind nur Schaumschläge zum Ablenken!

Vernunftbegabte Menschen sollten Länderversprechen ohnehin nicht ernst nehmen. Obwohl die Länder 2005 erstmals und dann im vorgezogenen Finanzausgleich 2008 noch einmal ganz fest versprachen zu sparen, haben sie es nicht getan. Denn als der Rechnungshof das Versprechen in drei Ländern kontrollieren wollte, sah das so aus: Salzburg lag 2010 bei den Spitälern um 17 Prozent über dem versprochenen  Zielwert, die Kosten stiegen von 2005 bis 2010 von 242 auf fast 340 Mio. €. In Wien kletterten die Kosten von 1,1 auf 1,6 Mrd.€, und 30 Prozent darüber. Und die Steiermark hat Ausgaben von 545 Mio.€ einfach nicht gemeldet, um sich der Kontrolle gleich zu entziehen.

Gut, also ich gehe mal davon aus, dass die Länder weiter spitalszentriert denken und eine integrierte Versorgung nicht wie üblich rund um den Hausarzt, sondern rund um ein Spital anlegen. Und ich gehe weiter davon aus, dass sie durch keine Macht und schon gar nicht Vernunft von diesem Weg abzubringen sind.

Wird es trotzdem die versprochene Spitals/Gesundheitsreform geben?

Auch wenn die Länder es nicht hören wollen, alle Experten, zuletzt sogar die Industriellenvereinigung, deren Mitglieder ja sicher nicht schlecht an diesen Spitälern verdienen, sagen, wir haben zu viele Spitäler und daher zu viele Spitalsaufnahmen, was in weiterer Folge zu einer Unterfinanzierung der niedergelassenen Ärzte führt. Eine Reform muss bei den Spitälern ansetzen! Wir müssen Spitäler redimensionieren, indem wir schauen, dass die Patienten vom Spital weg, zu den niedergelassenen Ärzten gelenkt werden. Aber wie?

Die Kassen werden bis 2016 grosso modo gleich viel Geld haben wie heute! Vielleicht ein bisschen mehr, weil es jetzt die Solidaritätsabgabe für Reiche gibt, vielleicht ein bisschen weniger, weil dafür andere Dinge wegfallen, z.B. die überbezahlte Mehrwertsteuerrückerstattung (s. auch hier). Wie dem auch sei, ein Ausbau des Kassenbereichs durch die Kassen ist wohl nicht möglich! Außer, es käme Geld von den Ländern! Also Umlagerung der Leistung vom Spital zu den niedergelassenen Kassenärzten (die dann zahlenmäßig auch steigen müssten – seit wenigstens 15 Jahren sinkt die Zahl der Stellen sogar leicht), bei gleichzeitiger Umschichtung von Geld von den Ländern zu den Kassen – „Geld folgt Leistung“!

Es ist eigentlich denkunmöglich, dass es jemals dazu kommt, dass Bundesländer auf Geld verzichten – und schon gar nicht, dass sie es den Kassen „schenken“. Und weil die Kassen auch nichts hergeben wollen und beide auf Verfassungsrechte pochen können, braucht es einen, dem Volk präsentierbaren, Kompromiss. Und da kommen sie daher, die fiktiven Budgets der Gesundheitsplattformen. Sie sind der letzte Schritt der österreichschen Diskussion von der „Finanzierung aus einer Hand“ hin zu „es darf sich nichts ändern“!

Mit solchen Budgets gibt es bereits Erfahrungen. Als mit der Gesundheitsreform 2005  Reformpoolprojekte eingeführt wurden, gab es die Verpflichtung, für jedes Projekt solche Budgets zu errechnen. NÖ hat einst 800.000€ für die Entwicklung eines eigenen EDV-Tools (Reformpoolmanager) bezahlt, damit solche Budgets errechnet werden können. In Betrieb ist der Reformpool-Manager nie gegangen, weil keiner der involvierten Partner bereit war, seine Daten einzuspielen und damit der anderen Seite zu offenbaren. Schließlich leben sie doch alle in der Intransparenz! Und weil es eben nicht geschafft wurde, Datentransparenz herzustellen, wurden Reformpoolprojekte per Hand gerechnet.

Eines davon habe ich (allerdings unter Pseudonym) rechnen dürfen – wobei das mit rechnen nur sehr wenig zu tun hatte, sondern eher mit Diplomatie – denn keine Seite (Land und Sozialversicherung) wollte die Wahrheit wissen, und die Rechnungen durften nur das ergeben, was die beiden langwierig ausverhandelt haben. Ich habe die Rechnungen sechs Mal gemacht, weil jedes Mal „neue“ Daten die „alten, falschen“ ersetzen mussten, bis die Kassen ihren Teil der Berechnung überhaupt selbst geschrieben haben. Es dauerte sechs Monate, bis eine Einigung erzielt wurde! Der wissenschaftlich fundierte Bericht wurde nie publiziert – bis jetzt.

Wie dem auch sei, mir ist kein Reformpoolprojekt bekannt, dass es geschafft hätte, Konsens zwischen allen 21 Krankenkassen und den Bundesländern herzustellen um die Rechnungen ernsthaft zu machen und das Prinzip „Geld folgt Leistung“ umzusetzen. Im Gegenteil, je näher das Ende eines Projekts kam, desto klarer war, dass kein Interesse an Änderungen bestand. Deswegen hat es auch kein einziges Reformpoolprojekt geschafft, flächendeckend ausgerollt und in die Regelfinanzierung übernommen zu werden (sieht man von jenen ab, die eine Sonderfinanzierung erhalten haben).

Tja, und so wie es aussieht, soll die Idee der „fiktiven Budgets“ nun die Gesundheitsreform bringen. Es soll also jetzt auf Bundeländerebene eine flächendeckende, allumfassende fiktive Rechnung gemacht werden, damit man erkennen kann, wer von welcher Maßnahme oder Planung wie profitiert, um dann eine Finanzierung aus einer Hand simulieren zu können. Was also für lächerliche Kleinigkeiten schon nicht funktioniert hat, soll jetzt im Großen funktionieren? Nie!

Aber ich bin sicher, die Reform wird, wie eh und je, medial groß kommen und bestens verkauft werden. Realiter aber, wurde so eine Gesundheitsreform erfolgreich ausgesessen – wieder einmal!

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist der einzige unabhängige österreichische Gesundheitsökonom.

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Wie entwickelte sich die österreichische Bevölkerung? drucken

Hauptergebnisse der natürlichen Bevölkerungsbewegung in Österreich 2011

 

  Österreich 2011 Veränderung zum Vorjahr
Eheschließungen

36.426

- 3,0

Lebendgeborene (gesamt)

78.109

- 0,8

Lebendgeborene (unehelich)

31.522

- 0,3

Gestorbene (gesamt)

76.479

- 0,9

Gestorbene (im 1. Lebensjahr)

281

- 8,5

Geburtenbilanz

1.630

+ 5,6

Unehelichenquote

40,4

+ 0,5

Säuglingssterberate

3,6

- 7,7

Quelle: Statistik Austria

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Die armen ausgepowerten AUA-Piloten drucken

AUA-Piloten melden sich seit einigen Tagen reihenweise und immer knapp vor Abflug ihrer Maschinen krank. Viele Flüge sind ausgefallen. Zahlreiche sitzengebliebene Passagiere schwören sich „Nie wieder AUA“. Und das Defizit der maroden Linie steigt weiter. In unerträglicher Verbiegung der Wahrheit schwätzt der Piloten-Betriebsrat freilich davon, dass das Alles keine Arbeitsverweigerung sei; die Piloten fühlen sich vielmehr nicht fit zu fliegen, weil sie in den letzten Tagen ob ihrer hohen Bezüge so hart kritisiert worden sind.

Wie mir die Armen leidtun! Um ihr ganzes Elend ermessen zu können, vergleiche man sie einmal mit einem Abgeordneten: Dieser arbeitet stundenmäßig mindestens dreimal so viel wie ein Pilot, verdient aber kaum mehr als die Hälfte. Und kritisiert, attackiert, beschimpft wird jeder Politiker hundert Mal mehr als ein Pilot. Dennoch habe ich noch nie von einem Abgeordneten gehört, der sich nicht fit genug zum Dienstantritt gefühlt hat, weil er sich ob harter Kritik so gekränkt hat.

Irgendwann muss man eben auch Politikern ein wenig Ehre zugute kommen lassen, werden sie doch ohnedies ständig von allen Stammtisch-Experten geprügelt. Die Reverenz für die Politik fällt nicht allzu schwer, wenn man sie mit solchen Sauereien vergleicht.

Jetzt kann man nur hoffen, dass es der AUA-Führung wenigstens gelingt, einige Piloten ob der Arbeitsverweigerung fristlos zu entlassen. Das würde den widerlichen Gewerkschafts-Betriebsrats-Sumpf endlich ein wenig trockenlegen – mit Beispielswirkung in andere Betriebe hinein. Freilich ist die Hoffnung klein: Die Gewerkschaften haben mit Hilfe willfähriger Arbeitsrechts-Richter einen so weitgehenden Rechtsschutz aufgebaut, dass Arbeitgeber eigentlich nur noch ein Recht haben: zu zahlen.

Apropos zahlen: Fast hätte ich noch ein Privileg der Piloten vergessen: Sie haben auch Anspruch auf 39 Monatsgehälter Abfertigung.

Kein Zweifel: Die Herren (und auch einige Damen) in den feschen Uniformen haben zumindest ein Ziel erreicht – die Wahrscheinlichkeit eines AUA-Konkurses ist weiter gestiegen. Und dann darf wieder einmal die Allgemeinheit für die Lohnfortzahlung an die Piloten herhalten . . .

 

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Fußnote 297: Semperit – Continental: Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Reifen still drucken

Vor etlichen Jahren hat es zu gewaltigen Erregungen geführt: Die Firma Continental hat die Reifenfabrik Semperit gekauft und dann sukzessive zugesperrt.

Nun, Jahre später, fällt einem eine Meldung über Continental in die Hände: Der deutsche Autozulieferer stellt noch heuer 5000 neue Mitarbeiter ein. Allerdings in China. Braucht es eigentlich noch ein anschaulicheres Beispiel, was in dieser Welt vor sich geht? In immer mehr Branchen wird die Produktion in Europa zu teuer. Die von Gewerkschaften und Betriebsräten – etwa auch im Fall Semperit besonders erfolgreich – hochgetriebenen Löhne sind nicht mehr konkurrenzfähig. Ganz Ähnliches spielte und spielt sich bei der AUA ab. Denn alle Welt kauft immer die kostengünstigsten Produkte. Nicht einmal die Österreicher selbst kaufen zu teure heimische Waren oder Dienstleistungen – ganz abgesehen davon, dass eine rationelle Produktion nur für den kleinen österreichischen Markt technisch völlig unmöglich wäre. Daher hilft auch das von Gewerkschaftern, Sozialisten und Freiheitlichen immer wieder empfohlene Konzept nichts, jede Fabrik notfalls mit Gewalt – also ständigen Defiziten – am Leben zu halten. Das hätte als einziges Ergebnis ein ständiges steiles Anwachsen der Defizite. Worauf jene Unternehmen und Arbeitsplätze, die – noch – konkurrenzfähig sind, immer mehr mit Steuern belastet werden. Bis sie auch konkursreif sind.

 

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Verschwiegene Wahrheiten über Kinder und Mütter, über Migranten und Frühpensionisten drucken

Es wird immer ärgerlicher, wie die Öffentlichkeit durch einseitige Medien und ideologische „Experten“ einseitig mit – oft total falschen und fast immer tendenziösen – Daten gefüttert werden. Noch ärgerlicher ist aber, wie manche gesellschaftspolitisch wichtigen Daten verschwiegen werden.

Hier ein kleiner Auszug:

1. Frühpensionierungen helfen nicht, den Gesundheitszustand zu verbessern, sondern verschlechtern ihn, vor allem bei Männern. Das zeigt eine große internationale Studie im Auftrag der EU. Von der man aber in Österreich nichts hört (wo meist nur die Klassenkampfstudien im Auftrag der Arbeiterkammer publiziert werden). Denn Frühpensionisten leben ungesünder, sie leiden oft unter einer schlagartig ausbrechenden Sinnkrise, sie verlieren ihre sozialen Netzwerke. Das, was vielen so erstrebenswert erscheint, ist also oft ein schwerer Schicksalsschlag.

2. Die Berufstätigkeit einer Mutter aus Mittel- und Oberschichtfamilien ist schlecht für die Entwicklung eines Kindes. Das kann man im neuesten deutschen Familienbericht (Seite 102) lesen (in Österreich wagt man sich gar nicht an solche Fragen heran). Dem Kind entgeht durch die außerfamiliäre Betreuung die Bildung und Erziehung durch seine gut gebildete und erziehungskompetente Mutter. Hinter deren Leistung bleibt das Bildungsangebot in Kindergärten weit zurück. Bei Migranten- und Unterschichtfamilien ist die Wirkung einer solchen Betreuung hingegen eindeutig positiv.

3. Die von der Politik, auch der EU so stark geförderte außerfamiliäre Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird in Deutschland von Müttern mit Migrationshintergrund viel seltener benutzt als von anderen. Dabei begründet die Politik die teuren Kleinkinderbetreuungseinrichtungen vor allem damit, dass man Migrantenkinder so besser in den Bildungsprozess einbinden kann. Dafür werden diese Betreuungsstrukturen vor allem von besser gebildeten Müttern genutzt. (gleicher Familienbericht, Seite 99f)

4. Ein Zitat, dass die letztgenannten Punkte unterstreicht: „Kleinkinder dauerhaftem Stress auszusetzen, ist unethisch, verstößt gegen Menschenrecht, macht akut und chronisch krank. Dieses Wissen hindert die Bundesregierung und Wirtschaftsverbände nicht daran, die Erhöhung der Zahl der außerfamiliären Betreuungsplätze zum Ausweis moderner Familienpolitik zu stilisieren.“ So der deutsche Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Sozialpädiatrie Rainer Böhm (Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 4. April, Seite 7). Das sind Sätze, die zweifellos auch für Österreich gelten, wo sich nur die meisten Mediziner mit unzeitgeistigen Erkenntnissen zurückhalten.

5. Die EU will, dass 75 Prozent der Frauen im erwerbstätigen Alter berufstätig sind (so wie die Männer). In Österreich sind es 66 Prozent, was weit über dem EU-Schnitt liegt. Der österreichische Wert beinhaltet aber auch die Frauen mit türkischem Hintergrund: Diese sind zu 41 Prozent berufstätig.

6. Amerikanische Jugendliche in Gefängnissen:

  • 1 Prozent bei Kindern, die in vollständigen Vater-Mutter-Familien herangezogen wurden;
  • 2,1 Prozent bei Kindern alleinerziehender Mütter;
  • 2,7 Prozent bei Kindern, die von Mutter und Stiefvater aufgezogen wurden;
  • 3,7 Prozent bei Kindern, die von einer Stiefmutter erzogen wurden.

Quelle: C. Harper und S. McLanahan: „Father Absence and Youth Incarceration“. Data from National Longitudinal Survey of Youth.

7. Kokain-Nutzer unter erwachsenen Amerikanern:

  • 2,8 Prozent nach einer Kindheit in intakten Familien;
  • 5,2 Prozent nach einer Kindheit in geschiedenen Familien;
  • 7,5 Prozent unter jenen, die von einer nie verheirateten Mutter aufgezogen wurden.

Quelle: Add Health Wave II 1966

8. Schlechte Bildung. Untersucht wurden die in Österreich lebenden 25- bis 64-Jährigen:

  • 13 Prozent der Gesamtbevölkerung haben höchstens einen Pflichtschulabschluss;
  • 31 Prozent der aus dem ehemaligen Jugoslawien zugewanderten Menschen haben höchstens einen Pflichtschulabschluss;
  • 68 Prozent der aus der Türkei stammenden Menschen haben höchstens einen Pflichtschulabschluss.

Quelle: „migration & integration, zahlen.daten.indikatoren 2010“ (Statistik Austria, Seite 46)

Anmerkung: 48 Prozent der im Ausland geborenen Migranten stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien; 17 Prozent aus der Türkei. In Österreich kommt ein Drittel der Migrantenkinder überhaupt erst während ihrer Schulzeit ins Land, was dem Bildungssystem fast jede Chance der Gegensteuerung nimmt.

9. Österreich wird gerne als die Hölle für Ausländer dargestellt, etwa von der Rathaus-finanzierten Organisation Zara. eine EU-Studie zeigt das Gegenteil. Fälle von erlebter Diskriminierung unter 100 Migranten aus der Türkei innerhalb eines Jahres:

  • In Österreich 26 Fälle;
  • In Dänemark 236 Fälle.

Quelle: EU-MIDIS Seite 14.

10. Von den weltweit über 20 Millionen Migranten mit tertiärem Abschluss (Universitäten und ähnliches) haben sich drei Viertel in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien niedergelassen. Wen wundert es, dass diese Länder aus der Zuwanderung großen Nutzen ziehen? Länder wie Österreich werden von solchen Leistungsträgern jedoch total gemieden. Der Grund? Die Sprache, aber vor allem die hohen Steuern.

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Fußnote 292: Crash-Landung einer Gewerkschaft drucken

Sie haben es bis zuletzt nicht begriffen. Jetzt aber sind Gewerkschaft und AUA-Betriebsräte aber so etwas von mega-stad, dass das Scheitern ihrer Politik am 1. Mai eigentlich über den ganzen Rathausplatz mit seinen roten Fahnen dröhnen müsste.

Der AUA-Flugbetrieb geht nun nahtlos auf die Tyrolean über. Der in dreimonatigen Verhandlungen ausgehandelte Kompromiss wandert in den Papierkorb, weil Betriebsrat und Gewerkschaft ihn der Belegschaft nicht vermitteln konnten. Die deutschen Eigentümer haben die Schmähs der heimischen Gewerkschaft eiskalt abgewimmelt, nach jedem Verhandlungsabschluss noch einmal nachzuverhandeln. Und dann noch einmal. Besonders grotesk ist, dass die Belegschaft zuletzt für die eigentlich schon ausverhandelte Abschlagszahlung nun auch noch die Garantie des Managements wollte, dass diese Zahlung steuerbegünstigt sein wird (was steuerrechtlich immer von der Einschätzung des Finanzamts abhängig ist). Jetzt sind Betriebsrat&Co diese Sorge los: Es gibt überhaupt keine Abschlagszahlung mehr. Blöd gelaufen.

PS.: Vielleicht nimmt sich nun auch einmal die Wirtschaftskammer ein Beispiel und schmettert die – in Zeiten wie diesen erhobene! – Gewerkschaftsforderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ebenso konsequent ab. Statt wieder etwas vom Geist der Sozialpartnerschaft zu faseln und halb nachzugeben. Der längst ein Ungeist geworden ist.

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Anthony de Jesay zu Gast in Wien drucken

Am 26. April referierte der große liberale Philosoph und Ökonom auf Einladung des Wiener Hayek-Instituts zu dem Thema: „Der indische Seiltrick. Die logischen Grundlagen der Sozialen Gerechtigkeit“. Er wählte hierzu den ungewöhnlichen Zugang über die Linguistik.

Zunächst erläuterte er dazu anhand dreier „Mustersätze“ die Funktionsweise jener sprachlichen Tricks, deren sich die Herolde sozialer Gerechtigkeit bedienen:

  • „Veronika ist ein schönes Mädchen, aber ihre Haare sind blond“. Das „aber“ in diesem Satz verkehrt den positiven ersten Teil des Satzes in sein Gegenteil. Das ist absurd, da die Schönheit des Mädchens und die Haarfarbe in keinerlei Widerspruch zueinander stehen.
  • „Heute ist ein wunderbar sonniger Tag, aber es weht ein unangenehmer Wind“. In diesem Fall ist der Einsatz des Wortes „aber“ gerechtfertigt, da die beiden Satzteile miteinander durchaus im Einklang stehen und logischen Sinn ergeben.
  • „Die wirtschaftliche Entwicklung der Slowakei war in den letzten 15 Jahren sehr gut, aber die soziale Ungleichheit hat zugenommen.“ Wieder wird die positive Aussage des ersten Satzteils durch das „aber“ in sein Gegenteil verkehrt – indem in dessen zweiten Teil impliziert unterstellt wird, dass soziale Ungleichheit etwas per se Übles sei. Die Selbstevidenz dessen wird – willkürlich – vorausgesetzt.

Es gibt zahlreiche Adjektivpaare, die eine klare Hierarchie ausdrücken, so wie etwa gut und böse oder wahr und falsch. Hier haben wir es tatsächlich mit selbstevidenten Wertungen zu tun. Gut und wahr sind besser als böse und falsch.

Es gibt allerdings auch andere Adjektivpaare, die keine derartige Wertung zulassen – zumindest nicht unabhängig vom Kontext, in dem sie stehen: z. B. groß und klein, schnell und langsam. Es handelt sich hierbei um nicht-selbstevidente Begriffspaare.

Den Apologeten Sozialer Gerechtigkeit geht es darum, den Begriff Gleichheit „selbstevident positiv“ aufzuladen. Ungleichheit sei schlechter. Steht dies erst einmal außer Streit, leitet sich daraus alles andere ab.

Zur Untermauerung der These von der Überlegenheit der Gleichheit werden häufig folgende Standardbehauptungen ins Feld geführt:

  • „Gott hat alle Menschen gleich geschaffen!“ Ein offensichtlicher Unsinn. Gott hat ja nicht etwa gleichgeschlechtliche Zwillinge geschaffen, sondern mit Adam und Eva grundverschiedene Individuen.
  • „Jeder Mensch verdient gleichen Respekt!“ Ein nicht minder haarsträubender Unsinn. Wer würde Donald Trump denselben Respekt zollen wie etwa Mutter Teresa?
  • „Menschen unterschiedliche Qualitäten zuzuordnen, ist moralisch willkürlich“ – eine These, die vom linken US-Philosophen John Rawls („Therorie der Gerechtigkeit“, „Gerechtigkeit als Fairness“, Anm.) aufgestellt wurde. Hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ (um die unterschiedlichen menschlichen Qualitäten, Anm.) wäre Soziale Gerechtigkeit zu erreichen.

Die Verwendung des Begriffs „willkürlich“ im letztgenannten Satz ist klar pejorativ. Das wiederum ergibt nur dann Sinn, wenn Ungleichheit negativ bewertet wird. Ein perfekter Zirkelschluss.

  • „Ungleichheit bewirkt den Schmerz des Neides.“ Die Herstellung von Gleichheit lindere demnach diesen Schmerz. Eine kaum zu haltende These, da das Phänomen Neid auch bei perfekter materieller Gleichheit nicht aus der Welt verschwände. Neid würde sich dann eben auf das bessere Aussehen des Nachbarn oder das freundlichere Verhalten von dessen Katze richten. Neid ist eben eine höchstpersönliche Sache, die charakterlich bedingt ist.
  • „Das Durchschnittseinkommen liegt oberhalb des Medianeinkommens. Mehr (Einkommens-)Gleichheit herbeizuführen, würde also bewirken, dass mehr Menschen davon profitieren, als verlieren.“ Diese These ist nur dann positiv zu interpretieren, wenn man die „Heiligkeit“ der Mehrheit außer Streit stellt. Es gibt indessen keinerlei Grund, der das rechtfertigen würde.
  • „Alle sozialen Dysfunktionen der Armen sind dadurch bedingt, dass es Reiche gibt.“ (nach Richard Wilkinson und Kate Pickett „Gleichheit ist Glück“, Anm.). In jeder Gesellschaft, in der keine totale Gleichheit herrscht, gibt es indessen notwendigerweise immer „Reiche“. Das „Unglück“ der Armen wird gelindert, indem sich ihre Lebensumstände verbessern, nicht indem man Reiche eliminiert. Er, Jesay, ziehe es vor, Wohlstandsniveaus miteinander zu vergleichen, anstatt Wohlstandsdifferenzen. Es handle sich dabei um die einfachere Theorie, die daher bei der Anwendung von Occam´s razor der Wilkinson´schen vorzuziehen sei.

Am Beginn der menschlichen Entwicklung stand eine Gesellschaft von Jägern und Sammlern. In dieser Phase hatte gleiches Aufteilen der Beute Sinn, da ein Transport oder eine Aufbewahrung des Überschusses nicht möglich gewesen wäre. Es war daher ein Vorteil für das Überleben der Gruppe, Überschüsse gleich oder nach Bedarf „sozial gerecht“ zu verteilen.

Später, mit Beginn der Landwirtschaft, die es möglich machte, haltbare Überschüsse zu produzieren, ging der Überlebensvorteil auf jene Gruppen über, die Reserven (etwa als Saatgut für das kommende Jahr) zurückbehielten und nicht mit anderen teilten. Wer dieses Prinzip heute aufzuheben wünscht, stellt sich damit, indem er die Regeln der nomadischen Horde wieder einführen will, gegen die natürliche Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Abschließend fasste de Jesay seine Thesen wie folgt zusammen:

  • Die Überlegenheit sozialer Gleichheit ist alles andere als selbstevident.
  • Es gibt daher keinerlei Grund, sich die Erreichung von Gleichheit zum Ziel zu setzen.
  • Nur wenn ein zur Erreichung seiner Ziele verwendetes Instrument gut ist, sollte man es befürworten.
  • Gerechtigkeit verlangt nicht mehr als die Befolgung von bekannten Regeln. Im Gegensatz dazu kennt Soziale Gerechtigkeit keinerlei feste Regeln. Es gibt keine Satzung. Es handelt sich um eine glitzernde Schale, in deren Inneren sich nicht mehr als die Forderung nach Gleichheit befindet.
  • Mit der behaupteten „Selbstevidenz“ der Überlegenheit sozialer Gerechtigkeit ähnelt der Egalitäre daher dem indischen Fakir, der behauptet, auf seinem Seil in den Himmel klettern zu können – und das staunende Publikum glaubt daran…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der ÖGB im Kampf gegen die älteren Arbeitnehmer drucken

Der ÖGB startet eine Kampagne dagegen, dass manche Angestellte nicht das verdienen, was ihnen rechtlich zusteht. Da muss man die Gewerkschaft doch unterstützen, oder?

Nun, selbstverständlich muss man für die Einhaltung der Gesetze und ähnlicher zwingender Normen sein. Regellosigkeit ist immer schlecht und schadet allen. Nur sollte man sich auch bewusst sein: Der ÖGB zeigt mit seiner Kampagne – ungewollt – noch etwas ebenso Problematisches: dass die geltenden Regeln schlecht sind. Sie führen nämlich zum Schaden vieler Arbeitnehmer. Vor allem der älteren.

Denn einer der häufigsten Gründe für solche regelwidrig zu geringen Gehälter ist die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten beim Eintritt in ein neues Unternehmen. Würde aber deren Anrechnung künftig zu hundert Prozent durchgesetzt, hätte das eine klare Konsequenz: Ältere Arbeitnehmer hätten dann so gut wie keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt.

Denn jede Firma würde sich dann bei der Neuaufnahme von Mitarbeitern zwingend für die jüngeren entscheiden. Sind doch auf Grund der (von der Gewerkschaft selbst erkämpften!) Kollektivverträge in vielen Berufen über 50-Jährige fast doppelt so teuer, wenn man ihnen alle Vordienstjahre anrechnet. Diesen Unterschied kann die sicher größere Erfahrung von Älteren nicht mehr wettmachen.

Dabei klagt dieselbe Gewerkschaft ständig, dass es für Ältere auf dem Arbeitsmarkt schon heute sehr schwierig ist, einen neuen Job zu finden, wenn man einen anderen verloren hat. Aber Intelligenz und Logik oder gar Selbstkritik waren halt noch nie die Stärke von Gewerkschaftern.

 

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SN-Kontroverse: Arbeitszeitverkürzung drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Ist eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung sinnvoll?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Kürzer arbeiten ergibt Sinn

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In Österreich ist die Arbeitszeit eigenartig verteilt. Allein im dritten Quartal 2011 wurden laut Eurostat 5,5 Millionen Überstunden geleistet - und das zu knapp einem Viertel unbezahlt. Bereits jetzt arbeiten 1,1 Millionen Menschen nur 38,5 Stunden pro Woche, während für die anderen die Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden gilt. Etliche arbeiten aber noch sehr viel länger. Es ist daher hoch an der Zeit, über eine Verkürzung der Arbeitszeit nachzudenken. Sie würde mehr Gerechtigkeit schaffen und ist eine Maßnahme, die ökonomisch durchaus Sinn ergibt. Mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit könnte die Zahl der Arbeitslosen gesenkt werden. Im Jahresdurchschnitt 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts würden durch eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent mittelfristig 130.000 Beschäftigte gewonnen. Steigt die Beschäftigung, steigt auch die Kaufkraft. Letztlich wird also die Konjunktur angekurbelt. Weniger Wochenarbeitsstunden bedeuten außerdem eine geringere Belastung für das teure Gesundheitssystem. Gerade immer häufiger auftretende Überlastungserscheinungen wie Burn-out könnten verringert werden; die Betriebe würden profitieren, wenn die Mitarbeiter seltener in den Krankenstand gehen. Ein besseres Verhältnis von Arbeits- und Freizeit bedeutet enormen Gewinn an Lebensqualität. Vereinbarkeit von Beruf und Familie wäre nicht mehr so schwierig zu bewerkstelligen. Frauen hätten weniger Karrierebarrieren zu überwinden; Männer könnten stärker in das Familienleben eingebunden werden. Die Arbeitszeitverkürzung ist bei vollem Lohnausgleich möglich. Denn die Produktivität ist enorm gestiegen. Die Arbeitszeitverkürzung ist leistbar, sie ist vernünftig und bringt Vorteile für alle.


Lasst den Menschen doch ihre Freiheit!

Andreas Unterberger

 Oberösterreichs Sozialdemokraten werben für eine zwangsweise Arbeitszeitverkürzung mit der an sich richtigen Parole: "Zeit für sich, die Familie und die persönlichen Leidenschaften zu haben, bereichert das Leben ungemein." Genau deshalb wurde in den letzten Jahren ja auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit ausgebaut, mit großem Zuspruch. Das Absurde aber ist: Genau diese Teilzeitarbeit wird von der SPÖ vehement bekämpft! Zugleich mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. In Wien geschieht dies sogar mit Plakaten auf Steuerzahlerkosten.

Weiß diese Partei noch irgendwie, was sie will? Letztlich will sie wohl nur eines: ständig noch mehr in unser Leben eingreifen und es reglementieren, damit die Politik ständig noch mehr Macht erhält. Gleichzeitig ist es der Partei völlig gleich, dass dabei der umzuverteilende Kuchen kleiner wird.

Die Menschen wollen diese Reglementierungen aber nicht. Sie wollen sich frei entscheiden können. Die einen wollen sich primär ihren Familien oder "Leidenschaften" widmen, die anderen wollen Karriere machen und viel verdienen. In einem freien Land sollte jeder das tun können, was er will. Und nicht das tun müssen, was Politiker wollen.

Wenn die Linke aber den Menschen vorgaukelt, dass alles zugleich möglich wäre - viel verdienen und zugleich wenig arbeiten -, dann sollte sie sich in Frankreich umschauen: Dort haben von ihr durchgesetzte Arbeitszeitverkürzungen heute katastrophale Folgen. Was die linken Theoretiker in ihrem papierenen Wolkenkuckucksheim nämlich nicht begreifen: Europa steht im beinharten Wettbewerb mit den boomenden (weit länger als 35 oder 38 Stunden arbeitenden!) Ländern Asiens, den der alte Kontinent zunehmend verliert. Noch ein paar so linke Projekte, dann ist der Wettbewerb endgültig entschieden, und Europa in einer jahrzehntelangen Rezession.

 

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Das kollektive Burnout drucken

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter in Österreich soll auf Grund des jüngsten Sparpakets bis 2016 um rund ein Jahr steigen. Bravo, wenigstens etwas! Bravo? Das kann wohl nur rufen, wer eine zweite Kleinigkeit vergisst.

Nämlich, dass gleichzeitig auch die Lebenserwartung um ein Jahr gestiegen sein wird. Von einer Sanierung des Pensionsystems also keine Rede. Gleichzeitig bewirkt der Transfer der Möchtegern-Invaliditäts-Pensionisten, die jünger als 50 sind, von der Pensionsversicherungsanstalt zum Arbeitsmarktservice vor allem eines: höhere Kosten für die beim AMS viel üppigeren Ausgaben für Schulungen und Rehabilitationen. Ob diese höheren Ausgaben aber langfristig überhaupt einen Effekt haben, ist vorsichtig ausgedrückt durchaus offen.

Das trifft etwa insbesondere auf die rapide zugenommenen Invaliditätspensionen wegen angeblicher psychischer Erkrankungen zu. Diese haben aber dramatisch zugenommen. Jährlich behaupten schon 35.000 Österreicher, dass sie aus irgendwelchen psychischen Gründen nicht mehr arbeiten können. Nur zur Erläuterung der Größenordnung: Jährlich kommen zwischen 70.000 und 80.000 Menschen in Österreich zur Welt. Polemisch verkürzt, muss man sich fragen: Jeder zweite ein Narr?

Natürlich nicht. Dieser dramatische Anstieg hängt mit einem anderen Phänomen zusammen: Andere beliebte Invaliditätsursachen lassen sich seit einigen Jahren viel präziser medizinisch überprüfen beziehungsweise therapieren. So kann bei den verbreiteten Rückenschmerzen durch Computertomographen viel genauer als durch einstige Röntgenbilder das wahre Ausmaß überprüft werden. So sind Hüftoperationen in den allermeisten Fällen total erfolgreich (zu denen sich freilich so mancher erst nach Zuerkennung der lebenslangen Invaliditätsrente bereitfindet). So sind auch Herzinfarkte heute viel besser therapierbar und in ihren Folgen diagnostizierbar.

Eine Depression ist hingegen kaum objektiv überprüfbar. Noch eleganter klingt der Weg in die Frühpension, wenn die Überschrift „Burnout“ heißt. Das ist ja erstmals ein gesellschaftlich voll akzeptiertes psychisches Krankheitsbild. Es schmückt geradezu, wenn man dieselbe Krankheit hat wie Spitzenmanager oder Künstler.

Frühpensionisten kommen sich subjektiv gar nicht als Betrüger vor. Schließlich gibt es kaum 40-plus-Jährige, die noch nie Rückenschmerzen oder Zustände der Frustration, der Erschöpfung, des Angespanntseins erlebt hätten. Früher hat man für solche Zustände freilich nur eine Therapie gehabt: Arbeit. Was erstaunlich oft dazu geführt hat, dass man die Zustände bald wieder vergessen hat. Heute jedoch gibt es ganze Heerscharen von Psych-Professionen, die sich über solche eher robusten Therapien empören und jeden Burnout-Fall am liebsten viele Jahre zum Patienten oder Klienten haben möchten.

Was jedem Einzelnen zu gönnen wäre, würde es nicht auch zum Burnout des ganzen Staates führen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Rettersyndrom mit Infrarot oder: Das Lob des Nichts-Tuns drucken

Es ist in 90 Prozent der Fälle das Beste und Richtigste, was Politiker tun sollten: Nichts. Aber gerade das fällt ihnen am schwersten. Weil sie doch wichtig sein wollen. Weil Nichts-Tun doch unpopulär klingt. Weil der elektronische und gedruckte Boulevard doch ständig nach hektischer Aktivität der Politik ruft. Gerade noch das Osterwetter hat man ihnen bisher nicht zur Rettung aufgehalst – während sie aber schon längst sogar das Weltklima ununterbrochen retten sollen und wollen.

Diese Klimarettung wird ja mit großer Sicherheit einst in die Geschichtsbücher als die große vielbelachte Skurrilität dieser Epochen eingehen. Ähnlich dem Glauben an den Weltuntergang rund um das Jahr 1000 oder ein paar Jahrhunderte später jenem an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls.

Aber abgesehen vom Kriegführen haben die Politiker durch ihr Tun, durch ihre Einbildung, ständig etwas retten zu müssen, zweifellos in der Wirtschaft den größten Schaden angerichtet. Nur einige aktuelle Beispiele für verheerende Folgen des Rettungs-Wahns der Politik: So ermöglichte es die Rettung der ÖVAG (Österreichs oberster Volksbank) durch die Politik dem ganzen Volksbank-Sektor, sofort wieder aggressiv die Konkurrenz anzugreifen. Aus Tirol berichtet die Bank Austria etwa von einer Volksbank, die ihren Kunden zusammen mit der Wohnfinanzierung für zwei Jahre eine Eigenheimversicherung und dazu eine Infrarotkabine im Wert von 5390 Euro schenkt. Was unter normalen Umständen ein lustiger Wettbewerb ist, wird durch das Eingreifen des Staates kriminell.

Denn die Konkurrenz ist zu Recht empört: Bedient sich doch die Politik für ihre Rettungsaktionen zunehmend in den Kassen jener Banken, die überhaupt noch eine solche an Stelle eines riesigen Lochs haben. Das Maximalste, was die Politik bei der ÖVAG genauso wie bei der Hypo-Alpen-Adria tun hätte sollen, wäre es gewesen, eine geordnete Abwicklung sicherzustellen, also ein chaosfreies Zusperren.

Aber durch ihr ständiges manisches Helfersyndrom macht sie alles noch viel schlimmer. Wenn man nämlich verhindert, dass kranke Firmen sterben, wenn man diese zu Lasten der gesunden rettet, macht man eine ganze Branche kaputt. Und es gibt nur wenige Bankexperten, die nicht überzeugt sind, dass es in Österreich viel zu viele Banken gibt.

Schumpeters mutiges Rezept

Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat daher auch schon vor über hundert Jahren das Hohelied der schöpferischen Zerstörung gesungen. Nur wenn man das Alte sterben lässt, kann Neues, Besseres, Zukunftsfähiges entstehen. Denn weder im Leben noch in der Wirtschaft kann es etwas Ewiges geben. Und so schmerzhaft es auch ist, wenn altvertraute Firmen und Arbeitsplätze untergehen, so sehr ist dieser Untergang doch notwendig, um den Wohlstand aller zu verteidigen.

Das hat auch die deutsche Politik nicht begriffen, so gut Deutschland – als Folge von zwei Jahrzehnten gewerkschaftlicher Lohnzurückhaltung – heute an sich im Vergleich zum Rest der Eurozone dasteht. Aber dennoch gilt: Auch Europas stärkstes Land wird sich noch ein paar Kapitalfehler wie die Rettung von Opel nicht leisten können. Opel war und ist einfach in dem mit gewaltigen Überkapazitäten ausgestatteten globalen Automarkt ebensowenig überlebensfähig wie Italiens Fiat.

Aber die Politik begreift das nicht. Oder sie traut sich nicht, es den Wählern zu sagen. Wie auch das nächste Beispiel zeigt: Vor allem die SPD, aber auch die CDU und die Grünen wollen nun mit Steuergeld die Drogeriekette Schlecker retten. Als ob es in Deutschland zu wenig solcher Ketten gäbe. Als ob die Konsumenten nur aus Blödheit Schlecker gemieden hätten.

Zum Glück hat die FDP bisher diese teure „Rettung“ verhindern können. Aber niemand weiß, wie lange es diese Partei überhaupt noch gibt. Nach ihrem Tod wäre dem wirtschaftspolitischen Populismus auch in Deutschland überhaupt jedes Tor geöffnet. Denn auch bei der SPD geben nicht mehr die relativ mutigen Münteferings und Schröders den Ton an. Und ob sich Steinbrück durchsetzt, ist mehr als zweifelhaft.

Zwischen Schweden und Österreich

Schweden hingegen hat das Glück einer mutigeren und weniger populistischen Regierung: Unter konservativer Führung hat sich das Land bisher konsequent geweigert, den maroden Autokonzern Saab zu retten. Es ist also kein Wunder, dass Schweden heute das Land ist, in das viele Investoren strömen. Sie wissen zwar, dass die Löhne dort hoch sind. Aber sie wissen auch, dass sie dort nicht wie anderswo ausgeraubt werden, um kostspielige Rettungsaktionen der Politik zu finanzieren.

Sie wissen auch, dass sie dort nicht im österreichischen Ausmaß vom Sozialstaat schikaniert werden: So gibt es etwa in Schweden viel weniger Krankenstandstage, weil jeweils der erste Tag vom Gehalt oder Urlaub abgezogen wird. Was vor allem an Mon- und Freitagen die Präsenz der Arbeitnehmer unglaublich erhöht hat.

Ganz anders in Österreich: Hier hat die Regierung schon in der ersten „Rettungs“-Phase nach Ausbruch der Krise (noch unter Josef Pröll und dem Boulevard-Frühstücksdirektor Werner Faymann) Banken- und Kursgewinnsteuern eingeführt. Heute steht sie vor den Trümmern dieser Politik, ignoriert das aber: Der Umsatz der Wiener Börse ist binnen eines Jahres um nicht weniger als 52 Prozent eingebrochen. Und vergleicht man mit einem fünf Jahre zurückliegenden Zeitpunkt, dann waren damals die Börseumsätze in Wien sogar viermal höher.

Was interessiert mich die Börse, werden da manche fragen. Nun: die Börse ist der international übliche Platz, wo sich Unternehmen das Geld zum Aus- und Aufbau holen. Diese Funktion wird in Zeiten doppelt wichtig, da die Kreditvergabe an Unternehmen auf Grund einer Vielzahl chaotisch und überlappend in Kraft tretender neuer Regulierungsbemühungen der internationalen und österreichischen Politik deutlich schwieriger wird. Gleichzeitig ist ja auch die Sparquote der österreichischen Haushalte dramatisch abgestürzt.

Wenn sich aber die Wirtschaft nicht mehr refinanzieren kann, dann gibt es weniger Arbeitsplätze und weniger Steuereinnahmen. Insofern ist die Börse also für alle wichtig und nicht nur ein Teufelszeug des Karl-Heinz Grasser.

Crashkurs Solarenergie

Ein ähnliches Chaos hat die Politik auch beim Stichwort Alternativenergien angerichtet. Dort ließ sie sich von geschickten und mit der grünmedialen Hysteriemaschinerie verbündeten Geschäftemachern in eine Panik treiben, dass die Welt bald aus Schuld der Menschen den Hitzetod sterben werde. Die europäische Politik hat deshalb die Förderungen für Alternativenergien so gewaltig in die Höhe getrieben, dass das schlimme Konsequenzen hat: Viele Arbeitsplätze wurden angesichts der (zur Finanzierung dieser Förderungen) überhöhten Energiekosten abgebaut oder ins nichteuropäische Ausland transferiert.

Eine Zeitlang konnte sich die Regierungen von Spanien bis ins Wiener Landwirtschaftsministerium rühmen, dass sie dafür viele „Grüne Jobs“ geschaffen hätten. Was jedoch eine Selbsttäuschung war. Denn dabei wurden weit mehr Jobs zerstört als neu geschaffen. Und inzwischen brechen auch diese Grünen Jobs schon wieder nach der Reihe weg. Vor allem China produziert heute billig und massenweise die Solarzellen, die den europäischen Alternativenergiemarkt überschwemmen und von den Förderungen profitieren.Während die europäischen und amerikanischen Fabriken überschuldet zusperren müssen.

Selbst der linke „Spiegel“ musste dieser Tage angesichts einiger Megapleiten zwischen Amerika und Europa zugeben: „Die Asiaten haben die hiesigen Firmen uneinholbar abgehängt – Hauptgrund dafür ist ausgerechnet der Förder-Boom der letzten Jahre.“ Die europäischen Produzenten haben sich auf die fetten Förderungen verlassen und auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit vergessen.

Jetzt ist das Fördergeld weg. Und die Politik muss zugleich verschämt ihr Eigenlob als Retterin des Klimas und Schöpferin vieler grüner Jobs verräumen.

Das heißt nun nicht, dass Solarenergie keine Zukunft hat. Aber diese hat sie nur im sonnigen Süden und nicht im oft wochenlang von Wolken und Nebel bedeckten Deutschland oder Österreich. Und jedenfalls hat sie erst dann eine Zukunft, wenn sie konkurrenzfähig ist. Also wenn die Energiepreise auf Grund der  wachsenden Nachfrage so weit gestiegen sind, dass sich auch Solaranalagen ohne Förderungen zu Lasten Dritter rentieren.

Angesichts der hohen Förderungen hat auch weitgehend der entscheidende Anreiz gefehlt, intensiv nach billigen und effizienten Alternativenergien zu forschen. Forschung funktioniert aber immer besser, wenn sich die Wirtschaft ohne wichtigmacherische – dabei jedoch populistisch auf jeden Modetrend hineinfallende – staatliche Einmischung ganz nach dem Marktbedingungen richten kann und muss. Denn nur dann kann sie der angewandten Forschung auch eine sinnvolle Richtung vorgeben.

Innovation statt Bewahren

Diese vielen handfesten Beispiele zeigen: Die Politik soll sich möglichst draußen halten. Fast jedes Mal, wenn sie sich einmischt, entsteht Schaden, oft an ganz unerwarteter  Stelle.

Auch Schumpeter und die Theoretiker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie haben schon lange gezeigt: Wirtschaft lebt von der Innovation und Anpassungsfähigkeit, nicht vom Bewahren. Auch wenn dieses sehr populär ist. Aber das Bewahren wirtschaftlicher Strukturen bedeutet in Wahrheit, dass die europäischen Ökonomien auf einen historischen Stand eingefroren würden.

Man denke nur an die Konsequenzen, wenn schon im Gegensatz zur industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts das Bewahren angesagt gewesen wäre: Dann wäre noch mehr als die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft tätig, unter oft erbärmlichen, jedem Unwetter und jeder Dürre ausgesetzten Lebensumständen. Und mit der halben Lebenserwartung von heute.

Unternehmerische Initiative bringt ständige Änderung, Sterben und Neuentstehen. Aber wer sich dem verweigert, stirbt am sichersten. Oder um noch einmal den „Spiegel“ zu zitieren: „Es nutzt dem letzten Hersteller von Kutschen nichts, wenn er seine internen Prozesse und sein Marketing optimiert, wenn die Menschen Automobile verlangen.“

Gelddrucken ist keine Alternative

Und es nutzt schon gar nichts, wenn Europa glaubt, die notwendigen Anpassungen seiner Wirtschaft und vor allem seiner maßlos aufgeblähten Sozialsysteme durch hektisches Drucken von neuem Geld vermeiden zu können. Zwar hat die gigantische Billion Euro, mit denen die EZB die Märkte überschwemmt hat, ein paar Monate lang die Krise wegspülen können. Aber die Überflutungsmethode wirkt immer weniger und immer kürzer: So sind in Spanien schon vor Ostern die Zinsen für die dortigen Staatsanleihen wieder in unfinanzierbare Höhen gestiegen.

Während die Deutschen für zehnjährige Staatsanleihen deutlich weniger als 2 Prozent zahlen müssen, müssen die Spanier  dem Markt trotz der Geldflut inzwischen schon wieder 5,7 Prozent bieten. Was sie nie und nimmer finanzieren können. Beträgt doch die spanische Arbeitslosigkeit jetzt schon 23 Prozent. Und schon die Hälfte der Jungen findet keinen Job mehr – weil der Staat in einer früheren Phase des Rettersyndroms die Jobs so sehr verteuert und auf Gewerkschaftsverlangen „sicher“ (=unkündbar) gemacht hat, dass fast kein Arbeitgeber mehr neue Dauerjobs anbietet.

Aber eines ist absolut gewiss: Eine Rettung Spaniens nach dem Muster Griechenlands würde sämtliche Kräfte Europas überfordern. Selbst wenn sich seine Regierungschefs noch so sehr um kollektives Retter-Gehabe bemühen. Gleichzeitig könnte aber die soziale Unzufriedenheit in dem heißblütigen Land in absehbarer Zeit zu einer Explosion führen, von der niemand unberührt bleibt. Dann aber kann niemand mehr irgendwen retten, weil wir schon so viel gerettet haben.

PS.: Politikern fiele das Nichts-tun übrigens auch dann viel leichter, wenn es viel weniger von ihnen gäbe. Denn jeder Abgeordnete, jeder Minister, jeder Landesrat mehr will zusätzliche Spuren ins Buch der Geschichte eingravieren, also in Wahrheit zusätzliche Schäden verursachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die Geschichte der Krise oder: Wenn ein Dauersieger im Wettbewerb untergeht drucken

Wenn einer eine Krise durchlebt, dann kann er was erzählen. Mit den Erzählungen über die Krise der letzten vier Jahre gibt es freilich ein großes Problem: Es kursieren so viele Geschichten über die Krise, so viele teils bewusste Lügen und Ablenkungs-Stories, so viele Irrtümer und Varianten des Wunschdenkens, dass sich die ganze Wahrheit zu dieser Krisen nur noch schwer durchzusetzen vermag.

In drei zentralen Gedanken das, was man heute nach bestem Wissen und Gewissen als Zusammenfassung dessen sagen kann, warum es zu dieser Krise gekommen ist (ganz abgesehen davon, dass es immer Krisen gegeben hat und geben  wird) und was sie bedeutet:

Erstens: All die Stories von Gier, Spekulation und zu kompliziert gewordenen Finanzprodukten erklären gar nichts; denn Gier und Spekulation gibt es, seit es Menschen gibt, ebenso wie scheinbar zu kompliziert gewordene Zusammenhänge; deshalb haben die linken Krisenerklärer Unrecht, die als Krisenursache beklagen, dass heute die Ökonomie mächtiger als die Politik ist; denn das war sie immer.

Zweitens: Viel größere, aber dennoch keine alleine ausreichende Erklärungskraft haben die Hinweise auf eine blasenbildungsfördernde Geld- und Subventionspolitik in Europa, Japan und Amerika, sowie auf die exzessiven und auf historisches Rekordniveau gekletterten Staatsverschuldungen vieler Länder.

Drittens, eine fundamentale historische Erklärung steht über all diesen Faktoren: Die genannten drei Regionen, die in den letzten Jahrhunderten die Weltwirtschaft und damit auch die Weltpolitik beherrscht haben, sind im globalen Wettbewerb gegen die aufstrebenden Schwellenländer entscheidend zurückgefallen, was sich lange nicht, aber dann im plötzlichen großen Erdbeben der Krise umso heftiger gezeigt hat.

Spanien und Irland waren gering verschuldet

Dass die Krise mehr mit Wettbewerbsveränderungen als mit Staatsverschuldung alleine zu tun haben muss, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass keineswegs alle jener Staaten, die heute so heftig von der Krise erschüttert werden, vor der Krise eine hohe Staatsverschuldung gehabt haben. In Spanien und Irland war diese – im Gegensatz zu Griechenland und Portugal – sogar besonders niedrig. In diesen beiden Ländern war dafür die Privatverschuldung gegenüber dem Ausland besonders hoch (von Banken, Unternehmen, Privaten).

Allen Krisenländern gemeinsam ist damit, dass sie mehr Produkte und Leistungen des Auslandes konsumiert haben, als sie dem Ausland verkaufen konnten. Sie hatten insgesamt eine hohe Außenverschuldung (egal ob staatlich oder privat) und damit ein großes Zahlungsbilanzdefizit. Das sind zwangsläufige Folgen einer geschrumpften Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches „Geschäftsmodell“ muss früher oder später kollabieren.

Nicht der Euro ist schuld, sondern seine falsche Nutzung

Daran ist aber auch nicht der „Euro“ an sich schuld, wie manche Anhänger von Verschwörungstheorien meinen. Jedoch: Der Euro ermöglichte es ein Jahrzehnt lang den südeuropäischen Krisenländern, anstrengungsfrei gut zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die zuvor durch ständige Abwertungen immer halbwegs verteidigte Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig stark absinken ließen.

Die Geldverleiher, die „Märkte“, haben ihnen viel zu billig viel zu viel Geld geborgt; sie haben sich in einem blamablen Vergessen wirtschaftlicher Grundtatsachen zehn Jahre lang nicht mehr die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner angeschaut; sie haben irgendwie an eine magische Wirkung einer gemeinsamen Währung geglaubt. Das Umdenken geschah dann umso heftiger.

Die Ursachen dieses Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit sind vielfach und werden sicher noch Anlass zu spannenden Analysen sein. Eine zentrale Ursache der Krise ist jedenfalls, auch wenn es aufs erste paradox klingt, der unglaubliche Erfolg des westlichen Modells. Europa und Amerika haben seit einem halben Jahrtausend einen unglaublichen Aufstieg erlebt. Sie haben ökonomisch, kulturell, politisch die Welt beherrscht. Dieser Aufstieg hat sich in den letzten beiden Generationen seit dem Weltkrieg noch einmal vervielfacht, vor allem weil das EU-Europa zugleich die längste Friedensperiode der Geschichte genossen hat.

Zusammen mit der Nutzung zahlloser wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft, mit dem Nutzen eines halbwegs funktionierenden Marktes, mit stabilen demokratischen Verhältnissen, mit der Basis eines korrekten Rechtsstaats hat diese Periode den Menschen zuvor Ungeahntes ermöglicht, den weitaus höchsten  Massen-Wohlstand der Geschichte und eine Rekord-Lebenserwartung bei guter Gesundheit.

Der Sündenkatalog

Aber diese Periode hat Europa selbstzufrieden und müde gemacht. Mit fatalen Konsequenzen auf allen genannten Feldern.

  1. Die schlimmste Katastrophe ist zweifellos der Wohlfahrtsstaat, der in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Verschuldung erkauft worden ist, der immer mehr Menschen ein konsumorientiertes Leben ermöglicht hat, der zugleich viele Bürger und damit auch die Politik die Grundlagen des früheren Erfolges vergessen ließ;
  2. Die Menschen waren sich immer weniger der Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung bewusst;
  3. die Schicht wirklicher Leistungsträger wurde durch immer höhere Auflagen und Steuern demotiviert;
  4. immer mehr Menschen glaubten ernsthaft, die Durchsetzung politischer beziehungsweise sozialer Forderungen schaffe die Grundlage des Wohlstandes;
  5. Staaten und EU lähmten die Wirtschaft mit einer ständig wachsenden Fülle von ökologisch, sozial, gesundheitlich und obrigkeitsstaatlich begründeten Regeln und Vorschriften, womit die europäischen Unternehmen im Wettbewerb gegen die sehr freien Konkurrenten in Übersee ständig weiter zurückgeworfen wurden;
  6. zugleich gelang es Panikmachern, den Menschen mit dubiosen Parolen gegen Atome, Gene, Hormone oder Klimakatastrophen Angst vor der Wissenschaft zu machen;
  7. die Gewerkschaften trieben in Tateinheit mit populistischen Politikern die Lohn- und Sozialkosten ständig steiler in die Höhe, als sie zugleich in den konkurrierenden Schwellenländern anstiegen;
  8. dazu kommen zunehmend die Folgen der Geburtenverweigerung: Europa wie Japan werden im Rekordtempo älter. Das wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Kippen der sozialen Balance führen. Die rasch schrumpfende Schicht der Arbeitenden wird sich zunehmend weigern, der riesigen Menge an alten Menschen den erhofften Ruhestand mit dem heutigen Pensionsniveau zu finanzieren. Und die Zuwanderer werden sich da erst recht weigern; hatte man ihnen doch Europa nur als ein sozialstaatliches Schlaraffenland vermittelt, das man ganz anstrengungsfrei konsumieren kann.

Aus all diesen und etlichen anderen Gründen weigern sich verständlicherweise China&Co, die heute auf Billionen von Dollar- und Euro-Noten aus ihren emsigen Exporten sitzen, dieses Geld so wie in den letzten Jahrzehnten in europäische Staatsanleihen und Banken zurückzuinvestieren. Sie kaufen sich lieber afrikanische Ländereien, um dort Landwirtschaft und Bergbau zur eigenen Versorgung zu betreiben, sowie europäische Spitzenindustrien, deren Knowhow sie brauchen.

Dementsprechend haben alle großen Schwellenstaaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), also die Machtzentren der Zukunft, die heute schon die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, in der Vorwoche bei einem Gipfeltreffen einhellig die egoistische und kurzsichtige Politik des Westens getadelt, sich durch wilde Geldvermehrung einen kurzfristigen Vorteil zu kaufen. Sie weigern sich auch, via Währungsfonds den Schuldenstaaten zu helfen.

Der schöne Schein des Krisen-Endes

Wieso scheint es dennoch seit einigen Wochen so, dass auch die zweite Welle der 2008 begonnenen Krise glimpflich vorbei wäre? Die Antwort ist ziemlich klar: Die europäischen und amerikanischen Zentralbanken drucken wie verrückt Geld, mit denen die Staaten (auf dem Umweg über die Banken) derzeit ihre alten Schulden in neue umwandeln. Das hat die unmittelbare Katastrophenstimmung gemildert. Dennoch versucht jeder sonstige Besitzer dieses Geldes dieses rasch in Sachwerte einzutauschen (seien es Qualitätsimmobilien oder Gold oder brasilianische Aktien).

Das ist natürlich ein Wirtschaftsmodell, das sehr bald platzen muss. Daher ist die Krise zweifellos nur kurzfristig unterbrochen.

Köstlich naiv ist der derzeit boomende Glaube vieler europäischer Politiker und Journalisten, man müsse nur die Dämme der diversen Krisenrettungsmechanismen hoch genug bauen, um jede Katastrophe verhindern zu können: 300 Milliarden, 500 Milliarden, 800 Milliarden, 1,3 Billionen, 10 Billionen: Fast im Wochentakt werden die Summen größer, die Dämme höher, mit denen ein Ausbrechen der Fluten verhindert werden soll.

Notenbanker zurück an die Uni

Aber die Finanzströme verhalten sich ähnlich wie die echten Hochwässer: Mit hohen Dämmen kann man zwar viele kleine Überflutungen verhindern. Kommt dann aber bisweilen das große Wasser, wird die Katastrophe umso größer. Irgendwann bricht immer irgendwo ein Damm, wenn der Druck zu groß wird; oder es steigen die Fluten einfach über jede denkbare Dammgröße hinaus und sind dann ein umso verheerenderer Schwall. Deswegen baut man ja jetzt beim echten Wasser wieder viele eng und hoch eingedämmte Flussläufe wieder zurück, lässt ihnen statt dessen in möglichst großen Flächen die Möglichkeit zur gefahrlosen Ausdehnung, um die menschlichen Behausungen selbst umso effektiver schützen zu können.

Vielleicht sollte man die Notenbanker und Regierungspolitiker Europas und Amerikas in eine Vorlesung über modernen Wasserbau schicken? Vielleicht lernen sie dann, dass man die Europäer in ihrer Unbeweglichkeit, wohlfahrtsstaatlichen Verfettung, Überalterung nicht durch immer höhere Schuldendämme vor den Folgen ihrer rasch schwindenden Wettbewerbsfähigkeit schützen kann. Sondern nur dadurch, dass man diese Wettbewerbsfähigkeit wieder offensiv verbessert. So wie es einst den Amerikanern nach dem Sputnik-Schock oder den Mitteleuropäern nach den Osmanen-Angriffen geglückt ist.

Die ToDo-Liste

Heute wäre natürlich - von der Annahme ausgehend, dass im Atomzeitalter die Auseinandersetzungen ehr wirtschaftlich und weniger militärisch sind - ein anderes, den Herausforderungen angepasstes Maßnahmenbündel nötig, durch das man die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen könnte:

  • Durch massive Deregulierung;
  • durch Offenheit gegenüber den Vorteilen der modernen Wissenschaft;
  • durch Wettbewerb und Vielfalt;
  • durch Reduktion der Sozialleistungen nur auf jene Menschen, die wirklich ohne Unterstützung existenziell bedroht wären;
  • durch flexible (also ebenso wie bei den Konkurrenten Kündigungen problemlos ermöglichende) Arbeitsmärkte, in denen wieder neue Jobs entstehen können;
  • durch mutiges Inkaufnehmen der Tatsache, dass in einer lebendigen Wirtschaft immer wieder der Tod von Unternehmen (also auch Banken!) in Kauf genommen werden muss, damit neues Leben entsteht;
  • durch niedrigere Steuern und Abgaben;
  • durch Verwaltungsvereinfachungen;
  • durch die moralische und finanzielle Ermutigung für junge Frauen und natürlich auch Väter, wieder viel mehr Kinder als wichtigste Zukunftsinvestition in die Welt zu setzen und diese auch ohne schlechtes Gewissen als hauptberufliche Eltern aufziehen zu können;
  • durch Stopp der Sozialmigration und Forcierung der Elitenzuwanderung;
  • durch eine schnelle, transparente und funktionierende Justiz.

Würden Europas Regierungen samt EU diese Ziele mit Schnelligkeit und großer Energie sowie Unterstützung der Menschen verfolgen, dann hätte dieser Kontinent noch eine Chance. Dann wäre das Hochziehen der Krisenpräventions-Dämme sogar sinnvoll, um zeitlich noch ein wenig Luft für die notwendigen Reformen zu gewinnen.

Die Schnellen zu bremsen statt die Langsamen zu beschleunigen?

Jedoch fehlt mir der Glaube, dass Europas Bürger diese Notwendigkeiten noch erkennen können. Weshalb die Politiker sie schon gar nicht erkennen wollen. Beide glauben in ihrer Mehrheit offenbar wirklich, dass durch diese Dämme aus Schulden die Folgen des Wettbewerbsverlustes dauerhaft abgewendet wären.

Ein epochaler Irrtum. Denn damit werden die teuren Schutzdämme zur Hauptursache der nächsten großen Krise. Als Folge konzentriert sich Europa jetzt nicht auf das knappe noch offen stehende Zeitfenster zur Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern glaubt offenbar wirklich, dass eine Fiskal- und Sozialunion die richtige Krisenprävention für die Zukunft herstellt.

Vor allem die Sozialdemokraten, aber auch etliche andere Parteien meinen: Wenn einmal die Löhne, Steuern und Sozialleistungen zwischen Griechenland und Deutschland (sowie allen anderen) angeglichen sind, wenn es also innerhalb Europas weniger Wettbewerb gibt, dann gewinnt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurück. In Wahrheit aber tritt das genaue Gegenteil ein: Auch Deutschland und die paar noch halbwegs lebensfähigen Länder werden dann mit absoluter Sicherheit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dann gibt es kein böses Blut zwischen Deutschen und Griechen mehr, denn allen wird es gleich schlecht gehen.

Der Merksatz für alle weltfremden Theoretiker: Europa darf nicht seine Schnellsten bremsen, sondern muss die Langsamsten munter machen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Fußnote 275: Wie die Gewerkschaft dieses Land ruiniert drucken

Geht’s eigentlich noch letztklassiger?

Das hat es noch nie gegeben: Die Gewerkschaft hat gegen den Widerstand der Betroffenen, also der von ihr angeblich vertretenen Belegschaft, einen Kollektivvertrag aufgekündigt. Opfer dieser Aktion ist die Fluggesellschaft Tyrolean. Hintergrund sind natürlich die Pläne der AUA-Führung (und ihres deutschen Eigentümers), die AUA-Belegschaft mit ihren nicht mehr finanzierbaren Privilegien – konkret: bei den Altverträgen des fliegenden Personals – in die Tyrolean überzuführen. Dort sollen die Bezüge der AUA-Mitarbeiter eingefroren werden, solange sie über dem Tyrolean-Niveau liegen. Da auch bei dieser Fluglinie die Mitarbeiter keineswegs unter Hungerlöhnen leiden, ist das ein ganz vernünftiger Vorschlag, der die AUA vielleicht noch retten kann. Allein die Gewerkschaft will nicht. Sie verteidigt provozierende Privilegien mit aller noch verbliebenen Kraft. Und sie riskiert in ihrem Überlebenskampf um die eigene Existenzberechtigung lieber den Untergang großer Fluggesellschaften. Obwohl diese für den Standort Österreich – vom Tourismus bis zum zuletzt boomenden Konferenzgeschäft – lebenswichtig sind. Irgendwie bezeichnend, was zugleich bekannt geworden ist: Ein Großbetriebsrat hat zwei Dienstautos und verrechnet daneben noch weitere 45.000 Kilometer für Fahrten mit dem Privat-PKW. Ist es notwendig hinzuzufügen, dass auch dieser Sumpf im gleichen halbstaatlichen Dschungel, in diesem Fall bei der Post, zu finden ist, in dem auch die AUA-Privilegien so maßlos geworden sind?

 

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SN-Kontroverse: Papamonate drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll es verpflichtende Papamonate geben?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Windeln, Füttern, Fußball & Co.

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die großartige Schriftstellerin Christine Nöstlinger, Generationen von Österreichern durch ihre Bücher beginnend mit "Die feuerrote Brigitte", den lyrischen Arbeiten "Iba de gaunz oamen Leit" oder dem legendären "Dschi Dschei Wischer" bekannt, erzählte neulich über das Leben der Frauen in Österreich in den 1950er- und 1960er-Jahren. Sie und viele andere Frauen, die Kinder bekamen oder heirateten, wurden entweder unter die Vormundschaft der Fürsorge oder des eigenen Manns gestellt. Ihr jüngstes Buch, das 2010 veröffentlicht wurde, trägt den Titel "Eine Frau sein ist kein Sport". Nöstlinger war mit der legendären Frauenministerin Johanna Dohnal befreundet.

Dieser Tage ist der legendäre österreichische Fußballer Karl Kodat in Salzburg gestorben. Kodat war ein Arbeiterkind aus Ottakring und stammt aus ärmsten Verhältnisse. Als Halbwaise verdiente er zunächst als Eisenbieger den Lebensunterhalt für sich und seine invalide Mutter. Sein Höhenflug begann am 11. Juli 1971: 130.000 sahen in Sao Paulo bei Pelés Team-Abschiedsspiel auch einen grandiosen Karl Kodat, der später viel Geld verdiente. Kodat kümmerte sich bis zu seinem Tod liebevoll um seine Frau, die noch immer in einem Salzburger Pflegeheim betreut wird.

Oft ist es nicht Geld, sondern die Einsicht in die Notwendigkeit, die Dinge des Alltags zu regeln, die eine dem Individuum verpflichtete demokratische Gesellschaft nach europäischem Muster ausmacht.

Diese fällt nicht vom Himmel, sondern bedarf mitunter kleiner "Nachhilfen" wie z. B. die einst so verpönten Frauenquoten oder den jetzt so umkämpften Papamonat. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die derzeitige ÖAAB-Chefin, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, kämpfen dafür. Windelwechseln, Poporeinigung und Füttern sind anspruchsvolle Arbeit.

 


Lasst uns doch endlich in Frieden!

Andreas Unterberger

Sie haben nichts, gar nichts gelernt: Noch ist das Belastungspaket nicht Gesetz, das - vorerst! - die ärgsten Auswirkungen der Schuldenpolitik ein wenig einbremsen soll; schon brüten sie wieder über neue Belastungen für Staat und/oder Wirtschaft. Nichts anderes bedeutet ja die ganze "Papamonat"-Diskussion in all ihren Varianten. Drehte sich die aktuelle Debatte nämlich bloß um völlig freiwillige Vereinbarungen, die weder öffentliche Kassen noch Arbeitgeber etwas kosten, bräuchte es weder Gesetze oder gar Politikergerede.

Noch provozierender als die Lernunfähigkeit vieler Politiker in Sachen Sparsamkeit ist ihre mit diesem Vorschlag erneut sichtbar gewordene präpotente Anmaßung: Sie wollen ständig immer noch mehr als Großer Bruder in unser Privat- und Familienleben eingreifen. Sie glauben offenbar wirklich, besser zu wissen als Mütter und Väter, was gut für Eltern und Kinder ist.

Bitte, bitte: Lasst uns alle doch endlich in Frieden, lasst doch jede Familie selbst ihren Weg wählen. Es reicht den Menschen einfach! Zur scheinheiligen Sorge, dass die Väter ohne Papamonat keine Bindung an die Kinder entwickeln, eine persönliche Anmerkung: Ich habe zwanzig Jahre jedes Wochenende mit Ausnahme beruflicher Pflichten zu hundert Prozent meinen Kindern gewidmet. Das hat – auch über die angeblich so schwierigen Pubertätsjahre hinweg – eine viel bessere Beziehung hergestellt, als sämtliche Papamonate schaffen würden.

Wenn ihr wirklich etwas für die Väter tun wollt, dann macht endlich Gesetze, dass Väter auch nach der Scheidung noch Rechte haben. Denn noch immer kann straflos vielen Tausenden Vätern der Kontakt zu ihren Kindern geraubt werden. Obwohl sie trotz Berufs vom Kreißsaal bis zum Wickeltisch, vom Sprechtag bis zur Gutenachtgeschichte alles mitgemacht haben.

Ein solches Gesetz würde mehr für die Väter-Kinder-Beziehung tun als jede neue Geldausgabe.

 

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Die feministische Hysterie auf sieben Ebenen: Es reicht! drucken

Eigentlich hat man geglaubt, die kollektive Gehirnwäsche durch Feministen beiderlei Geschlechts könne nicht mehr schlimmer werden. Aber der dieswöchige Frauentag stellt einen neuen Höhepunkt dar – obwohl sich der Feminismus auch schon an einem halben Dutzend anderer künstlicher Gedenktage pro Jahr zelebriert. Frauen werden in der Tat in vielen Ländern der Welt sehr schlecht behandelt. In Deutschland oder Österreich kümmern sich die Feministen jedoch nicht um die wirklichen Übel, sondern pflegen ständig denselben – und x-Mal widerlegten Vorwurf  der ungleichen Bezahlung. Auf diesen wiederum gründen sie die Forderung nach Frauenquoten in attraktiven Jobs. In Wahrheit aber scheinen Frauen in vielen politischen Bereichen fast überrepräsentiert.

Viele werden ob dieser Aussage zusammenzucken: Wie kommt er denn zu dieser tollkühnen Aussage? Sitzen doch im Nationalrat mit 28 Prozent, im EU-Parlament mit 35 Prozent und in der Bundesregierung mit 43 Prozent deutlich weniger Frauen, als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspräche. Wie immer wieder mit vorwurfsvollem Ton vorgetragen wird.

Warum nur Frauenquoten?

Doch hier kommt der erste kritische Einwand: Warum wird eigentlich ständig nur der geringe Frauenanteil thematisiert? Warum nicht der geringe Anteil von Selbständigen, Pensionisten, Studenten oder Angestellten und Arbeitern aus der Privatwirtschaft in der Politik? Warum nicht der viel zu große Anteil von Beamten, Gewerkschaftssekretären und Bauern? Wenn das ständige feministische Quoten-Mantra etwas mit Gerechtigkeit zu tun hätte, müssten diese noch viel krassere Verzerrung der Relationen bei den Berufen der Politiker noch viel intensiver thematisiert werden. Oder meint gar jemand, dass nur das biologische Geschlecht, nicht aber der Beruf oder das Alter politisch wichtig wäre?

Wäre das ständige Quoten-Gerechtigkeits-Gerede wirklich zum Nennwert  zu nehmen, dann müsste man ein total repräsentatives Parlament schaffen. In diesem müsste dann nicht nur jedes Geschlecht, sondern auch jede Altersdekade, jeder Beruf, jede Herkunftsregion, jede Religion, jede Muttersprache exakt ihrer Größe nach vertreten sein (und wenn man danach vorginge, was manchen Menschen besonders wichtig ist, dann müssten auch die Vegetarier, die Rapid-Anhänger und die Astrologie-Gläubigen ihre Quoten bekommen). Dann entscheidet aber keine freie Wahl mehr über die Zusammensetzung einer politischen Vertretung, sondern nur noch die Festlegung durch Statistiker.

Solange die Verfassung aber noch eine freie Wahl vorsieht, soll bitte weiterhin jede Partei ihr Angebot auch frei zusammenstellen können. Und wenn etwa die Grünen wirklich glauben, die Frauen fühlten sich dramatisch benachteiligt, dann mögen sie doch lauter Frauen aufstellen – und auf die 52 Prozent an weiblichen Stimmen hoffen.

Bürgermeisterin sein dagegen sehr

Kehren wir aber noch einmal zur Statistik zurück und kommen damit auch gleich zum zweiten Argument: Bei den Bürgermeistern beträgt der Frauenanteil gar nur 5 Prozent. Wie das? Warum ist es anscheinend für eine Frau leichter, Ministerin zu werden als Gemeindeoberhaupt? Und warum beklagen die Feministen dieses Missverhältnis seltsamerweise überhaupt nicht?

Die Antwort liegt auf der Hand: Der Bürgermeisterjob ist extrem unattraktiv. Er ist schlecht bezahlt und mit viel Arbeit und Verantwortung verbunden. Man denke nur an all die vielen widersprechenden Interessen rund ums Stichwort Bauen. Vor allem in kleinen Gemeinden sind da die Bürgermeister oft sehr unmittelbar sehr aggressiv ausgetragenen Kontroversen ausgesetzt. Tatsache ist daher, dass die Parteien immer öfter Probleme haben, auch nur einen einzigen Kandidaten für das Amt zu finden.

Das heißt aber: Gerade dort, wo die Frauen die geringste Quote erzielen, würden ihnen rote Teppiche ausgebreitet, wenn sie sich nur dafür bereit fänden. Dort würde auch keine unter Verdacht geraten, bloß der Quote wegen in eine Funktion gekommen zu sein. Zugleich wäre eine Tätigkeit als Bürgermeister die beste Vorschulung, um dann auch auf Landes- und Bundesebene Führungsverantwortung übernehmen zu können.

Aber ganz offensichtlich ist das vielen ein zu mühsamer Weg. Ganz offensichtlich geht es beim Feminismus nur um den Kampf eines sehr kleinen Klüngels von Frauen um bequeme Rosinenpositionen wie etwa in Aufsichtsräten. Was aber niemand zu thematisieren wagt.

Denn sowohl in den Medien wie auch in den Parteien werden alle „Gender“-Themen den Frauen überlassen. Man schaue nur, wie die ÖVP-Männer beim Hymnen-Schwachsinn eingeknickt sind. Man schaue nur, wer die einschlägigen Beiträge verfasst. Die Männer gehen der Auseinandersetzung als feige Weicheier aus dem Weg, oder glauben irrigerweise, da ein unbedeutendes Orchideenthema ignorieren zu können. Als ob die personelle Qualität der Führungsebenen jemals ein unbedeutendes Orchideenthema wäre.

Magere Bilanz in der Regierung

Das Stichwort Qualität bringt uns gleich zur dritten Argumentations-Ebene: Haben die Frauen in der Politik besondere Erfolge erzielt? Nun, die gegenwärtige Regierung, in der es schon fast die angestrebte Parität gibt, ist ein lebender Gegenbeweis. Denn bei den wenigen auffindbaren personellen Pluspunkten der Regierung findet sich kaum eine Frau.

Auf roter Seite fallen einem bestenfalls die Namen Hundstorfer und Schieder (sowie bei zugehaltener Nase Ostermayer) ein, wenn man nach fähigen Menschen sucht. Bei den Schwarzen sind es derzeit primär die Herren Töchterle und Kurz. Bei der ÖVP gibt es allerdings auch eine Maria Fekter, die ich einst sogar als Wunsch-Parteiobmann genannt habe. Sie hat freilich rund ums Sparpaket viel an Glaubwürdigkeit verloren. Bei Blau und Orange gibt es ohnedies fast keine Frauen. Und bei den vielen grünen Frauen fällt lediglich Gabriela Moser als ernsthaft und seriös auf.

Wirtschaft und Politik: Frauen desinteressiert

Viertens: Aber vielleicht werden die Frauen trotz großen Interesses und großer Fähigkeit nur durch viele männliche Hindernisse von den Spitzenfunktionen in Politik und Wirtschaft ferngehalten? Dem darf ich einmal die persönliche Beobachtung entgegenhalten: Ich habe an Hunderten Diskussionen und Vorträgen zu politischen und wirtschaftlichen Themen teilgenommen, in welcher Rolle immer, ob als Zuhörer oder als Mitdiskutant. Unter den Zuhörern waren dabei praktisch immer maximal zehn bis zwanzig Prozent Frauen – am Podium war ihr Anteil hingegen meist deutlich größer.

Wer hindert Frauen, Vorträge oder Diskussionen anzuhören, die öffentlich und frei zugänglich sind? Und kann man sich dabei nicht ein hervorragendes Bild von den wichtigsten aktuellen Argumenten, Themen und Problemen machen, die man kennen sollte, wenn man höher hinauf will? Oder ist es eh wurscht, ob man sich zuvor für Themen auch sachlich interessiert hat, für die man die Verantwortung und Macht haben will?

Berufsfeministen werden sofort entgegenhalten: Ja, die Frauen würden ohnedies gerne, aber sie haben die Kinder am Hals! Was maximal halb richtig ist (und die Notwendigkeit einer guten Vorbereitung auf Verantwortungs-Jobs auch nicht aus der Welt schafft). Bei den weiblichen Akademikern – und gerade die kommen ja primär für Spitzenfunktionen in Frage – hat nur noch jede zweite ein Kind. Die Hälfte ist daher durch keine Kinder abgehalten, sich bei solchen Veranstaltungen weiterzubilden und zu engagieren. Sofern sie wirklich an Politik und Wirtschaft interessiert wäre.

Aber eben das ist ganz offensichtlich nach wie vor nur eine kleine Minderheit. Leider. Das zeigt sich auch in zeitungsinternen Studien. Diese analysieren genau das Leserverhalten. Und dabei hat sich ganz klar herausgestellt: Eine signifikantes weibliches Interesse gibt es nur für die Kulturseiten einer Zeitung. An der Chronik sind beide Geschlechter in etwa gleich interessiert. Bei der Politik gibt es hingegen ein klares Übergewicht des männlichen Interesses, und bei der Wirtschaft (wie auch beim Sport) ein dramatisches.

Wer verbietet Frauen den „Economist“ oder Wikipedia?

Womit wir beim fünften Argument sind. Dieses weibliche Desinteresse an Wirtschaft und Politik lässt sich durch neue Daten aus internationalen Quellen noch viel dramatischer beweisen als durch meine persönliche Beobachtungen. Die man ja glauben mag oder auch nicht.

So stellen bei der weltweit führenden Wissens-Plattform Wikipedia die Frauen nur ganze 15 Prozent der Autoren. Das ist also genau jener Prozentsatz, den meine Beobachtung der weiblichen Zuhörer bei relevanten Diskussionen ergeben hat. An Wikipedia mitarbeiten könnte man aber auch dann, wenn man zwar brennend an wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen oder politischen Themen interessiert ist, aber der Kinder wegen einige Jahre ans Haus gefesselt ist. Offenbar hält sich aber auch dann das Engagement in Grenzen.

Noch einfacher wäre es etwa, die weltweit in Sachen Wirtschaft und Politik führende Zeitschrift zu lesen. Die kommt ganz einfach mit dem Postboten ins Haus. Die könnte man beispielsweise anstelle des bei Frauen überdurchschnittlich hohen TV-Konsums lesen. Doch der „Economist“ wird nur zu 13 Prozent von Frauen gelesen, wie die Zeitschrift jetzt selbst bekanntgegeben hat.

Mit welchem Recht, so frage ich daher zunehmend empört, verlangen da einige Kampffeministen dann nicht nur für die Politik, sondern auch für den Aufsichtsrat vollkommen privatwirtschaftlicher Aktiengesellschaften einen 30-, 40- oder gar 50-prozentigen Frauenanteil? Wenn Frauen nicht einmal in nennenswertem Umfang bereit sind, sich auf irgendeine intensive und seriöse Weise mit den wirtschaftlichen und politischen Fragen zu beschäftigen, dann sind diese Forderungen unberechtigt und unseriös. Wenn man überhaupt in Quoten zu denken bereit wäre.

Norwegen: Frauenquoten reduzieren Gewinne

Aber vielleicht sind die paar Frauen aus der kleinen Zahl, die sich doch dafür interessiert, besonders toll? Womit wir auf der sechsten Ebene des Nachdenkens angelangt sind. Aber auch hier können die Feministen nicht punkten. Denn nicht nur die österreichische Politik zeigt ein eher ernüchterndes Bild von der Leistung der Frauen. Es hat auch noch niemand behauptet, dass sich unsere Universitäten qualitativ verbessert hätten, seit dort in den letzten Jahren viele Frauen Professorenjobs bekommen haben. Die an manchen Instituten kursierenden unfreundlichen Kommentare über die Qualität der weiblichen Professoren lassen wir als möglicherweise unseriös und subjektiv beiseite.–

Dafür gibt es in der Wirtschaft harte Zahlen über die Erfolge der Quotenfrauen. Selbst der knalllinke Züricher „Tagesanzeiger“ musste dieser Tage über eine neue Studie berichten: Norwegische Firmen, die vom Gesetz zu mindestens 40 Prozent Frauen im Führungsgremium verpflichtet sind, erzielen um mehr als vier Prozent weniger Gewinn. Sowohl im Vergleich zu früher, wie auch im Vergleich zu quotenfreien norwegischen Firmen, wie auch im Vergleich zu anderen skandinavischen Firmen. Ob es da ein großer Trost – oder vielleicht gar die Ursache der mageren Ergebnisse – ist, dass bei den Frauen-Firmen die Personalkosten deutlich höher sind, dass also die Bereitschaft geringer ist, Mitarbeiter zu kündigen, wenn sie nicht benötigt werden?

Der Trick mit der Einkommenstatistik

Aber jedenfalls ist doch die Aussage der Statistik skandalös, dass Frauen für die gleiche Leistung viel weniger verdienen! Die siebente Argumentationsebene. Nun, wenn die Statistik das wirklich aussagen würde, wäre es in der Tat skandalös. Aber das tut sie mitnichten. Und skandalös sind nur jene, die das noch immer behaupten.

Statistiken zeigen zwar, dass Frauen um fast 40 Prozent weniger verdienen als die Männer. Sie zeigt freilich ebenso, dass Frauen beim Geldausgeben, beim Geldanlagen plötzlich in gleicher oder in stärkerer Weise aktiv sind als die Männer! Sie leiden also trotz geringeren Einkommens nicht an Geldmangel.

Schaut man sich diese 40 Prozent Differenz genauer an, was aber viele, vor allem weibliche Journalisten scheuen, dann zerrinnen auch diese 40 Prozent. Nur kein Vorurteil durch Recherche zerstören.

  • Nimmt man als ersten Schritt die teilzeitbeschäftigten Frauen aus der Statistik heraus, dann beträgt der Unterschied plötzlich nur noch 19 Prozent.
  • Es gibt jedoch auch bei den verbleibenden Vollbeschäftigten dramatische Unterschiede: auch wenn das von der (zufälligerweise dem Bundeskanzler unterstehenden!) Statistik Austria merkwürdiger nicht berücksichtigt oder auch nur erwähnt wird, so zeigen viele andere Studien, dass Männer weit mehr Überstunden machen als Frauen (übrigens besonders dann, wenn sie für Kinder zu sorgen haben). Was naturgemäß das Einkommen erhöht.
  • Von der Statistik Austria nicht berücksichtigt wird auch der frühere Pensionsantritt der Frauen: Dieser bringt die Frauen gerade um jene Jahre, in denen man nach den meisten Kollektivverträgen am meisten verdient. Was sich auch im statistischen Schnitt stark auswirken muss.
  • Dieses Pensionsalter wirft aber auch schon in früheren Jahren negative Schatten voraus: Während bis zum 45. Lebensjahr Männer und Frauen etwa gleich intensiv an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, bricht diese Teilnahme danach bei den Frauen signifikant ab. Die Teilnahme an Kursen wird offenbar nicht mehr als sehr sinnvoll angesehen, wenn jemand eh bald in Pension gehen kann. Ohne Weiterbildung gibt es dann natürlich auch meist schlechtere Vorrückungsmöglichkeiten und Bezahlung. Aber an dieser Logik der Kollektivverträge sind einzig die Gewerkschaften und nicht „die“ Männer oder die Arbeitgeber schuld. Denn wären die so frauenfeindlich wie unterstellt, würden ja auch die jüngeren Frauen bei der Weiterbildung benachteiligt.
  • Diese Kollektivverträge, die alleine die Jahre der Berufstätigkeit oder Firmenzugehörigkeit ohne Rücksicht auf Leistung belohnen, bringen auch noch einen zweiten echten Nachteil für die Frauen: Sie haben nach der Babypause weniger Dienstjahre und damit Einkommen als die gleich alten Männer.
  • Die Statistik berücksichtigt schon gar nicht das – möglicherweise krankhafte und üble, aber jedenfalls vorhandene – Ehrgeiz-„Hormon“ der Männer. Diese wollen viel verbissener Karriere machen als die meisten Frauen und reiben sich daher im Job auf. Was jeder Arbeitgeber legitimerweise für seine Interessen nutzt. Was sich aber natürlich auch im Gehalt niederschlägt.
  • Die Statistik ignoriert auch die allerwichtigste Tatsache: Frauen entscheiden sich für Berufe und Studien nach dem Wohlfühlfaktor und nicht nach den Verdienstmöglichkeiten. So findet man sie auf den Universitäten halt am allerwenigsten bei den auf dem Arbeitsmarkt allergesuchtesten Richtungen. Technik, Montanistik oder Naturwissenschaft sind fast reine Männerdomänen (auch wenn ständig die einzige feministische Vorzeigeforscherin präsentiert wird). Dasselbe spielt sich bei den Lehrberufen ab: Die Mädchen drängen alle nach wie vor Richtung Friseur, Kosmetik, Einzelhandel oder Tourismus und kaum dorthin, wo der Markt viel besser zahlt. Während auch die jungen Männer viel stärker nachdenken: Was verdien ich in welchem Beruf?

Die vielen Friseurinnen oder Kunsthistorikerinnen mögen ihr Glück finden oder auch nicht. Aber es ist mies, an all diesen Erscheinungen den Männern die Schuld zu geben. Die Ursachen der statistischen Differenz – soweit sie nicht überhaupt nur eine manipulative Darstellung sind – sind andere: teils Entscheidungen der Frauen, teils die Politik der Gewerkschaften (auch wenn sich diese verbal noch so feministisch gerieren).

Ich bin immer bereit, mich selbst- oder fremdzuschämen. Nur möge man davor zumindest einen einzigen echten Anlass dafür nennen. Die Feigheit der meisten Männer, dem Feminismus-Getue entgegenzutreten, ist jedenfalls kein Grund zur Scham, sondern nur zum Ärger. Selbst die zahllosen nur von der Feminismus-Ideologie lebenden Gleichberechtigungsbeauftragten können keine konkrete Diskriminierung in einem relevanten Umfang aufzeigen.

Wo es wirkliche Frauennot gibt

Dabei gibt es in der Welt wirklich schlimme Dinge, gegen die man mit voller Kraft kämpfen müsste: gegen die Frauenbeschneidungen in großen Teilen der afrikanischen und islamischen Welt; gegen die iranische „Ehe auf Zeit“, nach der die beliebig verstoßenen Frauen Null Rechte haben; gegen das in Afghanistan von den Religionsführern geforderte Verbot, dass Frauen irgendwo mit Männern zusammenarbeiten; gegen das in Saudiarabien geltende Verbot, ohne einen männlichen Verwandten in einem Auto zu fahren; gegen die Tausenden Tötungen von Frauen ohne Mitgift in Indien; oder gegen die gezielte Abtreibung von weiblichen Föten in vielen asiatischen Ländern.

Zu all diesen Dingen hört man erschütternd wenig Engagement. Statt dessen fordert die Frauenministerin, dass die AMS-Ausgaben zur Hälfte Frauen zugute kommen müssen – obwohl prozentuell wie absolut viel mehr Männer als Frauen arbeitslos sind. Statt dessen moderieren am Weltfrauentag in Krähwinkel, pardon: im ORF nur Frauen.

Wenn das kein historischer Erfolg des Feminismus ist!

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Wie entwickelten sich die Spitalskosten? drucken

Kosten pro stationärem Patient zwischen 2007 und 2010 in Euro – vergleichend gesamt und in Ordensspitälern

 

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Wenn die Inder den Europäern den nackten Hintern zeigen drucken

Rückkehr nach einigen Tagen Indien, Rückkehr mit einer Fülle neuer Eindrücke, mit einem veränderten Blick auf die asiatische Herausforderung an Europa. Während alle Welt nach China und dessen seit Beginn dieser Woche auch offiziell eingestandene Wachstumskrise blickt, macht sich Indien gerade daran, bevölkerungsmäßig zur Nummer eins auf der Welt zu werden. Bei dem südasiatischen Riesen hat einfach alles andere Dimensionen: sowohl die Erfolge wie auch die Misserfolge.

Bleiben wir zuerst bei den Sonnenseiten. Auch wenn Indiens Image nach wie vor mit Hunger und Elend verbunden ist, sollten wir uns klarmachen: Hungerkatastrophen hat es in dem Land schon lange keine mehr gegeben. Die modernisierte Landwirtschaft blüht – und kann nicht zuletzt dank neuer wissenschaftlich entwickelter Saatgut-Formen die inzwischen schon 1,3 Milliarden ernähren, was sie früher bei einer nur halb so großen Bevölkerung nicht geschafft hat. Panische Angst vor genveränderten Pflanzen oder vor allem, was mit dem Wort Hormon zusammenhängt, hat in Indien niemand. Das sind spezifisch europäische Krankheiten.

Das Thema der Werbung: Bildung

Fährt man durch die großen und kleinen Städte des Subkontinents, dann springt einem wie seit jeher der laute, dichte und chaotische Straßenverkehr ins Auge: mit einer im Vergleich zu einstigen Besuchen noch gewaltig vergrößerten Zahl an Autos, mit Fahrrad-Rikschas, mit jeder anderen nur denkbaren Form von Verkehrsmitteln, mit Elefanten, Kamelen und Kühen, mit Geisterfahrern jeder Art. Der zweite starke Eindruck sind die vielen Plakate. Auf diesen dominiert neben der Werbung für die soeben abgehaltenen Regionalwahlen vor allem ein Thema: Alles was mit Bildung zusammenhängt.

Auf den Werbeflächen werden die diversesten Schulen, Kurse und Universitäten beworben. Ein Mädchen-Internat genauso wie eine Computerschule, MBA-Ausbildungen genauso wie simple Englisch-Kurse. Ein Land ohne sonderliche Rohstoffe, aber mit einer unglaublich dynamischen Jugend weiß, wo seine einzige Zukunftschance liegt. Nur eine einzige Zahl: Das Durchschnittsalter beträgt 26 Jahre, in Österreich hingegen 43!

Daher ist in dem vielsprachigen Land in vielen Grundschulen der Unterricht in den letzten Jahren auf englisch umgestellt worden, auf die Sprache, die sowohl national wie global alle Tore öffnet. Selbstverständlich sind all die beworbenen Schulen und Kurse kostenpflichtig. Ihr Besuch wird daher auch ernster genommen als in österreichischen Gratisschulen.

Das Ergebnis der Bildungsexplosion lässt sich schon heute sehen: Jeder dritte Programmierer auf der Welt ist ein Inder. Zum Programmieren braucht man ja keine großen Maschinen-Investitionen, sondern „nur“ ein diszipliniertes mathematisches Hirn.

Auch in einer anderen postindustriellen Kreativ-Branche sind die Inder extrem erfolgreich: Die Bollywood-Filmindustrie ist die weitaus größte der Welt. Die voll Schmalz, Schmerz und Schönheit produzierten Filme sind auch in großen Teilen der islamischen Welt einsetzbar. Denn erstens sind sie professionell gemacht, zweitens billig, drittens haben sie verständliche Handlungen, und viertens sind sie garantiert frei von Sexszenen oder ähnlichem.

Gut ausgebildete junge Menschen sind auch das erfolgreichste Exportgut des Landes: In Großbritannien verdienen die aus Indien stammenden Menschen heute um rund zehn Prozent mehr als die Durchschnittsbriten. In den USA machen die Inder zwar nur 1 Prozent der Bevölkerung, aber 16 Prozent der Studenten an den Elite-Unis aus.

Mit anderen Worten: Während Mitteleuropa primär die ungebildeten Sozialmigranten aus der Dritten Welt anzieht, gehen die bildungsorientierten Inder dorthin, wo die Steuern nieder sind und die Unis Weltklasse darstellen (und wo die Sprache Englisch ist).

Wer wie der Autor Indien schon vor mehr als 30 Jahren mehrmals besucht hat, kann heute auch eine signifikante Steigerung der industriellen und Infrastruktur-Investitionen feststellen. Die Flughäfen in Delhi und Mumbai sind moderner und großzügiger als alle europäischen Airports, die ich kenne. Aus Indien stammende Industrielle sind international heute etwa schon in der Schlüsselbranche Stahl führend. Aber auch Automarken wie Jaguar oder Land Rover sind schon in indischem Besitz. Dennoch reicht die industrielle Dynamik Indiens nicht ganz an jene etwa Chinas oder Vietnams heran.

Der Protektionismus bremst

Denn Indien ist – und hier wechseln wir zu den Schattenseiten – noch immer weniger investorenfreundlich als China. Viele westliche Konzerne halten sich von dem Subkontinent fern, weil die Gesetze sehr protektionistisch sind.

So hat jetzt beispielsweise Ikea die Pläne fallengelassen, nach Indien zu gehen: Das wäre nur erlaubt gewesen, wenn Ikea garantiert, dass 30 Prozent der verkauften Produkte aus Indien stammen. Was Ikea mit seiner globalen Produktionsweise nicht garantieren will. Dabei sind sich Experten einig: Gerade solche Handels-Weltkonzerne würden die industrielle Produktion im Lauf der Jahre in die Höhe ziehen. Sind die Gehälter in Indien doch trotz anhaltender Inflation noch immer sehr niedrig. Das gleicht das geringe Arbeitstempo eines indischen Arbeiters mehr als aus.

Ähnlich protektionistisch hat Indien auch den Flugverkehr abgeschirmt. Das führt dazu, dass derzeit nach der Reihe indische Fluglinien bankrott gehen, weil ihnen internationales Kapital und Knowhow fehlen.

Der Protektionismus hat zwar einige geschützte Industriellenfamilien sehr erfolgreich gemacht, das Land aber um die mögliche Dynamik gebracht. Zwar steckt Indien nicht mehr in einer sozialistischen Planwirtschaft, die das Land in den ersten Jahren der demokratischen Unabhängigkeit noch total gelähmt und verarmt hat. Aber Indien braucht eindeutig mehr Investitionen, um den jungen Menschenmassen eine gute Zukunft zu geben.

Denn Indien ist viel jünger als China, wo die Menschen als Folge der Einkind-Politik im Durchschnitt heute schon rund zehn Jahre älter sind als auf dem Subkontinent. Indien hat mit Ausnahme einer kurzen undemokratischen Periode unter Indira Gandhi nie eine Politik der Geburtenbeschränkung forciert. Für seine Familien sind viele Kinder zum Unterschied von Europa auch heute noch trotz aller Erziehungskosten ökonomisch besonders wichtig: Sie sind für die meisten Inder nach wie vor die einzige Altersvorsorge. Und werden daher in großer Anzahl in die Welt gesetzt.

Genauer gesagt: Das gilt nur für die Söhne. Töchter hingegen haben sich nach der Heirat ausschließlich um die Schwiegereltern zu kümmern, fallen für die Altersvorsorge der Eltern aus. Selbst Eltern, die nur Töchter haben, werden von der indischen Tradition eher auf die Versorgung durch Neffen verwiesen, als dass sie auf die Hilfe ihrer wegverheirateten Töchter rechnen dürfen. Das führt nun erstens dazu, dass weiterhin viel mehr in die Erziehung der Söhne als jene der Töchter investiert wird: 70 Prozent der männlichen Inder können lesen, aber nur 48 Prozent der weiblichen.

Ein Mädchen? Dann abtreiben

Eine weitere Konsequenz dieses archaischen Altersversorgungssystems ist in Kombination mit den Mitteln der heutigen Medizin noch viel dramatischer: Millionenfach werden alljährlich weibliche Föten gezielt abgetrieben. Die Geburtenzahlen kleiner Mädchen erreichen nur noch 91 Prozent der Zahlen der Buben, in manchen Regionen sind es sogar 82 Prozent.

Dieser in den letzten Jahren entstandene Trend wird wohl gewaltige, aber noch schwer konkret beschreibbare Konsequenzen haben: Wie werden sich all die jungen Männer künftig verhalten, die keine Frauen finden? Sind sie nicht eine potentielle Quelle für Kriminalität, Gewalt und Kriege?

Dennoch müssen viele Frauen heute auch heute noch – obwohl gesetzlich verboten – bei der Ehe eine ordentliche Mitgift mitbringen. Und wehe ihnen, ihre Familie stattet sie nicht ordentlich aus: Jede Jahr werden nach einer neuen indischen Studie über 8000 junge Frauen umgebracht, weil die Familie des Mannes enttäuscht ist über das, was da an Schmuck und Geld mit der Frau mitkommt. Das ist ziemlich genau jede Stunde eine tote Ehefrau. Und die Zahl der Morde nimmt im Langfristvergleich weiter zu – auch wenn sie oft als Unfälle, etwa als Verbrennungen beim Kochen, getarnt werden.

Ein Grenzstaat zum Islam

Eine ganz andere explosive Problemzone Indiens ist der Dauer-Konflikt mit dem islamischen Nachbarn Pakistan, der zum Teil auch mit Reibereien zwischen den 81 Prozent Hindus und den 13 Prozent Moslems verbunden ist. Nur ein kleines Beispiel: An einigen Plätzen einstiger Tempel, auf denen islamischen Großmoguln nach deren Zerstörung Moscheen errichtet haben, herrscht explosive Hochspannung. Viele Hindus wollen nämlich, dass statt der Moscheen wieder Hindu-Heiligtümer entstehen. Was die Moslems wiederum nicht akzeptieren wollen. Als Folge krachen bisweilen Bomben. Die damit verbundene Spannung merkt man auch an den Hunderten schwer bewaffneten Wachposten, die jeden Besucher an den umstrittenen Orten mindestens dreimal genau kontrollieren.

Ebenso beklemmende Situationen kann man am einzigen Straßenübergang der mehr als Tausend Kilometer langen Grenze Indien-Pakistan beobachten: Hier sind nicht nur kilometerlang Kasernen zu sehen. Hier warten auch tausende Lkw oft zwei Wochen lang auf die Umladung auf ein anderes Gefährt, weil indische Fahrzeuge nicht nach Pakistan dürfen. Und umgekehrt.

Dieser Grenzübergang wird am Abend jedes Tages in einer grotesken Zeremonie geschlossen: Tausende Zuseher auf beiden, aber vor allem der indischen Seite begleiten die Grenzschließung mit Sprechchören wie „Hindustan Zindabad“, Lang lebe Indien. Während es auf der anderen Seite eben „Pakistan Zindabad“ heißt.

Die Offiziere brüllen jeweils zur gleichen Sekunde wie ein Gegenüber auf der anderen Seite die gleichen Kommandos in Mikrophone. Jeder versucht dabei aber, den Befehlston länger anzuhalten als der Konkurrent auf der anderen Seite. Und er wird von seinen Landsleuten heftig akklamiert, sollte er es schaffen. Dennoch schütteln einander die beiden Wachkommandanten in einer von unsichtbaren Regie inszenierten Choreographie fünf Sekunden lang die Hände.

Das Ganze ist eine groteske Mischung aus kindischem Imponiergehabe und nationalistischer Wichtigmacherei. Es bedeutet im Grund aber auch den Versuch einer Sublimierung eines Konflikts. Zwei Staaten suchen nach einem halbwegs geordneten Nebeneinander, wenn sie schon kein Miteinander schaffen. Immerhin sind es zwei Staaten, die wegen eines seit mehr als 60 Jahren umstrittenen Grenzverlaufs schon etliche Kriege gegeneinander geführt haben. Wobei übrigens keine einzige Schlacht mehr entbrannt ist, seit beide Länder Atomwaffen haben. Offenbar hat auch hier, so wie einst im europäischen Ost-West-Konflikt, die allesvernichtende Bedrohung durch jene Waffen eine gewisse heilsame Wirkung.

Armut: ja – aber weniger als einst

Längst werden sich viele Leser gefragt haben: Und wo bleibt die dramatische Armut der Inder? Wo bleiben die Folgen des Kastenwesens? In diesen beiden Punkten lassen sich die europäischen Augen leicht täuschen. Sie vergleichen mit dem heutigen Europa, die Inder vergleichen hingegen mit dem Indien eine Generation davor. Und in dieser historischen Sicht hat sich Vieles gebessert. Auch wenn die Dinge noch in keiner Weise Europa ähneln.

So gibt es schon Staatspräsidenten und Landeshauptleute aus der untersten Kaste der einst für unberührbar Gehaltenen. Und das ist auch allgemein akzeptiert worden. Auf der anderen Seite sorgt es immer wieder für böses Blut, wenn Angehörige unterer Kasten und Moslems bei der Aufnahme in bestimmte Universitäten oder Jobs durch Quotenregelungen bevorzugt werden, auch wenn ihre Qualifikationen nicht gleichwertig sind.

Und die Armut? Die scheint optisch nach wie vor allgegenwärtig. Das Bild täuscht. Man darf ja auch die dramatisch angewachsene Zahl von (professionell importierten) Bettlern in österreichischen Straßen nicht als ein Zeichen steil ansteigender Armut werten. Ebenso muss man hinter den vielen Bettlern und riesigen Slums Indiens eben auch das explosionsartige Ansteigen eines Mittelstands sehen.

Aber natürlich bietet Indien auch heute noch beängstigende Anblicke: Etwa, wenn man sich in der Pilgerstadt Benares durch Hunderte, oft arg entstellte Bettler seinen Weg bahnen muss. Etwa wenn man Delhi via Bahn verlässt und dabei noch etwa eine Stunde durch Teile der 20-Millionen-Metropole fährt: Denn die ganze Strecke über ist der Bahndamm links und rechts nicht nur eine einzige Mülldeponie, sondern auch ein einziges Klo. Man fährt also an Hunderten nackten Hintern vorbei, die unbekümmert ihre Notdurft verrichten und deren Besitzer interessiert dem drei Meter entfernt vorbeiratternden Zug nachschauen.

So ungustiös dies dem Europäer auch vorkommt, so sehr muss er sich doch fragen, ob Indien nicht bald der ganzen Welt sinnbildlich die Kehrseite zeigen kann, weil es die heute reichsten Länder weit überholt hat. Das wird freilich nur dann der Fall sein, wenn es seine vier Hauptaufgaben zu lösen imstande ist: also die notwendige Wirtschafts-Liberalisierung (die relativ leichteste Aufgabe), die Arbeitsplätze schaffen und die Inflation reduzieren würde; eine Reduktion der schier allgegenwärtigen Korruption; einen dauerhaften Frieden mit Pakistan; und eine Lösung der Altersversorgung, wodurch sich viele Sozial-, Demographie- und Frauendiskriminierungs-Probleme lösen würden.

Auf den meisten anderen Ebenen aber hat das Land gewaltige Vorteile: Seine Demokratie hat sich als stabil, überlebensfähig und zugleich ausreichend elastisch erwiesen; seine Bevölkerung als arbeitswillig und friedlich; und die meisten Fesseln eines Realsozialismus sind heute abgeschüttelt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Welche Sozialversicherung vergibt wie viel Pension? drucken

Median der gesetzlichen Alterspension nach Sozialversicherung und Geschlecht in Euro 2010

Anmerkung: Median: Jener Wert einer Stichprobe, bei dem gleich viele höhere und niedrigere Werte vorhanden sind. Entspricht nicht dem arithmetischen Mittel (Durchschnitt).

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Die Dummheit (fast) ganz Europas: Das System Kreisky drucken

Seit Jahrzehnten wählen Österreichs Bürger stets die Politiker, die ihnen am meisten Geld versprechen. 2008: VOR der Wahl prasste man mit neuen Sozialleistungen, als gäbe es kein Morgen. Jetzt – nach der Wahl – ist Zahltag. Drei Jahre hatte man gestritten, wie viele neue Steuern oder Schulden es jetzt geben muss. Pünktlich 2013 geht der Irrsinn dann von vorne los.

Wie vor jeder Wahl war auch VOR den 2008er-Wahlen von garstigem Zeug wie neuen Steuern oder Schulden keine Rede. Die ÖVP würde sogar besonders auf Budgetdisziplin achten und die Verwaltung reformieren (das Tonband stammt aus 1983).

Die Sozialdemokraten waren da schon ehrlicher: Sie setzten (wie seit 40 Jahren) instinktsicher auf ein „System Kreisky“. Der (willkürliche) Aufhänger 2008: „Die böse-böse Inflation“. Auf unglaubliche 3,2 Prozent wäre sie schon angewachsen (unter Kreisky 1972: 6,3 Prozent). So rief man das Jahr 2008 zum „Großen Jammer-Jahr der Preis-Hysterie“ aus – und Österreichs gelenkte Medien jammerten brav mit.

2008: „Anti-Teuerungspaket“ – 2009: „Neue Schulden“ – 2010, 2012: „Neue Steuern“

Erlösung sollte das „Anti-Teuerungspaket“ bringen. Die Umsatzsteuer auf Medikamente wollte man halbieren, die Familienbeihilfe hingegen erhöhen, die Hackler-Regelung verlängern, die Studiengebühren abschaffen und die Pflegegelder anheben. Wie seit 40 Jahren üblich warnten auch 2008 die Wirtschaftsforscher, dass das Geld gar nicht vorhanden wäre – doch in einer Partystimmung hört man eben nicht auf Spielverderber.

Natürlich hatten die Österreicher auch 2008 die gewählt, die ihnen das Meiste versprochen hatten. Um das zu bezahlen, nahm man schon 2009 viele neue Schulden auf. 2010 erhöhte man die Steuern. 2012 kommt nun die nächste Steuerwelle.

Viele Wähler sind jetzt überrascht. Die Politiker hatten „uns“ ja gar nicht „deren“ Geld schenken wollen, sondern nur „unseres“. Dass das Anti-Teuerungspaket 2008 das Leben im Jahr 2010 verteuern würde, wurde damals nicht erwähnt.

Nach 40 Jahren System Kreisky kommen heute 36,6 Prozent unseres Haushaltseinkommens in irgendeiner Form aus Sozialleistungen. Nur in Kuba oder Nordkorea teilt der Staat einen noch höheren Prozentsatz zu. Dafür nimmt er vorher 44 Prozent in Form von Steuern und Sozialversicherungen ein.

Panem et Circenses? 2000 Jahre später: „Ausgleichszulage und Skirennen“

Schon in den 1970ern rechnete Bruno Kreisky NACH jedem Wahlsieg in seinen „Mallorca-Sparpaketen“ eiskalt ab. Auf seinem Sommersitz im sonnigen Mallorca ersann er all die neuen Steuern, um das zu bezahlen, was er vor der Wahl als großes Geldgeschenk versprochen hatte. Gab es VOR der Wahl bei einem Wahlsieg Kreiskys 10.000 Schilling Geburtenbeihilfe, musste der Wähler NACH der Wahl für den Kassettenrekorder 32 Prozent Luxussteuer zahlen. Was Bruno Kreisky nicht durch höhere Steuern hereinbekommen konnte, borgte er sich einfach von den Banken. Sein Erklärungsansatz für die Schuld am Geld-Desaster war schon damals zeitlos: „Banken und Kapitalismus“.

Seit Jahrtausenden funktioniert der organisierte Wählerkauf nun schon. Was unter den Römern noch „Panem et Circenses“ hieß, würden Kreiskyaner heute als „Ausgleichszulage und Skirennen“ in die Neuzeit übersetzen.

In den Blütezeiten des „Systems Kreisky“ hatte man das Bargeld wie in einer lateinamerikanischen Bananenrepublik verteilt: „15.000 Schilling Heiratsbeihilfe, wenn du Kreisky und die Sozialisten wählst!“ Nach den Wahlen nahm man dafür dann jährlich eine Milliarde Schilling Schulden auf (65.000 mal 15.000), ohne freilich je einen Groschen davon tilgen zu wollen. Alleine für die erste Milliarde Schulden aus dem Jahre 1972 wird man heuer 40 Jahre lang Zinsen bezahlt haben. Bei Marktzinsen von fünf Prozent jährlich heute in Summe schon 200 Prozent – und die eine Milliarde Schulden gibt es immer noch in voller Höhe.

Die Österreicher murren leise. Schließlich sind sie seit vier Jahrzehnten nichts anderes gewohnt. Fatalistisch akzeptiert eine wirtschaftlich dumm gehaltene Bevölkerung das „System Kreisky“ als gottgegeben und harrt ängstlich schon der nächsten Wahl.

Europas Schulden auf „System Kreisky“ zurückzuführen

Griechenlands panhellenistische sozialistische Partei „PASOK“ nahm nach jeder Wahl bis zu 50.000 Vertragsbedienstete mit Drei-Jahresverträgen auf, um ihnen im Falle eines Wahlsieges die Verbeamtung zu versprechen. Heute hat das Land fast 800.000 Staatsangestellte – für 350.000 sucht man nach einem Aufgabenbereich. Eisenbahnschaffnern versprach man (vor Wahlen) 420 Euro monatlich, wenn sie sich die Hände wuschen. Busfahrer bekamen 310 Euro, wenn sie pünktlich in die Arbeit kamen. In Russland hob Vladimir Putin am Vorabend zur Wahl mit einem Federstrich die meisten Pensionen um 25 Prozent an. Seitdem nimmt das Land jährlich fast 4 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden auf.

In vielen Ländern versprach man Baby-, Kinder oder Eheprämien, um sie einige Zeit nach der Wahl dann wieder abzuschaffen. Silvio Berlusconis Forza Italia verschenkte gleich unzählige 1000 Euro-Einkaufsgutscheine an junge Pärchen.

Was im „System Kreisky“ europaweit in den letzten Jahrzehnten versprochen (und dann auf Pump bezahlt) wurde, lässt nachstehende Statistik erahnen:

Partei

Geldversprechen

Eingeführt

Abgeschafft

PASOK (Gr)

46.000 Vertragsbedienstete verbeamten

1981

nicht

PASOK (Gr)

Prämien € 310  Pünktlichkeit, € 420 Händewaschen.

90-er

2011

Einiges Russland

Erhöhung Kleinpensionen 25 Prozent

2007

nicht

SPD

Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr

1972

in Vorbereitung

Sozialisten (F)

Wochenarbeitszeit: 35 Stunden

1997

2008

Labour (UK)

Baby-Prämie € 2.500

2005

2011

Sozialisten (E)

Kinderprämie € 2.500.-/€ 3.500

2008

2011

Forza Italia

Baby-Bonus € 1.000 und Einkaufsgutscheine €1000

2005

2012

CDU

Senkung Tabak- und Kaffeesteuer

1953

1955

SPÖ

Heiratsbeihilfe 15.000 Schilling

1971

1987

Nationalratswahl 2013: Der Ablauf ist schon vorgezeichnet

Man wird wieder Geldgeschenke unter das Volk werfen. Selbiges wird seine Politiker für außergewöhnlich sozial halten und souverän im Amt bestätigen. Drei Wochen später wird das Land überrascht feststellen, dass kein Geld da ist. Natürlich sind am Ungemach die Banken und die Spekulanten schuld. Und vor allem die Reichen, die den Schlamassel den kleinen Leuten eingebrockt hätten. Die sollten nun besonders bluten. Das soziale Klima bleibt vergiftet und die Neidgenossenschaft, sie blüht wie eh und je.

Warum lernt man nicht von den Schweizern? Seit Jahren wählen sie nur jene Politiker, die ihnen AM WENIGSTEN versprechen: Als die Schweizer Sozialdemokraten in den 1990er Jahren 1.000 Franken Karenzgeld (als Wahlversprechen) eingeführt hatten, da strafte die Schweizer Bevölkerung diese bei den Wahlen kurz darauf ab. Dem fassungslosen ORF-Reporter antwortete eine junge Frau ins Mikro: „Wenn der Staat mir 1.000 Franken schenken will, hat er mir vorher 2.000 gestohlen“.

Deshalb sind die Schweizer reicher, leben in einem sozial friedlicheren Klima und es ist bei ihnen auch viel lustiger: In ihren „liberalen“ Zeitungen amüsieren sie sich königlich über die Naivität so mancher Nachbarn.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist in Salzburg und hat Europas erstes Globalisierungskritik-kritisches Buch geschrieben, „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“. Das Buch befasst sich außerdem kritisch mit der Ära Kreisky sowie Österreichs Demokratie.

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Wien: ein mafiöser Selbstbedienungsladen drucken

Das eigentlich zuständige Sozialministerium verschleiert zwar die Daten. Aber irgendwann wird halt jede Misere dennoch bekannt. Die Daten zeigen, in welch skandalösem Umfang das rote Wien im Vergleich zu den anderen Ländern zu einem unkontrollierten Selbstbedienungsladen geworden ist, gegen den sogar die Telekom eine halbehrenwerte Firma sein dürfte, bei der es nur um Dutzende Millionen Schaden geht, während es beim Rathaus um Milliarden an verbranntem Geld geht. Woran sich durch den Geschäftseinstieg der Grünen nur eines geändert hat: dass in Wien jetzt noch weitere Geschäftsführer mitnaschen.

Es waren zwei schockierende Tatsachen, die in dieser Woche bekanntgeworden sind. Zum Teil ist dafür den Rechercheuren der Austria Presse Agentur zu danken, zum anderen Teil der (vielleicht gar aus jahrelangem Schlaf erwachenden?) Volkspartei. Jedenfalls wäre es in beiden Fällen eigentlich längst moralische Pflicht des zuständigen Sozialministeriums gewesen, solche Vergleichsdaten laufend zu recherchieren und veröffentlichen. Aber dieses wird bekanntlich von einem ehemaligen Gemeinde-Wien-Beamten geleitet . . .

Bei beiden Zahlen sei der Leser jedenfalls vorgewarnt: Deren Lesen könnte heftige Zornanfälle auslösen und so der Gesundheit schaden.

Erstens: Es hat sich jetzt herausgestellt, dass von rund 180.000 Beziehern der Mindestsicherung mehr als 129.000 in Wien diesen Anspruch zuerkannt bekommen haben! Im fast ebenso großen Niederösterreich sind es hingegen nicht einmal 10.000.

Da aber nach allen beobacht- und messbaren Kriterien der allgemeine Wohlstand in Wien größer ist als im Rest der Republik, sind die Ursachen dieses totalem Missverhältnisses nicht besondere Armut, sondern andere Faktoren:

  • Wien ist erstens zu einem Magnet für alle an bequemer Wohlfahrt Interessierten geworden.
  • In Wien gibt es zweitens ein Vielfaches von Pfuschern, also von Menschen, die einerseits in voller Abgabenfreiheit verdienen, die sich aber dennoch von den Abgaben der Allgemeinheit aushalten lassen, die also doppelt schmarotzen.
  • Drittens: In Wien geniert sich der Einzelne zum Unterschied von allen anderen Bundesländern ganz offensichtlich viel weniger, die öffentlichen Kassen auszuquetschen, wo‘s nur geht (Motto: „Ich bin doch nicht blöd“).
  • Und viertens sind in Wien Beamte aktiv, die dieses gigantische Betrugsschema noch tatkräftig unterstützen. Warum sollten sie auch anders agieren? Nur um sich Probleme einzuhandeln? Die herrschende (Politik- und Medien-)Szene übt jedenfalls niemals Kritik an Beamten, die mit unseren Steuergeldern zu großzügig umgehen. Genauer gesagt: mit den Schulden, die für uns alle ein immer heftigeres Problem werden. Das sendet jedem Beamten ein klares Signal.

Dieser grobe Missbrauch löst auch beim Tagebuch-Autor kritisches Nachdenken aus: Ich habe an dieser Stelle für eine Delegation von Verwaltungskompetenzen nach unten plädiert. An solch frechen Unterschleif, der schon an Organisiertes Verbrechen grenzt, habe ich bei diesem Vorschlag aber nicht gedacht. Vielleicht doch keine so gute Idee?

Dieses erschütternde Bild des Mindestsicherungsmissbrauches passt perfekt in den zweiten dieser Tage aufgedeckten Skandal: Wiener Beamte gehen derzeit mit 52 Jahren in Pension! Im Schnitt. Sie sind damit genauso unverschämt wie die schon seit längerem diesbezüglich bloßgestellten Bundesbahner. Was den fast zwingenden Schluss zulässt: Die SPÖ ist überall dort, wo sie die absolute Macht hat, zu einer absoluten Nehmerbande degeneriert, die freilich ihre Verbrechen mit verlogener Sozialrhetorik tarnt.

Die realsozialistische Misswirtschaft in Wien ist so eklatant geworden, dass jeder Rot- oder Grün-Wähler als Beitragstäter angesehen werden muss. Dies gilt – wenn auch mit verringerter Schuld – ebenso für alle jene, die dieser Nehmer-Partie durch Nichtwählen oder Stimmvergeudung Richtung Splitterparteien zumindest indirekt Vorschub leisten.

Eine besonders freche Abteilung dieser Mafia ist die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten: Sie hat sich zwar zu einer Nulllohnrunde bereit erklärt, aber unter folgenden Bedingungen: keine Überstundenreduktion, kein Personalabbau, keine Änderung der Pensionsbedingungen. Womit angesichts der Macht dieser Gewerkschaft das weitaus luxuriöseste Pensionssystem Österreichs weiterhin unangetastet bleibt.

Jeder Fisch fängt beim Kopf zu stinken an. Was man an einem ganz anderen, aber ebenso aktuellen Beispiel zeigen kann: Die Vizebürgermeisterin Brauner, die mangels eines arbeitenden Bürgermeisters die Geschäfte an sich gezogen hat, erklärte soeben im Gemeinderat: Sie sehe keinerlei exzessive Zeitungsanzeigen des Rauhauses, daher werden an ihnen auch künftig nicht gespart. Dabei sind diese Propaganda- und Korruptionsinserate gerade in der ablaufenden Woche wieder auf vielen Seiten aus den rathausnahen Boulevardzeitungen hervorgequollen.

Zu diesen Unverschämtheiten der Rathausspitze zählt natürlich auch die „Finanzierungs“-Seite der Ausgabenflut: also die ungenierte Schuldenausweitung und insbesondere die krasse Gebührenexplosion während des gesamten letzten Halbjahres. Wenn schon die theoretisch den Wählern verantwortliche Häupl-Brauner-Partie so unverschämt handelt, warum sollen es die kündigungsgeschützten Beamten nicht auch tun?

PS.: Wer geglaubt hat, durch die Grünen werde in Wien irgendetwas besser, wurde spätestens durch die Reaktion des grünen Klubobmanns Ellensohn auf das Sparpaket eines Besseren belehrt: Er sieht sogar die Nulllohnrunde, der die Gewerkschaft gnädigerweise zugestimmt hat, „sehr kritisch“. Wien kam vom Regen in die Traufe.

 

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Fekter – viel Frust und ein Funke Hoffnung drucken

Längst sind ORF-Pressestunden so langweilig geworden, dass sich nur noch wirkliche Fanatiker selbige antun. Das war auch bei Maria Fekters Auftritt trotz des trüb-regnerischen Tages der Fall. Sie löste erwartungsgemäß viel des erwartbar gewesenen Frustes aus. Sie verbreitete aber zugleich einen unerwarteten Funken Hoffnung. Und der sollte – auch wenn es eben nur ein Funke ist – in trostlosen Zeiten besonders aufgegriffen und beachtet werden.

Zuerst das Negative: Frustrierend bis peinlich ist, wenn die einstige Hoffnungsträgerin Fekter ins jüngste Sparpaket jede Menge Strukturreformen hineinphantasierte. Frustrierend ist auch, wie kühl sie ihre einstigen Versprechungen „Keine Steuererhöhungen“ weg-ignoriert und wie sie die gewaltige Menge an Steuer- und Abgabenerhöhungen samt Kürzungen ( nichts anderes ist ja die Reduktion des Realwertes) von Pensionen und Beamtenbezügen als positiv verkauft. Und völlig unverständlich ist, warum sie nicht zu sagen wagt: Mit diesem Koalitionspartner, mit der Gesinnung dieser Opposition, mit dieser Verfassung, diesen Bundesländern und diesen Gewerkschaften war nicht mehr möglich. Da sie all das nicht gesagt hat, wird sie zur voll verantwortlichen Mittäterin.

Der dennoch gezündete Funke Hoffnung bestand in ihrer neuen Zielvorgabe für eine Steuerreform: nämlich in einem Akzent zugunsten von Familien und Mittelschicht. Denn erstmals seit langem wagte da ein verantwortlicher Politiker ein Modell zumindest vorzuschlagen, bei dem die Familien des zuletzt ständig ausgepressten Mittelstands anstelle der seit vielen Jahren einseitig bevorzugten Unterschichten profitieren würden.

Fekter will nämlich den Unterhalt für Kinder steuerfrei stellen (ohne die zahllosen Direkttransfers wie Gratiskindergärten oder Familienbeihilfen infrage zustellen). Davon kann logischerweise nur jemand profitieren, der überhaupt Steuer zahlt.

Gewiss ist es mehr als zweifelhaft, ob dieser Gedanke in der Schuldenrepublik jemals finanzierbar werden wird. Und noch zweifelhafter ist, ob sich für Fekters Reform-Ideen jemals eine ausreichende Mehrheit finden lässt. Tobt doch seit Jahr und Tag eine heftige Schlacht zwischen Rot und Blau um die Sympathien der XYZ-Schicht leistungsabstinenter Sozialprofiteure (wobei Rot und Blau in diesem Sozialdemagogie-Wettlauf rätselhafterweise sowohl von Grün wie auch Orange wie auch Teilen des ÖAAB unterstützt wurden, obwohl die alle fast keine XYZ-Wähler vertreten).

Diese mittelstands- und familienfeindliche Schlacht bestimmt seit Jahren den politischen Diskurs. Sie schlug sich in den erstaunlichen Zuwächsen der Ausgleichszulagen nieder, die fast bei jeder Pensionserhöhung steiler waren als die Anpassungen der durch Beiträge zumindest zum Gutteil versicherungsmathematisch finanzierten Normalpensionen. Das schlug sich in der totalen Einkommensteuer-Befreiung von fast drei Millionen Menschen nieder. Das schlägt sich auch beim jüngsten Belastungspaket durch eine Vielfalt an nur den Mittelstand treffenden Maßnahmen nieder.

Aber immerhin hat Fekter zumindest verbal erstmals ein Prinzip wider diesen Zeitungeist als Ziel verkündet. Nehmen wir daher trotz aller Skepsis einmal an, sie könnte wenigstens diesmal ihre Pläne verwirklichen. Dann ginge der Reformweg im Gegensatz zum dominierenden Neosozialismus plötzlich in eine absolut richtige Richtung.

Gut für die Mittelschicht

Denn erstens wird damit an der gesellschaftlichen Schwelle zwischen der Schicht der Umverteilungsprofiteure und jener der ständig mehr ausgepressten Mittelschicht endlich einmal ein positives Signal in Richtung der Anstrengungswilligen gesetzt. Diesen gereichte es damit erstmals nicht zum Nachteil, dass sie an sich vor Wirksamwerden der Umverteilung natürlich mehr verdienen als hauptberufliche Couch Potatoes.

Gut fürs Kinderkriegen

Zweitens und noch wichtiger: Durch die Realisierung der Fekter-Ideen würde der Mittelschicht wieder mehr Mut zu Kindern gemacht. Das wäre ganz entscheidend. Zeigen uns doch seit Jahren die Statistiken, dass das Kinderkriegen zwar in der Unterschicht Normalität bleibt, während beispielsweise fast nur noch jede zweite Uni-Absolventin Mutter wird. Das hat gewiss auch viele andere Ursachen, etwa das veränderte Frauenbild der Mittelschichten, etwa die überaus langen Ausbildungszeiten in qualifizierten Karrieren, etwa die Gier der Wirtschaft auf die gut qualifizierten Frauen als Arbeitskräfte.

Trotz dieser kurzsichtigen Gier sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der asymetrischen Geburtenfreudigkeit dramatisch negativ. Diesen Prozess hat Thilo Sarrazin ja schon in Hinblick auf das sehr ähnlich tickende Deutschland mit einer Fülle von Beweismaterial als einen Weg zum Dümmerwerden eines Landes beschrieben (den Rot-Grün im übrigen durch Gesamtschule und ihre leistungskonträre Universitätspolitik noch ständig zu beschleunigen versuchen).

Schlecht für Sozialmigranten

Drittens und in engem Zusammenhang mit dem vorigen Argument: Mit den Fekterschen Reformplänen würde die Zuwanderung von Sozialmigranten nach Österreich zumindest nicht noch zusätzlich gefördert. Das gilt freilich nur dann, wenn gleichzeitig die sozialen Direkttransfers trotz des linken Drängens auf noch mehr Wohlfahrt zumindest eingefroren werden. Derzeit kann ja eine vielköpfige Migrantenfamilie – auch ohne einen einzigen Berufstätigen – in Österreich im Kontrast zu ihren Herkunftsregionen in Afrika, Nahost oder Ostanatolien von den Sozialtransfers ganz gut leben.

Gut für die Gerechtigkeit

Viertens würde damit das vom Verfassungsgerichtshof immer wieder judizierte Gerechtigkeitsprinzip erstmals ernst genommen und nicht bloß minimalistisch realisiert. Denn der VfGH verlangt den familiären Sozialausgleich primär nicht zwischen Mittel- und Schlechtverdienern, sondern zwischen Menschen gleichen Arbeitseinkommens. Mit anderen Worten: Kinder dürfen laut Verfassung eigentlich keine sozialen Abstieg aus der bisherigen sozialen Positionierung einer Familie bedeuten.Was sie aber derzeit sehr wohl tun.

Gut für den Wirtschaftsstandort

Und fünftens: Damit wird zu den unglaublich mittelstands- und familienfeindlichen Vorstellungen der Achse des Bösen zwischen Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung ein erfreulicher Gegenakzent gesetzt. Die seit zwei Jahren heftig nach links gerückte Industrie-Lobby vergisst ja gesellschaftspolitisch neuerdings leider das zentrale Prinzip total, das in erfolgreichen Unternehmen eigentlich hochgehalten werden sollte: nämlich die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen.

Es gibt ja für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich gar keine wichtigeren Investitionen als Kinder, die von leistungs-, werte- und bildungsorientierten Eltern aufgezogen (und in dementsprechend ausgesuchten Schulen) erzogen werden. Der Wert dieser Kinder als künftige Leistungsträger, Forscher, Ingenieure, Kaufleute gerade für die Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und er kann niemals durch jene Zuwanderer kompensiert werden, die primär die Segnungen eines der komfortabelsten Wohlfahrtssysteme der Welt konsumieren wollen.

Sauerstoff für Fekters Funken

Dieser Fektersche Akzent ist zwar gewiss nur ein Hoffnungsfunke. Aber jeder Funke Vernunft und Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung ist derzeit so wichtig und notwendig, dass ihm jede Menge Sauerstoff zugeblasen werden sollte, bevor er vom Wüstensand der sich gutmenschlich tarnenden Wohlfahrtsindustrie wieder erstickt wird.

 

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Ein Sparpaket mit drei Alias-Namen und noch mehr Rätseln drucken

Wer geglaubt hat, SPÖ und ÖVP hätten über ein Sparpaket Übereinstimmung erzielt und das mit Schrift und Siegel fixiert, der sollte genauer hinschauen: Denn auf den Homepages von Bundeskanzleramt, Finanzministerium, ÖVP und SPÖ finden sich merkwürdig unterschiedliche Darstellungen, obwohl es angeblich um ein- und dieselbe Vereinbarungen geht. Und nirgendwo wird klar, was davon das Original sein könnte.

Bei ÖVP und Finanzministerium ist der scheinbare Text des Pakets am kürzesten wiedergegeben. Dort fehlen oft hilfreiche Erläuterungen, aber auch die bei der SPÖ und im Kanzleramt sehr beliebte politische Lyrik, also der propagandistischen Schwulst. Die SPÖ selbst stellt das Paket am längsten und am begeistertsten dar.

Noch auffallender sind die inhaltlichen Unterschiede.

Sogar das Wichtigste, der Name des Pakets lautet überall total anders. Ist dieses bei der SPÖ „Stabilitätspaket 2012-2016“ getauft, so heißt es beim Bundeskanzleramt hingegen „Konsolidierungspaket 2012-2016“, und bei ÖVP sowie Finanzministerium „Reformpaket“.

Seltsam. Wie sollen wir dieser Koalition glauben, dass da inhaltlich jetzt alles klar geregelt wäre, wenn sie nicht einmal über die Überschrift einen Konsens erzielen konnte? Nur eine Bezeichnung taucht nirgendwo auf, obwohl es die in der Bevölkerung verbreitetste ist: Sparpaket. Was allerdings eine Fehlbezeichnung ist. Denn sachlich wäre die einzige richtige, wenn auch etwas langatmige Bezeichnung: „Belastungs- statt Reform-Paket, das leider nur eine sehr kaum wahrnehmbare Reduktion der Staatsschuld bringt“.

Was wollen uns insbesondere die beiden von dem selben Chef geleiteten roten Firmen mit diesen Unterschieden in der Betitelung sagen? Dass bei der Sozialdemokratie derzeit Schizophrenie angesagt ist? Dass Laura und Josef ihren Gebieter nun zu einem Werner Vielseitig machen wollen? Oder tobt da ein heimlicher Kampf, wo denn die besseren Spin Doctoren sitzen?

Auch die politische Lyrik der roten Paketsversionen hat ihre auffallend Unterschiede: Die SPÖ nennt gleich am Beginn als erstes durch das Paket verwirklichte Prinzip „Gerechte Einnahmen“ und betont: „ohne Verkauf von Staatseigentum“. Das Kanzleramt ist hingegen deutlich ehrlicher und schreibt im ansonsten wortgleichen Text statt von „gerechten“ von „zusätzlichen Einnahmen“ und erwähnt interessanterweise den von der SPÖ zum Kernstück gemachten Nichtverkauf von Staatseigentum mit keiner Silbe.

Die SPÖ ergänzte hingegen an anderer Stelle den ohnedies schon sehr propagandistisch gehaltenen Text des Kanzleramtes durch den Satz: „Jene, die mehr leisten können, leisten auch mehr.“ Das hat das Kanzleramt – wieder: ehrlicherweise – weggelassen. Während man viele andere ohne Rücksicht auf das Leistungskönnen abcasht, bleiben ja potentielle Frauen- und Hacklerpensionisten völlig unberührt, obwohl viele von ihnen ohne Probleme länger arbeiten könnten.

Eine andere Spur der roten Spin Doctoren zeigen die Zahlenangaben. Die roten Quellen nennen praktisch immer nur die bis 2016 akkumulierten Zahlen der Einsparung. Was das Sparvolumen als viel eindrucksvoller erscheinen lässt, als es in Wahrheit ist. In diesem Punkt ist es das Finanzministerium, das trotz des dort viel knapperen Umfangs ehrlicher ist. Es nennt die Zahlen nämlich jährlich aufgeschlüsselt.

Das Finanzministerium setzt aber auch eine erstaunliche Zwischenüberschrift: „Anhebung der Anspruchsvoraussetzungen in der Korridorpension und Hacklerregelung“. Das ist merkwürdig, denn von der Hacklerregelung steht nichts in dem Papier. An dieser wird ja durch die wochenlange Faymann-Spindelegger-Brüterei gar nichts verändert.

Einzige mögliche Erklärung, wie es zu dieser Überschrift gekommen sein könnte: Hier stand offenbar bis knapp vor Verhandlungsschluss noch deutlich mehr Inhalt, nämlich auch eine echte Redimensionierung der Hacklerregelung. Diese dürfte einer der Hämmer gewesen sein, von denen Spindelegger noch vor 14 Tagen als Teil des Sparpakets geglaubt hat. Anscheinend wurde auf eine Korrektur der Überschrift vergessen, nachdem Faymann seinem Vize im letzten Augenblick die Reform-Hämmer wieder geräuschlos entwunden hatte.

Interessant ist etwa auch die Darstellung der mehr oder weniger einzigen echten strukturellen Reform durch das Paket, nämlich der Abschaffung der Parallelrechnung im Pensionssystem: Das Finanzministerium meldet die jährlichen Zahlen, das Kanzleramt berichtet zumindest den bis 1916 akkumulierten Wert der Einsparungen von 123 Millionen. Die sonst durchaus zahlenfreudige SPÖ hingegen nennt hier plötzlich keine Zahlen, sondern schreibt nur: „geringfügige Einsparung bis 2016“. Glaubt sie den Zahlen nicht oder geniert sie sich selbst, wie wenig diese hochgerühmte Strukturreform eigentlich bringt – vor allem im Verhältnis zu den als „Einsparung“ verkündeten Beitragserhöhungen?

Dafür bringt die SPÖ dankenswerterweise einen Vergleich, den die drei anderen Paket-Darstellungen feige vermieden haben: Sie vergleicht die Auswirkungen der gesamten „Konsolidierung“ auf die Staatsschuld mit den bisherigen Planungen für das Jahtr 2015 (für 2016 gibt es keinen alten Vergleichswert). Da liest man: Ohne Paket hätte Österreich im Jahr 2015 laut dem bisherigen Finanzrahmengesetz eine Schuldenquote von 74,4 Prozent gehabt. Als Folge einer kompletten Budgetumsetzung wird diese Quote hingegen „nur“ 73,1 Prozent betragen.

Das sind also ganze 1,3 Prozent BIP Unterschied. Das ist ungefähr die Dimension des Schätzfehlers zwischen der ersten Voraussage des Wifo und der späteren wirklichen Konjunkturentwicklung. Das sind 1,3 Prozent als Ergebnis des angeblich größten Sparpakets der österreichischen Geschichte, seit der zweite Turm der Wiener Stephanskirche eingespart worden ist.

Ob einer so gewaltigen Sparleistung wird Moody’s zweifellos seine Österreich-Bewertung sofort von „negativ“ auf „allerpositivst“ ändern. Und Standard & Poor's wird der Alpenrepublik wegen in sein Bewertungsschema erstmals ein viertes A einfügen.

PS.: Je mehr Details man liest, umso rätselhafter wird dieses Verhandlungsergebnis auch in anderen Zusammenhängen: Warum etwa ist ausgerechnet der Sport, nicht jedoch die Justiz von der Kürzung der Ermessensausgaben befreit worden? Warum gibt es die einzige Steuersenkung ausgerechnet für Immobilienspekulanten, die nur kaufen, um bald wieder zu verkaufen? Warum glaubt die Bundesregierung, ohne irgendeine Sicherheitsgarantie zu haben, den Bundesländern, dass diese fünf Milliarden  einsparen werden und gibt den Ländern im Gegenzug noch dazu jede Menge zusätzliche Rechte? Hat sie vergessen, dass diese Länder 2010 die damals geltende Defizitgrenze (ebenfalls) um fünf Milliarden überschritten haben, ohne damals auch nur zumindest schlechtes Gewissen zu zeigen? Will sich die Regierung endgültig als Trüppchen armer Hascherl an den Fäden des Wiener Rathauses und St. Pöltens erweisen?

 

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Fußnote 261: Die Gleichen und die Gleicheren drucken

Griechenland hat 500.000 Beamte zu viel.

Der ORF rätselt in der „Zeit im Bild“, was mit diesen 500.000 geschehen soll: Hinauswerfen? Der Staatssender kommt aber sofort zur Antwort: „Eine Firma kann das tun, ein Staat nicht.“ Na klar, wäre ja noch schöner, wenn man am Rande des Staatsbankrotts unbeschäftigte Beamte abbauen könnte. Im ORF müssen wir Steuerzahler ja auch für jede Menge an überflüssigen Büroleitern, Abteilungsleiter und ähnlichen weißen Elefanten zahlen. Wer einmal vom Staat (oder einem Staatssender) lebt, der hat nach ORF-Philosophie für sein Leben lang ausgesorgt zu haben. Die anderen sollen bluten; die können ruhig arbeitslos werden, wenn's der Firma schlecht geht; die sollen als Jugendliche Null Job-Chance haben; die sollen immer höhere Steuern zahlen müssen. Auch für die überflüssigen griechischen Beamten. Es gibt eben immer Gleiche und Gleichere.

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Vieles ist Hoffnung, nur die Katastrophen sind fix drucken

Es ist fast rührend: Maria Fekter meint, mit diesem Sparpaket werde Österreich demnächst wieder sein Triple A bekommen. Ganz abgesehen von der Labilität der EU und der Weltwirtschaft; ganz abgesehen davon, dass Experten seit längerem eher eine weitere Herabstufung des Landes für am Platze sehen: Schon in den ersten Stunden wachsen auch die Indizien, dass Österreich mit diesem Sparpaket keineswegs an das versprochene Nulldefizit herankommt. Dazu ist allzu vieles bloß auf das Prinzip Hoffnung+Ankündigung aufgebaut. Ganz unabhängig davon sei aber heute einmal ganz nüchtern analysiert, wo die Pluspunkte und wo die Negativpunkte dieses Pakets liegen.

Beginnen wir mit dem Positiven:

  1. Positiv ist sicher, dass die Koalition alle Mächtigen dieses Landes eingefangen zu haben scheint. Niemand wagt öffentlich zu widersprechen. Und der versteckte Dissens über das viele noch ungeklärte Kleingedruckte ist zumindest vorerst einmal unter den Tisch gekehrt.
  2. Zu loben ist das Aus für die Parallelrechnung bei der Pensionsberechnung. Freilich: Auch der neue Berechnungsmodus ist alles andere als leicht verständlich. Womit es wieder nichts ist mit einer auch für Laien nachvollziehbaren und versicherungsmathematisch klaren Pensions-Berechnung. Diese bleibt eine totale Geheimwissenschaft.
  3. Erfreulich ist auch, dass es weiterhin keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Natürlich stellt das keine Verbesserung, sondern nur eine Nichtverschlechterung dar. Mit der gleichen Logik müsste man es ja eigentlich auch loben, dass weder Folter noch Todesstrafe eingeführt worden sind.
  4. Zu loben ist die Ankündigung – freilich eben nur: Ankündigung –, dass die provozierenden ÖBB-Frühpensionen schlagartig aufhören werden. Damit scheint etwas, was lange unmöglich war, plötzlich möglich geworden zu sein. Es sei denn, das Gefühl in meiner Magengegend hat recht. Es signalisiert nämlich, dass die ÖBB-Gewerkschaft noch jede Menge Tricks in der Hinterhand hat, um zu verhindern, dass ihre Mitglieder wirklich bis deutlich nach dem 60. Geburtstag arbeiten. Eine von meinem Magen erwartete Gegenmaßnahme wäre etwa eine Sammelklage beim Verfassungsgericht, in der es von Vokabeln wie „wohlerworbene Rechte“, „Eingriff in die Vertragsautonomie“, „Vertrauensschutz“ nur so wimmelt. Haben doch schon in vielen Ländern weltferne Richter Sparpakete demoliert. Aber bleiben wir dennoch vorerst dabei, den Punkt ÖBB-Frühpension in der Lobesliste zu belassen.
  5. Die Besteuerung von Immobilienverkäufen auch nach einer zehnjährigen Behaltefrist ist vertretbar, und die Besteuerung von Gewinnen bei Widmungsänderungen zur Reduktion von Korruption sogar sinnvoll.
  6. Strukturpolitisch sinnvoll ist auch die Abschaffung des billigen Agrardiesels.
  7. Auch wenn es einer der Punkte ist, die mich selber besonders treffen: Die Erhöhung der Pensionsbeiträge für Selbständige bedeutet ein sinnvolles Mehr an Gerechtigkeit. Denn der höhere Prozentsatz, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer (zusammen) als Pensionsbeitrag für jeden Unselbständigen zahlen, ist eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Damit ist das Positive aber schon weitgehend am Ende. Und nun beginnt die – leider viel längere – Liste der Minuspunkte.

  1. Das schlimmste Versagen ist es zweifellos, dass die Regierung sowohl Hacklerpension (ein vor allem von Beamten genutztes Institut!) wie auch Frauenpension unangetastet gelassen hat. Sie hat auch – trotz einer leichten Erhöhung – noch immer nicht die versicherungsmathematisch gerechten Abschläge für einen Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr eingeführt. Statt dessen werden die wehrlosen Pensionisten in den nächsten Jahren durch weit unter der Inflation liegende Pensionserhöhungen zur Kassa gebeten. Mit anderen Worten: Weil SPÖ und Arbeiterkammer ideologische Kühe für heilig erklärt haben, müssen die Alten bluten, während durchaus noch arbeitsfähige Menschen das Privileg eines frühen Pensionsantritts behalten. Das ist nur noch krank. Und das totale Gegenteil von dem ständigen Gerechtigkeits-Gewäsch vieler SPÖ-Politiker.
  2. In die Minusliste gehört insbesondere auch die Tatsache, dass viele Möglichkeiten zu einer wirklich grundlegenden Reform ausgelassen worden sind. Ohne Verwaltungsreform wird aber auch der Beamtenabbau schwierig. Eine echte und mutige Reform hätte etwa eine ganze Verwaltungsebene im Beziehungsgeflecht Gemeinde-Bezirk-Land abgeschafft. Sie hätte den Bundesländern die Steuerverantwortung für all ihre Ausgaben übertragen. Sie hätte den Bundesrat abgeschafft. Sie hätte die teuren „Neuen Mittelschulen“ zugunsten der billigeren und viel besser leistungsorientierten Hauptschulen abgeschafft. Sie hätte an den Universitäten Studienzugangsregelungen eingeführt. Sie würde dem Verwaltungsgerichtshof erlauben, selbst meritorische Entscheidungen zu treffen, statt mit jedem aufgehobenen Bescheid einen neuen riesigen Verwaltungszirkus auszulösen. Sie würde noch viel mehr Staatsausgaben verpflichtend unter die Regeln des Vergabegesetzes stellen (statt dessen hat dieselbe Regierung auf Wunsch der Wirtschaftskammer das Vergaberecht gelockert und damit der Verschwendung und Korruption eine viel größere Gasse geöffnet!). Und und und.
  3. Statt solcher sinnvoller Reformen erhöht man wie wild die Einkommensteuer für Spitzenverdiener. Diese steigt gleich um sieben Prozentpunkte! Das wird gerade die für die Wertschöpfung in Österreich besonders wichtigen Leistungs- und Arbeitsplatzträger abschrecken beziehungsweise vertreiben. Das ist eine absolute Idiotie, auch wenn das angeblich nur eine vorübergehende „Solidarmaßnahme“ ist. Wer‘s glaubt, wird ein unseliges Wunder erleben. Ganz abgesehen davon, dass auch die Etikettierung eine Frechheit ist. Mit wem soll man denn „solidarisch“ sein? In Deutschland wurde eine solche Solidarabgabe zugunsten der Wiedervereinigung eingeführt. Die hat in Österreich meines Wissens nicht stattgefunden. Wir müssen hingegen mit refomunwilligen Politikern solidarisch sein.
  4. Ein peinlicher Jammer ist das späte Wirksamwerden des Sparpakets. Im heurigen Jahr wird noch fast gar nichts gespart. Hat man doch erst vor Weihnachten ein üppiges Budgetdefizit beschlossen, so als ob man damals noch keine Ahnung von der Finanzmisere hätte. Man gab zugleich den Pensionisten und Beamten üppige Erhöhungen, als ob überhaupt das ganze Jahr Weihnachten wäre.
  5. Eine weitere Katastrophe wird langfristig das erhöhte Mitspracherecht der Länder, insbesondere bei jeder Steuerreform werden. Im Gegenzug versprechen zwar die Länder auch signifikante Einsparungen – nur hat der Bund absolut keine Mittel, diese auch wirklich durchzusetzen. Die Länder haben ja auch schon in der Vergangenheit die meisten Sparsamkeitszusagen rasch wieder vergessen (Lobenswerte Ausnahme Oberösterreich und Vorarlberg). Man erinnere sich nur an die frechen Töne aus dem Wiener Rathaus, dass man sich keine Vorschriften machen lasse.
  6. Eine Dummheit ist es, die drei großen Bahntunnels alle mit deutlicher Verzögerung zu bauen, statt sich beispielsweise vorerst auf einen zu konzentrieren. Damit wenigstens einer fertig wird und Nutzen bringt. Das wäre logisch, aber das hätten die jeweils nicht mit Bohrlöchern beglückten anderen Landeshauptleute nicht erlaubt.
  7. Ebenso amüsant wie gefährlich ist, dass die Regierung schon fix Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer einplant: Erstens verteilt sie dabei das Fell, bevor der Bär erlegt ist. Denn in Europa gibt es einen tiefen Dissens über die Einführung einer solchen Steuer, die jedoch nur im internationalen Gleichklang eingeführt werden soll. Zweitens aber ist diese Steuer mit Sicherheit massiv schädlich fürs Wachstum. Drittens will auch die EU selber die Erträge dieser Steuer haben. Womit das Fell des noch durchaus lebenden Bären gleich zweimal verkauft wird.
  8. Indirekt schon selbst eingestanden haben die Koalitionsparteien ihr Scheitern beim Thema Gesundheit. Sie haben in ihre Listen zwar einen satten Sparbeitrag des alljährlich teuerer werden Gesundheitsbereichs hingeschrieben. Über das Wie schweigen sie aber total. Was ja nun wirklich ein Dejavu ist. Denn bei der Gesundheit ist noch jede Regierung gescheitert (siehe auch den amerikanischen Heiland außer Dienst namens Obama). Wer die Gesundheit reformieren will, müsste sich nämlich gleichzeitig mit den Ärzten, mit den Bundesländern und Gemeinden, mit den Sozialpartnern anlegen. Und alle benutzen die Angst der Menschen um ihre Gesundheit als Geisel für ihre eigenen Macht- und/oder Geldinteressen.
  9. Eine absolute Geldverschwendung ist eine zusätzliche Ausgabe von 750 Millionen als Lohnsubvention für ältere Arbeitnehmer. So etwas steht wirklich in einem „Sparpaket“! Das ist eine völlig perverse Regelung, die in Wahrheit nur die schwere politische Schuld der Gewerkschaften kompensieren soll. Diese weigern sich nämlich, die Kollektivverträge zu ändern, welche ältere Arbeitnehmer allein auf Grund ihres Alters teuer machen. Da muss jetzt also der Steuerzahler einspringen, weil eine Altersgruppe Tariflöhne bekommt, die über ihrer Leistung liegen. In Wahrheit gibt es ja überhaupt keinen Grund, ab dem 50. Lebensjahr nur auf Grund des Alters Gehaltserhöhungen festzuschreiben.
  10. Eine Schikane, die aber nichts bringen wird, ist das Verbot, die Altersteilzeit künftig zu blocken. Man erspart sich dabei aber nichts von den hohen Subventionen dieser Altersteilzeit. Jedoch wird die für Menschen und Wirtschaft praktische Methode abgeschafft, an Stelle jahrelanger Teilzeit zuerst voll zu arbeiten und dann trotz weiterem Lohnbezug gar nicht mehr. Cui bono?
  11. Was die Schaffung einer neuen Verwaltungshochschule als Teil eines Sparpakets zu suchen hat, ist überhaupt rätselhaft.
  12. Die Reduktion der Bausparprämie ist unsinnig. Die Finanzierung des dringend benötigten Wohnbaus wird dadurch noch schwieriger werden.
  13. Auch die private Altersvorsorge wird künftig weniger gefördert. Dabei ist die individuelle Altersvorsorge der Österreicher im internationalen Vergleich ohnedies schon blamabel gering. Diese Einsparung ist ein weiterer Schritt hin zum real existierenden Sozialismus und ein Weg vom „Mehr privat!“

Diese Listen des Guten und des Bösen sind keineswegs vollständig. Zum einen habe ich die reinen Abkassiermaßnahmen gar nicht eigens aufgezählt, wenn sie nicht zusätzlich negative Strukturwirkungen haben. Viele Maßnahmen sind auf Grund der relativ knappen Darstellung des Sparpakets auch noch gar nicht endgültig bewertbar. Viele Punkte müssen erst ausgefeilt und mit den Betroffenen verhandelt werden (oder glaubt jemand wirklich, dass die Exekutive künftig freiwillig am Wochenende billiger arbeiten wird, nur weil es in einem Koalitionskonzept steht?). Vieles bedeutet nur eine Verschiebung von einer Tasche in eine andere – wie etwa der Transfer der unter-50-jährigen Invaliden von der Pensionskasse in die AMS-Kasse.

Wenigstens eines wissen wir aber jetzt fürs nächste Sparpaket, das ja zweifellos in absehbarer Zeit ins Haus steht: Wirkliche Reformen bringt keine Koalition, sondern nur noch ein parteiunabhängiger Regierungschef durch, der die gesamte Drohkraft der EU und der internationalen Finanzwelt hinter sich hat. Nur ein solcher Regierungschef braucht keine Rücksicht auf Landeshauptleute, auf Gewerkschaften, auf Kammern, auf Ärzte, auf ideologische Wunschprojekte und auf den nächsten Wahltermin zu nehmen.

Demokratie haben wir uns freilich einst anders vorgestellt . . .

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Griechenland führt Europa vor drucken

Der unendliche Poker mit Griechenland scheint nun – wieder einmal – zu einem üblen Schein-Ende zu kommen. Auch wenn sich die EU-Finanzminister noch ein wenig zieren, werden ganz offensichtlich in Kürze weitere 130 Milliarden an echten Euros in den griechischen Abgrund geschoben. Im Gegenzug für unglaubwürdige griechische Versprechungen. Zugleich scheint Griechenland trotz aller Hilfen angesichts der Ungewissheit um seine währungspolitische Zukunft in diesem Abgrund unrettbar festzustecken.

Solange nämlich lebhafte Zweifel bestehen, ob Griechenland überhaupt im Euro bleiben kann, wird niemand in dem Land investieren. Dazu trägt  auch die Tatsache bei, dass Griechenland eine weiterhin keineswegs investitionsfreundliche Bürokratie hat. Ohne Investitionen kann es aber kein Wachstum und damit auch keine positive Zukunft Griechenlands geben. Denn nur naive Grüne predigen, dass es einen Wohlstand ohne Wachstum geben könnte.

Zur Skepsis angesichts der Lage Griechenlands trägt insbesondere bei, dass das Land auch schon bisher einen Gutteil seiner Sanierungsversprechungen ignoriert hat. Wer will daher ernsthaft glauben, dass es diesmal anders sein wird? In jenem Land haben ja nicht einmal Gesetze eine Auswirkung auf die Wirklichkeit, etwa auf das Handeln – und vor allem Nichthandeln von Beamten. Politikerversprechen haben das daher noch viel weniger.

Trotz aller Drohungen der EU-Partner war nicht wirklich anzunehmen, dass sie Griechenland fallen lassen. In diesem Fall müssten sie, müsste insbesondere die deutsche Regierung nämlich direkt oder indirekt zugeben, dass sie schon mit der ersten Griechenland-Hilfe im Mai 2010 schwere Fehler begangen haben. Denn ein Staatskonkurs – mit nachfolgend ermöglichtem Neuanfang – wäre damals billiger gewesen. Und würde inzwischen anstelle der ewigen Konkursverschleppung auch schon erste Erfolge bringen.

Knapp vor den französischen Wahlen war aber ein solches Eingeständnis eines Waterloos der europäischen Politik schon gar nicht zu erwarten gewesen. Da muss alles auf Sonnenschein programmiert werden. Die Märkte haben die Sonnenschein-Parole auch brav apportiert. Die Kurse sind gestiegen. Dass damit nur gutes Geld dem vielen schon verlorenen nachgeworfen wird, stört die Anleger offenbar nicht. Denn sie haben wieder ein halbes Jahr gewonnen, in dem man Business as usual betreiben kann.

Dass der darauffolgende Crash wegen der neuerlich vergrößerten Dimension der Geldverbrennung nur noch ärger ausfallen wird, wird einfach verdrängt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Crash noch sicherer geworden ist. Alleine die gegenwärtigen Blasen bei den europäischen Immobilienpreisen müssen fast sicher mit einem Knall samt unberechenbaren Dominoeffekten enden.

Die einzige Möglichkeit, noch einen Crash abzuwenden, ist die – noch weiter intensivierte – Herbeiführung einer Megainflation. Die ist aber keineswegs ein Trost. Denn eine Megainflation wird verheerende Auswirkungen haben – die halt nur nicht in einem Schwarzen Freitag kulminieren, sondern sich über Jahre erstrecken.

Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen

Die Fernsehaufnahmen aus den Straßen Athens sind in dieser Situation die übliche und nicht weiter ernst zunehmende Reaktion. Jeder Grieche ist intelligent genug, jedem ausländischen Mikrophon furchtbare Klageschreie über das Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen entgegenzurufen. Auch wenn er vielleicht gerade von der Bank kommt, wo er seine Euro sicherheitshalber abgezogen oder ins Ausland transferiert hat.

Wäre wirklich ein Schmerzpunkt erreicht, hätten die griechischen Gewerkschaften nicht schon wieder zu einem zweitägigen Generalstreik gerufen. Sie glauben ganz offensichtlich noch immer daran, dass sie jemand erpressen können. Und sie haben vielleicht sogar recht: Denn Europa zahlt ja wieder einmal. Wahrscheinlich auch für die bei den Demonstrationen verbrannten deutschen Fahnen . . .

Wer den griechischen Mitleidsgeschichten dennoch glaubt, sollte eine Sekunde lang die heutige griechische Reaktion mit dem Jahr 1945 vergleichen: Damals hat in Europa niemand gestreikt. Nicht einmal eine Sekunde lang. Auf keiner Seite der ehemaligen Fronten. Denn einer, dem‘s wirklich schlecht geht, der streikt nicht. Gestreikt wurde dann erst in den Jahren darauf, als die Kommunisten zum Putsch ansetzten.

Auch das jetzt – theoretisch – zugesagte griechische Sparpaket ist keineswegs so schlimm, wie es manche darstellen. Die Streichung von Zusatzpensionen in privilegierten Branchen, für die nichts ausreichend eingezahlt worden ist,  erweckt nur begrenztes Mitleid.

Auch die Reduktion des gesetzlichen Mindestlohns ist völlig legitim und richtig. Denn die Festsetzung eines Mindestlohns durch populistische Politiker ist immer (nicht nur in Griechenland) ein Unsinn. Was soll ein hoher gesetzlicher Mindestlohn helfen, wenn niemand zu diesem Lohn mehr genug Jobs anbietet? Immer noch ist ein geringer Lohn besser als gar keiner. Daher ist dessen Senkung notwendig (was ja noch nicht die schon derzeit ausbezahlten Löhne reduziert). Nur niedrigere Löhne für Neueinsteiger können Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen. Freilich ist diese Senkung keineswegs alleine schon eine ausreichende Medikation für Griechenland.

Notwendig wäre daneben erstens auch eine massive Verwaltungsreform, und zweitens die währungsmäßige Sicherheit für neue Investitionen in Griechenland. diese Sicherheit ist aber wohl nicht mehr herstellbar. Da muss nämlich jeder fürchten, Euros zu investieren und Drachmen zurückzubekommen.

Wenn aber schon die Herstellung einer wirklichen Währungssicherheit nicht mehr möglich ist, wäre eine echte Entmachtung des griechischen Gesetzgebers und der Regierung durch einen europäischen Masseverwalter umso notwendiger. Auch das wurde nicht durchgesetzt.

Papierende Zusagen griechischer Politiker beeindrucken hingegen wenig. Schon gar nicht, wenn Griechenland absurderweise ein Wahlkampf bevorsteht. In einem solchen ist leider fast immer Populismus statt Ehrlichkeit Trumpf.

Daher wird Europa auch in den nächsten Monaten wieder nur hilflos zuschauen können, wenn die Griechen auch jetzt wieder ihre Zusagen Scheibe für Scheibe vergessen werden.

Alle jene, die nach dem Motto „Das kleine Griechenland werden wir doch noch durchfüttern können“ trotz allem für die Milliarden in das bodenlose Fass sind, sollten sich noch über etwas anderes im klaren sein: Alles, was man den Griechen gewährt, wird man den anderen Schuldnerländern nicht verwehren können. Und deren Reihe wird ja immer länger. Schon hat Irland gefordert, dass es jede Konzession erhalten müsse, welche etwa die Europäische Zentralbank den Griechen einräumt. Dies würde etwa für einen Schuldenschnitt gelten, den nun offenbar nicht nur Privatgläubiger hinnehmen sollen, sondern den die EZB nach inoffiziellen Informationen auch den Griechen gewährt.

Das „Sozialmodell“ als historischer Betrug

Besonders widerlich ist das Verhalten der nichtgriechischen Sozialdemokraten. Dass der Neokommunist Oskar Lafontaine gemeinsame Anleihen aller Europäer für die Griechen verlangt, war ja noch zu erwarten gewesen. Aber völlig fassungslos macht ein Brief des SPÖ-Mannes Hannes Swoboda, der ja jetzt sogar Vorsitzender der roten Fraktion im EU-Parlament ist. Er attackiert doch tatsächlich in aggressiven Worten die „ruinöse, extreme Sparpolitik“, welche die EU-Staaten von den Griechen verlangten. Noch absurder ist, wenn Swoboda in diesen Forderungen sogar einen „großen Betrug am europäischen Sozialmodell“ zu erkennen behauptet.

In Wahrheit hat natürlich niemand irgendein „Sozialmodell“ betrogen. Sondern dieses hat sich selbst als der größte Betrug der letzten zwei Generationen erwiesen. Dieses Modell ist aber nichts anderes als der real existierende Sozialismus, als der ständig durch noch mehr Schulden finanzierte Sozialstaat.

 

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Und dann werden sie plötzlich krank drucken

Man hat ja ein schlechtes Gewissen, wenn man kritisch über Invaliditäts-Pensionisten schreibt oder auch nur denkt. Denn zu diesen zählen ja viele Menschen, die körperlich oder geistig schwer leiden, die zu keiner Arbeit imstande sind. Sie verdienen unser ganzes Mitgefühl. Auch wenn sich dieses Mitgefühl dort schon ein wenig reduziert, wo die Arbeitsunfähigkeit auf eigenes Verschulden zurückgehen dürfte, also meist auf Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Aber auch diese (mit)schuldigen Kranken wollen wir ja nicht verkommen lassen. Das würde unserer humanitären Kultur widersprechen. Unser Mitgefühl und damit die Pensionskassen werden jedoch von einer weiteren großen Gruppe noch viel stärker missbraucht: von jenen, die keineswegs so krank sind, dass sie arbeitsunfähig wären. Ein starker Beweis für die Größe dieser Gruppe ist etwa die Statistik, die in jüngster Zeit ein plötzliches starkes Ansteigen von Invalidenpensionen zeigt – genau zu dem Zeitpunkt, da der Zugang zu anderen Frühpensions-Arten schwieriger geworden ist. Inzwischen geht schon jeder dritte wegen „Invalidität“ in die Pension.

Ein anderer Beweis sind die Krankenstände, die für Österreich weitestgehend im grünen Bereich liegen. Die Krankheiten der Arbeitnehmer nehmen leicht ab (und die Selbständigen sind sowieso ein Wunder an Gesundheit). Kaum aber ist der 50. Geburtstag vorbei und bei vielen der Traum von der großen Karriere ausgeträumt, wird das Thema Frühpension interessant. Sofort verschlechtert sich der Gesundheitszustand dramatisch.

Diese zwei Indizien beweisen einen verbreiteten Missbrauch der Invaliditätspension. Ein weiteres Faktum tut das noch mehr. Das ist die rapide Zunahme von frühen Pensionierungen unter dem Titel psychischer Erkrankungen. Zuletzt waren das schon 32 Prozent aller neuen Invaliden, während es 2004 von insgesamt viel weniger I-Pensionisten bloße 24 Prozent waren.

Noch frappierender: Die Mehrzahl dieser psychisch „kranken“ Invaliditätspensionisten ist vorher kein einziges Mal wegen psychischer Erkrankungen im Krankenstand gewesen. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass solche Krankheitsbilder nur zum Zweck des Pensionsantritts erfunden und vorgeschützt werden, weil sie sich sehr schwer nachweisen lassen.

Dies gilt vor allem dann, wenn man auf gutwillige Ärzte trifft. So sind in der Steiermark zuletzt mehr als doppelt so viele Menschen mit psychischen Attesten in die Frühpension gegangen wie in Niederösterreich. Und es gibt eigentlich keine Beweise, dass Schilcher oder Sauvignon Blanc für die Psyche schädlicher wären als der Grüne Veltliner.

Was tun? Nun, vieles wäre möglich: Strengere Untersuchungen, nur befristete I-Pensionen, Rückzahlungspflichten für pfuschende „Invalide“, mehr Kontrollen, Umschulung von körperlichen Tätigkeiten hin zu sitzenden Berufen statt Pension. Das ist alles nicht unsozial, sondern macht es leichter, den wirklich Kranken gut zu helfen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Budgetsanierung durch faire Pensionen drucken

Österreich hat mit 58 Jahren (ASVG) eines der niedrigsten effektiven Pensionsantrittsalter in Europa. Erstmals übertreffen 2012 die veranschlagten Pensionszuschüsse des Bundes an die Sozialversicherung mit 10,2 Mrd. € das gesamte Budgetdefizit aller Gebietskörperschaften. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit zwischen den Generationen nichts gemein.

Dabei geht es nicht nur vordergründig um eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters angesichts der demografischen Entwicklung, sondern vor allem auch um die Wahlfreiheit des mündigen Bürgers. Faire Anreiz- und Abschlagssätze für ein flexibles Pensionsantrittsalter wären dringend geboten. Akuter Handlungsbedarf ist angesichts der erforderlichen Budgetsanierung angesagt. Wir wollen deshalb wieder einen konstruktiven Beitrag leisten. Wir – das ist die unabhängige Initiative proMarktwirtschaft – eine Runde von österreichischen Ökonomen, die das Manko an sachlich orientierter Wirtschaftspolitik ausfüllen will.

Österreich wird im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ von 2010 bis 2020 einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt auf die Anhebung der Erwerbsquote der 20 bis 64- Jährigen auf 75% setzen; d. h. bis 2020 sollen 75% der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sein. Derzeit liegt die Erwerbsquote in dieser Altersgruppe bei 74,9% (2010). Dieses Ziel wurde also bereits nahezu erreicht.

Angesichts der im internationalen Vergleich besonders niedrigen Erwerbsquote unter den 55-60-jährigen Frauen und den 60-65-jährigen Männern besteht nach wie vor ein erhebliches Potential zur Steigerung der Beschäftigung und damit zum Übertreffen der Europa 2020 Ziele.

Gleichzeitig sucht der Bund im Rahmen des derzeit diskutierten Sparpakets Möglichkeiten zur Senkung der Staatsausgaben. proMarktwirtschaft weist in diesem Zusammenhang auf die doppelte Dividende eines höheren durchschnittlichen Pensionsantrittsalters hin: Durch die längere Erwerbstätigkeit entfällt die Pensionsleistung, während gleichzeitig Beitragseinnahmen für die Pensionsversicherung entstehen!

Faire Abschlagsätze könnten dem Bund 1,2 Mrd. € pro Jahr ersparen

Faire Abschlagsätze für den vorzeitigen Pensionsantritt ohne Deckelung wären ein besonders wirksames Instrument zur Anhebung des Antrittsalters: sie geben den Erwerbstätigen Wahlfreiheit über den Zeitpunkt des individuellen Eintritts in den Ruhestand, und sie vermeiden gleichzeitig eine finanzielle Belastung der Allgemeinheit durch übermäßig frühe Pensionsantritte. Die Pensionsreformkommission schätzt das Einsparungspotential durch einen um einen Monat späteren Pensionsantritt auf 100 Mio. €. Wenn das durchschnittliche Pensionsantrittsalter um ein Jahr angehoben werden könnte, ergäbe das eine Entlastung für den Bundeshaushalt von 1,2 Mrd. €.

In der Altersgruppe der über 55-Jährigen besteht ein besonders hohes Potential zur Steigerung der Erwerbstätigkeit. Der EU-Ageing Report 2009 zeigt, dass in Österreich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter im europäischen Vergleich besonders niedrig ist. Während in der EU-25 das Antrittsalter zur Pension 61,2 Jahre beträgt, treten die Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt bereits mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. Dieser Wert liegt für Direktpensionen in der Pensionsversicherung (ASVG, GSVG und BSVG) mit 58,1 Jahren (2010) noch deutlich niedriger, weil im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes geringere Möglichkeiten zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bestehen.

Derzeit falsche Anreize

Ein wichtiger Grund für den frühen Übertritt in den Ruhestand sind falsch gesetzte Anreize im Pensionsversicherungsrecht: Der spätere Antritt des Ruhestands schafft im Vergleich zum Betrag, der aus einem vorzeitigen Bezug der Pensionsleistung erzielbar ist, keine ausreichend hohe Steigerung der Pensionsleistung!

Nach der aktuellen Rechtslage verkürzt ein Antritt des Ruhestands vor dem Regelpensionsalter die Pensionsleistung um 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Abschlags mit 15% besteht (§ 5 APG Abs. 2 und Abs. 3). Die Verlängerung der Erwerbstätigkeit bringt einen Zuschlag von 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Zuschlags mit 12,6% besteht (§ 5 APG Abs. 4). Versicherungsmathematisch faire Abschlagsätze liegen in den meisten Fällen über diesen Werten.

Berechnung der Abschlagsätze – was ist fair?

Grundlage zur Berechnung des fairen Abschlagsatzes ist der Barwert einer Pensionsleistung, die ab dem 65. Lebensjahr ausgezahlt wird. Mit diesem Barwert werden die Barwerte von Pensionsleistungen verglichen, die jeweils 1, 2, …, usw. Jahre vor dem 65. Lebensjahr beginnen. Daraus ergeben sich verschiedene Abschlagsätze, die die jeweiligen Barwerte an jene der Regelpension mit 65 Jahren angleichen.

Die Abschlagsätze hängen vor allem von der Pensionsleistung zum Regelpensionsalter bzw. zum vorzeitigen Pensionsantrittsalter, vom Diskontsatz, der restlichen Lebenserwartung und vom beitragspflichtigen Erwerbseinkommen vor dem Pensionsantritt ab. Daher gibt es nicht nur für jedes Jahr des Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter einen anderen fairen Abschlagsatz, sondern auch nach Berufsgruppen und Geschlechtern unterschiedliche faire Abschlagsätze (vgl. Modellrechnung). So haben z. B. Männer einen höheren versicherungsmathematischen Abschlagssatz, weil für einen Mann ein zusätzliches Pensionsjahr im Vergleich zur Pensionsbezugsdauer ein größeres Gewicht hat.

Die deutliche Zunahme der Ausgaben von Pensionsversicherten für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten (2011: +17,9%) – rechtzeitig vor der Erhöhung der Kostensätze – zeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher auf geänderte finanzielle Anreize im Pensionsversicherungsrecht stark reagieren. Dieses Verhalten wird in einer empirischen Untersuchung über die Reaktion der Pensionsversicherten auf die Pensionsreformen von 2000 bis 2004 bestätigt (Raab, R., Financial Incentives in the Austrian PAYG-pension system: micro-estimation, Empirica, 2011).

proMarktwirtschaft schließt: Faire Abschlagssätze ohne Deckelung sind ein sinnvolles Instrument zur Budgetsanierung. Für die Pensionsversicherten würden sie eine Ausweitung des individuellen Entscheidungsspielraumes mit sich bringen, weil die Altersgrenzen für den vorzeitigen Antritt der Pension wegfallen könnten.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Wie entwickelten sich Lebenserwartung und Pensionsantrittsalter? drucken

Lebenserwartung und Pensionseintrittsalter nach Geschlecht seit 1970

 

Quelle Grafik: "Initiative proMarktwirtschaft"

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Fußnote 257: Mit 75 statt 57 in Pension? drucken

Kein Zahlensturz, sondern ein ernsthafter Regierungsplan – in Schweden.

Wer länger lebt, muss länger arbeiten: Mit diesem Argument hat der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt einen Pensionsantritt erst mit 75 Jahren zur Diskussion gestellt. In Österreich gehen Frauen derzeit hingegen im Schnitt mit 57 und Männer mit 59 in die zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs wohlverdiente Rente. Und von der österreichischen Gewerkschaft wird jeder ernsthafte Versuch, dies zu ändern, weiterhin mit Kriegserklärung bedroht. Dabei ist Schweden jetzt schon anders. Dort geht man derzeit erst mit mehr als 64 Jahren in die Pension. Auch Reinfeldt kennt das hierzulande häufig gehörte Argument, dass 55-Jährige viel schwerer eine neue Arbeit finden. Aber er weiß auch: Wenn Arbeitgeber noch mit einem langen Verbleib eines 55-Jährigen im Unternehmen rechnen können, dann wird sich viel eher die Investition in dessen Aus- und Umbildung rentieren. Und gesundheitlich sind heute 70-Jährige im Schnitt besser drauf als früher die 60-Jährigen. In Schweden wie in Österreich. Offenbar aber leben die Schweden auf einem anderen Planeten. Wo zum Unterschied von Österreich noch logische Argumente zählen – auch wenn sie aufs erste unpopulär sind.

 

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Land der Gummi-Hämmer drucken

Die tägliche Erfolgsmeldung zum Thema Regierungs-Einigungen beim Belastungspaket gerät zur nicht versiegen wollenden Quelle von Heiterkeit. Außer man hat keinen Galgenhumor. Denn je länger die koalitionären Steingebirge kreißen, desto mickriger wird so manches Mäuschen, das sie gebären. Und das eigene Unvermögen übertönt man dann mit großen Worten, die man dem Boulevard spendet. „Richtige Hämmer bei den Pensionen“ kündigt Michael Spindelegger an. Und der Oberhammer ist: Bis 2020 soll das (faktische, nicht das gesetzliche!) Pensionsantrittsalter um 4 (in Worten: vier!) Jahre angehoben werden.

Da sind wir dann schon bei einem durchschnittlichen Ruhestandsbeginn von sage und schreibe 62,1 Jahren – also noch immer ein paar Jahre weit entfernt von unserem derzeitigen gesetzlichen Pensionsalter.
Der österreichische Pensionshammer ist also aus Gummi.
Andere Länder mögen das vorgeschriebene Ende des Arbeitslebens angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung hinaufsetzen – Deutschland, Spanien halten schon bei 67, sogar in Italien wird binnen sechs Jahren auf 66 erhöht, ganz fortschrittliche Länder wie Dänemark sehen die Lösung überhaupt im Aufheben dieser starren Grenze.
Wir aber, die wir schon jetzt 70 Prozent der Lohnsteuereinnahmen in Pensionszuschüsse buttern, wir leisten uns ein Hinterherhecheln hinter unseren eigenen gesetzlichen Regelungen, ohne sie je zu erreichen.
Das das nie funktionieren kann, wissen natürlich auch die regierenden „Krisenmanager“. Sie fürchten sich aber nicht vor der Lawine an bösen Folgen ihrer unterlassenen Handlungen, weil die ohnehin erst unsere Kinder treffen wird. Sie können auch in Krisenzeiten, in denen uns das Wasser schon über die Nase steht, nur bis zum nächsten Wahl/Zahltag denken. Und sie fürchten sich, darum benützen sie große Worte. Wer sich im Dunkeln fürchtet, der pfeift bekanntlich auch besonders laut.
Eigentlich gibt es nur einen Schluss: Wenn unsere Koalitions-Berge weiterhin auf diese Art und Weise kreißen, wäre es Zeit, dass ein Monti herauskommt. Die Frage bleibt nur: Wer ist der österreichische Experte, der sich das antut? Der endlich den Sachverstand in die Regierung bringt, den Faymann, Spindelegger & Co nicht einmal als Berater bei ihren ohnmächtigen Bemühungen hinzuziehen? Was brauchen die denn auch Experten, wenn sie ihre AK-, Gewerkschaft-, Kammer- und Bauernvertreter haben?
Zeit für eine weitere Reform der Bundeshymne: Wenn das die Hämmer sind, die wir besingen, ist nämlich das darauf folgende Wort „zukunftsreich“ alles andere als korrekt.
 

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SN-Kontroverse: Frauen-Pensionsalter drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der  Salzburger Nachrichten  eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Gehen Frauen zurecht früher in die Pension?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden

Zuerst Diskriminierung kippen!

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at)

Wenn es schwierig wird, müssen die Frauen dran glauben. Jetzt ist es wieder einmal soweit. Sie sollen um fünf Jahre länger arbeiten, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Obwohl Frauen in fast allen Bereichen benachteiligt sind. Ihr Verdienst ist weit geringer. Im Durchschnitt bekommen Frauen für gleichwertige Arbeit rund 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Karriere ist hingegen nicht für sie vorgesehen. In den Führungsetagen und in den Aufsichtsgremien großer Unternehmen sind Frauen stark unterrepräsentiert. Der Frauenanteil in den Chefetagen ist traditionell niedrig und stagniert seit Jahren. In der Geschäftsführung liegt der Frauenanteil bei nur 4,6 Prozent; im Aufsichtsrat bei neun Prozent. Dafür sind Frauen mehrfach belastet. Sie kümmern sich nach wie vor in erste Linie neben dem Job um Haushalt und Kindererziehung. Wenn dieser Lebensabschnitt vorbei ist, leisten sie den Großteil der Pflegearbeit. Die Diskriminierung der Frauen endet nicht im Pensionsalter, sondern da wird sie noch vertieft: Während Männer auf eine durchschnittliche monatliche Pension von 1288 Euro kommen, beläuft sich diese bei Frauen lediglich auf 786 Euro.

Frauen werden außerdem vom Arbeitsmarkt früher „ausgemustert" als Männer. Wird eine Frau mit 50 Jahren arbeitslos gilt sie de facto als nicht mehr vermittelbar. Das Risiko, in Armut abzugleiten, ist für Frauen deutlich höher als für Männer. Jede dritte allein lebende Pensionistin in Österreich ist armutsgefährdet. Dass Frauen früher als Männer in Pension gehen dürfen, ist daher mehr als gerechtfertigt. Es besteht nicht der geringste Grund, die derzeitige Rechtslage, wonach des gesetzlichen Pensionsalters von Frauen ohnedies ab 2024 bis 2033 an das der Männer anzugleichen ist, früher zu kippen.
 

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Weder gerecht noch nachhaltig

Andreas Unterberger

In der großen Mehrheit der Staaten gilt seit Langem für Männer und Frauen das gleiche Pensionsantrittsalter. Immer mehr Länder haben dieses Alter schon auf 67 Jahre erhöht. Österreichs Feministinnen hingegen wollen mit Hilfe von Rot und Grün das gleichheitswidrige Privileg eines früheren Antritts bis 2033 verteidigen.

Was absurd ist. Denn genau dieser frühe Pensionsantritt ist eine Hauptursache für das statistisch niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen. Verdient man doch laut den meisten Kollektivverträgen und Dienstordnungen in den letzten Dienstjahren am meisten. Angesichts ihres früheren Pensionsantritts, ihrer höheren Lebenserwartung und ihrer geringeren Pensionsbeiträge sind die Frauen zu drei Viertel für die wachsende Lücke in den Kassen der Pensionsversicherung verantwortlich. Das ist das Gegenteil von „Gerechtigkeit", welche die SPÖ gerne plakatiert. Diese aus dem Budget zu deckende Pensionslücke wird jedes Jahr größer und kann nur noch durch ständig wachsende Schulden gedeckt werden. Die Pensionen sind - zusammen mit den ÖBB und den Zinsen für die alten Schulden früherer Verschwenderregierungen - der weitaus größte Defizittreiber und damit Hauptursache des Sinkens unserer Kreditwürdigkeit. Das ist das Gegenteil von „Nachhaltigkeit", von der die Grünen ständig schwadronieren. Dieses Privileg wird gerne mit der Kindererziehung begründet. Jedoch: Angesichts der immer größeren Zahl von kinderlos bleibenden Frauen gibt es keinen Grund, den wichtigen Beitrag der Mütter zu unserer Zukunft über das Pensionsantrittsalter aller Frauen zu belohnen. Gerecht wäre hingegen eine Unterstützung nur für die Mütter mehrerer Kinder. Ihnen sollten nicht nur maximal vier Jahre pro Kind als Beitragsjahre gutgeschrieben werden, sondern jedes Jahr, das sie ihre Berufstätigkeit der Kinder wegen unterbrechen.

 

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Fakten, die zu denken geben drucken

Immer wieder stößt man auf neue Fakten, die eigentlich unser Denken über politische und wirtschaftliche Zusammenhänge auf komplett neue Beine stellen müssten. Diese Fakten werden aber immer wieder verdrängt oder geheim gehalten. Heute dazu wieder drei neue Beispiele: vom Gesundheitswesen über Kuba bis zur österreichischen Kreditwürdigkeit.

Da gibt es etwa die Dauer-Diskussion um die Gesundheitskosten. Und dabei wird von den Krankenkassen immer wieder behauptet, die ständige steile Zunahme der Gesundheitsausgaben sei einzig Folge der immer teurer werdenden Medizin sowie der Überalterung. Und die Krankenkassen selber hätten nur sehr geringe Verwaltungskosten.

Der Arzt am Computer statt am Krankenbett

Diese Argumentation des Sozialversicherungsapparats ist ein Taschenspieltrick. Bei solchen Tricks wird ja immer mit Ablenkungsstrategien gearbeitet. Denn der wirklich große und teure Verwaltungsaufwand findet gar nicht in den Krankenkassen, sondern in Spital & Co statt. Er ist aber zu einem guten Teil von den Krankenkassen verursacht.

Nach einer nun bekannt gewordenen deutschen Studie verbringen Spitalsärzte in der Bundesrepublik unglaubliche 37 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie und Papierkram.  Aber auch in Ordinationen, bei Apotheken und Labors oder im Tagesablauf von Krankenschwestern geht viel zu viel Energie in die Verwaltung. Wer auch nur für einen Tag in ein Krankenhaus aufgenommen worden ist, wird in der Regel vier Mal Dasselbe gefragt: von der Spitalsverwaltung, vom diensthabenden Arzt, von der Stationsschwester und dann irgendwann auch vom betreuenden Arzt.

Das ist völlig absurd. Gleichgültig ob das von i-Tüpferl-Reitern in der Krankenkasse verursacht worden ist oder von juristischen Formalisten oder von Datenschützern, die jede Rationalisierung mittels elektronischer Datenverarbeitung bekämpfen, oder von kontrollwütigen Einsparungskommissaren, die in Wahrheit nur zusätzliche Kosten auslösen, oder von gewerkschaftlichen Machtkämpfern, die für die Krankenschwestern ein von den Ärzten losgelöstes und daher teures Paralleluniversum aufgebaut haben.

Die Absurdität in Ziffern: Nach dieser deutschen Studie fallen beim Nachbarn neben den offiziell angegebenen 9,5 Milliarden Verwaltungskosten noch einmal weitere 18 Milliarden Euro an. Das sind nicht weniger als 23 Prozent der gesamten Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung!

Nach Einschätzung der Unternehmensberater von A.T.Kearney sind 13 Milliarden davon einsparbar. In Österreich fehlt zwar eine solche Studie. Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass in der Alpenrepublik die vergeudeten Prozentsätze geringer wären.

Die strenge Ratingagentur

Die Herunterstufung der österreichischen Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Standard & Poor’s ist vielerorts als große Ungerechtigkeit, als unverständlicher Fehler empfunden worden. Eine Runde österreichischer Spitzenökonomen hat das nun bei einer Veranstaltung ganz anders beurteilt. Nach ihren Einschätzungen sollten sich die Österreicher vielmehr gut anschnallen.

Denn das Land habe absolut keine Chancen auf eine Rückkehr zum Triple-A. In Wahrheit sei es im internationalen Vergleich noch um mindestens zwei Stufen zu gut bewertet. Die Begründung für diese negative Sicht ist eine starke. Die Ökonomen verweisen nicht nur auf die ständig steigenden Staatsschulden und den Unwillen oder die Feigheit dieser Regierung, gegen die Bundesländer oder die Gewerkschaft substantielle Reformen zu versuchen. Sie zeigen auch dessen Folgen: In sämtlichen internationalen Rankings hat sich Österreich in den letzten Jahren verschlechtert. Egal, wie diese Rankings die Zukunftschancen und Wettbewerbsfähigkeit des Landes messen.

Aber selbst wenn die Ratingagenturen Österreich nicht weiter herunterstufen sollten: Die internationalen Gläubiger werden auf jeden Fall um europäischen Staatsanleihen einen großen Bogen machen. Das tun sie, seit der Fall Griechenland gezeigt hat, dass Staatsanleihen eines Euro-Landes keineswegs so sicher sind wie immer behauptet. Und da ist ihnen vieles lieber als die unsicher gewordenen Anleihen europäischer Staaten mit ihren rasch alternden Bevölkerungen, ihren populistischen Regierungen und ihren aufgeblähten Wohlfahrtssystemen.

Dass die europäischen Staaten in den letzten Wochen doch wieder ihre Anleihen verkaufen konnten, hat einen einzigen Grund: Die Europäischen Zentralbank hat die europäischen Banken für die nächsten Jahre mit billigstem Geld geflutet. Es wird zwar behauptet, dass das im Interesse der Kredite an die Realwirtschaft geschehen sei. Aber natürlich und zwangsläufig fließt ein guter Teil dieses Gratisgeldes in Staats-Anleihen.

Dass diese Geldflutung nichts anderes als massive Inflation bedeutet, wird dabei gerne verschwiegen. Das merkt freilich jeder europäische Sparer, wenn er die mickrigen Zinsen, die er erhält, auch nur mit dem offiziellen Verbraucherpreisindex vergleicht. Selbst dieser relativ sanfte Maßstab zeigt ja, dass der Sparer progressiv enteignet wird. Was die Politik nicht weiter stören wird. Kann sie doch solcherart ihre Schulden mehr oder weniger elegant wegschmelzen. Dazu muss sie gar keine weiteren Vermögenssteuern einführen.

Das kubanische Wohlfahrtsmodell

Wechseln wir zu guter letzt zu einem ganz anderen Fall von Lüge und Wahrheit, nämlich zum Modellfall Kuba. Jenes Land ist in letzter Zeit von manchen Anhängern der sozialistischen Planwirtschaft wieder gerne und bewundernd als Modell eines Wohlfahrtsstaates genannt worden.

Sie verschweigen dabei freilich, dass die Kubaner auch heute noch ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen als 1950 haben (gemessen in realen Werten). In den meisten anderen Ländern hat sich dieser Wert hingegen vervielfacht. Kann ein Versagen eigentlich noch deutlicher sein?

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Wie viele Menschen beziehen Pflegegeld? drucken

Pflegegeldbezieher gesamt seit 2000 und nach Pflegestufen 12/2011

 

Jahr Pflegegeldbezieher
1/2000

266.052

1/2005

296.210

12/2011

360.652

 

Pflegestufe Bezieher
1

79.137

2

114.238

3

60.497

4

51.957

5

34.966

6

13.225

7

6.632

Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungsträger

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Gabi Burgstaller und die älteren Arbeitnehmer drucken

Man kommt kaum mehr nach, all die Vorschläge zu analysieren, die da rund um die dringend notwendigen Sparnotwendigkeiten tagtäglich vorgebracht werden. Denn viele zeugen von erschreckender Ahnungslosigkeit. Politiker reden oft von Dingen, deren Zusammenhänge sie nicht durchschauen. Meist tun sie dies deshalb, weil sie nie in der wirklichen Wirtschaft gearbeitet haben.

Dies gilt auch für die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, obwohl sie in letzter Zeit als eine der erfreulichsten und mutigsten SPÖ-Politiker positiv aufgefallen ist. Sie hat sich mit den Konsequenzen der Notwendigkeit befasst, dass die Menschen länger arbeiten müssen. Was ja an sich lobenswert ist. Die ehemalige Arbeiterkämmerin hat dabei aber das Argument der Gewerkschaft aufgegriffen, dass ältere Menschen ja von den bösen Arbeitgebern aus dem Job gedrängt würden.

Dabei weiß jeder, der ein wenig Erfahrung im wirklichen Leben hat: Die allermeisten Frühpensionisten (egal ob als „Hackler“, „Invalide“, Eisenbahner oderoderoder) zeigen höchstes eigenes Interesse, möglichst bald in die in Österreich ja im internationalen Vergleich durchaus ansehnliche Rente zu gehen. Dazu wird auch oft bewusst und im Konsens vor Arbeitgeber und -nehmer ein Zwischenhalt in der Arbeitslosigkeit eingelegt, aus der heraus ja die Frühpension noch viel leichter erreichbar ist. Man kann dann ganz gut von Pension und einigen anderen Geldquellen leben – legalen oder illegalen.

Aber selbst wenn diese gewerkschaftliche Gebetsmühle die volle Wahrheit verkünden sollte, also selbst wenn viele Arbeitgeber wirklich aus purem Alten-Hass fleißige und erfahrene Mitarbeiter hinauswerfen, ist der Vorschlag Burgstallers ein Unsinn: Sie will nämlich verbieten, dass Menschen gekündigt werden, die älter als 55 Jahre sind.

Ach Gabi! Dann würde nämlich mit Sicherheit eines passieren: Es würden sich halt die Kündigungen im Alter von 53 oder 54 Jahren enorm häufen. Jedes Verbot führt ja automatisch dazu, dass dann halt genau an den Grenzen der Verbotszone gehandelt wird. Ist das so schwer zu begreifen?

Mit dem Kündigungsverbot würde also nur das Gegenteil erreicht werden. Die mit 54 Jahren in Massen Gekündigten haben aber auf dem Arbeitsmarkt noch viel weniger Chancen, irgendwo anders unterzukommen.

Statt solcher Unsinnigkeiten sollten sich Burgstaller&Co (also die wenigen über echte Reformen nachdenkenden Sozialdemokraten) dringend jenem Faktor widmen, der wirklich bei manchen Arbeitgebern ein erhöhtes Interesse an der Kündigung Älterer auslöst: Das sind all die Kollektiv- und Tarifverträge, die zu einem automatischen Teurerwerden älterer Mitarbeiter führen, selbst wenn diese immer die gleiche Tätigkeit ausführen.

Das war für mich in früheren Leitungsverantwortungen selbst das größte Problem, als ich ein enges Budget-Korsett mit den unterschiedlichen Gehaltshöhen in Einklang bringen musste. Da gab es Mitarbeiter, die mit 28 Jahren alles in allem für die gemeinsame Aufgabe genauso gut und wertvoll waren wie jene, die doppelt so alt waren. Nur hat jeder Ältere zwei- bis dreimal so viel verdient wie die Jungen (obwohl diese subjektiv das Geld im Alter der Familiengründung viel dringender bräuchten).

Gewiss, ältere Kollegen sind erfahrener und meist verlässlicher. Dafür sind jüngere oft geistig beweglicher, einsatzbereiter sowie dynamischer; und sie leisten viel weniger Widerstand gegen neue Abläufe, Technologien und Organisationsformen. Beides ist wertvoll, aber eben gleich wertvoll.

Daher sollte auch eine intelligente Sozialdemokratin wie Burgstaller den Mut haben, anstelle lebensfremder Vorschläge Druck auf die Gewerkschaften auszuüben: Diese sollten quer durch alle Branchen (einschließlich dem öffentlichen Dienst!) zustimmen, dass es spätestens ab dem 40. oder 50. Lebensjahr keine rein altersbedingten Gehaltserhöhungen mehr gibt. Wenn es solche – abgesehen von drei bis fünf Einstiegsjahren – überhaupt noch geben sollte. Denn Vorrückungen allein auf Grund der absolvierten Arbeitsjahre stellen ja auch einen der Gründe dar, die zum statistischen Effekt niedriger Frauengehälter geführt haben.

Burgstallers Vorschlag ist freilich auch nicht dümmer als ein gleichzeitig in Hinblick auf die gleiche Frage gemachter Vorschlag des Sozialministers. Rudolf Hundstorfer meinte, die Arbeitgeber sollen einfach mehr von einer schon bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen: Diese erlaubt es, Mitarbeitern nur noch 80 Prozent zu zahlen, wenn sie nur noch 70 Prozent arbeiten wollen. Womit Hundstorfer nicht nur zugegeben hat, dass es halt doch (leider) ein großes Interesse vieler Älterer gibt, weniger zu arbeiten. Sein Vorschlag bedeutet aber vor allem: Die Arbeitsstunde eines älteren Mitarbeiters wird für den Arbeitgeber nochmals deutlich teurer! Nämlich um mehr als 14 Prozent. So etwas kann wirklich nur einem altgedienten Gewerkschafter einfallen.

PS.: Noch ein persönliches Erlebnis: Ich wollte einmal einen über 50-jährigen Mitarbeiter anstellen, der auch unbedingt bei mir arbeiten wollte. Er war aber ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär (erstaunlicherweise trotzdem ein guter Journalist) und kannte daher alle seine Rechte. Insbesondere jene auf Grund von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern. Das hätte ihn so teuer gemacht, dass es mit den vorgegebenen Budgetgrenzen und vom Eigentümer gesetzten Gehaltsrichtlinien nicht in Einklang zu bringen war. Als er daraufhin anbot, es deutlich billiger zu machen, winkte dann der Personalverantwortliche ab: Denn der potentielle Mitarbeiter hätte nach Ablauf der Probezeit doch noch all seine Rechte problemlos durchsetzen können, notfalls via Arbeitsgericht. Wann werden die Gewerkschafter endlich erkennen, dass ihre Erfolge immer mehr zu Lasten der Arbeitnehmer ausgehen?

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Wo arbeiten viele über 60-jährige? drucken

Anteil der Erwerbstätigen an den 60 bis 64-jährigen in Prozent

 

  2000 2010
SWE

46

61

UK

36

44

GER

20

41

POR

45

40

NED

19

37

EU

23

31

GRE

32

31

ROM

48

30

ÖST

12

22

ITA

18

21

FRA

10

18

HUN

8

13

Quelle: Eurostat

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Krise anno 2012: Bewältigung unwahrscheinlich! drucken

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat: Mit Beschwörungsformeln, Durchhalteparolen und der Ankündigung neuer Rettungsinitiativen für die maroden Volkswirtschaften der Eurozone. Die zunehmende Politikverdrossenheit der Bürger und der galoppierende Glaubwürdigkeitsverlust der Regierenden resultieren aus deren Unfähigkeit, jene Mittel zu finden, mit denen der Schuldenproblematik am zweckmäßigsten zu begegnen ist.

Jene Masochisten, die sich noch nicht in die innere Emigration begeben haben und nach wie vor die einschlägigen Wortmeldungen von Politikern und „Experten“ verfolgen, erleben eine wirtschafts- und geldpolitische Kneippkur.

Staatsbürokraten und Apologeten des Eurozentrismus tönen unbeirrt optimistisch – auf Rezessions- und Eurountergangskurs fixiert alle Übrigen. Wie auch in der Wirtschaftspolitik stehen nachfrageorientierte Therapievorschläge angebotsseitig ansetzenden Strategien gegenüber. Nichts Neues unter der Sonne.

Ursache des Übels, an dem die westliche Welt seit Jahren krankt, ist – und wenigstens in diesem Punkt sind sich nahezu alle Gelehrten einig – eine aus dem Ruder gelaufene Staatsverschuldung (in einigen Volkswirtschaften auch eine Überschuldung der privaten Haushalte). Mit dieser Erkenntnis endet auch schon die Eintracht. Denn darüber, auf welche Weise der Schuldenstand reduziert werden sollte, tobt ein Glaubenskrieg. Ebenso darüber, wie man einer Wiederholung des Trauerspiels künftig nachhaltig entgegenwirken könnte.

Die unbequeme Wahrheit lautet schlicht: Schmerzlose Entzugestherapien stehen nicht zur Verfügung. Dem auf die Therapie Drogenabhängiger spezialisierten Arzt genauso wenig, wie dem seriösen Wirtschaftspolitiker. An dieser Stelle enden allerdings die Parallelen: Denn der behandlungswillige Drogenjunkie erwartet von seinem Therapeuten nicht, Wunder wirken und die bestehende Suchterkrankung ohne jede Unannehmlichkeit beseitigen zu können. Um von seiner Abhängigkeit befreit zu werden, wird der Patient eine radikale Drogenkarenz auf sich nehmen und damit – kurzfristig – schwer zu ertragendes Ungemach erdulden.

Das Dilemma der Demokratie

Demokratisch gewählte Politiker dagegen sind mit einem zweifachen Problem konfrontiert: Zwar rangieren sie in der Wertschätzung der Wähler nur unwesentlich oberhalb von Zuhältern und Falschmünzern. Was dieselben Bürger indessen nicht davon abhält, dennoch von ihnen die Umsetzung einer erfolgreichen Strategie zur Beilegung der Euro- und Schuldenkrise zu erwarten.

Ferner sind für an ihrer Wiederwahl interessierte Politiker unangenehme Maßnahmen tabu. Radikale Kuren, die auf den Entzug „billigen Geldes“ hinauslaufen, verbieten sich damit von selbst. Noch jede (demokratisch gewählte) Regierung, die zwar notwendige, aber allzu unpopuläre Maßnahmen umgesetzt hat, wurde bei erster Gelegenheit aus dem Amt gejagt. Ein grundlegendes Problem der modernen Massendemokratie, an das zu rühren bisher kein Meinungsführer gewagt hat.

An dieser Stelle wurde bereits auf die aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Analyse von Lysander Spooner verwiesen, der das Dilemma der Demokratie in der „doppelten Unverantwortlichkeit“ von Wählern und Gewählten verortet. Kurz gefasst: Die Gewählten berufen sich auf ihr durch die Wähler erteiltes Mandat, welches sie dazu berechtigt und verpflichtet, in deren Interesse zu agieren.

Falls etwas schiefgeht, können sie ihre Hände in Unschuld waschen, da sie ja im Wählerauftrag handeln. Die Wähler indessen sind – der geheimen Wahl sei Dank – unauffindbar und daher ebenfalls nicht für ihre Entscheidung haftbar zu machen. Wir haben es mit einem System zu tun, das einer Wählermehrheit – zumindest für einige Zeit – garantiert, auf Kosten fremder Leute leben zu können. Die Mehrheit gibt jenen Parteien den Vorzug, die maximale Wohltaten zu Lasten Dritter versprechen.

Daher ist eine Politik, die – und sei es nur kurzfristig – Unannehmlichkeiten erwarten lässt, nicht umsetzbar. Daraus folgt, dass zu voll entwickelten Wohlfahrtsstaaten degenerierte Demokratien absolut reformunfähig sind – eine These, für welche unschwer der Wahrheitsbeweis anzutreten ist. Auf Seiten der Nettoprofiteure des staatlichen Interventionismus´ stehende Wählermehrheiten werden nicht davon ablassen, immer mehr „soziale“ Umverteilung zu fordern. Eine Hauptvoraussetzung für diese Umverteilung bildet aber die auf Verschuldung beruhende Verfügbarkeit „billigen Geldes“!

Der daraus folgende – bislang kaum diskutierte – Schluss: Die Umsetzung, ja sogar die bloße Ankündigung wirksamer Maßnahmen zur nachhaltigen Beilegung der Schuldenkrise würde – auf dem Boden des herrschenden Systems – einem politischen Selbstmord gleichkommen. Die Wählermehrheit schätzt keine Blut, Schweiß und Tränen-Programme. Den Entzug staatlicher Wohltaten ebenso wenig.

Eine alte Spruchweisheit besagt: „Wenn der Bettler aufs Pferd kommt, so kann ihm kein Teufel mehr voreilen“. Auf das Dilemma der Massendemokratie übertragen: Wenn man Menschen, die von Transfers leben, einen Stimmzettel in die Hand drückt, dann schicken sie damit ihren Nachbarn stehenden Fußes die (staatsbediensteten) Räuber ins Haus. Jede andere Verhaltensweise wäre irrational.

Ohne die Einsicht, dass Recht und Verantwortung zwei Seiten derselben Medaille sind; ohne Rückbesinnung auf Eigenverantwortung und persönliche Haftung (auch der politischen Klasse!); ohne diese „bürgerlichen Werte“ tendiert jede Gesellschaft dazu, ihr Hauptaugenmerk von der Produktion auf die Verteilung zu verlagern. Da das auf Dauer nicht gut gehen kann, wird sie früher oder später im Schuldenchaos versinken. Wir werden soeben Zeugen und zugleich Opfer dieses Phänomens.

Fazit: Ohne eine an die Wurzel des Übels gehende (das heißt: radikale!) Reform unseres bis ins Mark korrupten politischen Systems wird eine dauerhafte Abkehr von der Schulden(miss)wirtschaft nicht möglich sein.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wo Wien wirklich sparen könnte drucken

Ganz Österreich spricht vom neuen Spar/Steuerpaket der Bundesregierung. Irgendwie ist man es zwar schon seit vielen Jahren gewohnt, dass uns ein solches Paket notgedrungen alle ein oder zwei Jahre auf den Kopf fällt – auch wenn es diesmal deutlich heftiger zu werden droht. Das Groteske ist, dass es in den meisten Bundesländern nie solche Sparpakete gibt, auch wenn sie sich rapide verschulden wie etwa das Land Wien (obwohl Wien sowohl die Steueranteile eines Bundeslandes wie auch die einer großen Gemeinde kassiert).

Dabei gäbe es hier gewaltige Einsparungspotenziale. Dennoch setzt niemand das Rathaus unter Druck, endlich mit dem Sparen dort zu beginnen, wo es wirklich leicht ginge.

Dies wäre etwa bei den Gehältern der Wiener Beamten der Fall, die über denen allen anderen Beamten in Bund oder Ländern liegen; oder bei den skandalösen Inseratenfluten aus dem Gemeinde-Imperium, auf denen die linken Propagandazeitungen von „Heute“ bis „Falter“ schwimmen können; oder bei den Kultursubventionen an Theater, die zwar leer stehen, deren Betreiber aber politisch immer richtig denken und reden; oder bei den Geldern für den unter schweren Korruptionsvorwürfen stehenden und viel zu spät suspendierten Chef der (vom Publikum ohnedies komplett gemiedenen) Wiener Kunsthalle.

Und vor allem bei den unzähligen Subventionen für befreundete Linksvereine. Wenn man sich die auch nur in einem kleinen Auszug anschaut, dann fragt man sich ja, ob die Partei in Wien für ihre politische Arbeit und Stimmungsmache überhaupt noch ein eigenes Budget braucht.

Hier zur Illustration eine Auswahl von Vereinen, die in einer einzigen(!) Gemeinderatssitzung des abgelaufenen Jahres mit Steuergeld bedacht worden sind (der Gemeinderat hatte aber natürlich noch viele weitere Sitzungen, deren Protokolle sämtliche Längen der zugegebenermaßen ohnedies oft langen Tagebucheintragungen sprengen würden):

Subvention an den Verein Projekt Integrationshaus für 2011 in der Höhe von 199.583€.

Subvention an die Interface Wien GmbH in der Höhe von 2,920.882€.

Subvention an Diakonie-Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH in der Höhe von insgesamt 45.825€.

Subvention an den Verein ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus Arbeit in der Höhe von 86.935€.

Subvention an den Verein Station Wien - Verein zur Förderung des kulturellen Austausches zwischen In- und Ausländern in der Höhe von 643.942€.

Subvention an den Verein Schwarze Frauen Community für Selbsthilfe und Frieden in der Höhe von 22.000€.

Subvention an den Verein Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen in der Höhe von 367.999€.

Subvention an den Verein Miteinander Lernen - Birlikte Ö?renelim Beratungs-, Bildungs- und Psychotherapiezentrum für Frauen, Kinder und Familien in der Höhe von 132.692€.

Subvention an den Verein Helping Hands Koordinationsbüros für integrative und antirassistische Projekte in der Höhe von 30.500€.

Subvention an den Verein für Beratung ausländischer Schülerinnen bzw Schüler in Wien 15 REBAS 15 in der Höhe von 52.078€.

Subvention an den Verein Vereinigung für Frauenintegration Amerlinghaus in der Höhe von 63.678€.

Fortführung des Integrations- und Diversitätsmonitorings, die Erstellung eines Wiener Integrations- und Diversitätsmonitors 2011 der Stadt Wien und die Durchführung des Diversitätsmonitorings sowie die Berichterstellung durch einen externen Auftragnehmer mit Gesamtkosten in der maximalen Höhe von 100.000€.

Subvention an den Verein LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen in der Höhe von 102.266€.

Subvention an den Verein Peregrina - Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen in der Höhe von 163.618€.

Subvention an den Verein Piramidops in der Höhe von 86.019€.

Subvention an den Verein WUK - Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser in der Höhe von 37.301€.

Subvention an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 84.096€.

Förderung an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 89.500€ (die zweimalige Subvention ist kein Schreibfehler).

PS.: Natürlich kriegen diese linken Vorfeldvereine das Geld in aller Regel alljährlich. Die hier aufgezählte Liste wäre nach dem Ablaufplan des Vorjahres schon wieder im Jänner zum Abkassieren dran. Man hat zwar zu wenig Geld für die Gesundheitsversorgung, aber genug für Privatvereine, deren Hautzweck oft nur darin besteht, die Österreicher regelmäßig als Rassisten zu denunzieren.

PPS.: Diese Beträge sind keine Peanuts. Allein in dieser einzigen Sitzung hat man allein für die genannten Vereine mehr als ein Drittel jenes Betrags verschwendet, der notwendig wäre, um alle vor kurzem so dramatisierten AKH-Probleme zu lösen.

PPPS.: Niemand soll bitte glauben, dass er auch so viel Geld bekäme, wenn er nur Frauen, Ausländer, Kultur, Antirassismus, Integration und ähnliche Stichworte in seinen Antrag schreibt. Um so bedient zu werden muss man primär tief in den roten und grünen Netzwerken stecken.

PPPPS.: Trotz der unglaublichen Verschwendung in Wien hat die Stadt in den letzten Monaten den größten Raubzug der Nachkriegsgeschichte auf die Brieftaschen der Wiener durchgeführt. Noch schlimmer als all die provozierenden 33- und 66-prozentigen Gebührenerhöhungen ist die geradezu grenzdebile Anhebung der sogenannten U-Bahn-Steuer. Denn die ist für jeden in Wien Berufstätigen zu entrichten. Und das am Beginn einer schweren Rezession! Das muss einem in seiner Abcash-Gier erst einfallen, in Zeiten einer absackenden Konjunktur und zunehmenden Arbeitslosigkeit jeden einzelnen Arbeitsplatz vermehrt zu besteuern. Und das ausgerechnet in jenem Bundesland mit der ohnedies schon weitaus höchsten Arbeitslosigkeit Österreichs. Das wird die Bereitschaft irgendeines Arbeitgebers, in Wien noch jemanden neu anzustellen, mit Sicherheit noch weiter reduzieren. Aber die Schuld an der Arbeitslosigkeit schiebt man dann ja mit Hilfe der bestochenen Medien wieder dem Bund oder sogenannten Spekulanten zu.

 

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Der geliehene und der gekettete Beamte drucken

Michael Spindelegger verlangte zum Jahresbeginn einen totalen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst. Das ist total super. Wenn es ernst zu nehmen wäre. Denn längst hat man in diesem „Dienst“ (Dienst?) riesige – bekannte und geheime – Hintertüren aufgetan, sodass viele Beamte über einen (neuerlichen) Aufnahmestopp nur lachen.

Dass ein solcher an sich eine sinnvolle Maßnahme wäre, braucht man wohl nicht lange zu beweisen. Der Aufnahmestopp müsste freilich jedenfalls nicht nur den Bund, sondern auch die Länder erfassen, wo es vor allem in den östlichen Bundesländern viel zu viele Landesdiener gibt. Und wo viel zu viele völlig überflüssige Regelungen zu vollziehen sind.

Und selbst wenn einmal eine bestimmte Tätigkeit dieses öffentlichen Dienstes wirklich wichtig und daher die Besetzung eines leerstehenden Postens dringend notwendig wäre, gäbe es eine Lösung. Dabei wäre auch in diesen Fällen auf Jahre hinaus niemand neu aufzunehmen: Denn beim Bundesheer, bei der Post oder der Telekom sitzen noch ganze Heerscharen unkündbarer Staatsdiener. Was spricht eigentlich dagegen, raschest ein neues Verfassungsgesetz zu erlassen, damit diese Damen und Herren wieder etwas Sinnvolles tun können beziehungsweise müssen? Und falls sie dazu unfähig oder unwillig sein sollten, sollte es dieses Verfassungsgesetz gleich auch ermöglichen, sie unter Mitnahme einer Abfertigung ans Arbeitsmarkt-Service weiterzuleiten. Das wäre eine der allersinnvollsten Sparmaßnahmen – wenn auch alle Hintertüren geschlossen würden.

Der öffentliche Dienst hat nämlich schon längst andere Strategien gefunden, einen solchen – ja in den letzten Jahren schon mehrfach verkündeten – Aufnahmestopp zu umgehen. Bekannt ist der Trick mit den Ausgliederungen: Indem bisher beamtete Tätigkeiten von einer formal privatwirtschaftlichen Gesellschaft erledigt werden (die aber ganz zufällig dem Staat gehört), hat der öffentliche Dienst zwar in der Tat viele Mitarbeiter verloren. Diese waren dann aber allesamt wieder über die Budgets staatseigener GmbH zu bezahlen. Von den insgesamt „abgebauten“ 33.000 Beamtenstellen sind mehr als 23.000 in den letzten elf Jahren einfach in solche Gesellschaften transferiert worden.

Immerhin scheint Spindelegger diese Taktik durchschaut zu haben. Deshalb will er den Aufnahmestopp nun auch auf alle ausgegliederten Gesellschaften angewendet wissen.

Ausgliederungen und heimliche Eingliederungen

Diese Taschenspielerillusion der Ausgliederungen ist aber noch harmlos im Vergleich zu einer zweiten Gegenstrategie gegen einen Dienstpostenabbau. Diese Strategie ist aber von der Öffentlichkeit bisher noch überhaupt nicht durchschaut worden. Nicht einmal der Rechnungshof tut dies. Ihr Kern: In etlichen Ministerien werden eingesparte Dienstposten seit einiger Zeit einfach durch externe Leiharbeitskräfte ersetzt. Diese mietet man von Zeitarbeitsfirmen an und stellt sie bei Nichtbedarf dorthin wieder zurück. Das Entgelt geht dann nicht über das Konto öffentlicher Dienst, sondern über den Sachaufwand.

Ein ziemlich übler Trick. Denn solcherart wird nicht nur die Öffentlichkeit getäuscht. Es wird auch nichts eingespart. Zugleich wird auch der komplette rechtliche Rahmen des öffentlichen Dienstes gesprengt.

Dieser Rahmen ist zwar zweifellos viel zu umfangreich, aber in einigen Kernbereichen durchaus sinnvoll. So haben die Zeitarbeiter mancherorts Zugang zu allen Akten – sie sind aber in keiner Weise an das Amtsgeheimnis gebunden. Zugleich könnte sich bei ihnen etliches Frustpotenzial ansammeln. Werden sie doch vielfach diskriminiert. Das Fehlen eines Dienstausweises etwa klingt harmlos, macht aber oft Probleme. Langfristig besonders demotivierend ist der Umstand, dass diese Zeitarbeiter keine Aufstiegschance haben.

Der öffentliche Dienst verschafft sich damit aber durch die Hintertür einen Pool an Mitarbeitern, der zum Unterschied von Beamten und Vertragsbediensteten ohne Probleme gekündigt werden kann. Statt dass man den Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst reduziert (oder zumindest den Versetzungsschutz), wechselt man gleich in die allerhärtesten Arbeitsverhältnisse der Privatwirtschaft.

Der öffentliche Arbeitgeber hat in den letzten Jahren in einem anderen Bereich sogar Praktiken entwickelt, die alle „kapitalistischen Ausbeutungen“ weit übertreffen. Jeder privatwirtschaftliche Arbeitgeber würde vor dem Arbeitsgericht untergehen, wenn er diese Praktiken anwendet. Ihr Kern: Immer öfter werden Lehrer mehrmals hintereinander mit befristeten einjährigen Verträgen engagiert. Das ist normalerweise als ein sogenannter Kettenvertrag streng verboten, dieses Verbot gilt aber offenbar nur bei normal sterblichen Arbeitgebern. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Das schafft eine wilde Zweiklassengesellschaft: Die einen sind auch bei großer Unfähigkeit de facto lebenslang zu bezahlen, die anderen verlieren alljährlich ihren Job und müssen um eine Verlängerung bangen. Dabei sind sie alle „Kollegen“. Sie arbeiten Seite an Seite, unterrichten die gleichen Klassen und sitzen in den Lehrerzimmern Seite an Seite.

Die alte Regel hat sich wieder bestätigt: Wenn sich deine Gruppe zu viele – angeblich soziale – Rechte erkämpft, wirkt sich das für eine andere Gruppe sehr unsozial aus.

 

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Die Schuldenkrise und das Wurstpapier drucken

Voll des Katzenjammers oder der Walzerglückseligkeit? Wie auch immer: Es gibt etlichen Grund, dem angefangenen Jahr mit Skepsis entgegenzublicken. Und zwar aus seriöseren Gründen als wegen irgendwelcher angeblicher Prophezeiungen eines skurrilen Maya-Kalenders, mit dem sich auch angeblich seriöse Blätter neuerdings intensiv befassen.

Die gravierendsten Sorgen hängen natürlich mit der gigantischen Schuldenkrise in Europa und den USA zusammen. Haben doch allein die EU-Staaten bisher schon 1872 Milliarden Euro an Haftungen für die Schuldennationen übernommen. Nur zum Vergleich der Größenordnungen: Österreich will im begonnenen Jahr rund 74 Milliarden ausgeben, also 4 Prozent dieses Betrags. Das heißt: Wenn die Haftungen auch nur zum Teil schlagend werden (was eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit hat), dann bebt in ganz Europa die Erde. Dann werden nicht nur alle Regierungen aus dem Amt gejagt werden. Dann wird noch viel mehr kollabieren. Daher sollte sich niemand mehr durch die beschwichtigenden Aussagen der Politik einlullen lassen. In Wahrheit gibt es nur drei Wege, die Krise zu lösen: Erstens durch tief ins Fleisch schneidende Sparmaßnahmen (was trotz allem noch der sanfteste Weg wäre); zweitens durch den offiziellen Bankrott mehrerer Staaten (mit unabsehbaren Domino-Katastrophen im In- und Ausland); und drittens durch Entsorgung der Schulden via Megainflation (deren Folgen schon in der Zwischenkriegszeit ungeheuerlich waren).

Die nächste Sorge ist gegenüber diesem Thema zweifellos eine winzige. Sie zeigt aber, dass manche Politiker noch immer nicht verstanden haben, dass die Verjubeljahre vorbei sind. Denn Wirtschafts(!)minister Reinhold Mitterlehner hat eine Debatte über die Einführung des sogenannten Papa-Monats vom Zaun gebrochen. Als ob dadurch auch nur ein einziges Kind mehr zur Welt kommen würde. Der oberösterreichische Populist hat zwar offengelassen, wie die Sache finanziert wird. Aber letztlich ist es ja gleich, ob das letztlich Arbeitgeber, Steuerzahler oder Sozialversicherung sind. Überall ist Sparen dringend angesagt und nicht das Erfinden noch weiterer Sozialleistungen.

Eine noch viel schlimmere Realitätsverweigerung betreibt die SPÖ. Ihre Steuererhöhungspläne (oder die ihrer Ratgeber aus der geschützten Werkstätte Arbeiterkammer) würden Österreich in eine Megakrise treiben. Wer Unternehmenssteuern wie die KöSt noch weiter erhöht, der treibt Firmen und Arbeitsplätze im Expresstempo aus dem Land (Werden hingegen Wohlfahrtsleistungen reduziert, würden nur etwas weniger Sozialmigranten ins Land kommen und einige Menschen mehr sich durch Arbeit statt Sozialleistungen zu ernähren versuchen). Ich habe in den letzten Wochen die 24 Steuererhöhungspläne der SPÖ immer wieder durchackert, ob da nicht wenigstens irgendein Punkt ohne schädliche Auswirkungen dabei ist. Ich fand einen einzigen: Die Besteuerung des Wertgewinns bei Grundstücksumwidmungen. Aber auch die wird nicht so viel bringen, wie die SPÖ erwartet. Denn in der Regel haben die meisten Gemeinden bei solchen Umwidmungen schon immer mitgeschnitten, vor allem in der Form von unentgeltlichen Abtretungen eines Teils des durch den Umwidmungsbeschluss wertvoller gewordenen Grundes. Diese versteckten Steuern werden dann natürlich ausbleiben. Und von den illegalen wollen wir ja gar nicht reden . . .

Dass die SPÖ und ihre grünen Trabanten das Abkassieren jedenfalls todernst meinen, sieht man ja an ihrem Verhalten in Wien: Die Flut der Gebührenerhöhungen – bis zu 66 Prozent – ist eine einzige Attacke auf den Wirtschaftsstandort Wien und ein Vorbote der offensichtlich geplanten Inflationierung.

Ein besonders großes, auch für Österreich bedrohliches Sorgenkapitel in der Schuldenkrise heißt Ungarn. Gewiss ist dessen Krise durch die hemmungslose Verschwendungspolitik der bis vor kurzem regierenden Sozialdemokraten ausgelöst worden. Die Sanierungsmethoden der neuen Rechtsregierung sind aber ebenso schadensvermehrend wie selbstbeschädigend. Denn wenn man ausländische Investoren und Banken in noch höherem Ausmaß als Österreich ausraubt, dann braucht man sich über die Konsequenzen nicht zu wundern. Kein Ausländer wird mehr in Ungarn investieren, und die Banken schon gar nicht. Das wird der ungarischen Bevölkerung noch mehr schaden, als wenn Viktor Orban gleich ehrlich zu sparen angefangen hätte. Was eben nur bei den eigenen Ausgaben und den eigenen Bürgern möglich ist. Selten ist ein populistisch-chauvinistisches Wirtschaftskonzept so rasch gegen eine Wand gedonnert wie in Ungarn. Vielleicht ist das auch H.C.Strache eine Warnung, der recht schlicht plakatieren lässt, dass man sich bei „Banken und Spekulanten“ das fehlende Geld holen könnte.

Ein zumindest unverständliches Signal ist die starke Steigerung der Topmanager-Bezüge in Staatsbetrieben über die letzten vier Krisenjahre. Bezeichnenderweise hat bis heute niemand eine Begründung für diese vom Rechnungshof zum Jahresende konstatierte Entwicklung auch nur zu formulieren versucht. Es zeigt sich: Wo der Staat drinnen ist, wird immer Geld verschwendet.

Bezeichnend und deprimierend ist auch die Reaktion der SPÖ-Ministerin Heinisch-Hoseck auf diese Rechnungshof-Statistik: Sie kritisierte nicht etwa die Gehaltssteigerungen, sondern die Tatsache, dass Frauen noch immer trotz steigenden Anteils dabei deutlich zurückliegen. Unverschämter geht’s kaum mehr.

Die Dummheit der Regierung zeigt sich auch an einem einst mit viel Fanfaren begleiteten Projekt, an der Rot-Weiß-Rot-Card. Diese sollte die dringend benötigten Fachkräfte und Leistungsträger anstelle der Sozialmigranten ins Land holen. Die Bilanz: Nicht einmal 500 solche Rot-Weiß-Rot-Karten sind ausgestellt worden, darunter sind zweifellos viele Empfänger, die auch nach der früheren Rechtsordnung von ihren Firmen nach Österreich geholt worden wären. Das Ganze war also ein Riesenflop. Dieser war für jeden marktwirtschaftlich Denkenden von vornherein klar: Wenn ein Land die weitaus höchsten Spitzensteuersätze in ganz Mitteleuropa abkassiert, schreckt das potenzielle Leistungsträger und Fachkräfte mehr ab, als jede bunte Karte anzulocken imstande ist. Und wenn ein Land in unglaublicher Freizügigkeit an jeden neugekommenen Zuwanderer Sozialleistungen verteilt, dann werden halt auch weiterhin in großer Zahl Sozialmigranten nach Österreich kommen. Aber bei uns wollen viele Politiker den Spitzensteuersatz ja noch weiter erhöhen . . .

Eine ärgerliche Frechheit des ablaufenden Jahres waren die geheimgehaltenen Machtverhältnisse bei der dank der Unterstützung vor allem durch die Wiener SPÖ sehr erfolgreichen Gratiszeitung „Heute“. Sie glaubte, die vermutlich bevorstehende volle Offenlegungspflicht eines Medieneigentümers durch einen schlichten Trick umgehen zu können: Karitative Einrichtungen wurden als Begünstigte bezeichnet. Einige Medien ließen sich dadurch tatsächlich blenden. Freilich weiß jeder Stiftungs-Experte, dass solche Begünstigungen in jedem Stiftungsvertrag für den Fall stehen, dass die Stiftung aufgelöst wird. Nur wird das bei einer Zeitungs-Stiftung mit Sicherheit nicht passieren, solange das Blatt nicht bankrott ist. Die wahren, nach wie vor verschleierten Finanzierungs- und Machtverhältnisse haben mit dieser rein formalen „Begünstigung“ jedoch überhaupt nichts zu tun. Was man schon daran ablesen kann, dass der angeblich begünstigte Verein „Rettet den Stephansdom“ von seinem Glück (das sich ohnedies nie in einem einzigen Spenden-Euro niederschlagen wird) nicht einmal etwas wusste . . .

Und schließlich zu unseren Gesetzgebern. Sie haben so viele blöde und unnötige Beschlüsse gefasst, dass diese gar nicht mehr überblickbar sind. Dazu zählt etwa die skandalöse und gegen das Versmaß verstoßende Umdichtung der Hymne als Folge der Kulturlosigkeit und Feigheit der gewählten Volksvertreter gegenüber einigen Feministinnen in der Sinnkrise; die Verteuerung des allerschlechtesten ORF-Programms aller Zeiten samt Ausdehnung der Zahlungspflicht auf alle jene, die den Gebührensender gar nicht empfangen können; die Erlaubnis, dass auch kleine Menschen künftig Polizist werden dürfen, obwohl die Bevölkerung im Schnitt um zehn Zentimeter größer geworden ist (das Einschreiten von Zwergpolizisten in Krisenszenen wird wohl nicht sonderlich abschreckend sein); und last, not least die allerwichtigste Regel, auf die wir schon so lange gewartet haben: Ab nun darf beim Wursteinkauf das Papier nicht mehr mitgewogen werden. Was irgendeinen Superdiskonter wohl bald veranlassen wird, uns zum Mitbringen des eigenen Verpackungspapiers aufzufordern.

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AKH – ein Haus ist krank drucken

Die Nachricht  füllt seit Wochen die Zeitungen: Die medizinische Versorgung im Wiener Allgemeinen Krankenhaus ist bedroht. Und Wissenschaftsminister Töchterle sei schuld daran. Worauf er nach drei Wochen Trommelfeuer entnervt in den Budgetsäckel gegriffen hat. Trotz aller Sparzwänge. Während die eigentlich für die Gesundheitsversorgung der Stadt zuständige Gemeinde ihr Geld (unser Geld) weiterhin für ganz andere und oft abenteuerliche Zwecke hinauswirft.

Der integre und philosophisch weise, aber politisch biedere Tiroler Minister ist da in eine taktisch gut positionierte Falle gegangen. Denn für die medizinische Versorgung der Bürger ist laut Verfassung einzig und allein das jeweilige Bundesland zuständig, nicht der Wissenschaftsminister. Der hat lediglich die Lehre und die Forschung über. Beides hat aber nichts mit den bedrohten Nacht- und Wochenenddiensten im AKH zu tun, deren Einschränkung zur Diskussion gestanden ist.

Dennoch hat es eine geschickte Taktik des Rathauses geschafft, dass der Wissenschaftsminister den Schwarzen Peter in der Hand hat. Vor allem ein roter Ärzte-Apparatschik namens Szekeres inszenierte diese Schuldzuweisung, indem er unter Streikdrohungen immer nur den Bund attackierte. Dahinter steht natürlich auch der Bürgermeister, der in einem seiner wenigen nüchternen Augenblicke als „Kompromissvorschlag“ anbot, dass sich künftig Bund und Gemeinde die AKH-Kosten 50 zu 50 teilen sollten. Derzeit macht freilich der Bundesanteil rund 15 Prozent aus! Ein guter Schmäh, würde man in Wien sagen.

Dabei kommen aber in Wahrheit Lehre und Forschung am AKH ohnedies immer mehr zu kurz. Denn die Gemeinde verschiebt immer mehr medizinische Betreuung in das Großkrankenhaus – müsste sie doch anderswo sämtliche Kosten alleine tragen.

Noch wichtiger ist aber ein anderer Faktor, der offenbar auch dem Wissenschaftsminister nicht bewusst ist: Im AKH müssen Ärzte Zehntausende Male im Jahr Dinge machen, die in sämtlichen anderen Gemeindespitälern Krankenschwestern machen (natürlich auch in den Privatspitälern). Dabei geht es um Blutabnahmen und ähnliche Tätigkeiten. Die Krankenschwestern im AKH beschränken sich weitgehend auf reine Pflegetätigkeiten – und füllen zahllose Fragebogen aus, in denen dann viele irrelevante Informationen stehen oder solche, die ohnedies auch die Ärzte in der Krankengeschichte festhalten.

Die Gemeinde hat natürlich jedes Interesse, dass das so bleibt. Es ist für sie weit billiger, Dinge von Ärzten erledigen zu lassen, wenn jemand anderer diese bezahlt. auch wenn es natürlich insgesamt eine Verschwendung ist. Damit dies nicht zu vordergründig aussieht, wird die sogenannte Oberschwester vorgeschickt, die immer eine bis zum letzten Gen stramme Genossin ist. Diese hat eine strenge Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Schwestern durchgesetzt, in der die AKH-Schwestern viel weniger tun dürfen/müssen als ihre Kolleginnen anderswo. Diese Oberschwestern haben in der an kommunistische Zustände erinnernden „kollegialen“ Führung der Wiener Spitäler eine unglaublich starke Stellung, gegen die der überaus schwache Medizinuni-Rektor keine Chance hat. Die sonstige AKH-Leitung hängt sowieso am Faden der Rathausmänner. Und der Wissenschaftsminister ist weit weg.

Zugleich ist das AKH ein Tempel der Korruption und Misswirtschaft geworden. Skandalöse Auftragsvergaben (große Wellen hat etwa der geschobene Vertrag mit einer Reinigungsfirma geschlagen) rücken das Haus ins Zwielicht. Die Herrschaft von Cliquenwirtschaft und Freimaurerei hat das in seiner Größe ohnedies schon fast unregierbare Haus zugleich in seiner medizinischen und Forschungs-Qualität zurückfallen lassen. Bezeichnend für den Zustand ist, dass man wie ein Werner Faymann den Qualitätsverlust neuerdings durch den Kauf von PR-Seiten in Zeitungen zu übertünchen  versucht. Was einst in den großen Zeiten des AKH mit Sicherheit niemandem eingefallen wäre.

Die Vernachlässigung der medizinischen Versorgung durch die Stadt Wien wird auch durch den Zorn anderer Spitäler bewiesen: Die acht Wiener Ordensspitäler protestierten dagegen, dass sie seit Jahren ausgeblutet werden. Investitionsgelder werden gekürzt, Leistungserlöse (also Honorare für einzelne Eingriffe) werden nicht valorisiert. Vielleicht sollten die Ordensspitäler auch einen Streik androhen oder so zynische Aktionen setzen wie die roten AKH-Gewerkschafter, die ahnungslose Promi-Patienten für peinliche PR-Aktionen einsetzen?

Aber dazu sind sie zu zaghaft. Und  das würde ihnen auch nicht viel nutzen. Denn die mit Inseraten bestochenen Zeitungen ignorieren die Ordensspitäler sowieso und schreiben nur übers AKH, das Opfer des bösen Bundes. Und keine einzige Zeitung schreibt, dass sämtliche Ärztenot im AKH gelöst wäre, wenn dort nicht die Ärzte zahllose Tätigkeiten von Krankenschwestern übernehmen müssten. Was insgesamt auch noch billiger wäre.

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Erstaunlich vernünftig und realistisch, diese Jugend drucken

Dem „Kurier“ war sie gleich zwei empörte Hauptkommentare auf Seite 1 wert. Auch viele andere Medien haben extrem zornig reagiert. Anlass war eine neue Jugendstudie eines SPÖ-Vorfeld-Instituts. Alle linken Kommentatoren klagten über die Jugend von heute und deren neoliberale Amoralität (was auch immer neoliberal eigentlich heißt). In Wahrheit aber zeigt die Studie ein erfrischend positives Bild der Jugendlichen. Diese sehen die Welt realistisch und lebensnahe. Aber eben nicht so, wie die linken Ideologen es ihnen einreden wollen.

Kern der Aussagen der Jugendlichen: Jeder ist seines Glückes Schmied. Als häufigster Grund für Armut werden von 37 Prozent Faulheit und Mangel an Willenskraft genannt. 16 Prozent glauben sogar, Armut sei ein unvermeidbarer Bestandteil des modernen Fortschritts. Nur ein Fünftel glaubt hingegen an das rot-grüne Evangelium (das auch von vielen Medien ständig getrommelt wird), dass der Grund der Armut in der Ungerechtigkeit der Gesellschaft liegt.

Man stelle sich nur vor, wie katastrophal es umgekehrt wäre. Also wenn die Mehrheit der Jugendlichen die Verantwortung für das eigene Wohlergehen der Gesellschaft zuschöbe! Genau das und nur das wäre zutiefst amoralisch. Jede Motivation zur Leistung, zur Anstrengung, zur Bildung wäre dahin. Freuen wir uns daher, dass die klare Mehrheit der Jungen – zumindest prinzipiell – weiß, dass ihr Lebenslos in hohem Ausmaß von ihnen selbst abhängt. Rund 60 Prozent versteht unter sozialer Gerechtigkeit nicht Umverteilung, sondern die Möglichkeit, auf der Stufenleiter emporzusteigen, einen guten Job zu finden.

Aber diese Haltung der Jungen stört alle linken Umverteiler enorm. Diese wollen, dass sich die Menschen nur von ihnen abhängig sehen und nicht von den eigenen Entscheidungen. Diese Umfrage zeigt jedoch ein erstaunliches Scheitern der linken Gehirnwäsche an den Jugendlichen. Damit ist allen Versuchen, den Staat zum großen Gesellschaftsingenieur zu machen, der den Einzelnen die Verantwortung abnimmt, die demokratische Basis entzogen. Die Jungen glauben nicht mehr die Wohlfahrtsstaat-Lüge, deren Kern ja darin bestanden hat, dass man von der Wiege bis zur Bahre nur immer die richtige Partei wählen müsse.

Nach dieser Wohlfahrtsstaatslüge sind nur die bösen Kapitalisten schuld, wenn es doch einem schlecht ginge. Dann müsse halt noch mehr umverteilt werden. Und nie könne einer selber schuld an seiner Armut und seinem sozialen Abstieg sein, auch wenn er sich nicht den Mühen einer ordentlichen Ausbildung und ständigen Weiterbildung unterzogen hat, auch wenn er sich für Alkohol und Drogen entschieden hat, auch wenn er weder Höflichkeit noch Pünktlichkeit noch Disziplin als notwendige Basis jeder Berufslaufbahn erkannt hat. Immer ist die Gesellschaft dafür zu geißeln.

Die Mehrheit der Jungen glaubt jedoch nicht – oder nicht mehr, falls es früheren Jugendgenerationen jemals mehrheitlich getan haben, – an diese linken Märchen.

Eine klare Mehrheit der Jungen hat auch noch nie etwas von der linksradikalen „Occupy“-Bewegung gehört. Dabei schreiben sich alle linken Journalisten die Finger wund zur Anpreisung dieser angeblich von „99 Prozent“ unterstützten Besetzerszene. Wie weh muss dieses Desinteresse den Neoneoneomarxisten tun, die noch immer an eineinhalb Jahrhunderte alte Gesellschaftstheorien glauben.

Besonders köstlich ist, dass sich die linken Studienautoren besonders über eine weitere angeblich „fatale“ Aussage erregen: Auf dem Arbeitsmarkt sei man ohne Matura nichts wert. Aber sind es nicht gerade die Linken, die genau das ständig predigen? Verlangt nicht gerade das Androsch-Begehren genau aus diesem Grund eine Erhöhung der Maturantenzahl? Und geht nicht rund die Hälfte der Jugendlichen in Schulen, die zur Matura führen? Die werden ja wohl noch daran glauben dürfen, dass ihnen die Matura etwas auf dem Arbeitsmarkt nützt! Sie müssen ja nicht wissen, wie zweifelhaft das ist, wenn man nachher etwa Politikwissenschaft, Publizistik und ähnliche von niemandem nachgefragte Billigstudien belegen sollte (außer man wird halt dann über die Partei irgendetwas).

Erstaunlich scheint nur, dass ein notorisch linker Verein diese Jugendstudie veröffentlicht hat. Auf den zweiten Blick ist das nicht mehr so erstaunlich. Denn diese Studie ist sofort von zahllosen linken Vereinen mit dem Ruf nach noch mehr Geld verbunden worden, damit man die Jugend noch besser umerziehen kann. Dieses Geld werden sie zumindest in Wien auch bekommen.

Freilich zeigt die Geschichte, dass linke Umerziehung nie funktioniert. Denn von Vietnam über China bis zum Baltikum zeigt sich: Sobald Zwang und Terror nachlassen, werden die Umerzogenen zu überzeugten Vertretern eines besonders kompromisslosen Kapitalismus. Zu noch viel überzeugteren als die Kinder des Kapitalismus, die ja die Alternative noch gar nicht leibhaftig erlebt haben.

„Viel zu viele Türken“

Zurück zur Studie. Auch in Sachen Immigration denken viele Jugendliche ganz anders, als ihnen vorgeschrieben wird: 44 Prozent sagen offen, dass in Österreich schon „viel zu viele Türken leben“ leben. Kann man wirklich glauben, dass die alle von FPÖ und BZÖ verhetzt worden sind (und von Maria Fekter in ihrer Zeit als Innenministerin)? Oder haben die Jugendlichen vielleicht auch in diesem Punkt absolut recht? Nur linke Träumer können die Realität und Gefahr einer rasch wachsenden Minderheit übersehen, die sich in keiner Weise, weder sprachlich, noch kulturell, noch bildungsmäßig, noch leistungsmäßig, noch in ihrem Verhalten gegenüber Frauen und Mädchen in unsere Gesellschaft integrieren will.

Erstaunlich mutig haben die „Salzburger Nachrichten“ diese Zahl kommentiert: „Lauter Rassisten? Vielleicht ist dieser Prozentsatz bloß deckungsgleich mit jenen, denen eine Jugendgang mit Migrationshintergrund das Handy raubte. Oder die einen Freund, eine Freundin haben, denen dies widerfuhr, ohne dass die Erwachsenenwelt in irgendeiner Form auf diese Form der Kriminalität reagierte.“ Klarer kann man es gar nicht sagen.

Dabei sind naturgemäß unter den Befragten schon viele Jugendliche türkischer Abstammung dabei. Was diese 44 Prozent als noch signifikanter erscheinen lässt. Was aber andererseits auch zwei weitere, bedenkliche Zahlen dieser Studie in ein anderes Licht rückt: 18 Prozent sagen, dass die Juden nach wie vor zu viel Einfluss auf die Weltwirtschaft hätten; und 11 Prozent glauben, dass Adolf Hitler für die Menschen auch viel Gutes getan hätte. Unter diesen 11 beziehungsweise 18 Prozent sind mit Sicherheit viele hier lebende Moslems.

Dennoch verstecken sich in diesen beiden Zahlen auch Hinweise auf üble rechtsradikale Gruppen unter den indigenen Jugendlichen. Umso wichtiger ist es, die Sorgen der 44 Prozent über die türkische Zuwanderung ernst zu nehmen. Sonst würde dieser Mainstream wirklich den Rechtsradikalen auf den Leim gehen.

Mir hat einmal ein kluger Mann gesagt: Hüte dich vor jenen, die nichts Besseres zu tun haben, als ständig über die „heutige Jugend“ zu schimpfen. Auf Grund dieser Studie würde ich sogar ergänzen: Freuen wir uns über eine kluge Jugend, die jedenfalls klüger ist als ihre Möchtegernerzieher. Solange wir noch eine haben.

 

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Leistungsträgersteuer schadet Wirtschaftsstandort Österreich! drucken

Die österreichische Politik treibt seltsame Blüten. Die angekündigte Schuldenbremse beschleunigt nicht das Denken, welche Ausgaben und Aufgaben der Staat in Hinkunft reduzieren soll, sondern beflügelt primär die Kreativität, welche Einnahmen gesteigert werden sollen.

In diesem Zusammenhang soll die „Reichensteuer“ eingeführt werden, neuerdings verharmlosender „Solidarabgabe“ genannt, um dem Schlagwort Gerechtigkeit zu entsprechen.

Andererseits entdecken die Sozialpartner neuerdings die Liebe zu „hoch qualifizierten Auslands-Österreichern“. Diese sollen im Zuge der demografischen Entwicklung für den heimischen Arbeitsmarkt rückgeholt werden. Mehr als 100.000 Fach- und Spitzenkräfte, die in Österreich zum Nulltarif teuer ausgebildet wurden, arbeiten zum überwiegenden Teil in Deutschland, der Schweiz und den USA. Vermutlich werden sie auch dort bleiben, vor allem weil die grenzenlose Steuerdebatte um Einkommensteuer-Aufschläge, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer usw. dieses an sich gute Ansinnen zum Rohrkrepierer machen dürfte.

Das ständige Aufwärmen von Steuererhöhungsplänen mit gleichzeitigem Schüren von Neidkomplexen durch Populisten aller Parteien im Kampf um Wählerstimmen schadet der Leistungsbereitschaft und Standortattraktivität Österreichs, und zwar aus folgenden Gründen:

  • Bereits jetzt verlassen Österreich pro Jahr einige tausend Hochqualifizierte mehr als zurückkommen! Obwohl die heimischen Unternehmungen seit Jahren unter starkem Fachkräftemangel(!) leiden, negiert die Politik dieses Problem. Der Kampf um bestausgebildete Arbeitskräfte wird der entscheidende Faktor sein, um unser Wachstumspotenzial in den kommenden zehn Jahren aufrecht zu erhalten.
    Hochqualifizierte Arbeitskräfte sind neben unternehmerischer Innovation der entscheidende Faktor im globalen Wettbewerb, um das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial zur Aufrechterhaltung des Sozialstaats zu finanzieren. Die sogenannte „Reichensteuer“, richtigerweise: „Leistungsträgersteuer“, würde aber Österreich und Wien im speziellen in der Standortfrage als Osteuropa-Headquarter weiter schädigen. Schon jetzt klagen Personalberater über die Schwierigkeit, das Top-Management von Firmen nach Österreich zu bekommen. Zürich läuft in dieser Hinsicht Wien den Rang ab. Der Versuch, ausländische Spitzenkräfte ins Land zu holen, ist angesichts der 255 im dritten Quartal ausgestellten ROT WEISS ROT Cards, davon 47 für Sportler, alles andere als ein durchschlagender Erfolg. Die Erklärung dafür liefert der Brutto/Nettoeinkommensrechner des Finanzministeriums!
  • Ein höherer Grenzsteuersatz vermindert nicht nur die Attraktivität Österreichs als Arbeitsplatz für Hochqualifizierte, auch für bereits in Österreich Erwerbstätige sinkt der Anreiz für Überstunden, Zusatzleistungen und Innovationen. Dementsprechend werden die Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung kurz- und langfristig gedämpft.
  • Kontraproduktiv ist diese „Leistungsträgersteuer“, weil die Steuerbelastung insgesamt und die Grenzsteuersätze bei der Einkommensteuer im Besonderen bei uns schon extrem hoch sind. Kein Nachbarland hat eine höhere Einkommensbesteuerung als Österreich. Der deutsche Grenzsteuersatz von 45 Prozent setzt erst bei einem Einkommen von EUR 250.730,- Euro pro Jahr ein, also dort, wo sich unsere Politikerelite einen weit über 50-prozentigen Steuerzuschlag vorstellt. Das vorteilhafte deutsche Ehegatten-Splitting dämpft die Gesamtbelastung von Spitzenkräften noch zusätzlich.
    Italien mit 43 Prozent Grenzsteuer ab jährlich EUR 73.000,- Euro schont mit tiefen Eingangsteuersätzen von 23 und 27 Prozent die niedrigeren Einkommensteile. In der östlichen Schweiz startet man mit bescheidenen 10 Prozent und muss zwischen EUR 150.000-250.000 Euro (je nach Kanton) mit höchstens 31,8 Prozent nicht einmal ein Drittel seines Bruttoverdiensts dem Staat überlassen.
    Träumen kann man dagegen von den Flat-tax-Modellen in Tschechien (15%), Ungarn (16%) und der Slowakei (19%). Ein Überspannen des „Steuer“bogens könnte sowohl Firmen mit ihren Angestellten sowie Selbständige zum „Go East“ für Besserverdiener animieren. Das von Wien nur 60 Kilometer entfernte Pressburg versteckt sich nicht mehr hinter dem Eisernen Vorhang. Eine Verlagerung von Lebensmittelpunkten würde sich nicht nur auf das Aufkommen der Einkommensteuer, sondern natürlich auch auf das der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, etc) negativ auswirken.
  • Es ist richtig, dass in einer Reihe von Ländern eine „Leistungsträgersteuer“ diskutiert oder umgesetzt wird, für Österreich hat dies aber leider keine Relevanz, denn in allen Fällen (selbst Großbritannien und Frankreich) liegt die Einkommensteuerbelastung weit unter heimischem Niveau. Wenn Warren Buffett für sein Millionen-Einkommen mit 17 Prozent Steuer weniger als seine Putzfrau an Steuerleistung abliefert, ist das ein amerikanisches, kein österreichisches Fairness-Problem.
  • Aufzuräumen ist auch mit der Vorstellung, die führenden Wirtschaft- und Spezialkräfte erbringen zu wenig Steuerbeitrag für die Allgemeinheit. Faktum ist, dass 1 Prozent der höchsten Einkommen rund 10 Prozent der Gesamteinkommen beziehen, dafür aber 20 Prozent zum gesamten Einkommensteueraufkommen beitragen. Die besten 10 Prozent bekommen 34 Prozent der Gesamteinkommen und leisten mit 58 Prozent den Löwenanteil an Lohn- und Einkommensteuer. 2,6 Millionen Erwerbstätige (von 4,1 Millionen insgesamt) zahlen seit der letzten Tarifreform überhaupt keine Einkommensteuer mehr. Von fehlender sozialer Asymmetrie in Österreich somit keine Spur!
  • Die Sinnhaftigkeit einer Besteuerung hat sich auch an der Ergiebigkeit der Steuer zu orientieren. Das ist schon bei der Aktiengewinnsteuer gehörig daneben gegangen, und wäre in diesem Falle noch eklatanter. Ab 250.000,- Euro Jahreseinkommen wären rund 11.000 Steuerpflichtige betroffen, bei 300.000,- Euro sogar nur noch 7.500. Logisch, dass der Melkertrag erst bei 55 Prozent Grenzsteuersatz in die dreistellige Millionenhöhe vordringt. Diese Idee taugt daher nicht ansatzweise zur Finanzierung der wesentlichen Ausgabenbrocken. So steigen die Bundeszuschüsse für Pensionen von 2011 auf 2012 von 9,6 auf 10,2 Milliarden Euro, die Beamtenpensionen von EUR 8,0 auf 8,9 Milliarden. Eine „Leistungsträgersteuer“ würde also bloß knapp ein Fünftel der gestiegenen Pensionszuschüsse in 2012 erlösen. Welchen Grenzsteuersatz lässt sich die Regierung dann für 2013 einfallen?

proMarktwirtschaft ist daher der festen Meinung, dass die Politiker ihr Gehirnschmalz der Eindämmung der Staatsausgaben widmen sollten, anstatt Stimmungsmache gegen Leistungsträger bei gleichzeitiger Attraktivitätseinbuße des Wirtschaftsstandortes Österreich. Denn die entscheidende Sanierung des strukturellen Budgetdefizits Österreichs, welche in den letzten zwei Hochkonjunkturjahren verschlafen wurde, findet nach Meinung von Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und proMarktwirtschaft ausgabenseitig statt.

Peter Brezinschek,

proMarktwirtschaft Brief 1 

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Die „Schuldenbremse“ – eine Farce? drucken

Einer der Grundsätze des abendländischen Rechtssystems lautet: „Verträge sind einzuhalten“. Das gilt natürlich auch für Kreditverträge. Die exzessive Überschuldung, die sich Österreich, wie die meisten anderen Staaten der Eurozone, aufgeladen hat, wird zur Nagelprobe für diesen Grundsatz. Werden die eingegangenen Verbindlichkeiten bedient werden? Oder werden die Kreditoren auf uneinbringlichen Forderungen sitzenbleiben?

Eine beunruhigende Antwort auf diese Frage gibt der große österreichische Nationalökonom Ludwig Mises: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion kommen soll, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems“.

Eine „Aufgabe der Kreditexpansion“ würde den sofortigen Sturz in eine scharfe Rezession bedeuten – mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Wie man sich die Auswirkungen einer „Katastrophe des Währungssystems“ vorzustellen hat, übersteigt wohl die Vorstellungskraft der meisten Zeitgenossen. Ein Dilemma. Die Zeche werden mit Sicherheit wir alle bezahlen – in welcher Form auch immer.

Entzugstherapien verlaufen stets traumatisch. Der Entzug des mittels künstlicher Zinsdrückung für Staat, Firmen und Private so leicht erhältlichen „billigen Geldes“ bildet da keine Ausnahme. Die nur auf kurzfristige Ziele gerichteten Interessen der politischen Klasse machen die Anwendung wirksamer Therapien – zumindest auf dem Boden des Wohlfahrtsstaats, der von Produzenten zu Nichtproduzenten umverteilt – so gut wie unmöglich.

Denn, dass jede Rezession die Folge eines mit nicht vorhandenen Mitteln, den „Zirkulationskrediten“, angeschobenen Booms und damit nichts weiter als die Wiederherstellung des „Normalzustands“ ist, ist eine für die hohe Politik und die auf die gegenleistungsfreie Entgegennahme von Regierungswohltaten konditionierte Wohlfahrtsstaatsklientel unzumutbare Tatsache. Daher erscheint die Fortführung des laufenden Pyramidenspiels immer noch vorteilhafter.

Schenkt man den aktuellen Einlassungen von Österreichs Kanzler und Vizekanzler, sowie den regierungsfreundlich gefärbten Berichten der Hauptstrommedien des Landes Glauben, wäre mit dem bloßen Erhalt des „Triple-A“-Status des Landes schlagartig wieder alles in Butter. Dazu bedürfe es nun aber einer staatstragenden „Übernahme von Verantwortung“ durch zumindest eine Oppositionspartei, um eine entsprechende Verfassungsbestimmung verabschieden zu können (die eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfordert).

Dass es dabei um eine Reaktion auf die Drohungen von eben noch als Ausgeburten der Hölle und Agenten im Solde der perfiden US-Plutokratie gebrandmarkte – horribile dictu – private (!) Bewertungsagenturen handelt, deren Diktat man sich unter keinen Umständen unterwerfen wollte, ist plötzlich vergessen. Mit einem Mal zählt nichts anderes mehr.

Was den hoffnungslos überschätzten Wert von Verfassungen ganz grundsätzlich angeht, sei auf ein Wort des aus Ungarn stammenden Philosophen Anthony de Jesay verwiesen: „Die Verfassung gleicht einem Keuschheitsgürtel, von dem die Lady selbst den Schlüssel hat: Wenn sie der Gewinnerkoalition nicht passt, wird man Wege finden, sie zu umgehen oder zu ändern.“

Mit „Schuldenbremsen“ würde es sich nicht anders verhalten. An besonderen Umständen, denen nur mit besonderen Maßnahmen zu begegnen ist, wird es niemals fehlen. Dass Verfassungsbestimmungen mit der aktuellen Verschuldungsproblematik nicht das Geringste zu tun haben, ist klar. 

Die Regierungsparteien hätten es also jederzeit in der Hand, ein Sparprogramm ins Werk zu setzen – wenn sie nur wollten – und sich nicht durch parteipolitisch zugeordnete Interessengruppen gegenseitig blockierten. Zur traditionell auf Obstruktionskurs segelnden Polit-Klientel zählen etwa Bauern, Beamte und Bundesbahner.

Auch an den rekordverdächtig hohen Subventionen für NGOs aller Kaliber wagt die Regierung nicht zu rütteln. 5,4 Prozent des BIP – das Doppelte des in Euroland üblichen Wertes – lässt die Alpenrepublik sich etwa die Förderung so ungemein wichtiger Dinge wie Tanzgruppen lesbischer Frauen kosten. Derlei grober Unfug wäre mit einem Federstrich – ganz ohne Verfassungsänderung – zu beenden.

Weshalb mit dem Geld von auf der – täglich ungemütlicher werdenden – freien Wildbahn der Privatwirtschaft tätigen Menschen (gleich ob selbständig oder unselbständig) Organisationen, Strukturen und Privilegien querfinanziert werden, die zum Wohlstand unserer Gesellschaft nicht den geringsten Beitrag leisten, ist nicht einzusehen.

Eine große Rolle für die mangelnde Vehemenz bei der Umsetzung von Sparprogrammen seitens der Regierenden spielt auch die Angst vor Macht- und Kontrollverlust. Dass eine einmal politisierte, und damit kostspielig und ineffizient gelöste Aufgabe wieder in private Hände gelegt werden könnte, ist – aus Regierungssicht – unerwünscht. Dass aus jedem nichtigen Anlass sofort ein neues Gesetz produziert wird, dessen Vollzug Unsummen kostet, ist Regierungsroutine. Schließlich geht es der Nomenklatura auch um möglichst zahlreiche, mit verdienten Parteigängern zu besetzende Dienstposten.

Wer nun einwendet, dass auch „die Wirtschaft“– besonders in der Krise – nach „antizyklischer“, für den Steuerzahler in jedem Fall sauteurer, Wirtschaftspolitik giert, ist auf dem Holzweg. Die Masse der heimischen Betriebe, und damit die Mehrzahl der Beschäftigten, sieht von den keynesianisch inspirierten „Investitionsprogrammen“ nie auch nur einen einzigen Cent.

Nutznießer der Investitionstätigkeit des Staates sind stets wenige, meist der Baubranche zugehörige Großbetriebe, mit besten Beziehungen zu den Machthabern. Anders ausgedrückt: Bei den Kleinen wird abkassiert, um den Großen (oft genug absolut unnütze) Aufträge zuschanzen zu können. Die von den Österreichischen Bundesbahnen in den kommenden Jahren zu tätigenden, milliardenschweren „Investitionen“ in unsinnige Tunnelprojekte sind ein Musterbeispiel. Die ersatzlose Aussetzung dieser Geldverbrennungsaktionen würde einen beherzten Schritt auf dem notwendigen Weg zur Budgetsanierung bedeuten.

Das Palaver um eine verfassungsmäßig verankerte „Schuldenbremse“, zu der sich letztlich wohl die Grünen – als Vorleistung für eine künftige Regierungsbeteiligung – herbeilassen werden, ist pure Spiegelfechterei. Wer sparen will, der tut es einfach. Merke: Sparen bedeutet, nicht auszugeben was man hat! Es bedeutet nicht, weniger von dem auszugeben, was man nicht hat! Es bedeutet mit Sicherheit nicht, Einnahmen zu maximieren.

Österreich wäre allerdings nicht Österreich, würde am Ende nicht einnahmenseitig „gespart“. Neue und höhere Steuern sind – unter tatkräftiger Mithilfe der einst bürgerlichen ÖVP – so gut wie beschlossene Sache. Dass Vizekanzler Spindelegger „Substanzsteuern“ ablehnt, sich die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer aber trotzdem vorstellen kann, wirft ein scharfes Licht auf dessen Kompetenz.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wo ist der österreichische Monti? drucken

Das ist die gute Nachricht zur Vorweihnachszeit: Das italienische Sparpaket des neuen Ministerpräsidenten Mario Monti hat mit schmerzhaften, aber nicht entscheidenden Abstrichen seine wichtigste parlamentarische Hürde genommen. Damit ist die größte Umwandlung des Nachkriegsitaliens fix. Was heißt das aber für Europa und für Österreich?

Die massive Mehrheit in der römischen Abgeordnetenkammer zeigt, dass das Wissen um den Ernst der Lage letztlich doch in den Köpfen der südlichen Nachbarn angekommen ist. Sogar ein Gutteil der Linken hat dem zugestimmt, was einem Berlusconi sogar bei weit weniger einschneidenden Maßnahmen verweigert worden war. Die Lega Nord hingegen hat sich zur populistischen Neinsager-Partei degradiert, die keine Perspektive für die Zukunft des Landes bietet (auch wenn der Wunsch nach einer Abtrennung des mitteleuropäischen Nordens vom mediterranen Süden durchaus nachvollziehbar ist).

Dass auch die Gewerkschaften wie wild gegen Monti kämpfen, ist zum Teil als landesübliche Folklore und Überlebenskampf eines überholten Vereins einzustufen. Dieser Kampf setzt zum anderen Teil aber doch noch ein heftiges Fragezeichen hinter die europäische Sanierungspolitik.

Denn chinesische wie andere Investoren – die der alte Kontinent so dringend bräuchte – haben immer wieder klargemacht, dass sie ihr Geld nicht zuletzt deswegen von Europa fernhalten, weil sie an der Ernsthaftigkeit der europäischen Spargesinnung zweifeln. Und da sind die Fernsehbilder von Streiks und Besetzungsaktionen halt nicht sehr überzeugend. Es ist einem Nichteuropäer gar nicht so leicht klarzumachen, dass dahinter keine Bevölkerungsmehrheit steht. Dies ist vor allem dann schwierig, wenn die linken Medien Occupy-Aktionen weit über die in Wahrheit sehr bescheidenen Teilnehmerzahlen hinaus bejubeln.

Die Liste der Monti-Maßnahmen ist aber jedenfalls bunt wie eindrucksvoll und weitgehend nachahmenswert:

  • Die Mehrwertsteuer wird um zwei Prozentpunkte erhöht (dadurch wird im Gegensatz zu Einkommensteuererhöhungen richtigerweise nicht die Leistung, sondern der Konsum gedämpft, der ja vor allem in den Import geht);
  • rezeptpflichtige Medikamente, die gänzlich von den Patienten bezahlt werden, dürfen zum Ärger der Apotheker und zur Freude der Konsumenten auch in Supermärkten verkauft werden (was mehr Wettbewerb schafft);
  • (bei uns unvorstellbare!) Luxuspensionen von über 200.000 Euro im Jahr werden scharf beschnitten;
  • Das selbe passiert Gehältern für Staatsbeamte von über 300.000 Euro (die es bei uns ebenfalls nicht gibt);
  • das Pensionsantrittsalter wird scharf erhöht, es soll schon 2018 bei 66 Jahren liegen – auch für Frauen (für die es derzeit nur 60 Jahre beträgt!);
  • gleichzeitig wird die italienische Form einer Hacklerpension nach 41 oder 42 Berufsjahren abgeschafft (einst am Höhepunkt der christlich-sozialistischen Misswirtschaft hatte es sogar schon nach 15 Arbeitsjahren Pensionen gegeben!);
  • die schon geltenden Pensionen werden ab einer Höhe von 1400 Euro auf zwei Jahre eingefroren;
  • Benzin wird teurer;
  • auf Erstwohnungen gibt es eine  Immobiliensteuer;
  • es kommt eine Luxussteuer auf bestimmte Produkte;
  • es gibt Maßnahmen gegen Steuerflucht;
  • Bargeldzahlungen werden ab 1000 Euro verboten.
  • Auf der anderen Seite soll ein Konjunkturprogramm die Wirtschaft und Infrastruktur um 40 Milliarden ankurbeln.

Vorerst gescheitert ist Monti hingegen mit einer Freigabe der Taxilizenzen und mit einer Kürzung der luxuriösen Parlamentariergehälter, die mit über 11.000 Euro netto(!) pro Monat weit über allen anderen Ländern liegen. Allerdings haben die Abgeordneten versprochen, das nun „autonom“ anzugehen.

Dennoch bleibt das Paket eindrucksvoll. Und man kann für Italien hoffen, dass das Land mit Monti nun vielleicht doch bald wieder über den Berg kommen könnte.

Manche der nun beschlossenen Maßnahmen (auch in der zweiten Kammer werden sie wohl noch vor Weihnachten durchgehen) schaffen Privilegien ab, die in österreichischen Ohren wirklich provozierend klingen. In seinen Kernbereichen, vor allem beim Pensionsantritt, sind das aber durchwegs Beschlüsse, die auch anderswo dringend notwendig wären. Etwa auch in Österreich. Freilich ist versicherungsmathematisch und demographisch ein Pensionsantritt mit 66 Jahren in Wahrheit immer noch zu früh. Denn Erich Streißlers einst von allen aufrechten Linken wütend bekämpften Berechnungen, dass der Pensionsantritt angesichts der steil gestiegenen Lebenserwartung erst über 70 erfolgen dürfte, sind nach wie vor richtig.Und sind angesichts des hartnäckigen Geburtendefizits noch viel richtiger.

Nur: Wo ist der österreichische Monti? Selbst außerhalb der Regierung findet man keinen überzeugenden Kandidaten.

Gleichzeitig zu den Monti-Beschlüssen ist der Zustand der österreichischen Pensionsversicherung bekanntgegeben worden. Die Kosten des Pensionssystems wachsen im kommenden Jahr um weitere 6,2 Prozent. Aus dem Bundesbudget müssen sogar um 14,2 Prozent mehr in das System geholt werden. Damit fließen über die Beitragszahlungen hinaus schon 4,6 Milliarden Euro aus dem allgemeinen,schwer verschuldeten Bundesbudget ins Pensionssystem. Und das alles in Zeiten einer neuen Rezession. Und das alles noch BEVOR die Babyboomergeneration ohne Zurücklassung einer nennenswerten Kinderzahl massenweise in Pension geht. Was sie aber im kommenden Jahrzehnt tun wird.

Was noch schlimmer ist: Nirgendwo ist ob dieser Zahlen die notwendige erregte und besorgte Diskussion ausgebrochen. Es sind ja nur Ziffern. Und handeln müssen nur die Italiener

 

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Der Brief, den Heinz Fischer leider nicht geschrieben hat drucken

Ein Brief, den www.verwaltungsreform-jetzt.at am 9.12. an jedes Regierungsmitglied und jedes Mitglied des Nationalrates per Mail gesandt hat. Er wird in der Folge an weitere Funktionsträger als erklärende, quasi “letzte“ Mahnung gesandt werden. Der Versuch, die Parameter noch einmal gutwillig zu erläutern, erklärt auch die Länge des Textes. Doch die Sache ist sehr wichtig: Es ist auch für Österreich schon „3 vor 12“!

Wer will, kann den Text kopieren und schicken, an wen er oder sie will, an Freunde zur Werbung oder an Politiker der Wahl.

Wir würden uns wünschen, dass der Herr Bundespräsident eine solche ‚Ermunterung zur verantwortlichen Geschäftsführung Österreichs" geschrieben hätte oder bald schreiben würde – deshalb die Überschrift.

www.verwaltungsreform-jetzt.at ist überparteilich, privat und mit unveränderter Agenda seit Jänner 2011 im Netz. Mehr als 12.000 Menschen machen bereits namentlich mit!

Wir suchen: Verantwortungsbewusste Politikerinnen und Politiker, die spüren, dass die Zeit reif ist für das Ende der Gewohnheitspolitik. Und die klug genug sind zu erkennen, dass heutzutage sehr viele Wählerinnen und Wähler sich nach Wahrheit in der Politik und der Information, Seriosität im Staatshaushalt, einem modernen Staat sehnen und daher bereit sind eine solche Politik bei Wahlen mitzutragen.

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Vizekanzler, sehr geehrte Frau Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren Minister und Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat!

Sehr geehrte Damen und Herren Träger einer sonstigen öffentlichen Funktion!

Betrifft: Weihnachtswunsch – bitte verspielen Sie nicht durch Beibehaltung der Gewohnheitspolitik die Zukunft unserer Jugend!

Staatsschulden auf so hohem Niveau sind Zukunftsraub

Die geplante/ bisher beschlossene Schuldenbremse ist zu „light“. Echter Schuldenabbau in Euro ist nötig. Dazu brauchen wir Budgetüberschüsse, nicht nur geringere Defizite. Sehr rasch, sonst erstickt uns die negative Dynamik. Die Zinsen werden ja nicht von der Quote am BIP berechnet, sondern vom Absolutbetrag der Schulden. Und bei höherer Inflation steigen normalerweise auch die Zinssätze. Also kein Entrinnen, man muss die Schulden echt abbauen, um aus der Falle zu entkommen! Alles andere wäre grob fahrlässig zum Schaden Aller.

Die Zinsen verbrauchen schon ein Siebentel der Steuereinnahmen. Es kann bald ein Viertel oder mehr sein! Einfach weg, das alljährliche Steuergeld, für vergangenen „Genuss“. Dann kann der Staat seine Aufgaben endgültig nicht mehr erfüllen. Wollen wir das?

Effizienz, Bürokratie- & Privilegienabbau, Transparenz, Korruptionsstopp: Das bringt’s! Der Staatsapparat muss im 21. Jahrhundert ankommen! Einem Jahrhundert mit globalem Standortwettbewerb. Wir wollen ein Land mit guten Löhnen bleiben und wir wollen frei atmen in einem frischen Staat!

Nehmen Sie sich bitte die nötige Zeit. Es zahlt sich aus – für Österreich und seine jungen Menschen – und für Sie als politischer Funktionsträger. Es geht wirklich jetzt um sehr viel. Wir können und müssen es schaffen. Es ist eine Frage der Moral.

Inhalt

Text

Die Jungen werden es nicht leicht haben

Wir haben seit Jahrzehnten Wirtschaftswachstum erlebt. Man beruhigt sein Gewissen gern mit dem Gedanken, dass wir den nachfolgenden Generationen Werte hinterlassen, die wir als Aufbaugeneration geschaffen haben. Unsere Nachfolger werden aber über die massiven Zinsen für Altschulden und die Pensionen hinaus zusätzlich mehrfach belastet sein:

  • Durch die weiter wachsende internationale Konkurrenz,
  • Durch den notwendigen Wegfall des schuldengetriebenen Wachstumsteils,
  • Vermutlich zusätzlich durch langjährige Stützung anderer Staaten.

Sie werden also selbst immer wieder Aufbaugeneration sein müssen.

Dimension

Wir erleben heute in Sachen Verwaltungsreform und Privilegienabbau, dass viele die Dimension des Problems, aber auch der Effizienzpotentiale, nicht erkennen – oder die Augen aus Bequemlichkeit bewusst verschließen. Es geht um viele Milliarden Euro Kosten pro Jahr!

Bedenken Sie: Eine Milliarde sind tausendmal eine Million! Wenn Sie sehr rasch Tag und Nacht zählen, wie lange bräuchten Sie bis zu einer Milliarde? Lesen Sie die Lösung hier [i].

Hier und da ein wenig korrigierend eingreifen, Pensionsprivilegien peu à peu über Jahrzehnte anpassen, hier ein paar Wetterdienste zur Zusammenarbeit überreden wollen, dort einen kleinen Erfolg im Föderalismus feiern, alles unter dem Motto: Nur keine Wellen, nur nicht hudeln? 

Das ist reine Gewohnheitspolitik. Das passt nicht mehr. Und das reicht bei weitem nicht! Meinen Sie, dass wir ohne eine Totaländerung der Parameter Ihres politischen Daseins durchkommen, wenn rundherum alles im Aufbruch ist, sich die Rolle Europas rasant wandelt, mit dem Turboeffekt der Staatsschuldenkrise? Genügen die aktuellen Beispiele nicht?

Es ist jetzt eine gefährliche Phase: Viele öffentliche Funktionsträger machen aus Gewohnheit so weiter wie bisher – und verbrennen weiter Mittel, die dringend für Zukunftsaufgaben und Schuldenabbau gebraucht werden. Das muss bitte sofort aufhören!

Welchen Staat würden wir heute „auf die grüne Wiese stellen“, darum geht’s!

‚Zero-Budgeting‘ – in einem gesamtstaatlichen Großprojekt alles von Grund auf neu durchdenken, Überflüssiges weglassen, auch wenn’s liebgewordene Gewohnheiten sind! Und die Bevölkerung ehrlich über die Fakten und Zusammenhänge aufklären – am besten über den ORF mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag. Die Leute verstehen es, wenn es gut erklärt wird.

Wir haben ja schon jetzt größte Probleme

Geld für Zukunftsaufgaben aufzutreiben. 400 Millionen Euro hat Frau Finanzminister Fekter in Ihrer Budgetrede 2012 verkünden können, mehr war nicht übrig für die „Zukunft“. Die Vergangenheitskosten Zinsen machen zwanzigmal so viel aus, Jahr für Jahr! Schon jetzt, bei niedrigem Zinsniveau – das stark gefährdet ist.

Die Verkündigung/der Beschluss einer „Schuldenbremse light“ mit weiteren massiven Mehrschulden und einer Vorlaufzeit von sechs Jahren (und nicht einmal dann Budgetüberschüssen) hilft da noch nicht viel. Milliarden Mehrzinsen und ein Abstieg Österreichs bleiben als akute Gefahr bestehen.

Die Folgen werden die Menschen, die heute jung sind oder noch nicht geboren, später spüren. Ein ausgelaugter Mangelstaat wird ihnen hohe Steuern abknöpfen und trotzdem die Zukunftsaufgaben nicht finanzieren können. Der Arbeitsstandort wird in den Rankings weiter abgefallen sein, Unternehmen werden abwandern. Eine Spirale nach unten. Denken Sie über die sozialen Folgen nach? Wen trifft es immer am ärgsten?

Oder wollen wir, dass dann der Ausweg über massive Pensionskürzungen gefunden werden muss – nur weil die Zinsen so viel wegfressen vom jährlichen Steuerkuchen?

Was alle Experten sagen, bedeutet übersetzt: Von dem Schulden- und Zinsengebirge herunter, auf dem wir nach 40 Jahren Schuldenanstieg jetzt sitzen, würde selbst Kreisky seine Schuldendoktrin nicht mehr verkünden!

Regierung und Parlament planen aber weiter

Über Jahre wird viel mehr Geld ausgegeben als der Staat einnimmt. Dies trotz einer enorm hohen Abgabenquote von 44 Prozent des BIP – die offensichtlich noch erhöht werden soll, wenn man die aktuelle politische Diskussion verfolgt. Das ist der falsche Zugang!

Österreich wird – gemäß Planung – im Jahr 2016 mit Staatsschulden von mehr als 300 Mrd. Euro aufwachen – und damit ein wirklich massives Handicap haben. Der Gesamtschuldenstand inklusive der noch „versteckten“ Teile beträgt bereits heute 85 Prozent des BIP, das ist ein Wert jenseits der roten Ampel, im Crash-Bereich.

Man redet also zwar von Schuldenbremse und Schuldenabbau, plant aber weiter massiv neue Schulden. Nicht einmal ab 2017  ist ein Überschuss geplant. Warum eigentlich? Etwa, um „Wachstum nicht zu gefährden“?

Bedenken Sie bitte zu diesem Thema:

Wer  Staatseffizienz, Bürokratie- und  Privilegienabbau, Eindämmung der Klientelpolitik betreibt, fördert das Wachstum! Im wahrsten Sinn „entfesselte“ unternehmerische Fantasie und Dynamik wird die Probleme, die sich zwangsweise bei der Sanierung im Übergang ergeben, überkompensieren. Die Arbeitsplätze werden mehr – nicht weniger – werden. Das ist ja auch ein unbedingtes MUSS, wenn das Pensionsalter steigt.

Die Internet- Initiative  www.verwaltungsreform-jetzt.at fordert

Dass jeder einzelne von Ihnen in seiner Funktion ernsthaft und ohne weitere Verzögerung an der Sanierung Österreichs in einem hoch ambitionierten, forcierten Ausmaß und Tempo mitwirkt.

Dem muss oberste Priorität in Regierung und Gesetzgebung in allen Gebietskörperschaften eingeräumt werden. Fangen Sie am besten bei sich selbst an zu sparen, beim (partei)politischen System. Das hat Vorbildwirkung! Die Menschen brauchen das, wenn sie selbst einen Beitrag leisten sollen.

Der Gesetzgeber ist gefordert, seine Tätigkeit jetzt hauptsächlich auf Sparen durch Vereinfachung, Entbürokratisierung, Staatsreform, Privilegienabbau etc, zu konzentrieren.

Wir können heute nur um Hilfe schreien. Sie – nicht wir – sitzen im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger an den Hebeln der demokratischen Macht.

Benützen Sie die Hebel endlich zum Umschalten auf einen modernen, effizienten Staat und zur Abschaffung der Privilegien aus der unsäglichen Wahlzuckerl-, Klientel- und Günstlingspolitik! Das wird auch die Korruption vermindern. Wann, wenn nicht jetzt, bevor es zu spät ist.

Sehr hilfreich für die Staatssanierung und die Akzeptanz im Volk wird sein, wenn Gewohnheitspolitiker unter Ihnen die schlechte Angewohnheit ablegen, alles zuerst oder fast ausschließlich durch die Parteibrille zu sehen!

Wenn Schuldenabbau leicht wäre, wäre er schon passiert. Die Sache muss sofort ernsthaft mit einem konkreten und umfassenden Maßnahmenplan, der alle betrifft, in einem professionell geführten Großprojekt angegangen werden. Lesen Sie bitte unsere Agenda im Anhang dieses Schreibens und die näheren Erläuterungen auf unserer Homepage www.verwaltungsreform-jetzt.at.

Bitte arbeiten Sie für Österreich und seine Zukunft, wie es Ihrer Aufgabe entspricht! Lassen Sie Österreich aufatmen durch Entbürokratisierung und Beseitigung des Privilegienstadels. Dann stellt sich auch das nötige Wachstum ein!

Bitte lassen Sie persönlich uns wissen, ob Sie den im Anhang dargestellten Weg für richtig befinden. Unsere Mailadresse: kontakt@verwaltungsreform-jetzt.at

Mit herzlichen Grüßen, hochachtungsvoll, Mag. Wolfgang Bauer, Verantwortlicher 

Wien, 5. Dezember 2011

Anhang: Agenda  www.verwaltungsreform-jetzt.at

Bis 2015 strukturelles Nulldefizit, ab 2016 Schulden-Schubumkehr

Sanierungsphase bis 2015: real fünf Mrd. Euro weniger Kosten und strukturelles Nulldefizit 2015!

Sparen Sie durch Effizienz und Privilegienabbau über den bestehenden zu wenig ambitionierten Konsolidierungsplan hinaus so viel, dass 2015 ein echtes Nulldefizit erreicht wird – berechnet ohne Einmaleffekte wie Privatisierungen und unabhängig davon, ob die Wirtschaft zufällig gerade gut oder weniger gut läuft! Die laufenden Staatskosten sollen im Jahr 2015 um mindestens fünf Milliarden Euro (real, Basis 2010) geringer als geplant sein. Die Effizienzaktion ist damit natürlich noch nicht zu Ende.

Die Sparpotentiale sind Ihnen bekannt oder zugänglich, Sie müssen nur zugreifen!

Nutzen Sie die Ausarbeitungen der von der Regierung selbst dafür eingesetzten Arbeitsgruppe Konsolidierung, Rechnungshof, IHS, WIFO, die genug konkrete Vorschläge für Effizienz und Privilegienabbau zu Ihrer Auswahl anbieten – sowie  die Ergebnisse des Verfassungskonvents für die grundlegende zugehörige Staatsreform.

Schulden-Schubumkehr ab 2016!

Ab 2016 muss dann – bereits jetzt verfassungsmäßig abgesichert – Jahr für Jahr echter Schuldenabbau gemacht werden – als Gewohnheitspolitik neu. Dazu müssen laufend Budgetüberschüsse erzielt werden. Das ist möglich, auch bei Aufrechterhaltung unserer sozialen Marktwirtschaft. Schweden hat es vorgemacht. Wir nennen das Schulden-Schubumkehr!

  • Alles verfassungsmäßig absichern, damit es nicht gleich wieder abschaffbar ist.
  • Jeder muss sich daran halten, egal wer am demokratischen Ruder ist und sein wird.
  • Detaillierte Transparenz über alle öffentlichen Ausgaben und Einnahmen. 
  • Die Abgabenquote soll nicht mehr steigen, langfristig sinken.

Lesen Sie die Forderungen von Verwaltungsreform-jetzt.at bitte im Detail mit Begründung auf unserer Homepage  www.verwaltungsreform-jetzt.at.

Für unsere Initiative wird ausschlaggebend sein, dass

  1. Der  nächste revolvierende Finanzrahmen (2013 bis 2016) unter Berücksichtigung der reformierten Planwerte gemäß der Sanierungsphase bis 2015 und der Schulden-Schubumkehr ab 2016 erstellt und im Frühjahr wie vorgesehen beschlossen wird.
  2. Im Budgetvollzug 2012 auf beschleunigte Sparleistung durch Effizienz und Privilegienabbau geachtet wird.
  3. Der Projektstart zu Beginn des nächsten Jahres erfolgt.
[i] Lösung „Milliardenrätsel“: Sie zählen sehr schnell, jeweils in fünf Minuten bis 1.000, Tag und Nacht, ohne Essen und Schlafen, dann brauchen Sie 3,5 Tage bis zu einer Million und rund 10 Jahre(!) bis zu einer Milliarde.

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Griechenland im Würgegriff der Finanzmärkte? drucken

Es ist verständlich, dass es angesichts der Fernsehbilder aus Griechenland schwierig ist, die Finanzsituation des griechischen Staates sachlich und faktenbasiert zu beurteilen. Neben den medialen Darstellungen wird die Analyse durch Aussagen mancher Politiker und Ökonomen erschwert, deren Grundlage eher ideologische Vorurteile bilden, als eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen.

Ziel dieser Kurzanalyse ist es daher den politischen Wertungen mittels einer längerfristigen Betrachtung der Entwicklung der Eckdaten der griechischen Finanzpolitik, eine reale Einschätzung gegenüber zu stellen, gemäß dem Motto Friedrich Schillers „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

1. Entwicklung der Staatsverschuldung

Die öffentlichen Schulden Griechenlands lagen im Jahr 1996 bei € 97,8 Mrd. und sind bis Ende 2010 auf € 328,6 Mrd. gestiegen, dies ist ein Anstieg um 236%. Im Vergleich dazu hat sich die gesamte Staatsverschuldung der Eurozone im gleichen Zeitraum um „nur“ 67,5% erhöht. In Relation zu den Staatseinnahmen ist der Schuldenstand von 265,5% auf 365,7% angestiegen, während sich diese Relation in der gesamten Eurozone von 160,1% auf 192,2% verschlechtert hat.

Während die Mitgliedsstaaten der Eurozone vor Ausbruch der Finanzkrise in der Lage waren, die relative Verschuldung bis Ende 2007 auf 149,7% zu senken, hat Griechenland diese Phase ökonomischen Aufschwungs ungenutzt verstreichen lassen: Der Schuldenstand sank bis 2007 nur unmerklich auf 263,9%. Die finanzielle Situation Griechenlands hatte sich somit schon vor Ausbruch der Finanzkrise relativ zu den anderen Mitgliedsstaaten der Eurozone deutlich verschlechtert.

Abbildung 1 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2010, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

Abbildung 2 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2007, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

2. Sind die hohen Zinsen schuld?

Die hohe Staatsverschuldung wird zwar auch von politischen Entscheidungsträgern und ökonomischen Experten akzeptiert, allerdings wird diese Erhöhung primär den „Finanzmärkten“ angelastet, die durch „Wucherzinsen“ den Griechen jede Chance auf ein Entkommen aus der „Schuldenfalle“ nehmen würden, unabhängig davon wie sehr sich Griechenland auch anstrengen würde, zu sparen. Hier wird zunächst einmal übersehen bzw. vielleicht auch nicht verstanden, dass die ausgewiesen Yields nicht die Zinsbelastung auf die bestehende Staatsschuld darstellen, sondern den Ertrag eines bereits begebenen Schuldtitels auf Basis des aktuellen Kursniveaus.

Beispiel: Eine zu EUR 100 begebene Anleihe mit einer Kuponzahlung von € 3 notiert derzeit auf einem Kursniveau von EUR 95. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Restlaufzeit genau ein Jahr beträgt. Der Investor bezahlt also € 95, erhält aber in einem Jahr den Tilgungsbetrag von € 100 zuzüglich der letzten Kuponzahlung in Höhe von € 3. Seine Investition hat somit einen Ertrag von 8,42% erzielt. Für den Schuldner blieb aber die Zinszahlung weiterhin auf dem ursprünglichen Zinsniveau von 3%, die Kursschwankungen sind für diesen irrelevant, er hat somit keinen „Wucherzins“ zu leisten. Dieses theoretische Beispiel lässt sich am Beispiel Griechenland auch in der Realität beobachten.

Entgegen den Behauptungen ist die absolute und relative Zinsbelastung Griechenlands in den letzten 15 Jahren deutlich gesunken. 1996 lag der effektive Durchschnittszinssatz der griechischen Staatsschuld bei 10,56%, im Jahr 2000 bei 7,13%, 2007 bei 4,46% und selbst im Jahr 2010 ist er von 4,13% (Ende 2009) auf 3,83% weiter gesunken. Gegenüber dem Durchschnitt der Eurozone, deren Werte von 7,43% auf 3,26% gesunken sind, hat sich damit das Zinsdifferential massiv von 313 Basispunkten auf 57 Basispunkte verringert.

Abbildung 3 Entwicklung der effektiven Zinsbelastung 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

Entsprechend deutlich ist auch die Belastung des Staatshaushaltes durch Zinszahlungen zurückgegangen: 1996 musste Griechenland beinahe ein Viertel (23,8%) seines Budgets für die Bedienung der Zinslast aufwenden, damals waren keine Klagerufe über die „irrsinnigen“ Finanzinvestoren zu vernehmen. Bis 2007 sank diese Belastung deutlich auf 10,1% und stieg bis 2010 nur relativ schwach auf 11,1% wieder an.

Im Vergleich zur Eurozone (2010: 5,53%) ist dies zwar eine überdurchschnittliche Belastung des Haushalts, aber im langfristigen Vergleich eher gering und nicht das Resultat eines „Würgegriffs“ der Finanzmärkte, sondern der massiven Ausweitung der Staatsverschuldung in den letzten 15 Jahren.

Abbildung 4 Anteil der Zinszahlungen an den gesamten Staatsausgaben Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

3. Zu Tode sparen, oder zu Tode konsumiert?

Da das Hauptproblem Griechenlands somit nicht die Zinszahlungen sind, sondern der Schuldenstand, muss die Ursachenbekämpfung auch dort ansetzen. Die Einnahmen müssen erhöht, aber auch die Ausgaben reduziert werden. Keynesianisch geprägte Ökonomen warnen allerdings davor, dass dieses „Rezept“ die Krise verschärfen würde, da durch geringere Ausgaben des Staates die Wirtschaftsleistung zurückgehen muss. In den mechanischen Modellen der Neoklassik und dem saldenmechanischen Denken dieser Ökonomen ist dies tatsächlich unausweichlich. Die Empirie liefert für diese Theorien aber keine hinreichende Bestätigung, und das Verständnis für echte ökonomische Zusammenhänge kann diese Überlegungen ebenfalls nicht bestätigen.

Die Keynesiansiche Sichtweise betrachtet im Wesentlichen die Einkommensverwendungsseite des BIP, die, entgegen der begrifflichen Indikation, die bestimmende Determinante der Einkommensentstehung sein würde. Konsum von Staat und privaten Haushalten führe zur Produktion. Dass dies sowohl technisch, als denklogisch unmöglich ist, lässt den überzeugten Keynesianer allerdings kalt.

Nur bereits hergestellte – also produzierte – Güter können auch konsumiert werden. Produktion muss immer vor dem Konsum geschehen, wie auch nur die Einkommensverteilung erst nach geleisteter Produktion vorgenommen wird. Das langfristige Wohlergehen einer Volkswirtschaft hängt daher von der Produktion ab. Wie sich diese dann auf die einzelnen Sektoren verteilt ist eine wesentliche wirtschaftspolitische Frage, aber eben nur eine abzuleitende. Der Wohlstand hängt von der Wertschöpfung ab, nicht vom Konsum.

Um Produktion zu ermöglichen braucht es die entsprechenden Produktionsfaktoren, Kapital und Arbeit. Kapital sind Güter, die nicht für den Konsum verwendet werden, d.h. die zukünftige Produktions- und Leistungsfähigkeit hängt vom Konsumverzicht der Gegenwart ab. Somit ist genau das Gegenteil der Keynesianischen Behauptung (oder Verwirrung) ökonomisch richtig: nur durch die Reduktion des Konsums können die Voraussetzungen für einen mittel- und langfristigen Produktions- und Wertschöpfungsanstieg geschaffen werden.

Die griechische Entwicklung der letzten Jahre bestätigt diese grundsätzlichen Einsichten des ökonomischen Denkens: Die griechischen Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen) sind zwischen 1996 und 2007 um 206,6% gewachsen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 8,82% entspricht. Das nominelle Wirtschaftswachstum Griechenlands lag im gleichen Zeitraum allerdings bei nur 6,06%, d.h. Jahr für Jahr sind die Ausgaben durchschnittlich um 2,76%-Punkte stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Der Keynesianische Irrtum wurde also wieder einmal offenbart: Griechenland hat sich in den letzten 15 Jahren nicht zu Tode gespart, sondern – wenn man schon das Wort gebrauchen will – zu Tode konsumiert.

4. Der Sozialstaat als Retter?

Die Keynesianer und andere Neo-Sozialisten behaupten auch immer wieder gerne, dass der Ausbau des Sozialstaates ein wesentliches Element zur Minderung oder gar Verhinderung von wirtschaftlichen Krisen wäre. Der Staatsekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, hat wörtlich behauptet: „Es war der Sozialstaat, der verhindert hat, dass aus der ökonomischen eine tiefe soziale Krise wurde.“ Zumindest für den Fall Griechenland ist auch hier nur der Wunsch der Vater des Gedankens.

Die Realität zeigt genau eine gegenteilige Entwicklung. Die griechischen Staatseinnahmen sind zwischen 1996 und 2010 um durchschnittlich 5,95% jährich gewachsen, und damit doppelt so stark wie im Durchschnitt der Eurozone (2,91%). Anstatt diese Mehreinnahmen und die sinkende Zinsbelastung (siehe obige Ausführungen) zur Sanierung der Staatsfinanzen zu verwenden hat Griechenland vor allem die Sozialausgaben massiv ausgeweitet.

Diese sind im Beobachtungszeitraum jährlich um 8,36% gestiegen, und damit dreimal so schnell wie der Durchschnitt der Eurozone (2,79%). Während also in der Eurozone insgesamt die Dynamik der Sozialausgaben in einem ausgewogenen Verhältnis zur Einnahmenentwicklung gestanden ist, hat Griechenland hier ein jährlich negatives Wachstumsdifferential von 2,41%-Punkten ausgewiesen.

Genau umgekehrt verhält es sich mit den Investitionen des Staates: Diese sind zwar auch relativ stark gewachsen (5,51% p.a.), aber eben geringer als die Einnahmen, und deutlich schwächer als die Sozialausgaben. Für eine Volkswirtschaft, die einen Aufholprozess gegenüber den einkommensstärkeren Ländern der Eurozone durchlaufen sollte, ist dies eine nicht adäquate Ausgabenstruktur des öffentlichen Sektors.

Im Falle Griechenlands kann also zu Recht behauptet werden, dass der Ausbau des Sozialstaates die Krise nicht nur nicht verhindert hat, sondern im Gegenteil sogar einen wesentlichen Beitrag zu dessen Entstehung geleistet hat.

Dies soll allerdings nicht als verallgemeinerndes Urteil missverstanden werden. Der Ausbau von Sozialleistungen ist allerdings immer im Verhältnis der Leistungsfähigkeit des Staatswesens zu bewerten. Aber sowohl das Wirtschaftswachstum (4,94% p.a.), als auch das Wachstum der Staatseinnahmen (5,95% p.a.) machen eine derartige Ausweitung der Sozialleistungen auf Dauer nicht trag- und finanzierbar. Daher ist es ein richtiger und notwendiger Schritt auch die Reduktion der Staatsausgaben in den vor der Krise zu stark ausgeweiteten Bereichen vorzunehmen.

 

Abbildung 5 Durchschnittliche jährliche Änderungsraten Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

5. Der Angriff der Rating-Agenturen und/oder Spekulanten?

Auch wenn die Analyse der Fundamentaldaten der griechischen Staatsfinanzen hinreichende Belege für die wirklichen Ursachen der Krise Griechenlands geben sollte, bleiben immer noch die Vorwürfe gegen die Finanzmärkte, in diesem Fall die Rating-Agenturen und die „Spekulanten“ aufrecht.

Betrachten wir die erste Gruppe. Natürlich ist es richtig, dass das Rating die Preisbildung beeinflusst, denn schließlich ist die Einschätzung des Risikos eines Zahlungsausfalls entscheidend für die Frage des Wertes einer Staatsanleihe. Ein Rating stellt daher eine wesentliche Information und Entscheidungshilfe für Investoren dar. Die Politik sieht daher die Tätigkeit der Rating-Agenturen auch nicht grundsätzlich problematisch, aber nur, solange die Bewertungen gut sind.

Auch in der aktuellen Situation wird nicht kritisiert, dass Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande die höchste Bonitätsstufe (AAA) aufzuweisen haben. Kritisiert werden nur die schlechten Ratings für Portugal, Griechenland und Irland. Wenn aber die Rating-Agenturen in diesen Fällen falsch liegen sollen, dann müsste dies doch auf generelle Fehler oder Fehlannahmen ihrer Modelle zurück zu führen sein, d.h. auch die guten Ratings wären dann nicht korrekt. Die Inkonsistenz dieser politischen Aussagen fällt der Öffentlichkeit aber seltsamerweise nicht auf.

Aber auch im zeitlichen Ablauf von Hilfsmaßnahmen, Ratings und Kursentwicklung stimmen politische Wertungen und tatsächliche Abläufe nicht überein. Weil Griechenland sich nicht mehr ausreichend oder zu passenden Konditionen auf den Märkten refinanzieren konnte, wurden die ersten Hilfsmaßnahmen der Euroländer und des IWF am 12. April 2010 beschlossen. Da Griechenland aber davon abhängig ist, durch die Aufnahme neuer Schulden die bestehenden und auslaufenden Staatsanleihen zu refinanzieren, war es spätestens durch den Beschluss dieses Pakets ersichtlich, dass die Bedienung der bestehenden Schulden unsicherer geworden ist.

Die Rückstufung durch S&P am 27. April 2010 um drei Bonitätsstufen auf BB+ war daher nur eine Anpassung an die reale Situation.

Auch in der Phase danach waren nicht die Rating-Agenturen die Auslöser für Refinanzierungsprobleme des griechischen Staates: Bis zur nächsten Rückstufung am 29. März 2011 verging beinahe ein Jahr, in dem die Kurse der zehnjährigen Staatsanleihen um 25,1% gefallen sind. Seit damals wurde das Rating um sechs (!) weitere Stufen auf CCC gesenkt, die Kurse sind aber „nur“ noch um 14,3% zurückgegangen. Und seit der letzten Absenkung am 14. Juni 2011 haben sich die Kurse sogar um 6,2% (4. Juli 2011) erhöht.

Die Aussagen eines britischen Bankers scheinen sich also empirisch bestätigen zu lassen: “Die Ratingagenturen machen eine Aufholjagd, um zum Markt aufzuschließen. Der Markt preist eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit ein, dass es in Griechenland zu einem Ausfall kommt. Die Ratingagenturen liefern jetzt ihre negativen Einschätzungen nach, die der Markt schon längst eingepreist hat – und nicht umgekehrt.”

Abbildung 6 Entwicklung der Durchschnittskurse 10-jähriger griechischer Staatsanleihen in der Zeitspanne zwischen zwei Rating-Rückstufungen durch S&P; Quelle: Bank of Greece, eigene Darstellung

Bleiben die „Spekulanten“. Das sind in politischer Auffassung jene nebulosen Personen, die auf den Kursverfall wetten bzw. die Kursverluste ausnützen würden. Es ist natürlich schwer zu beweisen, dass diese Behauptung stimmt, aber genauso schwierig ist es diese Behauptung zu widerlegen. Aber gewichtige Argumente sprechen gegen diese These.

Im Allgemeinen wird ein Anstieg der Spekulation durch eine Zunahme der Handelsaktivität vermutet. Für griechische Anleihen ist aber eine vollkommen gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Die Anzahl der Transaktionen mit griechischen Staatsanleihen lag im Juni 2011 bei 15.971. Gegenüber dem Höchststand im März 2010, also noch vor der ersten großen Rückstufung im April 2010, bedeutet dies einen Rückgang um mehr als zwei Drittel (-67,6%).

Dies ist aber kein einmaliges Phänomen, sondern ein bereits seit Jahren anhaltender Trend. 2010 lag die durchschnittliche Anzahl der monatlichen Transaktionen um 8% unter dem Niveau des Jahres 2009. Im ersten Halbjahr 2011 war die Anzahl der Transaktionen um 43% niedriger als 2010, und um 48% geringer als 2009. Die höchsten durchschnittlichen Transaktionen mit griechischen Anleihen gab es im Jahr 2007, also noch deutlich bevor die griechische Finanzkrise offenbart wurde.

 

Abbildung 7 Anzahl der monatlichen Transaktionen griechischer Staatsanleihen Jänner 2010 bis Juni 2011; Quelle: Bank of Greece; eigene Darstellung

6. Fazit

Die gegenwärtige Situation der griechischen öffentlichen Finanzen ist primär die Folge einer exzessiven Ausgabenpolitik des griechischen Staates. Die Staatsausgaben, insbesondere in den Bereichen Sozialtransfers und Personalaufwand im öffentlichen Sektor, sind in den letzten fünfzehn Jahren deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung und die Staatseinnahmen gestiegen.

Entsprechend hat sich auch der Schuldenstand deutlich stärker erhöht als die Wirtschaftsleistung und ist somit bis Ende 2010 auf 365% der Staatseinnahmen gestiegen, und weist damit mit Abstand den höchsten Wert der Mitgliedsländer der Eurozone auf. Die Finanzmärkte sind für diese Entwicklung nicht kausal verantwortlich. Die Zinsbelastung des Haushalts ist bis 2009 kontinuierlich gesunken, vor allem auf Grund einer stetig fallenden effektiven Zinsbelastung, die sich auch noch im Jahr 2010 fortgesetzt hat.

Die Rückstufungen durch die Rating-Agenturen waren Reaktionen auf die Marktentwicklungen, und nicht deren Auslöser. Die behauptete Spekulation „gegen“ Griechenland ist aus der Entwicklung der Handelsaktivitäten mit griechischen Anleihen nicht beobachtbar. Ausflüchte und Ausreden werden Griechenland nicht helfen und schon gar nicht retten. An strukturellen, nachhaltigen und fundamentalen Änderungen der Finanzpolitik des griechischen Staates führt somit kein Weg vorbei.

Griechenland ist somit auch ein mahnendes Beispiel für andere Staaten der EU bzw. der Eurozone: Ein dauerhaftes Ausgabenwachstum ist ohne entsprechendes Wachstum der Produktion und Wertschöpfung nicht möglich. Auch eine noch höhere Umverteilung durch Ausweitung der Abgabenquote kann diesen Grundzusammenhang nicht auflösen. Griechenland hat(te) kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem, wie praktisch alle „modernen“ Industrienationen. Wer sich dieser Realität nicht annimmt oder sie sogar verleugnet hat für zukünftige Eskalationen wie in Griechenland die Verantwortung zu tragen.

Mag. Markus Fichtinger ist Mitarbeiter des Bereichs Finanzpolitik & Recht der Industriellenvereinigung

Disclaimer: Die Ausführungen des Artikels geben die persönliche Meinung und die Ansichten des Autors wieder und entsprechen nicht zwingend der Position seines Arbeitsgebers.

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Gutes über Auer, Tamandl, Kurz, Kärnten, Lucyshyn und sogar Mikl-Leitner/Ostermayer drucken

In trüben Zeiten ist es schön, das eine oder andere Positive zu entdecken – selbst in der heimischen Politik. Und das in fast allen Lagern. Das passt doch wunderbar in die Adventzeit.

Da gibt es etwa den SPÖ-Abgeordneten Josef Auer. Er fordert, dass in Sex-Inseraten nicht mehr mit pornografischen Darstellungen geworben werden darf. Das ist eine nicht nur richtige, sondern auch mutige Forderung. Richtet sie sich doch primär, wenn auch unausgesprochen gegen Werner Faymanns Lieblingsblätter, während der „Kurier“ lobenswerterweise neuerdings darauf verzichtet. Immerhin sind diese Blätter mit ihren immer drastischer werdenden verbalen und photographischen Sex-Darstellungen ja die Hauptlektüre österreichischer Schulkinder am Weg in die Schule. Zugleich partizipieren Faymanns Propagandablätter auf diesem Weg auch von Menschenhandel und allen damit verbundenen Verbrechen. Das auf diesem Weg transportierte Frauenbild ist für die Schüler weit wirksamer als all die – ebenfalls durch staatliche Schulden finanzierte – Gender-Propaganda als anderes Extrem.

Da gibt es den jungen Staatssekretär Sebastian Kurz, dessen verbale Auftritte nicht nur auf eine für ein Regierungsmitglied noch dazu dieses Alters erstaunliche Intelligenz schließen lassen. Der seine Klugheit auch dadurch beweist, dass er nicht überehrgeizig ist. Er widersteht – zumindest bisher – dem Druck, sich kurz nach der Übernahme dieses Amtes auch noch als Wiener ÖVP-Obmann verheizen zu lassen.

Da gibt es den Direktor des Bildungsforschungsinstituts „bifie“ namens Josef Lucyshyn. Er wagt es, massive Kritik an der Koalition und dem Unterrichtsministerium zu üben, obwohl das „bifie“ von diesem finanziell weitgehend abhängig ist. Solche Abhängigkeit ist ja in Österreich normalerweise kein sonderlich mutfördernder Indikator. Der mehr als berechtigte Grund der Kritik: Das „bifie“ war beauftragt worden, den Schulversuch der „Neuen Mittelschule (NMS)“ zu evaluieren. Diese Bewertung soll im kommenden Jahr vorliegen. Die Koalition hat jedoch schon im Vorjahr ohne jedes Datenmaterial im Handstreich die flächendeckende Ersetzung aller Hauptschulen durch diese NMS beschlossen. Sie hatte dabei keinerlei Beweis für den Nutzen dieser teuren Reform außer ideologiegefüllte Sprechblasen linker Politiker und einiger Steirerschwarzer vom Intelligenzzuschnitt der Frau Karl und des Herrn Schilcher. Inzwischen zeigen immer mehr Erfahrungsberichte, welchen Schaden die Zerstörung der außerhalb der Städte brillant funktionierenden Hauptschulen mit ihren drei Leistungsgruppen durch die viel weniger differenzierende, aber viel teurere NMS bedeutet.

Da gibt es die Kärntner Koalition, die in ihrer Geldnot erstmals eine signifikante Abkehr von der Big-Spender-Politik der Jörg-Haider-Zeiten vorgenommen hat: In Kärnten werden Angehörige von Heiminsassen ab einem gewissen Einkommen (wieder) zu einer Beteiligung an den Unterbringungskosten gezwungen. Das bringt nicht nur direkt ein bisschen Geld in die ratzekahl leeren Kärntner Kassen, sondern indirekt auch dadurch, dass als Folge ein paar Menschen weniger in solche Heime abgeschoben werden.

Da gibt es die Wiener Christgewerkschafterin Tamandl, die es wagt, sich positiv zur Schuldenbremse zu äußern. Dabei hat der Kollektivwahnsinn der restlichen Arbeiterkämmerer (unter Einschluss der christlichen) diese vor wenigen Tagen noch heftig bekämpft. Wenigstens die Wiener Christ-Arbeiterkämmerer wissen also offenbar, dass es nichts Unsozialeres als Schulden gibt. Diese belasten die Zukunft aller Österreicher; und an ihnen verdienen zu 78 Prozent Ausländer. Es wäre freilich nett und noch mutiger gewesen, hätte sich Tamandl auch der Abstimmung in der Arbeiterkammer gestellt.

Und da gibt es auch die Frau Mikl-Leitner und den Herrn Ostermayer. Diese sind zwar – nach wie vor aus vielen guten Gründen – besondere Zielscheiben der Kritik dieses Tagebuchs. Sie haben aber auch etwas zusammengebracht, was objektiverweise gerühmt werden muss, und was man von der Politik seit langem nicht gesehen hat: eine Reform, die erstens sinnvoll ist; die sie zweitens in aller Diskretion ohne Querschüsse bis zum geplanten(!) Zeitpunkt der Veröffentlichung komplett ausverhandelt haben; und die drittens nicht einmal vom Brummen der zuständigen Fachgewerkschaft mehr ausgehebelt werden konnte. Dabei geht es um die Zusammenlegung von Sicherheitsdirektionen und den diversen Polizeikommanden. Das ist eine hervorragende Leistung in Sachen Verwaltungsreform, Einsparung und eines Abbaus der Überzahl an Häuptlingen. Es ist auch fast die erste Leistung dieser Regierung. Jetzt wollen wir nur noch hoffen, dass künftig die Polizei wieder sofort erscheint, wenn sie von jemandem in Not angerufen wird. Oder dass sie gleich a priori an den wirklichen Aggressionspunkten präsent ist.

Last not least bietet neuerdings sogar die Weltpolitik Erfreuliches: Nach Jahren einer brutalen Diktatur, die das Land in einer sonst rapide nach oben strömenden Region verarmen hat lassen, scheint Burma jetzt den sanften, aber raschen Übergang zu einem zivilisierten Mitglied der Weltgemeinschaft zu gehen. Es ist zwar noch nicht am neuen Ufer angelangt, aber die Mitte des Flusses ist überquert. Dafür muss man vor allem der ebenso mutigen wie beharrlichen wie gewaltfreien Oppositionsführerin Suu Kyi großes Lob und viel Bewunderung spenden. Ein wenig davon kann man aber wohl auch den offensichtlich reumütigen Offizieren trotz all ihrer Untaten während der letzten Jahrzehnte zukommen lassen. Und zu guter letzt hat sich auch die konsequente Haltung des Westens gelohnt.

Und in Italien setzt die neue Regierung Monti jetzt ganz auf liberale Reformen, mit denen Berlusconi bisher gescheitert ist: auf Liberalisierungen, auf Strukturreformen und auf die Privatisierung kommunaler Unternehmungen. Also auf Dinge, die etwa für die Wiener Rathaussozialisten gleich nach der nationalsozialistischen Wiederbetätigung kommen.

Den ganzen Rest der Welt vergessen wir vorerst einmal.

 

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SN-Kontroverse: Länger arbeiten? drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Müssen wir länger als bis 65 arbeiten?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Bitte keine Schlagzeilenreformen!

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Sollen, können und müssen werden im politischen Diskurs oft verwechselt. Müssen und sollen implizieren, dass den Menschen etwas aufgezwungen wird. Dann geht gar nichts mehr. Wenn zum Beispiel der Ex-Bauernbundchef Franz Grillitsch - ein geistiger Verwandter des deutschen Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin - anregt, dass jenen, die aus gesundheitlichen Gründen früher in Pension gehen der Führerschein entzogen werden soll, und ÖVP-Chef Michael Spindelegger diese These willigst apportiert, dann wird's schwierig. Weil in der Folge könnte man Leuten, die in Pension sind - ob zu früh oder spät ist dann schon egal - das Fahren mit den ÖBB, der „Westbahn", der U-Bahn oder den Öffis untersagen, weil die ja schließlich auch von Steuergeldern gebaut wurden bzw. erhalten werden. Schuldenbremsen und Triple A rechtfertigen eben nicht alle Maßnahmen. Dass eine differenzierte Anpassung des Pensionssystems nötig ist, wird kaum bestritten. Doch das Leben der „Ruheständler" kann sehr verschieden sein. Da gibt es Beamte, die mit 35 Dienstjahren (oft gegen ihren Willen) in Pension geschickt werden. Mit Golden Handshakes. Das darf die Finanzministerin ruhig dem Boss der Beamtengewerkschaft von den christlichen Gewerkschaftern weiterflüstern. Dieser könnte ihr dann zurückflüstern, dass es einen Unterschied macht, ob, in welchem körperlichen Zustand und ab wann der Müllmann, die Krankenpflegerin oder die Sektionschefin abgefertigt werden. Ganz zu schweigen von den Unterschieden in den einzelnen KV-Verträgen. So schaut's aus: Das Leben der „Ruheständlerinnen" und sogar der Frühpensionisten kann verdammt hart sein. Fakt ist, dass jene, die im Erwerbsleben wenig hatten, weil sie die „dreckigen" Jobs erledigt haben, oft früher krank werden und in der Pension kaum auf Rosen gebettet sind.


Ahnungslosigkeit oder Zynismus

 

Andreas Unterberger

Länger zu arbeiten ist keine Frage des Sollens oder Wollens mehr, sondern eine des Müssens. Nur für jene kleine Minderheit, die gern länger arbeiten möchte, aber durch steinzeitliche Pensionssysteme und Kollektivverträge (die ältere Mitarbeiter sehr teuer machen) daran gehindert wird, ist es eine Frage des Dürfens.

 Der frühe Pensionsantritt ist die größte Ursache staatlicher Defizite. Deren Finanzierung ist nur zu steigenden Wucherzinsen möglich. Wer glaubt, im Land mit der im Euroraum zweithöchsten Steuerquote noch irgendwo große Steuergeldquellen finden zu können, ist ein Träumer oder zynischer Gewerkschaftsideologe. Die Österreicher gehen im Schnitt(!) um mehr als vier Jahre früher in Pension als die von den Sozialisten einst als Vorbild gelobten Schweden. Dieser Pensionsantritt erfolgt heute auch um mehr als drei Jahre früher als 1970. Die Österreicher fangen gleichzeitig um mehr als vier Jahre später zu arbeiten an. Und sie leben seither um sechs Jahre länger. In diesem Land kann man zwar aus oft nicht beweisbaren psychischen Gründen (die seltsamerweise rapid zugenommen haben) zulasten der Allgemeinheit in eine gut wattierte Frühpension gehen, aber diese Gründe reichen nicht einmal aus, den Führerschein zu verlieren. Was die Lage noch schlimmer macht: Zugleich ist die Geburtenrate weggebrochen. Und der Glaube, diese Lücke mit Zuwanderern füllen zu können, hat sich als Irrglaube erwiesen. Gehen doch die Zuwanderer in viel geringerem Ausmaß als geborene Österreicher arbeiten (zu 65 statt 72 Prozent) und kommen sie doch viel öfter aus bildungsfernen Familien.
 
In Wahrheit ist jede Woche, in der wir das Pensionssystem nicht drastisch ändern, ein Verbrechen an der Zukunft und eine Weichenstellung Richtung Griechenland.

 

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Und jetzt das Elfmeterschießen im letzten Gefecht der Schulden-Junkies drucken

Sie sind süchtig nach unserem Steuergeld wie ein Junkie aus der Wiener U-Bahn nach neuem Stoff. Und sie arbeiten mit jedem Trick, um nur ja nicht sparen zu müssen. Das zeigt sich rund um die Groteske namens Schuldenbremse mit erschreckender Deutlichkeit.

Ich habe mehrfach zu dieser Idee eine klare Ansicht vertreten: Wenn man endlich wirklich sparen wollte, bräuchte man keine langwierig zu beschließende Schuldenbremse. Man könnte und sollte schon morgen mit dem Sparen beginnen. Von der Abschaffung der Hacklerpension über den Verkauf des rollenden ÖBB-Materials bis zur Drittelung aller Subventionen undundund. Das ist seit drei Wochen dringender denn je, da nun auch Österreich mit täglich höheren Zinsforderungen als Zeichen seiner schwindenden Kreditwürdigkeit konfrontiert ist. Niemand borgt mehr gerne und unbesehen einem europäischen Staat sein Geld – nicht einmal mehr den Deutschen.

Inzwischen aber muss ich meine Meinung korrigieren – oder zumindest präzisieren. Wenn sich die Regierungsparteien nun schon öffentlich, also vor den Ohren aller Geldgeber, auf die Einführung einer Schuldenbremse festgelegt haben, wäre es ein absoluter Wahnsinn, diese nicht auch zu beschließen. Und zwar im Verfassungsrang. Alles andere wie ein einfaches Gesetz wäre nur ein verfrühter, aber teurer Aprilscherz. Ein einfaches Gesetz könnte mit jedem neuen Ausgabengesetz wieder ausgehebelt werden. Und es hätte vor allem keinerlei Wirksamkeit für die besonders ausgabenwütigen Bundesländer.

Inzwischen aber ziert sich die Opposition wie ein trotziger Pubertierender, die Stimmen für die nötige Verfassungsmehrheit herzugeben. Die FPÖ, die lange nach dieser Bremse gerufen hatte, will plötzlich nur zustimmen, wenn sich Österreich de facto aus der EU hinausschießt und bei den Stützungskrediten nicht mehr mitmacht. Natürlich sind diese Kredite für Griechenland&Co ein Fehler, aber solange Deutschland dafür ist, bleibt Österreich nichts anderes über, als auch mitzumachen. Es wäre schon viel getan, würde auch nur ein österreichischer Politiker wieder mit Gewicht und Sachverstand in den europäischen Debatten mitreden können. Aber der findet sich weder in der Regierung noch in der Opposition.

Auch die Grünen haben sich selbst aus der Schuldenbrems-Aktion hinausgeschossen. Sie wollen ja keine Sekunde lang sparen (wie etwa unlängst auch ein unglaublich peinliches Interview ihrer Wiener Spitzenfrau demonstriert hat). Sie wollen vielmehr ständig nur noch höhere Steuern, als ob Österreich nicht schon das zweithöchste Steuerniveau unter den Euro-Ländern hätte.

Genau aus diesem Grund ist auch die Forderung des BZÖ für seine Zustimmung durchaus vernünftig (was aus dieser Partei angesichts ihrer sonstigen Untaten noch lange keine sonderlich überzeugende Partei des Ordnungsliberalismus macht). Das BZÖ fordert konkrete Sanktionen für die Verletzung der vorerst rein theoretischen Schuldenbrems-Bestimmungen. Und es will ein Limit für die Abgabenquote einziehen.

Das ist legitim: Denn damit wäre es zwar möglich, beispielsweise höhere Grund- oder Energiesteuern einzuführen, aber gleichzeitig müssten die Einkommenssteuern gesenkt werden.

Ein Limit für die Abgabenquote aber wollen wiederum viele in der SPÖ nicht. Denn dort hassen in Wahrheit die meisten ebenso wie die Grünen jedes Sparen. Sie glauben immer noch an die ominösen Reichen, die sie genüsslich schröpfen könnten.

Dabei ist längst klar: Die meisten Steuererhöhungspläne würden wegen der dadurch vermehrten Steuerflucht und -umgehung kein Plus in die Staatskasse bringen. Das gilt auch für die nun ventilierten Pläne einer höheren Einkommensteuer für „Superreiche“, also für jene Menschen, die mehr als 300.000 Euro (laut SPÖ) oder 500.000 Euro (laut dem linken ÖVP-Flügel) im Jahr verdienen. Zu jenen wenigen Menschen, die überhaupt so viel verdienen, zählen vor allem Künstler und Manager. Gerade diese aber haben es meist in der Hand, den eigenen Wohnsitz oder den Sitz des Unternehmens in andere Länder mit niedrigeren Steuern zu verlegen. Was letztlich nur ein Netto-Minus in der Steuerkasse zurücklässt.

Entlarvend für die Einstellung in der SPÖ ist das totale Njet des ÖGB: Er fürchtet, dass eine Schuldenbremse zu Kürzungen im Sozialsystem führen könnte. In der Tat: Die Schuldenbremse könnte nicht nur zu solchen Kürzungen führen, sondern sie muss sogar dazu führen, wenn sie auch funktionieren soll. Was die Gewerkschafter aber immer noch nicht begreifen: Wenn Österreich nicht noch in diesem Winter freiwillig eine Schuldenbremse SAMT ganz konkreten tiefgreifenden Sparmaßnahmen beschließt, werden ihm in Kürze von außen noch viel drastischere Kürzungen vorgeschrieben werden. So wie Griechenland oder Italien.

Damit aber sind wir wieder im Kern der Koalition angekommen, die diese Bremse anfangs so einträchtig angekündigt hat. Traut sich Werner Faymann trotz des Gewerkschaftswiderstandes eine solche verfassungsrechtliche Schuldenbremse SAMT konkreten Umsetzungen zu beschließen? Das wäre nun freilich das erste Mal, dass der Mann irgendetwas gegen Widerstände durchkämpft. Dass er gar dem von ihm immer besonders hofierten Gewerkschaftsbund eine andere Meinung entgegensetzt. Dass er etwas tut, was nicht nur von Populismus und Opportunismus trieft. Dass er seinem Amt in irgendeiner Weise gerecht würde.

Ob er intelligent genug ist zu erkennen, dass alles andere eine noch viel größere Katastrophe auslösen wird?

Fällt aber Faymann erwartungsgemäß wieder einmal um, dann kommt es zur großen Bewährungsprobe des Michael Spindelegger. Auch dieser hat sich ja bisher in keiner Weise durch Konfliktfähigkeit und Standfestigkeit ausgezeichnet. Aber ÖVP-intern gilt die Schuldenbremse als Reifeprüfung für den jungen Parteiobmann.

Die grenznaiven Christgewerkschafter mit ihrem die christliche Soziallehre fehlinterpretierenden Neokommunismus hat er ja noch relativ leicht austricksen können. Aber wird er es in seiner jovialen Konsenssehnsucht auch wagen, im Parlament notfalls ohne Faymann-Segen die (von der Regierung ja schon beschlossene) Schuldenbremse abstimmen zu lassen? Und zwar im Verfassungsrang SAMT konkreten Umsetzungsmaßnahmen. Das würde zwar möglicherweise mit einer Niederlage enden. Aber damit wäre dann endgültig klar, wo die Schuld an den Dingen liegt, die in Bälde auf Österreich zukommen werden.

Es ist eine Stimmung wie in den Minuten vor dem entscheidenden Elfmeterschießen eines großen Finales.

 

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Wie viele Migranten sind in den Arbeitsmarkt integriert? drucken

Anteil der Beschäftigten unter Einheimischen und Immigranten sowie Männern/Frauen 2009

 

Quelle: OECD

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Jubel über die Arbeitslosenzahlen drucken

Bisweilen stoßen meine düsteren Vorahnungen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft der Republik auf das Gegenargument: Aber unsere Arbeitslosenzahlen zählen doch europaweit noch immer zu den niedrigsten!

Das ist auf den ersten Blick trotz des Steigens der Arbeitslosigkeit durchaus richtig. Die EU misst nach gleichen Methoden in all ihren Mitgliedsländern die Arbeitslosigkeit. Und dabei kommt Österreich sehr gut weg. Zugleich scheint Arbeitslosigkeit ein ganz zentraler Indikator für die wirtschaftliche und damit auch soziale Stabilität eines Landes zu sein.

Doch die Statistik trügt an allen Enden. So wie die Griechen bei ihren Finanz-Statistiken sind wir Europarekordler bei den Job-Statistiken. Wir verstecken unsere Arbeitslosen mindestens ebenso gut, wie es die Griechen bei ihren Schulden getan haben. Um das zu beweisen genügt etwa schon die Tatsache, dass die Österreicher im Schnitt vier Jahre früher in Pension gehen, als die übrigen Europäer es tun. Würden diese vier Jahrgänge alle im Arbeitsmarkt unterwegs sein, würde die Statistik ganz anders aussehen.

Dasselbe gilt für die langen Aufenthalte an Universitäten, die junge Menschen weit länger vom Arbeitsmarkt fern halten als notwendig und als anderswo üblich. Durch den offenen Zugang werden auf den Unis junge Menschen viele Jahre lang zu teuren Kosten geparkt, die erst dann in den Ernst des Lebens wechseln, wenn sich irgendwo ein Angebot auftun sollte. Das gilt insbesondere auch für das Doktoratsstudium nach dem Magister: Dieses wird nicht einmal von zehn Prozent der Studenten mit einer Promotion abgeschlossen.

Die P- und die G-Studien

Es klingt aber viel besser, zu sagen, dass man am Doktor arbeitet, statt sich als Arbeitssuchender deklarieren zu müssen. Ähnliches gilt auch für die Magister- und Bachelor-Studenten der vielen Leichtstudien mit dem P wie Plunder. Sie können während dieser Zeit noch einmal so richtig das Leben genießen, Familienbeihilfe und Stipendien kassieren und sich auch noch richtig wichtig vorkommen. Nur verdrängen sie dabei die Tatsache, dass Österreich nicht jedes Jahr Tausende neue Politologen, Psychologen, Publizisten, Pädagogen braucht. Wenn man etwas genauer hinschaut, müsste man übrigens auch die G-Studien von Germanistik bis Geschichte in diese Gruppe einbeziehen. Viele dieser akademischen Karrieren enden in jahrelanger Projektmitarbeit und in Werkverträgen ohne Perspektiven, bis man dann halt bereit ist, etwas ganz anderes zu arbeiten, wofür man bei Gott nicht studiert hat. Wie viele „Akademiker“ das tun, wird übrigens von keiner einzigen Statistik erforscht. Das merkt man nur an Hand vieler konkreter Lebensläufe.

Nun werden viele sagen: Es ist doch immer noch besser, wenn die Menschen Plunder-Studien belegen oder jugendlich in die Pension gehen, als am Arbeitsamt zu stehen. Das ist aber in Wahrheit gar nicht besser. Denn damit wird den Menschen ja die unverzichtbare Eigenverantwortung ausgetrieben, sich selbst für die Suche nach einer Arbeit zuständig zu fühlen. Indem sie etwa die Branche wechseln. Indem sie auch im fortgeschrittenen Alter noch eine spezifische, vom Markt nachgefragte Qualifikation erwerben. Indem sie etwa gar selbständig werden. Indem sie es etwa im zweiten Lebensabschnitt eine Gehalts- und Prestigestufe niedriger geben.

Das sei an Hand eines konkreten, wenn auch für manche kontroversiellen Modells gezeigt. Es wäre für die Volkswirtschaft wie die jungen Menschen selbst viel besser und ehrlicher, würden diese jeweils obligatorische Zugangsprüfungen ablegen müssen, bevor sie in die nächst höhere Bildungsstufe aufgenommen werden. Das würde dort überschau- und berechenbare Studentenzahlen schaffen. Das würde sofort zu viel besseren Studienbedingungen und damit höherer Qualität führen. Das würde vor allem den jungen Menschen verlorene Jahre ersparen.

Denn wenn man etwa mit 15 oder 19 keine Zulassung zur Oberstufe („Sekundarstufe 2“) oder einer Hochschule schafft, wäre es eine durchaus sinnvolle Alternative, eine Fachlehre zu machen. Nach der verdient man ja meist mehr denn als gescheiterter Politologe, man hat oft ein erfüllteres Leben, und man kann zum Unterschied vom Politologen etwas zum Wohlstand der Allgemeinheit beitragen.

Mit 24 Jahren, also nach vielen Jahren am Arbeitsamt namens Universität, geht man hingegen nicht mehr den Weg in eine solche Berufsausbildung. Dabei ist dieses Alter meist der früheste Zeitpunkt, zu dem viele erst erkennen, etwas für das Berufsleben Unbrauchbares studiert zu haben.

Aber noch immer gibt es Politiker, die stolz auf dieses System der versteckten Arbeitslosigkeit sind. Und die gleichzeitig dafür plädieren, dass wir für jene Berufe, an denen wirklich Bedarf herrscht, halt gleichzeitig Ausländer zu teuren, aber ebenfalls versteckten Kosten importieren. Die wir nur leider nicht finden.

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Wieviele der Lebensjahre arbeiten die Österreicher? drucken

Durchschnittliche Anzahl der Jahre inner- und außerhalb einer Beschäftigung 1970 und 2010

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Wieviel der Altersausgaben ist durch Versicherungen gedeckt? drucken

Altersausgaben und entsprechende Versicherungseinnahmen in Prozent des BIP: Prognose

 

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Wieviel werden altersabhängige Ausgaben zukünftig betragen? drucken

Ausgaben für Gesundheit, Pensionen & Pflege in Prozent des BIP – Projektion bis 2050

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Wofür wird das Steuergeld verwendet? drucken

Veränderung der Transfers und Investitionen im Vergleich zu 1976

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Euro-Krise: Das Ende des „Austro-Keynesianismus“ drucken

Jahrzehntelang rechtfertigte man Europas Schuldensucht, um den Lebensstandard zu subventionieren, als „keynesianisch“. Die nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes benannte Denkrichtung erkannte in der Depression der 1930er Jahre die zu geringe „gesamtwirtschaftliche Nachfrage“. Die Staaten sollten sich deshalb kurzfristig verschulden und mit Staatsaufträgen in die Bresche springen.

War die Konjunktur dann angesprungen, waren die Kredite zu tilgen. Als Lehrbeispiel gilt hier der Hoover-Damm – so die hehre Theorie. Zur Anwendung gelangte in Europa allerdings nur die österreichische Variante, der so genannte „Austro-Keynesianismus“: Kurz vor Wahlen verspricht man neue Sozialleistungen, Pensionserhöhungen und Aufträge für die Staatswirtschaft – nach der Wahl erhöht man Steuern und nimmt neue Schulden auf, ohne die alten aber je zu tilgen.

EU-Schuldenwahnsinn: Eine Tilgung war nie vorgesehen

1971 versprach Kreisky den Österreichern eine Heiratsbeihilfe von sagenhaften 15.000 Schilling, wenn man ihn zum Kanzler machte. Nach der Wahl nahm man dafür Kredite auf, um das Wahlversprechen zu erfüllen. Für eine zehnjährige Anleihe, die man 1972 aufnahm, musste man bis 1982 jährlich fünf Prozent an Zinsen zahlen. 1982 hätte sie getilgt werden müssen.

Hätte. Stattdessen nahm man eine neue Anleihe auf und zahlte damit die alte zurück. Für die neue Anleihe zahlte man nun bis 1992 weitere zehn Jahre wieder jährlich Zinsen. So war es 2002 und so wird es auch 2012 nicht anders sein. Im Jahr 2072 hätte man – bloß für den einen Wahlsieg aus dem Jahre 1972 – 100 Jahre lang jährlich ca. fünf Prozent Zinsen bezahlt. In 100 Jahren 500 Prozent. Und die Schulden bestünden immer noch.

Neue Schulden für den Wahlsieg

Von 1981 an stellte die griechische PASOK-Partei nach jeder Wahl 50.000 neue Staatsdiener mit drei-Jahres-Zeitverträgen an, um ihnen für den Fall des nächsten Wahlsieges die Pragmatisierung zu versprechen. Eine „keynesianische Investition in die Infrastruktur“ nennt die Politik solch Stimmenkauf auf Pump. Jeder vierte Grieche arbeitet heute beim Staat, je nach Schätzung sollte man auch mit vierzig Prozent weniger gut auskommen können.

Einmal versprach man (vor Wahlen) Busfahrern, die pünktlich zur Arbeit kämen, 310 Euro und Eisenbahnern, die sich die Hände wuschen, eine Prämie von 420 Euro monatlich. Nach den Wahlen nahm man dafür dann neue Schulden auf. 200 Millionen Euro Umsatz macht die griechische Eisenbahn, dafür braucht sie jährlich 1.000 Millionen Subventionen auf Pump. Zurückgezahlt wird nicht.

Frankreichs Sozialisten versprachen 1997 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Babyprämien als Wahlgeschenk gab es von Labour (2.500 Euro), den spanischen Genossen (3.500 Euro) und der SPÖ (10.000 Schilling). Putin erhöhte am Wahlvortag die Kleinpensionen um 25 Prozent, um vier Milliarden Euro wird alleine dadurch die Verschuldung Russlands jährlich wachsen.

Europas subventionierter Lebensstandard

Politiker, die sich ab den 70ern dem Schuldenmonopoly verweigerten, die bezichtigt man „sozialer Kälte“. Doch hatte man im Party-Rausch der letzten 40 Jahren einige unschöne Details der Schuldenökonomie übersehen: Die neuen Sozialleistungen hatten im Jahr ihrer Einführung stets die Preise angetrieben, an realer Kaufkraft war immer weniger geblieben als erhofft. Die teils exzessiven Neuverschuldungen der Staaten trieben auch die Kreditzinsen für Private in die Höhe. Die investierten damit entsprechend weniger.

Das Bürgertum wurde von mächtigen Staatsapparaten ausgebremst, volkswirtschaftlich nennt man dies „Crowding Out“. Die Staatskredite waren für Europas Sozial-Politiker ein allzu leicht verdientes Geld. Offiziell flossen sie in (volkswirtschaftlich fragliche) Großprojekte wie Eisenbahntunnels, tatsächlich subventionierte man (in Österreich) das Leben von 250.000 Eisenbahner (-pensionisten).

Unter dem Mäntelchen des Keynesianismus bezahlte man auch die Defizite von Kreiskys Planwirtschaft. Damit erhielt man aber zweitklassige Produkte künstlich am Leben und verhinderte das Wachstum international konkurrenzfähiger Produkte.

Fazit: Österreich blieb lange Jahre in der zweiten Reihe.

Europas ungezügelte Subventionitis

Europas Schuldenberg ist heute außer Rand und Band. Ein Wohlfahrtsstaat hat das BIP zwar künstlich aufgebläht, geringe Reallöhne zeugen jedoch von seinen hohen Kosten. Längst übersteigen die Zinsbelastungen für die Wahlsiege von gestern Österreichs Schulbudgets von heute. Europas Bauern, Eisenbahner, Rentner (und sogar Firmen) sind heute Subventionsempfänger.

Wer besser leben will, der schreit heute nach Staatszuschuss und nicht nach Leistung. Nun sitzt das Staatsgeld heute bekanntermaßen aber nicht mehr so locker wie in der guten alten Zeit und so orten so manche Antragsteller eine Verschwörung von Banken, Spekulanten oder Ratingagenturen. Doch haben die genannten Bösewichte keinen Cent von unseren Schulden aufgenommen. Das waren alles wir Europäer selber.

Außer einem Schuldenfiasko und einer zornigen Jugend wird von Europas „Austro-Keynesianismus“ nicht viel übrigbleiben. Doch hat es den Schuldenkollaps gebraucht, um ein neues Geschäftsmodell für Europas Politik zu entwerfen. Vielleicht ist dies der Startschuss für das Entstehen einer liberalen Zivilgesellschaft. Ähnlich der der Schweiz. Dort wählen die Bürger traditionell die Politiker, die ihnen vor Wahlen am wenigsten versprechen.

MMag. Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist und Autor des ersten „Globalisierungskritik-kritischen“ Buches in Europa: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“.

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Die „Reichen“-Lüge der Gewerkschafter drucken

Es war in den letzten Wochen ein von Gewerkschaftern ständig verwendetes Argument. Es ist aber dennoch eine aufgelegte Lüge: Die Aktionäre hätten in den letzten Jahren so dick verdient, dass Rekordlohnerhöhungen gerechtfertigt wären. Wahr ist das Gegenteil: Niemand anderer als diese Gruppe der von den Linken so gehassten Kuponschneider hat in den letzten Jahren mehr verloren als irgendjemand sonst. Lohnempfänger, Bezieher niederer Pensionen oder Sozialhilfeempfänger haben hingegen auch in diesen fünf Jahren satte Realgewinne erzielt, also mehr als die Inflationsrate.

Warum die Wirtschaftskammer als Verhandlungspartner der Gewerkschaft solches nicht zu sagen wagt? Nun, sie ist geistig längst einer Mischung aus Greißlerdenken, personeller Ausdünnung und sozialpartnerschaftlicher Gehirnerweichung erlegen. Da besteht nicht mehr viel Hoffnung.

Noch schlimmer werden die Dinge übrigens, wenn nächstes Jahr auch in der Industriellenvereinigung ein ideologisch extrem weit links stehender Mann an die Macht kommt. Der Herr Kapsch hat nicht nur eine Vergangenheit am linken Flügel des Heide-Schmidt-LIF, wo man nur linke Gesellschaftspolitik, aber keine nennenswerte Wirtschaftsliberalität verfochten hat; er ist auch geschäftlich in hohem Ausmaß von der Gemeinde Wien und anderen staatlichen „Kunden“ abhängig.

Nirgendwo aber werden in der Politik die Interessen jener vielen Menschen des Mittelstandes vertreten, die durch den Kauf von Aktien oder Anleihen für ihr Alter, ihre Familie und Notfälle vorsorgen wollten.

Die Anleihe-Besitzer werden zumindest in Zukunft katastrophal geschoren werden. Es werden zweifellos nicht nur die Besitzer griechischer Staatsanleihen sein, welche Opfer radikaler „Haarschnitte“ werden. So nennt man ja neuerdings euphemistisch einen dramatisch Wertverlust, der im Falle Griechenlands sogar größer als 50 Prozent sein dürfte. Dieser Verlust wird die Käufer von Anleihen treffen ebenso wie jene, die auf dem Weg von Lebensversicherungen oder anderen Sparformen vorsorgen wollten. Statt „Haircut“ sollte man da lieber gleich „Headcut“ sagen.

Aber auch für jene, die das durch den Kauf von Aktien oder Aktienfonds vorsorgen wollten, schaut es schlecht aus. Für sie waren schon die letzten fünf Jahre bitter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Vorjahr einen Lichtblick bedeutet hat. Denn vor fünf Jahren stand beispielsweise der österreichische Aktienindex über 4000 Punkten. Derzeit krebst er unter 2000 herum. Auch international war die Entwicklung keineswegs besser.

Natürlich hat es in einigen dieser Jahre bei einigen der Aktiengesellschaften Dividenden-Auszahlungen gegeben. Aber die haben niemals diesen Kursverlust abgedeckt, geschweige denn zusätzlich die Inflation, von deren automatischer Abdeckung Linke und Gewerkschafter bei ihren Froderungen wie von einem göttlichen Grundgesetz ausgehen.

Die Gesamt-Performance lässt sich zwar etwas schwerer berechnen als der reine Aktienwert, weil bei jeder Gesellschaft die Ausschüttungen unterschiedlich liefen. Das kann am ehesten bei einem Blick auf die Investmentfonds geschehen, die einen Durchschnitt durch die Entwicklung mehrerer Aktien bilden. So hat sich der Wert von „ESPA-Stock Vienna“, der in seriöse österreichische Aktien investiert, in diesen fünf Jahren einschließlich der Ausschüttungen halbiert. Würde man übrigens mit einem Datum vor vier Jahren vergleichen, wäre der Absturz noch viel dramatischer. Aber ich bleibe bewusst bei dem typischen Durchschnittswert von fünf Jahren, mit dem viele ernsthafte Analysen arbeiten.

Die Lüge „Die Reichen werden immer reicher“ wird dennoch ständig weiter verbreitet. Und wenn schon einen Tag die Gewerkschafter schweigen, dann holen die sogenannten Kulturjournalisten sofort irgendwelche „Experten“ wie den Sänger Harry Belafonte aus der Schublade, damit diese ähnliches verzapfen. Und keiner dieser Journalisten ist imstande nachzuschauen, was wirklich wahr ist.

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Warum gehen uns die Kinder aus? drucken

Neben der Schuldenkrise und der massiven Zuwanderung aus bildungs- und leistungsfernen Kulturen ist unsere Gesellschaft mit einer dritten massiven Bedrohung konfrontiert, auf die wir keine Antwort wissen. Auch diese dritte Bedrohung dürfte - noch dazu die in Wechselwirkung mit den anderen beiden - zu einer kaum noch verhinderbaren Katastrophe führen: das Ausbleiben der Kinder. Die Österreicher bekommen nicht einmal mehr halb so viele Kinder, wie ihre Vorfahren noch in den 60er Jahren alljährlich geboren haben. Diese demographische Bedrohung wird aber viel weniger als die anderen diskutiert - vielleicht auch deshalb, weil man daran nicht einfach der Politik allein die Schuld geben kann, sondern auch viele Landsleute mitschuld sind.

Die Ursachen der Kinderabstinenz sind jedenfalls vielfältig. Sie reichen vom ethischen über den biologischen Bereich bis zu jenem des meist materiellen Egoismus. Dieser hat im übrigen auch in Zeiten großer Kinderfreudigkeit eine gewaltige Rolle gespielt. Diese sollten daher gar nicht sonderlich ethisch romantisiert werden.

Nicht glaubwürdig sind die Behauptungen mancher potentieller Eltern, sie würden nur wegen der diversen modischen Panik-Wellen auf Kinder verzichten, ob das nun in den 80er Jahren die Ängste vor dem Atomkrieg waren oder dann die Ängste vor Hormonen, Waldsterben, Genen, globaler Erwärmung, Atomkraftwerken usw. sind. Das scheinen eher nur elegant vorgeschützte Motive zu sein.

Die wichtigsten Faktoren für das Ausbleiben der Kinder dürften vielmehr folgende sein:

  1. Die leichte und bequeme Verfügbarkeit empfängnisverhütender Methoden fällt zeitlich präzise mit dem Absturz der Baby-Quote zusammen. Eine "Anti-Baby-Pille" hat logischerweise genau das getan, was ihr Name sagt.
  2. Ein neues Frauenbild hat dazu geführt, dass auch für Frauen - und sie sind nun einmal für die Reproduktion viel wichtiger als die Männer - Karriere und Selbstverwirklichung im Beruf Vorrang gegenüber Familie und Kindern bekamen.
  3. Das Kinderkriegen wird wegen dieser Prioritätenverschiebung so lange hinausgeschoben, bis es biologisch zu spät ist oder sich nur noch ein Kind ausgeht.
  4. Gleichzeitig werden Frauen auch immer wählerischer bei der Partnerwahl und empfinden es keineswegs mehr wie einst als Katastrophe, wenn sie mit 30 noch keinen Mann gefunden haben, egal welchen. Wenn es nicht der ideale Partner ist, bleiben sie heute lieber ledig.
  5. Rund um die Uhr zur Verfügung stehende Kinderbetreuungseinrichtungen sind in vielen Ländern nicht im gleichen Tempo gewachsen wie der Strom der Frauen in die berufliche Karriere.
  6. Viel zu wenig beachtet wird auch ein neuer, eigentlich kinderfreundlich gemeinter Perfektionismus. Viele junge Menschen wollen im Gegensatz zu all ihren Vorfahren erst dann Kinder in die Welt setzen, wenn sie alles perfekt dafür vorbereitet haben: vom Kinderzimmer über einen gesicherten Beruf für beide mit Karenzansprüchen bis zum Auto, das groß genug ist. Und sie haben schon vor der Geburt ein Monsterprogramm für den Nachwuchs vor Augen: vom Ballettunterricht bis zur Klavierstunde, vom Sportverein bis zu häufigen Sprachferien. Was alles zwar sehr schön für die Kinder ist, aber für die Eltern vor allem belastend und teuer. Diese Last vor Augen verzichtet man dann skurrilerweise aus Kinderliebe gleich ganz auf die Kinder. Wenns nicht perfekt geht, dann lieber gar nicht.
  7. Ins gleiche Denkmuster passt die Überzeugung, dass es für ein Kind besser ist, wenn die Mutter bis zum dritten Geburtstag daheim bleibt. Aber genau das will man gleichzeitig nicht.
  8. Während einst die fast unbedschränkte Allmacht der Eltern, vor allem der Väter, das Familienleben geprägt hat, ist das ins Gegenteil gekippt: Eine intensive und einseitige Betonung der Rechte von Kindern setzt Eltern in der öffentlichen Debatte fast ständig auf die Anklagebank. Wo sie selbst wegen einer einzigen Ohfeige landen können. Auch wenn man viel Sympathie für eine Stärkung der Kinderrechte hat - zu mehr Mut zum Kinderkriegen führt das eher nicht.
  9. Sozialistische Wohlfahrtsreformen haben dazu geführt, dass vor allem jene Eltern aus wirtschaftlichen Gründen keine Kinder mehr bekommen, deren Nachwuchs nach allen bekannten Daten als künftige Wohlstandsträger am dringendsten gebraucht würde: nämlich die bildungs- und leistungsorientierten Eliten, insbesondere Akademiker. Seit die Sozialdemokraten das Prinzip durchgesetzt haben, dass "jedes Kind dem Staat gleich viel wert sein muss", ist für die Besserverdienenden das Kinderkriegen mit einem schweren wirtschaftlichen Verlust verbunden, während die staatlichen Familienbeiheilfen für Angehörige der wirklichen Unterschicht - heute fast nur noch Zuwanderer aus islamischen und afrikanischen Ländern - eine signifikante soziale Verbesserung auslösen (noch dazu, wenn die wirklichen oder manchmal fiktiven Kinder beispielsweise billig in Anatolien aufwachsen können).
  10. Es gibt kaum noch Bauern, deren Lebensweise immer viel besser mit einer relativ größeren Kinderanzahl zu verbinden war. Ganz zu schweigen davon, dass Bauern ihre Kinder einst viel stärker als heute als billige Arbeitskräfte gebraucht haben.
  11. Eines der durch die gesamte Menschheitsgeschichte wichtigsten Motive für die Aufzucht von Kindern ist durch die Versprechungen des Wohlfahrtsstaates verschwunden: nämlich Kinder als Absicherung für den eigenen Lebensabend. Sowohl das Pensionssystem wie auch das Gesundheits- und Pflegesystem haben ja die Geschäftsgrundlage, egoistische Singles genauso gut zu versorgen wie Eltern, die einen guten Teil ihrer Lebensenergie und Einkommen den Kindern gewidmet haben (das heißt natürlich nicht, dass jeder Single egoistisch wäre oder aus freier Entscheidung auf Familiengründung verzichtet hätte). Dass sich heute die Versprechungen des Wohlfahrtsstaats zunehmend als Blase erweisen, hat sich hingegen noch nicht wirklich herumgesprochen.
  12. Eine gewisse Wirkung auf den Rückgang der Kinderzahl haben auch die Unterhaltungsmedien. In der Tratsch-Kategorie kommen fast nur partymachende Singles mit rasch wechselnden Partnerschaften vor. Und in den Krimis kommen fast nur kinderlose Kommissare ins Bild.
  13. Auch andere Meinungsbildner geben kein kinderbejahendes Vorbild: Sowohl Politikerinnen wie auch Journalistinnen haben im Schnitt weit weniger als ein Kind. Sie liegen also noch deutlich unter den seit 1970 zur Regel gewordenen 1,4 Kindern pro Frau.
  14. Wenn in den Medien einmal doch über Kinder oder Erziehung öffentlich debattiert wird, wird immer eine sehr übertriebene negative Sichtweise vervielfältigt: Was für viele Fehler Eltern nicht begehen würden! Wie viele Missbrauchsgefahren doch auf die Kinder lauern! Wie sehr das Bildungswesen versagt!
  15. Überraschend stark ist aber noch ein weiterer Faktor: die Religiosität. Das haben neue Studien der Wiener Demographin Caroline Berghammer ergeben. Und die sind so interessant, dass sie hier ein bisschen ausführlicher vorgestellt seien.

Berghammer (von der auch die folgenden Graphiken stammen) hat herausgearbeitet, dass der Glaube und die Intensität der religiösen Praxis eine sehr starke Rolle bei der Entscheidung für das Kind spielt.

 

Das heißt: Schon alleine der Taufschein führt zu einer im Schnitt 50 Prozent höheren Kinderzahl im Vergleich zu den Österreichern ohne Bekenntns. Und bei jenen Österreichern, die wöchentlich zur Kirche gehen, gibt es sogar genau jene 2,1 Kinder pro Frau, die notwendig wären, damit die Gesamtbevölkerung ohne Zuwanderung gleich bleibt.

Das ist absolut erstaunlich. Das sollte auch jenen zu denken geben, die religiöse Menschen oder gar Kirchgänger prinzipiell verachten.

Das hängt, so macht Berghammer klar, keineswegs damit zusammen, dass Katholikinnen die alten Empfängnisverhütungs-Regeln aus Rom besonders beachten würden. Sie haben vielmehr einen deutlich größeren Wunsch, Kinder zu haben. "Und sie können mit Unsicherheiten im Leben besser umgehen als andere Menschen."

Das ist auch kein rein österreichisches Phänomen, sondern in den meisten europäischen Ländern der Fall (bis auf vier Staaten, deren gesellschaftliches Gefüge nach Jahrzehnten des Kommunismus noch immer ganz durcheinander ist).

Zurück nach Österreich, wo Katholikinnen ebenso wie orthodoxe Frauen 1,8 Kinder haben und evangelische etwas weniger. Muslimische Frauen haben hier sogar 2,7 Kinder, wobei türkische Frauen noch viel mehr Kinder haben als Bosnierinnen.

Was das in wenigen Jahren für die Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung wie auch den Wohlstand bedeutet, ist leicht auszurechnen. Vor allem da die Zahl der Katholiken gleichzeitig zurückgeht und die der Menschen ohne Bekenntnis - trotz ihres Desinteresses an Kindern - ähnlich rasch wächst wie die der Muslime.

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Der starke Staat als Ideal und Illusion drucken

Manche hat es richtig gefreut, als die Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise ausbrach. Endlich krache das morsche Gebäude des Kapitalismus in sich zusammen, dachten hartgesottene Linke. Auch weniger ideologisch festgelegte Zeitgenossen erkannten Endzeitsignale. Im September 2008 gab es Tage, da auch bürgerliche Politiker und Fachleute bis in die Spitzen der Zentralbanken eine Kernschmelze des Finanzsystems nicht für ausgeschlossen hielten. Drohte der Welt ein ökonomisches Tschernobyl? Es stand Spitz auf Knopf.

(Dieser ausführliche Beitrag verschafft einen gesamthaften Überblick über die wirklichen Ursachen der Finanzkrise. Der Autor Philip Plickert ist Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der Beitrag ist Teil des Sammelbandes „Konservative Korrekturen“(edition noir, ISBN: 978-3-9502494-2-2), der einige sehr mutige Analysen und Konzepte zu einer neuen konservativen Standortbestimmung enthält.)

Doch dann trat er auf: der Staat, der Retter. Mit Notmaßnahmen wurde das System stabilisiert. Er spannte gigantische Rettungsschirme über die wankenden Banken; Bürgschaften in Billionenhöhe beruhigten die Märkte. Es gab nach der Lehman-Pleite keine unkontrollierte Kettenreaktion im Finanzsystem. Auch der rasante Einbruch der Realwirtschaft zum Jahreswechsel 2008/2009, dessen Tempo und Tiefe durchaus mit dem Anfang der Großen Depression nach 1929 vergleichbar war, verlangsamte sich zur Jahresmitte 2009. Gegen Jahresende hatten fast alle Industriestaaten die Rezession gestoppt, eine Erholung begann. Just in dieser Zeit griffen auch die ersten großen Konjunkturpakete. Die zeitliche Koinzidenz ließ auf eine Kausalität schließen: Ohne den rettenden Eingriff des Staates hätte es einen Totalabsturz gegeben.

Achtzig Jahre zuvor hatte die Große Depression einen wirtschaftspolitischen Klimawandel hin zu einer Großen Repression wirtschaftlicher und politischer Freiheit gebracht. Das Vertrauen in die Marktwirtschaft – den ungeliebten Kapitalismus – war dahin. Es traten Regime hervor, die das scheinbare Chaos der Märkte durch Interventionen und Steuerung zu überwinden trachteten. Intellektuelle schauten neidisch in die Sowjetunion, die von keiner Rezession berührt war. Nicht nur im faschistischen Italien und im NS-Deutschland, sondern auch im Amerika des „New Deal“, dem Herzland des Kapitalismus, nahm der Staat die Wirtschaft an den Zügel. Zentrale politische oder korporatistische Kontrolle ersetzte die dezentrale Koordination durch Märkte.

Diese Geschichte wiederholt sich nicht, Gott sei Dank. Doch das Vertrauen in die Marktwirtschaft ist auch heute wieder erschüttert, nicht nur unter linken und linksliberalen Intellektuellen. Unter den Ökonomen finden jene mehr Gehör, die wie Nobelpreisträger Josef Stiglitz oder Paul Krugman für mehr Regulierung und Staatseinfluss werben. Die Finanzkrise sei eine historische Zäsur, meinte Stiglitz: 1989 habe der Fall der Berliner Mauer den Kommunismus diskreditiert, nun sei 2009 eine zweite Illusion zerstört worden: der „Marktfundamentalismus“ und Neoliberalismus.

Solche historischen Parallelen sollte das bürgerliche Lager zurückweisen. Sie beruhen auf einer Legende. Nicht die Marktwirtschaft oder neoliberale Politik haben in die große Finanzkrise geführt, sondern die Verletzung zentraler Regeln der Marktwirtschaft. Vor allem das Grundprinzip der privaten Haftung wurde außer Kraft gesetzt. Da sich an den impliziten Garantien der Staaten für große Finanzinstitute nichts Grundlegendes geändert hat, bleibt eine wesentliche Krisenursache latent bestehen. Noch beunruhigender: Auch das Muster der expansiven Geldpolitik, die in Amerika die Kreditpyramide entstehen ließ, deren Zusammenbruch die Welt erschütterte, scheint sich nicht grundsätzlich zu ändern.

So unbestritten das Versagen und die moralische Schuld skrupelloser Banken und Spekulanten auch ist, so bleibt die Klage darüber doch oberflächlich und lenkt von den tieferen Ursachen der Krise ab: Dem viel beklagten Marktversagen ging, wie im Folgenden erklärt wird, ein (Geld- und Fiskal-)Politikversagen voraus. Im Ursprungsland der Krise, den Vereinigten Staaten, war über Jahre eine Mischung aus expansiver Geldpolitik, stimulierender Fiskalpolitik und fehlgeleiteter Sozialpolitik am Werke, die mit viel „billigem Geld“ die Immobilienpreisblase schuf, deren Platzen die Weltwirtschaft erschütterte. Die staatlichen Akteure, die sich in 2008/2009 als Feuerwehr betätigten, waren zuvor die Brandstifter.

In der Krise wird nun Feuer mit Feuer bekämpft. Nicht mehr tragbare private Schuldenberge werden durch neue Schuldengebirge der Staaten ersetzt und übertroffen. Mit Massen an billigem Geld, das die Zentralbanken, vor allem die amerikanischer Federal Reserve (Fed) in die Märkte presst, sollen Verluste vermieden werden. Dabei wächst die Gefahr neuer Preisblasen und Fehlallokationen, längerfristig auch das Risiko hoher Inflation.

Als Konsequenz der Krise ertönt allseits der Ruf nach einer Rückkehr des „starken Staats“, der die Finanzmärkte in die Schranken weist und „den Kapitalismus“ zähmt. Krisenökonom John Maynard Keynes, der für konjunkturstimulierende Ausgabenprogramme eintrat, erlebt ein Revival. Umfragen zeigen, dass sich die Bürger insgesamt wieder mehr staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft wünschen. Doch was sich als „starker Staat“ darstellt, der Banken rettet, Unternehmen stützt, Branchen fördert, Subventionen vergibt und die Bevölkerung durch Sozialpolitik ruhig stellt, ist in Wirklichkeit ein schwacher, ein erpressbarer, ein getriebener Staat. In seinem Buch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ benannte Walter Eucken vor mehr als einem halben Jahrhundert das paradoxe Phänomen: „Die Zunahme der Staatstätigkeit nach Umfang und Art verschleiert den Verlust der Autorität des Staates, der mächtig scheint, aber abhängig ist.“

Statt sich auf die Schaffung einer festen Rahmenordnung für die Wirtschaft zu beschränken, wird der Staat in den Wirtschaftsprozess hineingezogen. Der Versuch einer (pseudo-) keynesianischen Dauerstimulierung der Konjunktur, wie sie besonders Amerika seit längerem betreibt, schafft neue Risiken. Es besteht die Gefahr, dass die Konjunkturstimulierung nur Strohfeuer entfacht. Am Ende ist alles finanzpolitische Pulver verschossen. Wie in den siebziger Jahren droht verbrannte Erde.

Mit der gewaltigen Verschuldungswelle zur Bekämpfung der Krise sind einige Staaten nahe an den finanziellen Abgrund gekommen. Kenneth Rogoff, der ehemalige IWF-Chefökonom, nahm schon im März 2009 – mitten in der großen Rettungsorgie – das „Deficit Endgame“ in den Blick: „Während die Schulden steigen und die Rezession anhält, werden wir sicherlich erleben, wie eine ganze Reihe von Regierungen versucht, ihre Last durch finanzielle Repression, höhere Inflation, teilweise Zahlungsunfähigkeit oder eine Kombination aus allen dreien zu erleichtern.“ Obwohl die Rezession einer Erholung gewichen ist und die Weltwirtschaft wieder wächst, geht das „Deficit Endgame“ der Staatsfinanzen weiter.

Drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise hat eine dritte Welle die Staatsfinanzen erfasst. Die Vereinigten Staaten haben weiterhin zweistellige Defizitquoten. Aber nicht sie, sondern einige kleinere europäische Staaten, die mit dem Staatsbankrott kämpfen, stehen im Fokus der Finanzmärkte. Zur Stabilisierung ihrer Finanzen haben die Staaten der Euro-Währungsunion ihnen Notkredite gewährt. Wohin soll das führen? In eine gewaltige Transferunion, lautet die bittere Erkenntnis. Auf Dauer droht Europa daran Schaden zu nehmen.

Neben den akuten Schuldenproblemen gibt es weitere mittel- und langfristige Risiken für die Handlungsfähigkeit der Staaten. Die Belastungen werden in der Zukunft zunehmen. Während das Wachstumspotential abnimmt, steigen die Ansprüche an den Sozial- und Interventionsstaat. In diesem Essay wird beleuchtet, wie mittel- und längerfristig seine demographischen Grundlagen schwinden. All dies sind düstere Perspektiven, nur ein entschiedenes Gegensteuern könnte einige Fehlentwicklungen aufhalten. Doch die Politik hält sich mit Scheinlösungen, Ablenkungsmanövern und oberflächlichen, opportunistischen Korrekturen auf, sie bedient Interessengruppen, statt das Gemeinwohl durch einen stabilen ordnungspolitischen Rahmen zu fördern.

Die Phrase vom „starken Staat“ ist trügerisch. Wir sehen „big government“ am Werk, doch es überdehnt sich und droht zu scheitern. Konservative und Liberale hegen unterschiedliche Vorstellungen von den Grenzen der legitimen Staatstätigkeit. Grundsätzlich aber stimmen sie im Ziel eines handlungsfähigen, nicht überbordenden Staates überein. Die vergangenen Jahrzehnte waren vom Gegenteil geprägt: Trotz einer hohen Staatsquote ließ die Handlungsfähigkeit nach, der Staat wurde in den Wirtschaftsprozess und die Lobbyinteressen hineingezogen. Wachstumsstimulierende Subventionen und verzerrende Eingriffe in den Markt machten korrigierende Gegeneingriffe notwendig, im schlimmsten Fall wird der Staat zur „Rettung“ einzelner Akteure auf Kosten der Allgemeinheit genötigt.

Die fundamentale konservative Korrektur bestünde darin, Abschied vom Staat als Marktteilnehmer zu nehmen und den Staat wieder als glaubwürdigen Schiedsrichter über die Spielregeln eines transparenten Marktes zu etablieren. Darin zeigt sich die Autorität des Staates. Den Weg, diese Autorität wiederherzustellen, weist das geistige Erbe des frühen Neo- bzw. Ordoliberalismus, der die Soziale Marktwirtschaft in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland geprägt und zum Erfolg geführt hat. Dazu ist es notwendig, den Staat gegen die Versuchung opportunistischer Eingriffe zu immunisieren. Dies geschieht, wie am Schluss dieses Essays dargestellt, durch eine regelgebundene Wettbewerbs-, Geld- und Finanzpolitik.

Politikversagen als Ursache der Krise

Bis heute gilt die Finanzkrise vielen als „Marktversagen“. Der Beinahezusammenbruch des Systems zeige, wohin unverantwortliche Spekulation von größenwahnsinnigen und profitgierigen Bankern die Welt bringen könne. Dass es gierige, verantwortungs- und skrupellose Banker gibt, die in unentschuldbarer Weise mit dem Feuer spielen, ist offenkundig. Doch die Deutung der Krise als Folge eines reinen „Marktversagens“ greift zu kurz.

Vielmehr liegen die Gründe in einem komplexen, verhängnisvollen Zusammenspiel aus Markt- und Staatsversagen. Staatliche Geldpolitik hat das Aufblähen der Finanzblase ermöglicht, wie John B. Taylor, einer der renommiertesten Makroökonomen, gezeigt hat. Die große Krise wäre nicht entstanden ohne die Politik des „billigen Geldes“, die ein exorbitantes Kreditwachstum zugelassen hat. Dass die Kreditlawine in Amerika zu einem großen Teil über den Häusermarkt rollte, lag an der sozialpolitischen Zielsetzung, möglichst vielen Leuten zum Hauseigentum zu verhelfen. Diese beiden Faktoren sollen zunächst erklärt werden, bevor dann die mikroökonomischen Fehlanreize in den Banken untersucht werden.

Als Reaktion auf den Börsencrash nach dem Internet-Aktienboom sowie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 senkte die amerikanische Notenbank Fed unter ihrem Vorsitzenden Alan Greenspan sturzartig den Leitzins von 6,5 auf 1 Prozent. Auf diesem tiefen Niveau blieb er lange stehen. Die Fed war besorgt, dass die Wirtschaft nicht schnell genug nach der Rezession neue Arbeitsplätze schuf („jobless recovery“), zudem gab es eine verfehlte Deflationsdebatte. Erst Mitte 2004 begann Greenspan, „der Magier“, in kleinen Schritten die Geldpolitik zaghaft zu straffen. Da befand sich die Wirtschaft aber schon in einem kräftigen Aufschwung, die Preise am Immobilienmarkt kletterten in die Höhe.

Die Normalisierung des Zinsniveaus kam viel zu spät. Schon 2002 hätte die Fed nach der Taylor-Regel die Kreditexpansion drosseln müssen. Doch die Fed blieb auf expansivem Kurs. Ihre Devise lautete damals, dass man entstehende Blasen nicht erkennen könne. Und wenn eine Blase platze, dann könne man die Scherben aufsammeln und der Wirtschaft durch abermalige Zinssenkungen neuen Schwung geben. Das war Greenspans Devise, der damit die extrem expansive Geldpolitik rechtfertigte. Die wenigen warnenden Stimmen galten als Nörgler, etwa Raghuram Rajan, der IWF-Chefökonom, der 2005 in Jackson Hole vor Risiken durch die Kreditaufblähung warnte, oder William White, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der schon 2003 den überexpansiven Kurs kritisierte. Beide ernteten feindselige Reaktionen, die Fed wollte allenfalls langsam die Zügel straffen. Das Potential für eine große Krise aus dem großen Kreditwachstum sah sie nicht.

Ein „asymmetrisches Muster“ der Geldpolitik – schnelle Zinssenkungen im Abschwung, zögerliche Zinserhöhungen im Aufschwung – ist schon seit den späten achtziger Jahren zu beobachten. Daraus folgt eine Welle wandernder Blasen in verschiedenen Märkten und Ländern – und letztlich ein Teufelskreis aus Geldschwemme, Euphorie, Blasen und Krisen. Die Notenbanken haben in jeder Wirtschaftskrise, beginnend mit der geplatzten Immobilienblase in Japan, immer mehr Liquidität in die Märkte gepumpt. Besonders stark war der geldpolitische Impuls der Fed nach 2001, noch verstärkt durch die gewaltigen Kapitalexporte der Chinesen nach Amerika, die das dortige Leistungsbilanzdefizit finanzierten. Die Hunderte Milliarden vagabundieren um die Welt und suchen nach Anlagemöglichkeiten. Nicht nur verzerrt der „billige Kredit“ die Preissignale an den Kapitalmärkten, er verführt auch zu übermäßigem Risiko und zu Über- bzw. Fehlinvestitionen.

Hintergrund dieser Krisenanalyse sind die Konjunkturtheorien der österreichische Ökonomen Ludwig von Mises, Joseph Schumpeter und Friedrich August von Hayek, die im Zuge der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder entdeckt wurden. Sie interpretierten einen konjunkturellen Absturz als logische Folge des vorangegangenen, fehlgeleiteten Aufschwungs, der von zu billigem Geld und übertrieben positiven Erwartungen befeuert war. Die überzogenen Erwartungen können verschiedene Gründe haben, etwa einen „Hype“ um neue Produkte und Märkte („New Economy“) oder Finanzinnovationen (die Verbriefung von „Subprime“-Krediten, die den Kreditboom verstärkt hat). Die Märkte sind zunächst euphorisiert, doch kann der Herdentrieb der Anleger, den Hyman Minsky beschrieb, auch in die andere Richtung drehen und in Panik umschlagen.

Das Muster des geldpolitisch getriebenen „Boom“ und „Bust“ verläuft immer ähnlich: Im Boom wird mächtig investiert. Die Banken geben mehr und mehr Kredite aus. Der Risikoappetit der Investoren steigt, sie beginnen immer gewagtere und größere Projekte. Zugleich fühlt sich auch die Bevölkerung insgesamt reicher, sie gönnt sich mehr Konsum. Die Unternehmen machen mehr Profit, die Aktienkurse steigen. Irgendwann sind jedoch die Preise auf ein unhaltbares Niveau gestiegen. Das war am amerikanischen Immobilienmarkt 2007 der Fall. Die Euphorie der Spekulanten kann nun in Panik umschlagen. Banken verweigern neue Kredite, Unternehmen stoppen Investitionen. Am Ende steckt die ganze Wirtschaft in einer Rezession.

Eine solche Krise hat wenig mit Marktversagen zu tun; vielmehr war es eine staatlich ermunterte und verzerrte Spekulation, die schließlich platzte. Der ehemalige IWF-Chefökonom Rajan erinnert daran, dass Greenspan schon 2002 den Märkten versichert hatte, dass er nicht gegen Blasenbildung einschreiten werde. Die Fed werde aber im Fall eines Platzens einschreiten und den Übergang zur nächsten Expansion erleichtern. Dies war der berühmte Greenspan-Put – mit fatalen Folgen. Rajan schreibt dazu: „Die Logik war ... eindeutig gefährlich. Sie schürte die Flammen der Vermögenspreisaufblähung (asset price inflation), indem der Wall Street und den Banken quer durchs Land gesagt wurde, dass die Fed die Zinsen nicht anheben werde, um die Vermögenspreise zu drosseln, und dass sie, falls die Sache schrecklich schief ginge, einschreiten würde, um die Preise zu stützen.“ Das Versprechen der Rettung weckte „Moral hazard“, die Versuchung zu unverantwortlichem riskanten Handeln der Marktteilnehmer.

Während die lockere Geldpolitik die Kreditmassen schuf, die später wie Sprengstoff in den Bankbilanzen explodierten, war es eine gutmeinende Sozialpolitik, die das billige Kapital in den amerikanischen Häusermarkt lenkte. Auch hier war nicht ein unverzerrter Markt, sondern die lenkende Hand des Staates am Werke. Das sozialpolitische Ziel hieß „Wohneigentum für Jedermann“. Dazu wurde eine großzügige Hypothekenfinanzierung gewünscht und gefördert. Triebwerke waren die halbstaatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae (gegründet 1936 vom linken New-Deal-Präsidenten Roosevelt) und Freddie Mac (gegründet 1968 vom linksliberalen Lyndon B. Johnson). „Fannie und Freddie“ übernahmen die Finanzierung eines Großteils der Hypotheken, die von Banken ausgegeben wurden.

Dass ein erheblicher Teil der Darlehen auch an Minderheiten und „sozial Schwache“ vergeben wurde, die sich später als „subprime“ entpuppten, geht auf den Community Reinvestment Act zurück, der 1977 vom sozial engagierten Präsidenten Carter eingeführt und danach vielfach verschärft wurde. Das Gesetz war ein typisches Produkt der Antidiskriminierungs- und Quotenpolitik. Unter Präsident Clinton wurde der CRA verschärft. Das Wohnungs- und Stadtplanungsdepartment schrieb 1995 den Banken eine Quote von 42 Prozent Hypotheken für sozial Schwache vor, nach 2000 sollten es 50 Prozent sein. Unter Bush wurde die Quote nochmals auf 56 Prozent erhöht – alles im Zeichen der „Ownership Society“, die auch aus Menschen mit wenig finanziellen Sicherheiten stolze Eigenheimbesitzer machen sollte. Im Extrem wurden sogar „Ninjas“ (no income, no assets, no job) mit Hypotheken bedacht.

Ein gewaltiger Preisboom gerade für Häuser im unteren Segment war die Folge. Die Zahlen der Hypothekengiganten Fannie und Freddie und der Federal Housing Administration (FHA), die Rajan erwähnt, machen schwindeln: 1997 wurden „Subprime“-Hypotheken für rund 85 Milliarden Dollar vergeben, bis 2003 stieg das jährliche Volumen auf 446 Milliarden Dollar und lag danach bei 300 bis 400 Milliarden Dollar neuen Krediten. Nach Schätzung von Edward Pinto, einem früheren Chief Credit Officer, hielten die Hypothekenriesen Fannie und Freddie, die FHA und andere staatliche Programme im Juni 2008 „Subprime“- oder Alt-A-Kredite für rund 2,7 Billionen Dollar. Das waren 59 Prozent aller Darlehen in dieser Kategorie. „Es ist sehr schwer, zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen, als dass dieser Markt weitgehend vom Staat und von staatsbeeinflusstem Geld getrieben war“, urteilt Rajan.

Als die Medien über die „Subprime“-Krise zu berichten begannen, wurde kaum klar, was sich dahinter verbarg. Es galt auch als politisch nicht korrekt, geradewegs zu sagen, wer die „schlechten Hypotheken“ erhalten hatte. Der an der Harvard Universität lehrende schottische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson fuhr damals nach Detroit, eine von der Krise besonders schwer getroffene Stadt, und besuchte die Stadtviertel mit den höchsten Kreditausfallrate. Eine „überproportionale Zahl von Subprime-Schuldnern gehörten ethnischen Minoritäten an“, berichtete Ferguson. „Als ich durch Detroit fuhr, begann ich mich zu fragen, ob ‚subprime’ in Wahrheit ein neuer Finanzeuphemismus für ‚schwarz’ war.“

Auch wenn es überspitzt formuliert klingt, ist doch sicher, dass die „Subprime“-Kreditschwemme im Wesentlichen aus einer staatlichen Lenkung in sozialpolitisch erwünschte Bereiche resultierte. Der Verkaufsdruck der Hypothekenvermittler, der vielfach angeprangert wurde, entstand unter dem Druck der CRA-Quoten. Der Immobilienboom endete für viele Hauseigentümer im Ruin. Die Hypotheken und andere Kreditschulden hingen wie Mühlsteine um ihren Hals, als der Wert der Immobilien zu sinken begann. Millionen Hauseigentümer wurden zahlungsunfähig. Sie entledigten sich der Last, indem sie den Hausschlüssel ihrer Bank zurückgaben. Die hatte nun faule Kredite in den Büchern, die mit unverkäuflichen Häusern besichert waren.

Und mit dem Vermögensverlust mussten die amerikanischen Bürger auch ihren Konsum reduzieren. Die schlichte Wahrheit ist, dass Amerika viele Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt hatte: Mit der Politik des billigen Geldes, verstärkt durch die chinesischen Kapitalzuflüsse, wurde in den Vereinigten Staaten eine kreditgetriebene Investitions- und Konsumorgie gefeiert, die schon lange nicht mehr durch reale Ersparnisse gedeckt war. Von 1980 bis 2006, dem Vorabend der Finanzkrise, verdoppelte sich die private Verschuldung von 50 auf 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik half bei dem Spiel kräftig mit, getrieben von vage keynesianischen Ideen einer aktiven Konjunktursteuerung. 2007 war jedoch der Punkt gekommen, an dem dieses scheinbare Perpetuum Mobile nicht mehr weiterkam.

Die Krise verbreitete sich deshalb so rasend schnell um den Globus, weil die Hypothekenkredite durch Verbriefungen, vor allem ABS (Asset Backed Securities) und CDO (Collateralized Debt Obligations), weiterverkauft worden waren. Hunderttausende Hypotheken waren in diesen Wertpapieren zusammengefasst, die in mehrere Tranchen mit unterschiedlichen Renditen unterteilt waren. Da so viele Kredite in den Papieren zusammensteckten, galt das Risiko als gering, weil es breit gestreut schien. Allerdings waren die Risiken positiv korreliert, sobald der gesamte amerikanische Häusermarkt nachgab. Die Verbriefungen waren in Wirklichkeit eine Methode, die Risiken zu verschleiern und weiterzureichen. Auch dies hebelte das marktwirtschaftliche Prinzip der Haftung aus. Im Jahr 2007 begann der Markt für Verbriefungen auszutrocknen; sie verloren drastisch an Wert. Nun breitete sich der Fluch des billigen Geldes über den Globus aus, im Herbst 2008 wurde die Krise zum Flächenbrand.

In Deutschland hatten sich besonders die staatsnahen Landesbanken mit Verbriefungen eingedeckt. Nach einer Studie der Ökonomen Harald Hau und Marcel Thum machten die öffentlich-rechtlichen Banken 2007 und 2008 durchschnittlich zwei- bis dreimal so hohe Verluste wie die privaten Banken. Zudem stellten die Ökonomen auch einen eklatanten Mangel an Kompetenz in den Aufsichtsräten fest. Am schlimmsten war es in den öffentlich-rechtlichen Instituten, den Staatsbanken. Dort haben viele Aufseher kaum Banken- und Finanzerfahrung, merken die Forscher kritisch an. Diese bittere Erkenntnis sollte misstrauisch stimmen, wenn Politiker über inkompetente Banker schimpfen, die durch riskante Geschäfte hohe Verluste eingefahren haben. Politiker sind nicht die besseren Banker.

Kapitalismus und Bankensozialismus

Ohne Zweifel trägt die private Finanzwirtschaft einen großen Anteil der Schuld an dem Debakel, da sie leichtfertig auf eine gigantische Kreditpyramide setzte. Individuelle Gier und Größenwahn ergaben eine fatale Mischung. Doch von Marktversagen zu sprechen setzt voraus, den Begriff sauber zu definieren. In der Ökonomik sind drei Situationen bekannt, in denen es zu mehr oder minder schwerem Marktversagen kommen kann: bei externen Effekten, bei öffentlichen Gütern und bei asymmetrischer Information. Diesen dritten Fall, der bis zum Zusammenbruch von (Finanz-)Märkten führen kann, haben George Akerlof und Stiglitz treffend analysiert. Die Spannungen am Geldmarkt, der im Sommer 2007 stockte und im Herbst 2008 fast komplett austrocknete, war ein Beispiel dafür: Informationsasymmetrien und Intransparenz (jede Bank misstraute der anderen; jede konnte potentiell pleite sein) führte zur Lähmung des Marktgeschehens.

Der Finanzjournalist Walter Bagehot hat schon in seinem Klassiker „Lombard Street“ (1873) diese gefährliche Situation des allgemeinen Misstrauens beschrieben. Die Sorge der Sparer kann einen allgemeinen „Run“ auf die Banken auslösen, wie dies in England die Kunden von Northern Rock taten. Jeder Sparer handelt dabei individuell rational, indem er sein Geld abzieht, doch führt die Summe der Einzelhandlungen dazu, dass die Bank und die Ersparnisse untergehen. Bagehot folgerte, dass es einen „Lender of Last Resort“ geben müsse, eine oberste Instanz, die einschreite, um illiquide Banken zu stützen. Heutige Notenbanken gewähren die Liquidität meist zu sehr günstigen Zinsen. Sie stützen ganze Märkte und große Akteure, indem sie die Geldschleusen öffnen. Als 1987 der Hedge-Fonds LTCM nach einer gewagten Spekulation zusammenzubrechen drohte, hat die Fed den Markt mit Hunderten Milliarden Dollar geflutet. Das war ein starkes Signal an die Märkte. Und Greenspan wiederholte die Übung nach dem Zusammenbruch der „New Economy“.

Problematisch daran ist, dass die Märkte die Existenz einer obersten Rettungsinstanz mit ins Kalkül aufnehmen. Daraus entsteht das berüchtigte „Moral hazard“-Problem. Die ausgesprochene oder unausgesprochene Garantie verleitet zu übermäßiger Risikofreude, weil davon ausgegangen wird, dass im Falle zu hoher Verluste eine staatliche oder quasistaatliche Instanz eingreift und die strauchelnden Finanzinstitutionen auffängt. Sogenannte „systemrelevante“ Banken, die als „too big to fail“ (oder als „too connected to fail“) gelten, genießen einen impliziten Bestandsschutz. Aus Sicht der Bankmanager ist es daher rational, Spekulationen mit mehr Risiko einzugehen, die den Erwartungswert der Gewinne und individuellen Einkünfte maximiert.

Die implizite Staatsgarantie hebelt die Konkursgefahr aus, die untrennbar zur Disziplin des Marktes gehört. Es fehlt im Finanzsektor an privater Haftungsplicht, die konstitutiv für die Marktwirtschaft ist: Wer auf Gewinne spekuliert, muss auch für Verluste haften. Wer Chancen sucht, muss auch Risiken tragen. Walter Eucken, der Vordenker der neo- bzw. ordoliberalen Freiburger Schule und Gründervater der deutschen Sozialen Marktwirtschaft, formulierte in seinem Lehrbuch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“: „Investitionen werden um so sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet.“ Und weiter schrieb Eucken: „Die Haftung wirkt insofern also prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit.“

Genau das ist in der Krise geschehen. Da allgemein die Erwartung eines rettenden „Greenspan-Put“ vorherrschte, wurde Kapital zu sorglos eingesetzt – und letztlich verschleudert. Nur eine Verstärkung der Haftung im Finanzsektor könnte solch unverantwortliches Verhalten zügeln. Das gilt für ganze Banken, die keine Bestandsgarantie haben dürfen, wie auch für einzelne Manager, die übermäßige Risiken eingehen. Daher müssen die Banken ihre Vergütungsstrukturen ändern, die durch asymmetrische Anreize die Risikoneigung verschärft haben. Bankmanager werden durch Boni-Versprechen, die an kurzfristige Gewinne gekoppelt sind, zu hochspekulativen Geschäfte verleitet.

Als Gegenmittel empfehlen sich Vergütungsstrukturen, die den Anteil der variablen Boni verringern und Haltefristen für Aktienoptionen vorsehen. Zum Bonus muss ein Malus kommen, wenn Verluste auflaufen. Das dämpft den individuellen Risikoappetit von Bankmanagern. Finanzsystemisch sind höhere Eigenkapitalvorschriften die richtige Antwort auf die Krise. Mit dem internationalen Regulierungswerk Basel III sollen die Eigenkapitalquoten schrittweise auf 10,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva erhöht werden. Mehr haftendes Eigenkapital bedeutet größere Sicherheitspolster, die Verluste abfedern, so dass Banken auf einer stabileren Grundlage stehen.

Das „Moral hazard“-Problem gegenüber der Gesellschaft – dem Staat – bleibt aber bestehen, solange Banken eine implizite staatliche Bestandsgarantie genießen. „Der Umgang mit systemrelevanten Instituten – die schwerste Hinterlassenschaft aus der Finanzkrise – ist weiterhin ungeklärt“, heißt es warnend im jüngsten Gutachten der deutschen „Wirtschaftsweisen“. Das Ziel der Staaten, „nie wieder in Geiselhaft durch den Finanzsektor genommen zu werden“, sei verfehlt worden. Sehr große und stark vernetzte Finanzinstitute werden deshalb systemrelevant genannt, weil von ihnen, wenn sie in Schieflage geraten, eine Gefahr für das gesamte Finanzsystem ausgeht. Es kann zu Dominoeffekten auf andere Finanzinstitute oder ganze Finanzmärkte kommen. Um das zu verhindern, werden die Systemrelevanten gestützt.

„Das Problem ist, dass die Gläubiger der systemrelevanten Finanzinstitute dies wissen, dass sie implizit eine Garantie durch den Staat genießen und dass diese wie eine Subvention wirkt“, kritisiert Beatrice Weder di Mauro, Ökonomieprofessorin in Mainz und Mitglied des Sachverständigenrats. Daraus folgen „massive Verzerrungen und Fehlanreize im Finanzsektor“.Beispielsweise können Banken einen Anreiz zu übermäßigem Wachstum sehen. Für die Volkswirtschaft – gerade in kleineren Staaten wie der Schweiz, Irland oder Island – erwachsen Risiken aus der Existenz übergroßer Banken.

Wie hoch diese Subventionen für die Großbanken sind, haben Ökonomen mit verschiedenen Methoden zu ermitteln versucht. Sie kommen auf unterschiedliche, doch stets sehr große Summen. Der Hauptwert der Garantie liegt darin, dass sich die Banken, die als „too big to fail“ (TBTF) gelten, am Kapitalmarkt günstiger finanzieren können, weil das Ausfallrisiko geringer ist. Nach Berechnungen von Dean Baker und Travis McArthur ergeben sich aus der Staatsgarantie um bis zu 0,5 Prozentpunkte geringere Zinskosten. Im untersten Rechenszenario kamen Baker und McArthur auf knapp 5 Milliarden Dollar, im obersten Szenario schätzten sie fast 35 Milliarden Dollar Subvention jährlich durch die impliziten Garantien für die amerikanischen Banken. Eine andere Studie hat anhand von Übernahmeprämien bei Fusionen, aus denen TBTF-Banken hervorgingen, den Wert der Subvention in den Vereinigten Staaten auf 14 bis 25 Milliarden Dollar geschätzt.

Kritischer gegenüber ihren Großbanken sind auch die Schweizer geworden. 2008 machten UBS und Credit Suisse Verluste von rund 30 Milliarden Franken, die UBS wurde anschließend vom Staat gestützt. Die Bilanzsummen der beiden Großbanken machten damals rund das Sechsfache des Schweizer BIP aus. Angesichts dieser Dimension wuchs in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit die Sorge, ob ein Zusammenbruch einer Großbank nicht die ganze Volkswirtschaft der Eidgenossenschaft gefährden würde. Nationalbankchef Philipp Hildebrand sagte, man müsse nun ohne Tabus über die Zukunft der Banken reden. Auch in Großbritannien regte sich heftige Kritik. Zentralbankchef Mervyn King regte ein „Testament“ für Großbanken an, damit diese im Krisenfall rasch aufgespaltet und abgewickelt werden könnten.

Gerade liberale Ökonomen wünschen sich Reformen der Bankenregulierung, um die Marktordnung wiederherzustellen. „Die Erwartung, dass es immer eine Rettung, einen Bail-out, geben wird, muss gebrochen werden“, fordert Boris Zürcher vom liberalen Schweizer Thinktank Avenir Suisse, der eine kritische Studie über das „too big to fail“-Problem verfasst hat. Wenn die Aussicht auf Rettung schwinde, hätte dies einen disziplinierenden Effekt auf die Banker und ihre Gläubiger. Zürcher schätzt den Wert der impliziten Subventionen für UBS und CS auf 3 bis 6 Milliarden Franken im Jahr. Das sei mehr Subvention für die Banker als für die Bauern der Schweiz. Darüber hinaus resultiert ein Wohlfahrtsverlust, weil der Wettbewerb zu Lasten der kleineren und mittleren Banken verzerrt wird.

Eine von der Berner Regierung berufene „Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Großunternehmen“ hat recht radikale Vorschläge gemacht: Auf mindestens 19 Prozent der risikogewichteten Aktiva sollten die Eigenkapitalquoten der Großbanken erhöht werden (das wäre fast das Doppelte der Basel III-Zielvorgaben), davon 10 Prozent hartes Eigenkapital und 9 Prozent in Form von bedingten Pflichtwandelanleihen („Contingent Convertibles“). Mit den CoCo-Bonds würden auch die Gläubiger einer Bank in die Pflicht genommen, wenn die Verluste einer Bank so hoch sind, dass die Eigenkapitalquote unter eine bestimmte Schwelle sinkt. Die Anleihebesitzer würden dann automatisch zu Aktionären und übernehmen Risiken. „Das Ziel ist, dass sich die Aktionäre und Anleihegläubiger nicht mehr darauf verlassen können, dass sie Verluste auf den Staat überwälzen können“, erklärt der St. Galler Wirtschaftsprofessor Manuel Ammann, der den Vorschlag in die Diskussion gebracht hat.

In Deutschland hat die Regulierung einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Für Banken soll es eine wirksame Insolvenzordnung geben, so dass auch systemrelevante Banken bei Überschuldung vom Markt geräumt werden. Nach dem neuen Restrukturierungsgesetz sollen quasi-bankrotte Banken aufgespaltet und geordnet abgewickelt werden. Finanziert werden soll das aus dem Topf der Bankenabgabe, in den jährlich 1,3 Milliarden Euro fließen sollen, die vor allem die großen Institute mit mehr als 100 Milliarden Euro Bilanzsumme zahlen müssen. Die Abgabe geht in die richtige Richtung. Um aber wirklich die „Too big to fail“-Garantie auszugleichen und dem Wachstumsanreiz entgegenzuwirken, müsste sie höher sein, hat der Sachverständigenrat klargemacht. Ob das geplante Restrukturierungsregime im Ernstfall wirklich greifen würde, ist völlig ungewiss. „Die Gefahr ist, dass solche Gesetze nicht funktionieren, weil im Notfall sehr wenig Zeit und die Unsicherheit groß ist“, meint Manuel Ammann. Die systemischen Großbanken bleiben also ein Risiko für die Allgemeinheit.

Wie in den dreißiger Jahren hat die jüngste Krise das öffentliche Image der Banker ruiniert. Finanzinstitute, die 1931 in einer Kettenreaktion zusammenbrachen, nachdem sie in den zwanziger Jahren, begünstigt durch das starke Geldmengenwachstum und riskante Investments, hohe Gewinne gemacht hatten, galten als Hauptschuldige des Desasters, das in die Weltwirtschaftskrise führte. Der Schimpfnahme „Bankster“ wurde geläufig. In der aktuellen Krise richtete sich die öffentliche Wut gegen Banker, die trotz hoher Verluste noch Millionen-Boni erhielten: Sie galten als Inkorporationen eines perversen Kapitalismus. Doch mit echtem Kapitalismus – verstanden als Wirtschaftssystem, das auf privaten Eigentumsrechten und privater Haftung basiert – hat dieses Finanzsystem eben nur begrenzt zu tun. Vielmehr erinnert es an halbseitigen Sozialismus: Gewinne landen auf privaten Konten, große Verluste werden sozialisiert.

Wie hoch die Kosten durch Bankenkrise, Bankenrettung und Wirtschaftskrise letztlich ausfallen, kann nur schwer geschätzt werden. Vieles ist noch im Fluss. In Deutschland stellte der Staat im Herbst 2008 knapp 500 Milliarden Euro – die gigantische Summe entspricht rund 20 Prozent des BIP – als Garantien und Kapitalhilfen in Aussicht, doch nur ein Teil wurde in Anspruch genommen. Die Kapitalhilfen, die zwischenzeitlich 21 Milliarden ausmachten, werden zum Großteil zurückgezahlt, nur in den Landesbanken sind einige Milliarden wohl dauerhaft verloren. Der Wert der „toxischen“ Papiere, die in den „Bad Banks“ für die Münchner Hypo Real Estate und für die staatliche WestLB ausgelagert wurden, ist unsicher. Der Bund hat für die Verbindlichkeiten der beiden „Bad Banks“ im Haushaltsjahr 2010 vorsorglich Schulden von 231 Milliarden Euro verbucht, doch können sich die Kurse erholen. Einen Teil der Hilfen für quasi-insolvente Banken muss der Staat aber wohl abschreiben. In Amerika hingegen könnte die Bankenrettung sogar einen Gewinn abwerfen, wie das Finanzministerium im April 2011 verlautete.

Eine Studie der Deutsche Bank Research machte schon früh eine relativ glimpfliche Rechnung auf. Dieser zufolge waren die direkten Kosten der Finanzkrise für die Steuerzahler geringer als angenommen – in den meisten Industriestaaten unter 1 Prozent. „Überraschenderweise dürfte die Krise damit im historischen Vergleich eine der am wenigsten kostspieligen werden“, schreiben die DB-Ökonomen. Zu den direkten fiskalischen Kosten kommen jedoch noch „enorme indirekte Kosten“ der Krise, räumten sie ein. Dazu zählen Verluste an Wirtschaftsleistung, Steuerausfälle, die Kosten für Konjunkturpakete und Ausgaben der Sozialsysteme wegen der Rezession sowie künftig höhere Zinslasten durch Staatsschulden und ein gedämpftes Wachstumspotential.

Lehren aus der Krise: Marktwirtschaft statt Finanzzauber

Das bislang Gesagte erlaubt ein Zwischenfazit zur Finanzkrise. Sie hatte mehrere Ursachen, kann aber nicht als reines Marktversagen klassifiziert werden. Eine moralisierende Erklärung mit der „Gier der Banker“ greift zu kurz. Vielmehr müssen institutionelle und politische Faktoren mit ins Bild genommen werden. Die Finanzkrise entstand zu einem großen Teil aus Politikversagen: Zum einen die Geldpolitik, die mit real negativen Zinsen eine übermäßige Verschuldung der amerikanischen Haushalte und einen Boom in bestimmten Sektoren anregte, begleitet von einer Sozialpolitik, die Immobilienkredite ohne Sicherheiten förderte; zum anderen eine Bankenregulierung, die es erlaubte, mit zu wenig Eigenkapital und viel Fremdkapital übermäßige Risiken einzugehen und diese mit Verbriefungen über die ganze Welt zu verteilen.

Zwei Hauptlehren für eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik nach der Krise sind zu ziehen:

Die erste Lehre betrifft die Zentralbanken. Sie müssen künftig viel vorsichtiger agieren. Ein Überangebot billigen Geldes führt zu Preisblasenbildung und zur Fehllenkung von Kapital. Doch verfolgt man die Krisenpolitik der Fed unter ihrem Vorsitzenden Ben Bernanke, der ungeachtet der wirtschaftlichen Erholung weiter massenhaft Liquidität in den Markt drückt, kommen Zweifel auf, ob nicht die nächste Krise programmiert wird. Der ehemalige IWF-Chefökonom Rajan warnt vor dem „Risiko, dass wir von Blase zu Blase gehen. Ebenso sieht es Ex-BIZ-Warner William White. Nach Ansicht vieler Beobachter wird die Fed die Leitzinsen noch für lange Zeit nahe Null lassen. Die Billiggeld-Lawine wird einen Anstieg der Inflationsraten zur Folge haben. Aufhorchen lässt, dass einflussreiche Ökonomen in Amerika und aus dem IWF höhere Inflation gar nicht schlecht fänden. Schon jetzt droht die amerikanische Liquiditätsschwemme die Schwellenländer zu destabilisieren, die mit hohen Kapitalzuflüssen kämpfen. Von einer symmetrischen Geldpolitik, die sich Regeln unterwirft und strikt das Ziel der Preisstabilität verfolgt, ist nichts zu sehen. Abermals steht in Amerika die kurzfristige Konjunkturstimulierung im Vordergrund.

Die zweite Lektion betrifft die Regulierung der Banken: Wir brauchen nicht einfach mehr, sondern eine bessere Regulierung und mehr Transparenz. Vor allem muss es künftig deutlich höhere Anforderungen an das haftende Eigenkapital der Banken geben. Wer die Chance auf Gewinn haben will, muss auch bei Misserfolgen die Konsequenzen tragen. Durch geeignete Insolvenzordnungen müssen Banken der Disziplin des Marktes unterworfen werden und sich ihre Risiken in höheren Finanzierungskosten ausdrücken. Die Stärkung der privaten Haftung ist der einzige anreizkompatible Weg der Regulierung, der eine Einmischung des Staates in die Geschäfts- und Kreditpolitik der Banken vermeidet, aber ebenso künftige Erpressung durch quasi-bankrotte Banken.

Wenn diese Reformen greifen würden, ergäben sie eine ordnungspolitische Revolution: Die Ohnmacht des Staates, der sich in der Not zur Rettung gezwungen sieht, würde zur tatsächlichen Stärke, die Hilfegesuche abzulehnen und private Finanzhasardeure nicht mit Steuergeld zu stützen.

Die heute viel gescholtenen neoliberalen Ökonomen haben schon vor siebzig Jahren, als Reaktion auf die damalige Wirtschaftskrise, ganz ähnliche Gedanken formuliert. Ihr Ansatz für eine echte Wettbewerbsordnung ist unverändert aktuell. Und sie widersprechen dem populären und politisch gezeichneten Zerrbild des historischen Neoliberalismus. Keinesfalls huldigte dieser einem regellosen „Laissez-faire“; zumindest auf die frühen Neoliberalen trifft das Gegenteil zu. Sie plädierten für einen starken Staat, der Regeln für den Wettbewerb setzt und durchsetzt. Die historischen Neoliberalen suchten, nachdem in den frühen dreißiger Jahren „der Kapitalismus“ in Verruf geraten war, nach einem modifizierten wirtschaftsliberalen Ansatz.

„Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da wo er hingehört“, erklärte Alexander Rüstow, später Mitstreiter von Ludwig Erhard. Sein Vortrag 1932 vor der Ökonomenorganisation Verein für Socialpolitik gilt als die Geburtsstunde des deutschen Neoliberalismus. Er kritisierte das Ausgreifen des Staates über die Grenzen des Regelsetzens, das Eindringen in wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche, die Interventionen, Subventionen und Hilfsmaßnahmen. All dies sei kein „Zeichen übermäßiger Stärke des Staates“, sondern „das genaue Gegenteil davon: nicht Staatsmacht, sondern Staatsohnmacht. Es ist Zeichen unwürdigster und jämmerlichster Schwäche.“ Der Staat werde nun von den Interessengruppen ausgenommen. „Jeder Interessent reißt sich ein Stück Staatsmacht heraus und schlachtet es für seine Zwecke aus“, warnte Rüstow.

Walter Eucken, der Kopf der Freiburger Schule, fand zur selben Zeit eine ganz ähnliche Position. Er beklagte einen Verflechtungsprozess von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, der seit dem neunzehnten Jahrhundert zu beobachten sei. Der in den Wirtschaftsablauf intervenierende post-liberale Staat rufe die politische Aktivität der betroffenen Gruppen hervor und werde in der Folge von organisierten Interessen okkupiert. Der Staat werde zur Beute der Lobbygruppen. In erster Linie richteten sich die Klagen dieser frühen Neoliberalen gegen Interventionen, die den Strukturwandel der Wirtschaft aufzuhalten versuchten; sie können aber auch auf die Strukturverzerrungen angewandt werden, die durch implizite staatliche Garantien etwa im Finanzsektor entstehen. Die Lobbymacht der Banken ist besonders stark – und ihr gegenüber erscheint der genötigte Retter Staat besonders schwach.

Ein fragwürdiges Keynes-Revival

Neben der Bankenrettung hat die staatliche Konjunkturstimulierung in der Krise ein ungekanntes Ausmaß erreicht. Im Herbst 2008, nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, fielen die Investoren zunächst in Schockstarre. Die Wirtschaftsleistung, zuvor durch kreditfinanzierten Überkonsum und Überinvestition angeregt, brach ein. Damit war jener Moment gekommen, in dem John Maynard Keynes, der britische Krisenökonom (1883 - 1946), staatliche Ausgabenprogramme empfahl. Die Unsicherheit über die Zukunft war so groß, dass ein staatlicher Impuls notwendig schien, um wieder Vertrauen zu schaffen, damit die Wirtschaft nicht ins Bodenlose fallen würde. Schon vor Keynes haben (neo-)liberale Ökonomen für besonders schwere Krisen, wenn eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale drohe, konjunkturstimulierende Maßnahmen empfohlen. Wilhelm Röpke empfahl 1930/1931 eine staatliche „Initialzündung“, um die darniederliegende Wirtschaft wieder anzukurbeln. Allerdings war für Röpke klar, dass staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme nur in absoluten Ausnahmezuständen gerechtfertigt seien. Doch nicht diese maßvolle, sondern die radikalere Version von Keynes wurde populär.

Als der Keynesianismus nach dem Zweiten Weltkrieg fast die ganze Volkswirtschaftslehre sowie die Wirtschaftspolitik der angelsächsischen, später auch kontinentaleuropäischen Länder erfasste, simplifizierten und vulgarisierten Keynes’ Anhänger die Lehre ganz erheblich. Aus dem Rat, in absoluten Krisen mit kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen die Wirtschaft anzuschieben, wurde in der Praxis ein dauerhaftes „deficit spending“ und zudem eine expansive Geldpolitik, um die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum zu drücken. Auch bürgerliche Politiker hingen dem an. Präsident Richard Nixon etwa kündigte 1971 eine „Vollbeschäftigungsfiskalpolitik“ mit den Worten an: „Ich bin jetzt ein Keynesianer“.

Doch die Praxis der staatlich induzierten Nachfragebelebung endete im Desaster der Stagflation (stagnierende Wirtschaft bei steigender Inflation): Die Wirtschaft antizipierte die zusätzlichen Staatsausgaben und erhöhte schlicht die Preise; statt mehr Wachstum war mehr Inflation die Folge. Die Arbeitslosigkeit stieg nach dem Ölpreisschock, dagegen kamen immer neue fiskalische Impulse nicht an. Die Wirtschaft stagnierte, einzig die Inflation und die Schulden stiegen. Konjunkturpolitik wirkte wie ein Rauschmittel, das in immer größeren Dosen konsumiert wird: Erst stimuliert es kurzfristig, doch langfristig macht die Einnahme süchtig und ist extrem ungesund. Nach dieser Erfahrung der siebziger Jahre schien der Keynesiamus diskreditiert.

Nun ist der Geist des Keynesianismus erneut aus der Flasche gekrochen. Zumindest unter ernsthaften Ökonomen bleibt die Effektivität der Konjunkturpakete aber stark umstritten. Das Geheimnis der keynesianischen Ökonomie, das die staatlichen Konjunkturpakete in ihren Augen so attraktiv macht, ist der erhoffte Multiplikatoreffekt: Für jeden Dollar, den der Staat zusätzlich ausgibt, soll die Wirtschaftsleistung um deutlich mehr als einen Dollar steigen, weil die Unternehmen und Arbeitnehmer, die das Geld erhalten, ihrerseits Ausgaben tätigen und weitere Geschäfte anregen. Ein Multiplikator zum Beispiel von 5 hieße, dass der Staat 1 Euro in die Volkswirtschaft reinsteckt und damit 5 Euro Wirtschaftsleistung anregt, durch zusätzlichen privaten Konsum und mehr Investitionen. Die frühen Anhänger von Keynes glaubten tatsächlich an so gewaltige Multiplikatoren.

Nach den Enttäuschungen der siebziger Jahre wurde man bescheidener. Immerhin noch einen Multiplikator von 1,6 errechneten die amerikanischen Regierungsberater Christina Romer und Jared Bernstein 2009 für das 800 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket der Vereinigten Staaten. Das hieße, dass die staatlichen Ausgaben fast 1,3 Billionen Dollar Wirtschaftsleistung anregen würden. Präsident Obama sprach von mehreren Millionen Arbeitsplätzen, die mit dem Programm „geschaffen oder gesichert“ würden. Wenn aber der Ausgabenmultiplikator unter 1 läge, würde der staatliche Impuls weniger Wirtschaftsleistung anschieben als er kostet. Die ganze Aktion wäre ein eklatantes Verlustgeschäft für die Steuerzahler. Genau dies legen aber neuere Studien zur Wirkung der jüngsten Konjunkturpakete nahe.

Zur Berechnung der Wirkung der europäischen Konjunkturpakete haben die Ökonomen Volker Wieland und Tobias Cwik von der Universität Frankfurt fünf unterschiedliche makroökonomische Modelle benutzt. Es sind allesamt Modelle, die (neo-)keynesianische Eigenschaften haben, vor allem Preis- und Lohnrigiditäten. Ihr ernüchterndes Ergebnis: Vier der fünf Modelle ergaben einen Multiplikatorwerte von weniger als 1. Nur ein Modell, das erwartungsgetriebene Verhaltensänderungen von Konsumenten und Unternehmen weitgehend ausblendet, brachte einen Multiplikator knapp darüber.

Nach diesen Berechnungen erscheint es wahrscheinlich, dass die Konjunkturprogramme insgesamt mehr gekostet als gebracht haben. Die geringe konjunkturelle Wirkung liegt vor allem an den Reaktionen der privaten Haushalte und Unternehmen, die der Absicht des Ausgabenprogramms entgegenlaufen. Weil die Bürger erwarten, künftig höhere Steuern zahlen zu müssen, um die Staatsschulden zu bedienen, schränken sie ihre Konsumausgaben ein. Hinzu kommt, dass bei höheren Finanzierungskosten durch höhere Zinsen die Unternehmen weniger investieren. Staatliche Ausgaben verdrängen somit privaten Konsum und private Investitionen („crowding out“).

Fragwürdig ist auch, ob mit direkten Staatsausgaben, zum Beispiel für Infrastrukturprojekte, eine bessere und vor allem anti-zyklische Wirkung erzielt werden kann. Bauinvestitionen, Straßen und Brücken sind Investitionen, die einen längerfristigen Nutzen stiften. Allerdings haben sie den Nachteil, dass sie nur mit einer Zeitverzögerung angestoßen werden können. Nimmt man die Reaktionsfrist der Regierung hinzu, bis sie die Rezession erkennt und Bauprojekte beschließt und dann tatsächlich beginnt, ergibt sich eine kritische Verspätung von mehrere Quartalen. Sie führt dazu, dass die konjunkturpolitischen Maßnahmen oft gar nicht mehr anti-zyklisch wirken. Sie setzen nicht im Abschwung ein, sondern erst in der Erholung und wirken somit pro-zyklisch, verstärken den Konjunkturzyklus, statt ihn zu glätten.

Das lässt sich empirisch auch in der jüngsten Rezession nachweisen. Sie begann im Euro-Raum schon im Januar 2008, wie die CEPR-Statistiken in der Rückschau ergaben, was damals aber noch nicht klar war. Dass sich die Wirtschaft in der Rezession befand, wurde allgemein erst im Spätsommer 2008 erkannt. Die großen Konjunkturpakete wurden Ende 2008 und Anfang 2009 verabschiedet. Ein Großteil der damit beschlossenen Projekte wurde aber erst 2010 verwirklicht. Die Baugeräte rollten erst, als die Rezession schon geendet hatte. Insgesamt haben die elf wichtigsten europäischen Staaten Konjunkturpakete beschlossen, die fast 100 Milliarden Euro im Jahr 2009 und 80 Milliarden Euro im Jahr 2010 umfassen. Das war jeweils rund 1 Prozent des BIP. Ihre Wirkung sollte dennoch nicht überschätzt werden, wogegen die Schulden dauerhaft bleiben.

Eine besondere Vergünstigung erhielt 2009 die Autoindustrie. Um sie in der Krise zu stützen, zahlte der Staat Abwrackprämien für das Verschrotten eines Altwagens beim Kauf eines Neuwagens. In Deutschland betrug die Prämie 2500 Euro, damit wurde der Absatz von mehr als 1,7 Millionen Autos, vor allem Kleinwagen, subventioniert. Insgesamt kostete die Förderung den Steuerzahler fast 5 Milliarden Euro. Die Autoindustrie jubelte über den Stimulus, doch Ökonomen erkannten darin lediglich ein Strohfeuer. Denn viele Käufer hatten wegen der staatlichen Prämie einfach einen geplanten Autokauf vorgezogen. Nach dem Ende der Prämie fiel der Absatz entsprechend schwächer aus. Eine Studie über die amerikanische Abwrackprämie (im Volksmund„Cash for Clunkers“, das Programm kostete rund 2,9 Milliarden Dollar) hat gezeigt, dass der Effekt der Prämie nach bloß acht Monaten komplett verpufft war. Der Nettoeffekt für die Branche war also längerfristig gleich Null – der Staat und die Steuerzahler blieben aber auf zusätzlicher Verschuldung in Milliardenhöhe sitzen.

Schon während der Rezession waren die kritischen Stimmen nicht völlig verstummt, die von keynesianischer Politik keine Wunder erwarten. In Amerika protestierten 200 Ökonomen, darunter die Nobelpreisträger James Buchanan, Vernon Smith und Edward Prescott in Anzeigen gegen den Ausgabenrausch der Regierung Obama. Sie erinnerten an das Schicksal Japans: Immer mehr Staatsausgaben konnten dort das „verlorene Jahrzehnt“ in den neunziger Jahren nicht verhindern. Die japanische Regierung legte damals fast ein Dutzend Konjunkturprogramme auf, die Wirtschaft belebte sich aber nicht. Einzig die Baukonzerne profitierten, die noch die letzten Küstenstreifen mit Straßen zubetonierten und Tunnel und Brücken bauten. Japans Nettoschuldenposition verschlechterte sich von rund 20 auf 120 Prozent des BIP, die Bruttoverschuldung stieg über 200 Prozent des BIP. Noch schafft es der japanische Staat, seine gering verzinsten Anleihen im Inland, bei der staatlichen Postbank und Pensionsfonds unterzubringen. Doch schon bald wird er sich auch auf dem internationalen Kapitalmarkt finanzieren müssen. Dann wird der Schuldendienst extrem belastend.

Die große Finanz- und Wirtschaftskrise war ein Turbo für die öffentliche Schuldenzunahme. Niemals zuvor in Friedenszeiten sind die öffentlichen Schulden so rasend schnell gestiegen; Harvard-Historiker Ferguson verglich die finanziellen Auswirkungen der Krise gar mit denen eines Weltkriegs. Im Durchschnitt sind die Industrieländer nun mit rund 100 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verschuldet: Japan hält den traurigen Rekord, die Vereinigten Staaten liegen bei rund 100 Prozent, Großbritannien und Frankreich über 85 Prozent, Italien bei fast 120 Prozent Schuldenquote. Deutschland kann sich bei 75 Prozent stabilisieren (inklusive der Bad-Bank-Schulden sind es fast 80 Prozent), Österreich knapp darunter bei 72 Prozent. Im Durchschnitt des Euro-Raums ist die Schuldenquote nach der Prognose der EU-Kommission von 66 Prozent im Jahr 2007 auf 86,5 Prozent im Jahr 2011 geklettert.

Derart hohe Schuldenstände sind Gift für künftiges Wirtschaftswachstum. Sie nähern sich dem kritischen Schwellenwert von 90 Prozent des BIP, ab dem die Wirtschaft deutlich geschwächt wird, wie Carmen Reinhart von der University of Maryland und ihr Harvard-Kollege Kenneth Rogoff empirisch ermittelt haben. Bei 90 Prozent Schuldenquote ist das Wachstum im Mittel um etwa 1 Prozentpunkt niedriger. Für Schwellenländer liegt die kritische Marke schon bei 60 Prozent. Die Volkswirtschaften schleppen dann zu große Schulden mit sich; hohe Steuern dämpfen die Investitionen, das Produktivitätswachstum schwächt sich ab. Nach einer Studie von IWF-Ökonomen bremst eine Zunahme der Staatsschuld um 10 Prozentpunkte das Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozentpunkte, bei sehr hohen Schuldenständen nimmt der Bremseffekt überproportional zu.

Die offiziell ausgewiesenen, expliziten Schulden sind nicht die ganze Wahrheit. Hinzu kommen in allen Staaten mit umlagefinanzierten Sozialsystemen weitere, noch größere implizite Schulden. Darunter fallen alle Verpflichtungen aus den Rentenversicherungen, die Pensionszusagen an die Beamten sowie die stetig steigenden Sozial- und Gesundheitskosten, die über staatliche Versicherungen finanziert werden. In Deutschland beträgt die explizite Staatsschuld inklusive Bad-Bank-Schulden rund 2 Billionen Euro – also knapp 80 Prozent des BIP. Hinzu kommt laut Schätzung des Sachverständigenrats ein verdeckter Schuldenberg von 270 Prozent des BIP. Das wären aktuell mehr als 6 Billionen Euro. Schulden in Sozialsystemen zu verstecken, erscheint als bequemer Weg, um Kosten in die Zukunft zu verschieben.

 „Fiskalischer Kindesmissbrauch“ nennt es der amerikanische Ökonom Lawrence Kotlikoff, der als einer der Ersten auf das Problem der verdeckten Schulden hingewiesen und sogenannte Generationenbilanzen und Nachhaltigkeitslücken ausgerechnet hat. Einer schrumpfenden Zahl von künftigen Beitragszahlern stehen die wachsenden Ansprüche der Transferempfänger in einer alternden Gesellschaft gegenüber. Unterbleiben drastische Reformen der Renten-, Sozial- und Gesundheitssysteme, dann werden die impliziten Schuldenberge nach und nach als Defizite sichtbar. Was für ein Schulden-Himalaya sich auftürmen könnte, hat die Ratingagentur Standard & Poor’s in einer Studie zu quantifizieren versucht. In den meisten entwickelten Staaten würden die Schuldenquoten bis zum Jahr 2050 theoretisch auf 300 Prozent des BIP steigen – völlig untragbare Lasten. Bevor es aber soweit kommt, wären die Staaten längst finanziell zusammengebrochen.

Stimulieren um jeden Preis

Schon die „große Rettung“ des Jahres 2009 hat die meisten Staaten völlig erschöpft. Ihre Reserven sind verausgabt, ihr künftiger Handlungsspielraum gering. Nun müsste das Ruder entschlossen herumgerissen werden. Statt Stimulus ist Sparen angesagt. Auch in Vereinigten Staaten wäre eine entschlossene fiskalische Bremsung notwendig, doch sind dort die Regierung und die Opposition über diese Frage tief zerstritten. Dort hoffen einige, die Schuldenquoten durch Wachstum reduzieren zu können. Diese Hoffnung kann aber trügen. Hohe Wachstumsraten weisen die Schwellenländer auf, die von der Krise kaum berührt waren. Deutschland profitiert mit seinem großen Exportsektor vom asiatischen Aufschwung, daher das Wachstum von 3,6 Prozent im Jahr 2010. Die deutsche Erholung sowie das osteuropäische Wachstum strahlen auf Mitteleuropa ab. Österreich erreichte 2 Prozent Wachstum erreichte und lag damit deutlich über dem Euro-Durchschnitt.

Die meisten westlichen Industrieländer sowie die Volkswirtschaften der Euro-Peripherie schleppen sich aber nur mühsam aus der Krise. Sie müssen sich schmerzhaft umorientieren. Verzerrte Wirtschaftsstrukturen mit aufgeblähtem Finanzsektor oder überdimensioniertem Bausektor gibt es in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Irland sowie in Spanien. Das Potentialwachstum dieser Länder ist für absehbare Zeit gedämpft, da die Finanzsektor- und Immobilienkrisen nachwirken. Bevor die Wirtschaft wieder stärker wächst und die Arbeitslosigkeit signifikant sinken kann, müssen sie sich strukturell neu ordnen. Einige Bereiche müssen „gesundschrumpfen“. In den Jahren des kreditgetriebenen Booms sind in Amerika viele Arbeitsplätze in der Industrie abgebaut und stattdessen höher bezahlte Jobs in (Finanz-)Dienstleistungssektor geschaffen worden. Das vermeintliche Produktivitätswunder hat das nominelle BIP aufgebläht, war aber nicht nachhaltig.

Gegen den schmerzhaften Prozess der Anpassung und Rückbildung sträuben sich mächtige Interessengruppen und Wählerschaften. Wird versucht, mit immer weiteren fiskal- oder geldpolitischen Stimuli eine Rückkehr zum alten, aufgeblähten Wachstumspfad zu erzwingen, wie dies die amerikanische Regierung und Zentralbank tun, läuft die Politik ins Leere. Sie hinterlassen einen wachsenden Schuldenberg und legen die Saat für Inflation.

Damit könnte sich die Erfahrung der siebziger Jahre wiederholen, die der zypriotische Ökonom Athanasios Orphanides, heute EZB-Ratsmitglied, analysiert hat. Auch damals überschätzten einige Zentralbanker die „Output-Lücke“ und unterschätzten folglich die „natürliche“, also strukturelle Arbeitslosenquote. Sie schossen aus vollen Rohren mit billigem Geld, um die Wirtschaft nach der Ölpreiskrise anzufeuern. Die Folge war aber nicht mehr Wachstum, sondern anziehende Inflationsraten.

Angesichts der ungebremsten Liquiditätsschwemme der Fed und der hohen amerikanischen Staatsverschuldung, die schon mehr als 14 Billionen Dollar beträgt, erscheint auf längere Sicht die Position des Dollar nicht mehr gesichert. China, der Hauptgläubiger der Vereinigten Staaten, macht sich Gedanken, wie es seine Devisenreserven (fast 2 Billionen Dollar) besser diversifizieren könnte. Davon könnte der Euro profitieren, wenn die europäische Gemeinschaftswährung nicht gerade selbst eine tiefe Krise durchliefe.

Die Währungsunion in der Zerreißprobe

Das Beben der Finanzkrise hat in der dritten Welle zu extrem hohen Staatsdefiziten geführt und in Europa schonungslos die Schwachstellen der Währungsunion offengelegt. Nach gut zehn Jahren Schönwetterperiode, in der die Währungsunion trotz Regelverstößen recht gut zu funktionieren schien, ist sie in einen Sturm geraten, der sie zu zerreißen droht. Schon vor der Festschreibung der Wechselkurse 1999 und der Einführung des Euro gab es zahlreiche Warnungen: Ein gemeinsames Währungsdach für Volkswirtschaften mit unterschiedlicher Wettbewerbskraft kann zu Spannungen führen. Der Euro-Raum ist kein „optimaler Währungsraum“, denn für eine gemeinsame Währung sind die Volkswirtschaften zu heterogen, die (Arbeits-)Märkte zu inflexibel und die Faktormobilität zu gering, um exogene Schocks auszugleichen. Ein grundlegender Irrtum der europäischen Politik war, in der Währungsunion auf eine immer weitere Konvergenz der Volkswirtschaften zu hoffen. Das Gegenteil trat ein: Nach 1999 gab es keine Konvergenz zu beobachten, sondern ein Auseinanderdriften, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht. Das zeigte sich in den Leistungsbilanzen.

Die Südeuropäer erlebten zunächst eine Sonderkonjunktur, getrieben durch den EZB-Einheitsleitzins. Für Deutschland und Österreich, die mit niedrigen Inflationsraten in die Währungsunion gingen, war der EZB-Leitzins real zu hoch. Für die Peripherie, die höhere Inflationsraten hatten, war er zu niedrig. Die realen Zinsen lagen dort über Jahre im negativen Bereich. Dies war eine ungeheure Verlockung zur Verschuldung, die Kreditvolumina wuchsen rapide. In Spanien und Irland kam es zu Baubooms, der plötzliche scheinbare Reichtum heizte den Konsum an. Insgesamt leisteten sich die Südländer, die allgemein stärkere, kampfbereite Gewerkschaften haben, übermäßig hohe Lohnzuwachsraten, die nicht von der Arbeitsproduktivität gedeckt waren. Die Lohnstückkosten in Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland stiegen gegenüber der Vor-Euro-Zeit um rund ein Drittel, in gleichem Maß sank ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Daraus folgten stark steigende Leistungsbilanzdefizite in den „Piigs“-Staaten und steigende Auslandsverschuldung, die in Finanzkrisen besonders gefährlich werden kann. In Griechenland wuchs das Leistungsbilanzdefizit 2009 auf extrem hohe 14 Prozent des BIP, Portugal kam auf mehr als 10 Prozent, Spanien auf 5,5 Prozent und Italien und Irland auf mehr als 3 Prozent des BIP. Griechenland und Portugal hatten auch ihren schwerfälligen öffentlichen Dienst erheblich ausgeweitet, die Ausgaben für die vom Staat Beschäftigten verdoppelten sich in einem Jahrzehnt. In jeder Hinsicht lebten diese Länder über ihre Verhältnisse. Zunächst konnte der Überkonsum durch Kapitalzuflüsse aus dem Norden und die drastisch sinkenden Zinsen finanziert werden. Als mit der Finanzkrise die Kapitalmärkte plötzlich die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung misstrauischer beobachteten, verlangten sie von den „Piigs“-Staaten schlagartig höhere Risikoprämien.

Konnten die südeuropäischen Länder vor dem Euro noch ihre Währungen abwerten, um ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ist dieser Ausweg nun versperrt. Statt Wechselkursabwertung droht Zahlungsunfähigkeit – was die Gläubiger, allen voran französische und deutsche Banken, schwer getroffen hätte. Hinter den Kulissen drohten die Banken der Politik mit einer möglichen Kettenreaktion im Finanzsystem, falls die Anleihen von Griechenland oder anderen Peripherie-Staaten ausfielen. So wurde abermals eine Rettung mit Steuergeld erpresst. Eigentlich schloss der Maastricht-Vertrag einen „Bail out“ aus. Es hieß klar, dass die Teilnehmer der Währungsunion nicht für die Schulden anderer Mitglieder haften. Doch dieser Grundsatz wurde über Bord geworfen. Die solideren Mitglieder der Eurozone, allen voran Deutschland, haften nun für die Schulden der Peripherie.

Als sich die Schuldenkrise zuzuspitzen begann, hatte der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing noch eindringlich vor einer Verletzung der „No bail out“-Klausel gewarnt. Wer diesen Grundsatz aufweiche, der lege „die Axt an den stabilitätspolitischen Rahmen der Währungsunion“. Dass jeder Staat für seine eigenen Schulden und Defizite hafte, sei entscheidend für die finanzpolitische Disziplin. „Ohne das gäbe es kein Halten mehr“, warnte Issing. Im Mai 2010 gab es kein Halten mehr. Die Regierungen der Euro-Länder, die EU-Kommission und der IWF richteten eine Kreditlinie von 110 Milliarden Euro für Griechenland und dann einen Rettungsfonds mit 750 Milliarden Euro für sämtliche finanzschwachen Euro-Länder ein. 2013 soll an seine Stelle der European Stability Mechanism (ESM) treten, der sogar nominal 700 Milliarden Euro Volumen haben soll. Entsprechend der EZB-Kapitalquoten gibt Deutschland den Löwenanteil von maximal 168 Milliarden Euro Garantien und leistet von 2013 an schrittweise eine Bareinlage von fast 22 Milliarden Euro, Österreich haftet für bis zu 17,3 Milliarden Euro mit zahlt 2,2 Milliarden Euro in die unverzinste Bareinlage.

Aus der Währungsunion droht damit eine Transferunion zu werden. Die Gefahr, dass der Euro zur Haftungsgemeinschaft mutiert, haben Kritiker, etwa der Tübinger Ökonom Joachim Starbatty, von Anfang an vorausgesagt. Die Mehrheit der deutschen Wirtschaftsprofessoren stand den Plänen für eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) in den neunziger Jahren skeptisch bis ablehnend gegenüber. Doch ihre Vorbehalte wurden ignoriert. Denn der Euro war in erster Linie ein politisches, kein ökonomisches Projekt. Frankreich forderte von Deutschland die Aufgabe der D-Mark als Preis für die Wiedervereinigung. Die ökonomischen Begründungen der angeblichen Vorteilhaftigkeit einer gemeinsamen Währung wurden nachgeschoben.

Ein Damm gegen unsolide Fiskalpolitik sollte der Stabilitätspakt sein, der aber in den Jahren 2003 bis 2005 von Deutschland und Frankreich gemeinsam aufgeweicht wurde. Nun soll der Pakt zwar verschärft werden. Es bleibt aber dabei, dass es bei überhöhten Defiziten keinen Sanktionsautomatismus gibt. Der Prozess bleibt politisiert, weiterhin richten potentielle Sünder über aktuelle Sünder. Unter diesen Bedingungen wirken Sanktionsdrohungen nicht glaubwürdig. Auf die schiefe Bahn zur Vergemeinschaftung von Altschulden führte auch die Diskussion über Euro-Bonds, die von besonders integrationseifrigen Regierungen und der Kommission gefordert werden. Gemeinsame Anleihen würde den schlechten Schuldnern eine Entlastung auf Kosten der relativ guten Schuldner wie Deutschland und Österreich bringen. Dass der ESM künftig Anleihen finanzschwacher Euro-Staaten ankaufen darf, führt die Euro-Bonds durch die Hintertür ein.

Statt einer Vergemeinschaftung von Schulden empfehlen die meisten Ökonomen eine Insolvenzregel für Staaten. Griechenland, das bald 160 Prozent Schuldenquote hat, sollte eine Umschuldung gewährt werden. Damit gäbe es eine Beteiligung der Gläubiger an der Sanierung der Staatsfinanzen. Zumindest müssten EU-Hilfskredite aus Steuermitteln mit einem Schuldenmoratorium in Form einer Verlängerung der Laufzeiten verbunden werden. Die Anleger, die hochrentierende Piigs-Anleihen gekauft haben, würden dann wenigsten einen Teil der Risiken tragen, statt sie komplett auf die europäischen Steuerzahler abzuwälzen. Eine solche Regelung würde disziplinierend wirken, weil sie künftige übermäßige Schuldenmacherei bremst.

Wenn jedoch der Eindruck entsteht, dass die Steuerzahler der solideren Länder, allen voran Deutschland, die Niederlande und Österreich, die Zahlmeister der EU sind, wird die Akzeptanz der EU beschädigt. Die Euro-Verdrossenheit hat in der Krise einen Höhepunkt erreicht. Nach den Allensbach-Umfragen haben in Deutschland fast zwei Drittel der Bürger wenig oder gar kein Vertrauen mehr in die EU. Ohnehin hat sich die Mehrzahl der Bürger nur widerwillig in das Euro-Experiment gefügt, das wie vieles in der EU ein Projekt der Politik-Eliten war. Auch diese sind nun ratlos. Die Kluft zwischen Politik und Bürger wird breiter. In einer Transferunion werden sich die Nettozahler ausgenutzt und getäuscht fühlen, zumal wenn offenkundige Statistikfälschung wie in Griechenland vorliegt. Finanzielle Spannungen können zu politischen Spannungen führen. Der Euro würde dann zum Sprengsatz für Europa werden. Eine solche Entwicklung hat der amerikanische Ökonom Martin Feldstein in einem vieldiskutierten Aufsatz schon vor Beginn des EWU-Experiments prophezeit.

Im „Haus Europa” sind die Risse seit 2010 nicht mehr zu übersehen. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, flüchtete sich die EU-Elite in eine martialische Rhetorik. Von einem „Angriffskrieg“ ominöser internationaler Spekulanten war die Rede, gegen den Frankreichs Präsident Sarkozy eine „Generalmobilmachung“ ankündigte. Er wolle „ohne Gnade die Spekulation bekämpfen“.Einige prominente und besonnene Ökonomen hatten die Courage, dem Unsinn zu widersprechen, etwa Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. Er widersprach der „Mär von der Spekulation“ und fragte: „Ist es Spekulation zu nennen, wenn Pensionsfonds und Lebensversicherungen versuchen, griechische Anleihen abzustoßen, um Schaden von ihren Versicherten abzuwenden?“ Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe nennt den Verweis auf die „notorischen Spekulanten … eine Art Schadenszauber, weiß doch mittlerweile jedes Kind, dass die Probleme nicht auf Spekulation zurückzuführen sind, sondern nicht selten auf handfeste Misswirtschaft.“

Da die mitteleuropäischen Steuerzahler über die Rettungsorgie nicht begeistert waren, malten die EU-Eliten eine drohende Katastrophe an die Wand, wenn einzelne Mitglieder wegen Zahlungsschwierigkeiten die Währungsunion verlassen müssten. Auf den Wirtschaftshistoriker Plumpe wirkt diese Drohkulisse wenig überzeugend. Er erinnert daran, dass es schon die verschiedensten Währungsunionen in der Geschichte gab, die alle irgendwann auseinanderfielen. „Ihr Zerfall trat in der Regel ein, wenn die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Teilnehmerländern zu groß wurden, um eine gemeinsame Währung sinnvoll erscheinen zu lassen, oder wenn sich ein oder mehrere Teilnehmer nicht mehr an die vereinbarten Spielregeln hielten. Ihr Zerfall war bisher kaum je ein ökonomisches Desaster.“ Ein Desaster wäre es nur für die jene Europapolitiker und EU-Bürokraten, die den Euro als ökonomisches Treibmittel einer politischen Zentralisierung des Kontinents sahen. Dieses Unterfangen, das mit Euro-Krise einen herben Rückschlag erleidet, versuchen sie dennoch fortzusetzen.

Die schleichende Transformation der Währungsunion in eine Haftungsunion steht erst am Anfang. Flankierend fordert die französische Regierung seit Jahren eine „Wirtschaftsregierung“, wogegen die deutsche Kanzlerin einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgeschlagen. Die Diskussion im Jahr 2010 drehte sich immer mehr um „makroökonomische Ungleichgewichte“, die es abzubauen gelte. Französische Politiker und Ökonomen plädierten für eine Art europäische Makro-Globalsteuerung, auch in Deutschland finden sich im linken Lager ein paar Fürsprecher dieser Idee. Wenn die Peripherie in den kommenden Jahren nicht wettbewerbsfähig wird, weil sie unter zu hohen Schulden leidet und zu geringe Innovationskraft hat, wird der Ruf nach Transferflüssen oder nach politischer Steuerung der Leistungsbilanzen immer lauter werden. Frankreich hat die zu geringen Lohnsteigerungen in Deutschland kritisiert. Die Forderung nach „Harmonisierung“ der Lohnpolitiken ist dabei nur der wenig kaschierte Versuch, die Produktionskosten des Konkurrenten zu erhöhen.

Die Schritte zu einer supranationalen, gemeinsamen Wirtschaftspolitik führen in jedem Fall zu mehr Vereinheitlichung. Durch mehr supranationale Vorgaben wird nicht nur die nationale demokratische Souveränität ausgehebelt. Eine zentralistische Politik nach dem Motto „one size fits all“ ist auch ökonomisch höchst fragwürdig in einem heterogenen Wirtschaftsraum.  In der Geldpolitik hat es zu Verzerrungen und Fehllenkungen geführt. Die von Frankreich propagierte „Wirtschaftsregierung“ bedeutete im Extrem eine Gleichschaltung der länderspezifischen Fiskal-, Sozial-, Tarif-, Renten- und Bildungspolitiken. Dies würde die europäische Vielfalt planieren und in eine Sackgasse führen. Europa wäre nicht mehr Europa. Denn gerade die Vielfältigkeit hat, historisch gesehen, das Entdeckungsverfahren ermöglicht, das Europa zu einer einzigartigen und führenden Region in der Welt macht. Es war dieser produktive Systemwettbewerb, der das historische „Wunder Europas“ (Eric L. Jones) ermöglicht. Durch mehr zentralistische Planierung würde Europa nicht „fit“ für den globalen Wettbewerb, wie die Befürworter einer „Wirtschaftsregierung“ versprechen, sondern sein Wachstumspotential tendenziell gemindert.

Die tickende demographische Zeitbombe im „alten Kontinent“

Die Wachstumsaussichten sind ohnehin gedämpft: Kurz- und mittelfristig wegen der Folgen der Finanz- und Schuldenkrise, die strukturelle Veränderungen erzwingt. Mittel- bis längerfristig werden die Auswirkungen des demographischen Wandels immer schärfer zutage treten. Die Bezeichnung Europas als „alter Kontinent“ bekommt einen neuen, düsteren Sinn. Mit einer überalternden Bevölkerung geht Dynamik verloren. Jeder einzelne wird natürlich die Verlängerung der Lebenserwartung als Geschenk zusätzlicher Zeit sehen. Gesamtgesellschaftlich dürften die Konsequenzen stark überalternder Bevölkerungen und einer fehlgesteuerten Zuwanderung jedoch zu existentiellen Belastungsproben führen. Schon heute gibt es in Mitteleuropa mehr 65-Jährige als unter 20-Jährige. Vor allem im Zusammenspiel mit der Verschuldung wird die Herausforderung deutlich: Immer weniger Nachkommen müssen immer größere Lasten schultern.

Mitte der sechziger Jahre erreichte die Geburtenrate mit deutlich über 2 Kindern je Frau – der sogenannten Babyboomer-Generation – einen kurzen Höhepunkt. Als die Geburtenraten dann einbrachen, wurden die Konsequenzen zunächst verdrängt, eine Debatte sollte nicht stattfinden und wurde gar diffamiert. Bevölkerungswissenschaft galt nach den NS-Missbräuchen als anrüchig. Dennoch bleibt die Demographie eine zentrale Größe, die sich nicht aus Gründen vermeintlicher „political correctness“ ignorieren lässt. Bevölkerungsentwicklungen sind träge Phänomene, doch gewinnen sie an Fahrt, wenn ein Einbruch der Geburtenrate so lange anhält. Seit fast vierzig Jahren liegt sie nun bei etwa 1,4 Kindern je Frau. Das ist rund ein Drittel weniger als das bestandserhaltende Niveau. Im Klartext heißt das: Jede nachgeborene Generation wird um ein Drittel kleiner sein als ihre Elterngeneration. Dieser Prozess führt in eine sich selbst verstärkende demographische Abwärtsspirale.

Die absoluten Zahlen verdeutlichen die epochale Verschiebung. Im letzten Jahr des Babybooms 1964 kamen in Deutschland (West und Ost) rund 1,35 Millionen Kinder zur Welt, dann sank die Geburtenzahl um mehr als ein Drittel. Vordergründig wird dies als „Pillenknick“ bezeichnet. Als tiefere Gründe erscheinen ein kultureller und ideologischer Wandel, das Forcieren neuer, emanzipierter Frauenrollenbilder, die das Muttersein in den Hintergrund drängten, sowie die zunehmende Individualisierung und Auflösung der traditionellen Familienstrukturen, deren Aufgaben zum Teil der Sozialstaat übernahm. Ökonomisch kann der Verzicht auf Nachwuchs als Reaktion auf veränderte (Opportunitäts-)kosten der Erziehung der Kinder gedeutet werden, deren „Wert“ (emotional und materiell) geringer geachtet wird. Nicht zu unterschätzen ist auch der demographische Effekt des Sozialstaats: Während die Kosten der Kindererziehung weitgehend bei den Eltern liegen, wird ihr ökonomische „Nutzen“ sozialisiert, indem sie Rentenbeiträge ins Umlagesystem zahlen, aus dem auch die Renten der Kinderlosen finanziert werden.

Den bisherigen Tiefpunkt der Geburtenzahl markiert in Deutschland das Jahr 2009, als nur noch 651.000 Kinder zur Welt kamen. Innerhalb von 45 Jahren hat sich die Basis des Nachwuchses halbiert. In Österreich lag die Geburtenzahl im Höhepunkt 1963 bei fast 135.000, heute werden weniger als 77.000 Kinder im Jahr geboren. Dies ist ein Rückgang der Geburtenzahl um mehr als 40 Prozent in nicht einmal zwei Generationen. Noch stehen die Babyboomer mehrheitlich im Erwerbsleben, doch werden sie etwa zur Mitte des Jahrzehnts ausscheiden. In den kommenden Jahrzehnten wird die Alterung in eine beschleunigte Schrumpfung der Bevölkerung übergehen. Das Ausmaß der zu erwartenden Bevölkerungsverluste nennt der bekannte Bielefelder Biograph Herwig Birg vergleichbar mit denen im Dreißigjährigen Krieg, der die Einwohnerzahl um etwa ein Drittel dezimierte und ganze Landstriche in Mitteleuropa entvölkerte.

Zum Teil füllen Einwanderer und ihre Nachkommen die demographische Lücke, doch nicht vollständig. Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik von 82 Millionen auf 68 Millionen sinken, darunter sind nach der Berechnung von Birg dann rund 19 Millionen mit Migrationshintergrund. 2100 könnte die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik, wenn die demographischen Trends sich nicht drastisch ändern, auf 46 Millionen geschrumpft sein. Davon wären nur noch eine Minderheit von 21 Millionen ethnische Deutscher gegenüber einer Mehrheit von Zugewanderten und ihren Nachkommen.

Für Österreich ist eine noch schnellere Verschiebung der ethnischen Relationen anzunehmen. Nach der mittleren Schätzung von Statistik Austria wird die Bevölkerungszahl zwar bis 2050 von 8,4 auf 9,4 Millionen zunehmen, aber nicht wegen nennenswert steigender Geburtenzahlen, sondern als Folge einer erwarteten hohen Zuwanderung. Die autochthone österreicherische Bevölkerung schrumpft bis zur Jahrhundertmitte um 2 Millionen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sinkt nach der Prognose von Vonach und Tagesen auf etwa 52 Prozent. Am stärksten sind die demographischen Verschiebungen in den Städten und in der jungen Bevölkerung. In Wien könnte der Migrantenanteil bei den unter 40-Jährigen schon zur Jahrhundertmitte auf 73 Prozent der Bevölkerung anwachsen.

Langfristige demographische Prognosen stehen unter dem Vorbehalt, dass künftige Trends sich ändern können. Doch die mittelfristige Bevölkerungsentwicklung ist unentrinnbar durch den Geburtenstreik der vergangenen vierzig Jahre determiniert. Der Kindermangel bedeutet künftigen Elternmangel. Europas Bevölkerung wird demnach in nie gekanntem Maße schrumpfen. Abgesehen davon, dass der Mangel an Nachwuchs starke Zweifel am kulturellen Überlebenswillen aufkommen lässt, verdüstert er die volkswirtschaftlichen Perspektiven. Schon in diesem Jahrzehnt, wenn die Babyboomer in Rente gehen, wird das Potential an qualifizierten und leistungsfähigen Arbeitskräften deutlich knapper. Zugleich steigt deren Belastung durch Beiträge in die Sozialsysteme und die Versorgung der zunehmenden Zahl von Älteren.

Heute kommen noch drei Erwerbstätige auf einen Rentner, in einer Generation dürften es weniger als zwei sein. Wegen der schrumpfenden Basis an Erwerbspersonen (bis 2035 in Deutschland um rund 5 Prozent, danach beschleunigt) ist mit schwächerem Wachstum zu rechnen. Das Schweizer Prognos-Institut schätzt, dass selbst im günstigsten Szenario mit einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren und Migranten die Wachstumsrate bis 2035 im Durchschnitt nur noch 1 Prozent beträgt und zuletzt auf 0,6 Prozent sinken wird.

Der demographische Wandel, der seit einigen Jahrzehnten schleichend abläuft, ist träge und dennoch so wuchtig, dass er die bisherigen Gesellschaftsordnungen in eine Zerreißprobe führen wird. Es drohen Verteilungskonflikte: Junge gegen Ältere, Gesunde gegen Kranke, Einheimische gegen Migranten. Die finanziellen Ressourcen des Sozialstaates werden härter als je zuvor umkämpft sein. In der Demokratie, in der die Präferenzen des Median-Wählers entscheidend sind, droht eine beschleunigte Umverteilung. Die Zahl der Sozialleistungsbezieher, die ein Interesse am Ausbau der Umverteilung haben, steigt, während die Steuern und Abgaben zahlende erwerbstätige Mitte schrumpft. Schon heute gehören in Deutschland 42,4 Prozent der Wahlberechtigten zur Gruppe derer, die ihr Einkommen hauptsächlich vom Staat beziehen. Dazu zählen Rentner, Arbeitslose sowie Empfänger anderer Sozialleistungen. „Es fehlt also nicht mehr viel, bis jeder zweite Wahlberechtigte vom Staat alimentiert wird“, warnt das Institut der deutschen Wirtschaft.

Angesichts der demographischen Entwicklung ist der Zeitpunkt absehbar, an dem die Sozialleistungsbezieher die Mehrheit der Wahlberechtigten darstellen. Zwar sind Transferbezieher kein geschlossener Wählerblock, doch tendenziell eint sie ihr Interesse an einem stetigen Transferfluss. In Deutschland ist zu beobachten, dass neben den Arbeitslosen die Rentner eine zunehmende Wählergruppe der Linkspartei bilden, die sich gegen die Rentenreformen mit dem demographischen Ausgleichsfaktor und der Anpassung des Renteneintrittsalters stemmt. Als in der Rezession 2009 die Arbeitseinkommen sanken, wurden die Renten nicht entsprechend gekürzt, stattdessen beschloss die schwarz-rote Regierung eine „Rentengarantie“. Das Aufweichen der Regel erfolgte aus rein politischem Opportunismus.

Die mächtigsten Wählerbataillone sind künftig die Älteren, die Transfer- und Sozialleistungsbezieher. Dies fällt ins Gewicht, wenn über die Verteilung knapper Ressourcen, etwa für junge Familien, für Bildung oder für die Rentenempfänger, gestritten wird. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hat den Begriff „Methusalem-Komplott“ geprägt, der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn warnte vor einer „Gerontokratie“. Nur die Abwanderungsdrohung der Jüngeren, der Steuer- und Abgabenzahler, kann den Zugriff des Sozialstaates auf ihre Einkommen bremsen. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Staat die Wünsche der Wähler bedient, indem er sich zulasten kommender Generationen verschuldet hat. Während die Sozialausgabenquote des deutschen Staatshaushalts seit den siebziger Jahren stark ausgeweitet wurde und nun mehr ein Drittel des BIP beträgt, ist die Investitionsquote des Bundes unter 9 Prozent gesunken. Der Schwerpunkt der Ausgaben liegt also auf Sozialkonsum.

In der demographischen Falle erscheint der Staat, der ein umfassendes, aber nicht mehr finanzierbares soziales Sicherungsversprechen gegeben hat, nicht mehr souverän. Er hat Handlungsspielräume verloren. Er ist nicht mehr Gestalter einer sozialen Ordnung, sondern Getriebener von Interessengruppen. Um heutige Wählerinteressen zu bedienen, schmälert er Zukunftschancen. Immerhin hat Deutschland mit der Schuldenbremse einen finanzpolitischen Riegel gegen weiteres opportunistisches Schuldenmachen eingezogen. Von 2016 an muss der Bund und von 2020 an müssen die Länder mit nur noch minimaler struktureller Neuverschuldung auskommen. Solche Schuldenregeln sind der einzige Schutz der künftigen Generationen gegen eine Ausgabenpolitik zu ihren Lasten.

Die Lebenserwartung der Menschen in Mitteleuropa steigt seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Selbst nach konservativen Schätzungen könnte sie jedes Jahrzehnt um etwa weitere 2 Jahre zunehmen. Während das allein ein Grund zur Freude sein könnte, bringt das drastische Schrumpfen der jungen Generation die Gesellschaft aus der Balance. Um die politischen Kämpfe um Rentenanpassungen zu entschärfen, wäre eine Regel zur dynamischen Anpassung des Renteneintrittsalters notwendig. Die hinzukommenden Lebensjahre würden dann nach einem festen Verhältnis auf Arbeits- und Pensionszeit verteilt, etwa zwei Drittel zu ein Drittel. Analog zur Schuldenbremse wäre dies eine Selbstbindung der Politik gegen die Versuchung einer wahltaktisch motivierten, opportunistischen Rentenpolitik auf Kosten der kleiner werdenden jüngeren Generationen.

Ausländer rein – aber die richtigen

Auf dem Arbeitsmarkt wird sich schon Mitte des Jahrzehnts die Nachwuchsknappheit schmerzhaft bemerkbar machen. Die Babyboomer gehen in den Ruhestand, geburtenschwache Jahrgänge treten ins Erwerbsleben ein. Einige Branchen klagen schon heute über Fachkräftemangel. Eine stärkere Aktivierung von Älteren und Arbeitslosen kann die Knappheit lindern, doch nur zum Teil. Daher ist Zuwanderung notwendig, die aber in radikaler Weise neu zu steuern ist. Sie muss nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgerichtet sein und darf zugleich die sozial-kulturelle Aufnahmefähigkeit nicht überschreiten. Skepsis ist angebracht, ob dies gelingt, denn gerade in der Einwanderungsfrage haben sich die westeuropäischen Staaten über Jahrzehnt konzeptlos und schwach gezeigt.

„Insgesamt muss hier von einem Politikversagen gesprochen werden“, urteilt der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft. „Der demokratische Rechtsstaat ist nicht in der Lage gewesen, die sich dynamisch entwickelnde Zuwanderung – von der Gastarbeiteranwerbung über den Familiennachzug – wirkungsvoll zu begrenzen.“ Zunächst wurden vor allem Ungelernte ins Land geholt, danach ein ungesteuerter Zuzug geduldet, der zu einem erheblichen Teil in die Sozialsysteme ging. Insbesondere die Türkei, die 1961 auf ein eigenes Gastarbeiterabkommen mit Deutschland drang, hatte einen Anreiz, ihren Bevölkerungsüberschuss nach Westeuropa abzuschieben. Von 1962 bis 1973 gab es einen Nettozuzug von etwas mehr als 3 Millionen Menschen aus Südeuropa und der Türkei nach Deutschland.

Die Erwerbsquoten waren anfangs hoch, die Situation wandelte sich aber mit der Rezession Mitte der siebziger Jahre. Während die meisten Italiener, Spanier, Griechen und Jugoslawen, die arbeitslos wurden, in ihre Heimat zurückgingen, blieb der Großteil der Türken. Sie waren die einzige Ausländergruppe in Deutschland, deren Zahl trotz des Anwerbestopps von November 1973 und der steigenden Arbeitslosigkeit weiter wuchs. Die türkische Zuwanderung fand mehr und mehr über den Familiennachzug statt. In einer regelrechten Kettenwanderung siedelten halbe ostanatolische Dörfer in mitteleuropäische Großstädte um. Hinzu kam in den frühen neunziger Jahren ein anschwellender Strom von Asylbewerbern.

Der großzügige deutsche Sozialstaat wirkt dabei als „zweipoliger Zuwanderungsmagnet“, wie es der Chef des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn formuliert. „Mit der einen Seite stößt er die reichen Nettozahler ab, und mit der anderen zieht er die armen Kostgänger des Staates an.“ Eine Studie seines Instituts hat für Migranten im Durchschnitt knapp 2370 Euro jährlich Nettogewinn durch staatliche Leistungen errechnet. Dazu gehören Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergeld, Mitversicherung von Angehörigen in der Krankenversicherung und die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Eine türkische Familie mit drei Kindern erhielt über zehn Jahren einen Nettotransfer des Sozialstaates von im Durchschnitt 118.350 Euro als „Wanderungsprämie“.Dieser Einwanderungsanreiz durch den Sozialstaat erklärt einen großen Teil der Fehlsteuerung der Migrationsströme.

„Von 1970 bis 2003 stieg die Zahl der Ausländer in Deutschland von 3 auf 7,3 Millionen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Ausländer blieb dagegen mit 1,8 Millionen konstant. Ein Großteil der Einwanderung nach Deutschland ging also am Arbeitsmarkt vorbei in das Sozialsystem“, stellt der FAZ-Herausgeber Holger Steltzner fest. Wer aber das „unkorrekte“ Tabuthema der Einwanderung in das Sozialsystem anspreche, müsse mit der Empörung der Wohlfahrtsanhänger rechnen. Inzwischen hat sich eine regelrechte Integrationsindustrie herausgebildet. Zu ihr gehört das Heer von Sozialarbeitern, Sozialverbänden und auch Kirchen, kommunalen Ausländerbeauftragten, Antidiskriminierungsstellen und multikulturellen Vereinen mit öffentlicher Förderung. Sie alle gehören zu den Stützen der Migrantenmilieus und haben versucht, Probleme mit der Sprachregulierung der „political correctness“ zu vertuschen.

Unbequeme Fakten zur Zuwanderung, die ein partielles Scheitern und hohe Kosten der Integration anzeigen, wurden viel zu lange tabuisiert. Verschweigen hilft aber nicht beim Lösen der Integrationsprobleme. Die Arbeitslosenquote von 18 Prozent der Ausländer in Deutschland übertrifft die gesamtdeutsche Quote von gut 7 Prozent um mehr als das Doppelte. In Österreich sind etwa 10 Prozent der Ausländer arbeitslos, zweieinhalbmal so viel wie unter den Einheimischen. Die Durchschnittswerte sind indes nur begrenzt aussagekräftig. Unter den westeuropäischen Ausländern ist die Arbeitslosenquote kaum höher als die der Einheimischen. Extrem hoch sind die Arbeitslosigkeit und Integrationsdefizite dagegen bei Zuwanderern aus dem arabischen und afrikanischen Raum sowie aus der Osttürkei, also aus Kulturkreisen, die dem europäischen fern stehen.

Von den in Deutschland lebenden Libanesen, die überwiegend als Asylanten kamen, beziehen ganze 90 Prozent Langzeitarbeitslosengeld (Hartz IV), wie die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Von den Irakern sind 65 Prozent, von den Afghanen 53 Prozent langzeitarbeitslos. Von den laut Statistik 1,65 Millionen türkischen Staatsbürgern in der Bundesrepublik beziehen immerhin 26 Prozent Hartz IV. Deutlich besser schneiden Kroaten und Serben ab, deren Hartz-IV-Quote von 8 Prozent nur wenig über dem deutschen Durchschnitt liegt. Hauptgründe für die erheblich höhere Arbeitslosigkeit sind die schlechte Qualifikation und mangelnde Sparbeherrschung. 76,5 Prozent der nicht-deutschen Arbeitslosen haben laut Statistik keine Berufsausbildung, unter den deutschen Arbeitslosen waren es 36,8 Prozent.

Unübersehbar wachsen in den Großstädten migrantische Milieus, die weder integrationsfähig noch -willig sind. Eine verfehlte multikulturalistische Duldungspolitik hat dazu beigetragen. „Die Vision einer multikulturellen Gesellschaft, in der jede Herkunftsgruppe unbeeinflusst ihre Eigenart ausleben sollte, ließ echte Integration nie zu, sondern stärkte das Leben in jenen Parallelgesellschaften, in denen sich die Unterschichten der Großstädte konzentrieren“, heißt es in einer vielbeachteten Studie des politisch neutralen Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Nach dieser Studie unterscheiden sich Migranten unterschiedlicher Herkunftsregionen signifikant nach ihren Intergrationserfolgen und -misserfolgen. Am besten schnitten die aus Osteuropa gekommenen Spätaussiedler mit deutschen Wurzeln ab, die sich relativ problemlos einfügten. Mit Abstand am schlechtesten integriert ist die Gruppe mit türkischem Hintergrund.

In keiner anderen Herkunftsgruppe finden sich mehr Menschen ohne Bildungsabschluss (30 Prozent) und weniger mit Hochschulberechtigung (14 Prozent). In keiner Gruppe war zudem die Tendenz zur Vermischung durch bi-kulturelle Ehen so gering wie bei den Türkischstämmigen, die mit 2,5 Millionen (etwa 800.000 sind eingebürgert) die größte Einwanderergruppe in Deutschland ausmachen. Nur jeder zwanzigste Türkischstämmige heiratete einen deutschen Partner. Offenbar stellt der Islam eine zusätzliche Integrationsbarriere dar. Ehepartner holen türkische Familien gerne aus dem Heimatland. Der Zustrom der „Importbräute“, wie sie die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek bezeichnet, erschwert es in jeder Generation neu, Anschluss an die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu finden. Sprach- und Bildungsmängel werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Von Europa nach Eurabia?

Mit der etwa doppelt so hohen Geburtenrate ist absehbar, dass der Anteil der türkischen und arabischen Migrantenpopulation exponentiell steigt. In manchen großstädtischen Vierteln wird er dominierend. In den Kindergärten und Schulen im Berliner Bezirk Neukölln, wo oftmals 90 Prozent einen nicht-deutschen Hintergrund haben, müssen sich faktisch die verbliebenen wenigen deutschen Jugendlichen integrieren. Aus Sicht der verbliebenen alternden einheimischen Bevölkerung sind diese Viertel überfremdet. Die sozialen Probleme vertreiben Eltern der Mittelschicht, übrig bleibt eine weitgehend perspektivlose Unterschicht. Viele Jahre galt Kritik an der ungesteuerten Zuwanderung als unanständig oder wurde als „ausländerfeindlich“ diffamiert. Nach Jahren des Verharmlosens und Beschönigens  hat der Problemdruck indes so zugenommen, dass die Verheißung einer multikulturellen „Bereicherung“ der Alltagserfahrung immer weniger entspricht.

In dieser Situation wirkte das provokante Buch „Deutschland schafft sich ab“ des ehemaligen Berliner SPD-Finanzsenators und Bundesbankers Thilo Sarrazin wie ein Befreiungsschlag für eine offene Debatte über Migration und Integration. Die überwältigend zustimmende Reaktion aus der Bevölkerung gab es nicht für die umstrittenen erbbiologischen Thesen, sondern für den Mut, ohne Rücksicht auf „political correctness“ die Konsequenzen des demographischen Wandels, der ungesteuerten Zuwanderung und der mangelnden Integration zu diskutieren. Weitere kritische Stimmen haben sich in jüngster Zeit hervorgewagt. So nennt der amerikanische Journalist Christopher Caldwell, der mehr als ein Jahrzehnt an den Brennpunkten islamischer Migrantenmilieus recherchiert hat, die gegenwärtige demographisch-kulturelle Umwälzung eine „Revolution in Europa“, die ein soziales Pulverfass schafft.

Im Extremfall kann gescheiterte Integration zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Ende 2005 sind erstmals offene Unruhen in den französischen Banlieues ausgebrochen. Die betongrauen Sozialsiedlungen vieler Vorstädte, bewohnt überwiegend von nord- und schwarzafrikanischen sowie arabischen Einwanderern und ihren Kindern, sind Zonen der Perspektivlosigkeit. Die Arbeitslosenquote liegt bei 40 Prozent, viermal so hoch wie der nationale Durchschnittswert. Unter den Jugendlichen ist weit über die Mehrheit ohne Job. Im Oktober 2005 löste der Unfalltod zweier Jugendlicher wochenlange Brandtstiftungen und Kämpfe mit der Polizei aus. Im Gesamtjahr 2005 wurden knapp 30.000 Autos und 5700 Bushaltestellen angezündet. Der „Spiegel“ beschrieb die Unruhen als „Intifada vor den Toren der französischen Hauptstadt“.

Der „Aufruhr in Eurabia“ könnte ein Menetekel für die Zukunft sein. Tausende Polizisten standen zigtausend aufgebrachten arabischen und afrikanischen Jugendlichen gegenüber. Erst Notstandsmaßnahmen und Ausgangssperren stoppten die offene Gewalt, die Spannungen bestehen weiter. Von Anzeichen, dass auch in hiesigen Zuwanderervierteln brenzlig wird, berichtet die deutsche Polizeigewerkschaft. „Es gibt Straßenzüge in manchen Vierteln Berlins, Hamburgs, Duisburgs, Essens oder Kölns, in die sich Polizisten nicht mehr alleine hineintrauen“, sagt der Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Bei Verhaftungen von türkischen oder arabischen Jungkriminellen komme es zu Zusammenrottungen. Es sei „bundesweit bekannt, dass diese Blitzmobilisierungen meist von jungen Männern mit türkischem oder arabischem Hintergrund ausgehen“ berichtet der Polizeigewerkschafter Wendt. „In solchen Vierteln wankt das staatliche Gewaltmonopol“.

Keine Zuwanderung mehr ins Sozialsystem

Über Jahre hat der Staat seine innere Schwäche durch die Zahlung von Sozialleistungen verdeckt und perspektivlose Zuwanderer auf diese Weise ruhigzustellen versucht. Das Alimentieren der Problemmilieus kann jedoch die Probleme noch verfestigen, da es den Druck zu eigener Anstrengung mindert. Wer das Abgleiten junger, geringqualifizierter Zuwanderer in Arbeits- und Perspektivlosigkeit verhindern will, muss früher und intensiver ihre Bildung fordern und fördern. Sanktionen für Integrationsverweigerer, die Kurse und Angebote nicht wahrnehmen, sollten selbstverständlich sein. Zwar haben jüngst die Regierungschefs Merkel, Sarkozy und Cameron „Multikulti“ für gescheitert erklärt, was als Wende in der Migrationsdebatte gesehen wurde, doch ist dieser Feststellung bislang wenig Konkretes gefolgt. Die deutsche „Leitkultur“-Debatte blieb weitgehend folgenlos. Allenfalls ist der Spracherwerb in den Fokus gerückt. Noch vor nicht allzu langer Zeit beklagten grüne Politiker die Anweisung zum Deutschsprechen auf dem Schulhof als „Zwangsgermanisierung“; solche Selbstverleugnungsverrenkungen sind vorbei.

Integration kann jedoch nur glücken, wenn die Umwelt im Viertel wie in der Schule noch von der Mehrheitskultur geprägt ist. Ist ein Viertel mehrheitlich von Migranten bewohnt, wird die Integration chancenlos. Die Politik schreckt dabei vor der Erkenntnis zurück, dass die Vergrößerung der zugewanderten Unterschicht zum Teil auch auf staatliche Sozialleistungen zurückzuführen ist. Gerade Geringverdienern setzen sie finanzielle Anreize zu einer höheren Reproduktion. Diese aber führt in einen Teufelskreis: Die Familien der Unterschicht haben mehr Kinder als in der Mittelschicht, die abwandert. Ihre materielle, Sprach- und Bildungsarmut wird weitergegeben. Das Problem der gering qualifizierten, oft arbeitslosen und desintegrierten Milieus verfestigt sich über die Generationen.

Der Bremer Soziologe und Demograph Gunnar Heinsohn hat in mehreren bemerkenswerten Aufsätzen an den sozialpolitischen Paradigmenwechsel der Amerikaner erinnert, der in den achtziger Jahren unter der Regierung Reagan begann und unter der Regierung von Bill Clinton vollendet wurde. Während in den kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten ein dauerhafter Sozialhilfebezug für die Unterschicht möglich ist, hat man in den Vereinigten Staaten seit 1997 den bislang lebenslangen Anspruch auf fünf Jahre begrenzt. Sozialhilfe kann kein Lebensmodell sein, hieß Clintons Botschaft. Vorbereitet hatte diese Reform die Studie „Losing Ground“ des Politologen und Ökonomen Charles Murray. Seine brisante These: Obwohl die Ausgaben für Sozialhilfe seit den sechziger Jahren stark gestiegen waren, hatte dies die Armut nicht verringert, sondern die Zahl der Empfänger immer weiter erhöht, weil junge Frauen sich mit unehelichen Kindern auf Kosten von „Vater Staat“ durchbringen konnten. Mehr Geldangebote verlockten dazu, Kinder als Einnahmequelle zu sehen.

Daraus zog Clinton schließlich die Konsequenz für eine radikale Reform: den Übergang von „welfare“ zu „workfare“. Für körperlich gesunde Menschen gibt es nur noch fünf Jahre Sozialhilfe, da diese kein „way of life“ sein dürfe. Während die amerikanische Linke laut „Rassismus“ schrie, weil vorrangig schwarze Familien betroffen seien, und prophezeite, die Reform werde zur massenhaften Verelendung führen, trat das Gegenteil ein. Der Druck, sich auf dem Arbeitsmarkt selbst seinen Unterhalt zu verdienen, erwies sich als heilsam. Die Zahl der Neuanträge von „welfare mothers“ sank. In Deutschland hingegen wagt sich die politische Führung nicht an solche Reformen. „Während deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben und leistungsstarke Migrantinnen sich diesem Reproduktionsmuster nähern, vermehrt sich die vom Sozialstaat unterstützte Unterschicht stärker – mit allen Folgeproblemen“, warnt Heinsohn. „So sind in der Hartz-IV-Musterkommune Bremerhaven die Jungen in Sozialhilfe mit einem Anteil von rund 40 Prozent an der männlichen Jugend für mehr als 90 Prozent der Gewaltkriminalität verantwortlich.“

Zuwanderung ist kein Schicksal, sondern kann und muss gesteuert werden. Echte Einwanderungsländer wie Australien, Neuseeland oder Kanada machen es vor. Dort werden mit einem Punktesystem junge, intelligente und qualifizierte Zuwanderer ausgewählt. Wer Universitäts- oder Berufsausbildung sowie Sprachkenntnisse vorweisen kann, der erhält eine Einwanderungs- und Arbeitserlaubnis. Solche Zuwanderer bringen Nutzen für die Volkswirtschaft, sind leicht in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren und tatsächlich eine Bereicherung. Sie sollten mit offenen Armen empfangen werden. In Australien und Kanada ist diese Politik ein voller Erfolg gewesen. Ihre Zuwanderer, darunter ein hoher Anteil von Asiaten, weisen im Durchschnitt sogar ein höheres Bildungsniveau als die Einheimischen auf.

In Europa haben die Erfahrungen der ungesteuerten Zuwanderung von Geringqualifizierten die Bürger misstrauisch gemacht. Nach jahrzehntelangen Versäumnissen wäre es die richtige Konsequenz, die Migration in die Sozialsysteme zu stoppen und endlich Zuwanderer nach Bedarf und Qualifikation auszuwählen. Auch die Wirtschaft muss umzudenken. Sie hat Migranten als billige Arbeitskräfte angesehen; bei Arbeitslosigkeit oder Familiennachzug wollte sie die Kosten auf den Sozialstaat abwälzen. Gegen eine solche Zumutung muss sich ein selbstbewusster Staat verwahren. Zuwanderungsgewinne privatisieren und Zuwanderungskosten sozialisieren ist mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.

Das Drama des überdehnten Staates

Die Herausforderungen in den kommenden Jahren sind gewaltig. Nach der Krise muss eine neue Balance zwischen Wirtschaft, Staat und Gesellschaft gefunden werden. Die Rufe nach einem starken Staat, der mehr regulieren soll, kontrastieren mit einem realen Staat, der schon jetzt extrem viel eingreift. „Ist der Staat schwach, gehen wir unter; ist der Staat stark, erdrückt er uns“, zitiert Guy Kirsch, ein in der Schweiz lehrender Ökonom und Philosoph, den Schriftsteller Paul Valéry. Die Finanzkrise hat in drastischer Weise vor Augen geführt, dass ein schwacher Staat, der keinen festen Ordnungs- und Wettbewerbsrahmen vorgibt, durch die Eigendynamik einer Spekulation, die auf öffentliche Rettung vertraut, an den Rand des Abgrunds geraten kann. Die „Gier der Banker“ konnte nur vor dem Hintergrund mangelnder Haftung ihren zerstörerischen Lauf nehmen. In ihrer dritten Phase hat sich die Finanz- zu einer Staatsschuldenkrise ausgeweitet. Sie erzwingt nun, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben besinnt.

Stark ist nur der schlanke Staat, nur er bleibt auf Dauer handlungsfähig. Die real existierenden Staaten indes haben sich in vielerlei Hinsicht überdehnt. Die Staatsquoten und Staatsinterventionen nehmen nach der Quantität zu, doch die wachsenden Ansprüche der Interessengruppen überfordern letztlich die Mittel des Staates. Mit trockenem Sarkasmus schrieb der Publizist Rüdiger Altmann über den hypertroph wachsenden Staat, der immer weitere Bereiche der Gesellschaft überlagert und dennoch – es war die Zeit der 1968er – an Autorität verliert: „Er gleicht einem kastrierten Kater, der an Umfang zunimmt – was ihm fehlt, ist die Potenz.“

Von einer Ordnungsinstanz ist der heutige Staat zu einer Umverteilungsinstanz verkommen, die erpressbar wird, sei es von Banken, die als „systemrelevant“ gelten, sei es von großen Konzernen, die Sonderkonditionen für Investitionen aushandeln, sei es von zahlenstarken Wählergruppen, die Subventionen oder Sozialleistungen fordern. Diese Dialektik des überdehnten und damit geschwächten Staates haben die frühen Neoliberalen, wie Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow, früh erkannt und kritisiert. Sie kritisierten die erkennbare Tendenz zur sozialstaatlichen Bevormundung und Entmündigung und forderten eine Rückverlagerung von Verantwortung auf die Individuen. Weniger Staatsabhängigkeit, weniger Steuern und mehr Freiheit sollten den Leistungswillen wecken. Ein verengter, moralisch blinder Liberalismus, der übertriebenen Individualismus und reine „Selbstverwirklichung“ propagiert, war ihnen aber fremd. Eigenständigkeit und Eigenverantwortung sahen sie stets im sozialen Kontext von Familie, Nachbarschaft, Kirche und Vereinen.

Die frühen Neoliberalen Röpke und Rüstow lehnten einen ökonomistisch verengten, moralisch blinden Blick auf die Wirtschaft ab. Stattdessen betonten sie die soziologischen, die nichtmateriellen Voraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft, die auf Werten „jenseits von Angebot und Nachfrage“ beruht. In den Familien wird jenes Human- und Sozialkapital gebildet, ohne das eine bürgerliche Gesellschaft brüchig wird. Im Gegensatz dazu hat ein hedonistischer, bindungsfeindlicher Individualismus seit 1968 die kernfamiliären Bande der Solidarität stark gelockert. Ihre Funktion übernahmen zunehmend wohlfahrtsstaatliche Strukturen. „Vater Staat“ ermöglicht und fördert die Entledigung von herkömmlichen Pflichten zur familiären Solidarität. Zugleich wird damit die Klientel, die seiner Hilfe bedarf, immer größer, bis schließlich die kollektiven Sozialsysteme, auch durch die ungesteuerte Zuwanderung, überlastet sind.

Eine nachhaltige „Kultur der Freiheit“ hat der deutsche Verfassungsrichter Udo Di Fabio zu skizzieren versucht, der in seinem gleichnamigen Buch sowohl konservative als auch liberale Vorstellungen einer eigenverantwortlichen bürgerlichen Gesellschaft vorstellt. Er plädiert für eine Überwindung der etatistischen Selbstblockade und mehr Vertrauen auf die Selbstorganisationsfähigkeit komplexer Systeme wie der menschlichen Gesellschaft. Der Bürger soll von den Fesseln des überbordenden Steuerstaates befreit werden. Gleichzeitig plädiert Di Fabio – in Abgrenzung zum bindungsfeindlichen Individualismus – für mehr Sinn für diejenigen Gemeinschaften, allen voran die Familien, ohne die individuelle Freiheit gar nicht möglich wäre.

Der Ruf nach einem „starken Staat“, der in der Wirtschaftskrise laut geworden ist, darf nicht zu eine weitere Aufblähung und Überdehnung des Staatsapparats führen. Vielmehr ist ein Rückbau des Staates notwendig, um Ressourcen für dessen Kernaufgaben freizulegen. Zum Kern eines freiheitsgerechten, ordnungspolitisch gefestigten Staates gehört es, die innere und äußere Sicherheit zu wahren, Eigentum zu schützen und Regeln für die Wirtschaft aufzustellen. Eine solche Rahmenordnung geht vom Prinzip des Wettbewerbs, der Vertragsfreiheit, aber auch der privaten Haftung aus. Finanzinstitute, die durch ihre schiere Größe im Krisenfall staatliche Hilfen erpressen können, darf es in einer Wettbewerbsordnung nicht geben. Ein wahrhaft starker Staat muss geeignete Insolvenzregeln finden, um solche Institute geordnet abzuwickeln. Und auf supranationaler Ebene dürfen die Staaten nicht zu gegenseitiger Schuldenübernahme in Europa genötigt werden; auch hierfür braucht es geeignete Insolvenzregeln mit Beteiligung der Gläubiger.

Ein wahrhaft starker Staat muss sich zudem den Wünschen von Unternehmen und Interessengruppen entgegenstellen, die Subventionen oder Konjunkturhilfen fordern. Diese gehen zu Lasten der Allgemeinheit, die durch hohe Steuern und Abgaben belastet wird. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft addierten sich alle Subvention sowie steuerlichen Vergünstigungen in Deutschland 2009 auf 164,7 Milliarden Euro. Würden sämtliche sofort kündbaren Subventionen in einem Volumen von 119 Milliarden gestrichen, könnten im Gegenzug die Steuern radikal gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz könnte von 47,5 auf 28,5 Prozent sinken, der Eingangssteuersatz könnte von 15,8 auf 9,5 reduziert werden. Oder die freiwerdenden Mittel könnten zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt werden. So wäre die Schuldenbremse spielend einzuhalten.

Ein Staat, der nachhaltig agiert, darf zudem die demographische Entwicklung nicht negativ beeinflussen. Dies geschieht auf mehrere Weise: Zum einen setzt die Umverteilungsmaschinerie einen Anreiz dafür, dass sich eine alimentierte Unterschicht auf Kosten des Sozialstaates vermehrt. Dies müsste wie in den Vereinigten Staaten durch eine Reform des Sozialhilfebezugs verhindert werden. Zum anderen ist der umlagefinanzierte Sozialstaat auch für die Kinderlosigkeit vieler in der Mittelschicht mitverantwortlich. Auch diese entscheiden sich aus einem ökonomischen Kalkül gegen (mehr) Kinder. Ihre Erziehung ist teuer und belastet das elterliche Haushaltsbudget, ihre späteren Rentenbeiträge werden dagegen in den großen Rententopf für alle, auch die Kinderlosen, geworfen. „Der Staat sozialisiert die Erträge dieses Humankapitals“, kritisiert Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Durch diese finanzielle Umverteilung beeinflusst das Sozialsystem die demographische Entwicklung, indem es Kinderlosigkeit finanziell privilegiert. Das führt demographisch in den Abgrund. Wollte der Staat seine demographische Basis sichern, müsste er Familien mit Kindern steuerlich entlasten, etwa durch viel höhere Kinderfreibeträge oder ein Familiensplitting wie in Frankreich. Eltern mehrerer Kindern könnten höhere Renten entsprechend den Beiträgen ihrer Kinder erhalten, schlägt Sinn vor. Verfassungsrichter Udo Di Fabio nennt es die „neue soziale Frage“, warum der Fleiß und das Engagement der Mütter und Väter nicht als unentbehrliche Leistung anerkannt werden.

Die Illusion der Rundum-Versicherung in allen Lebenslagen, die der ausgedehnte Sozialstaat seit den siebziger Jahre vorgegaukelt hat, kann ein freiheitsgerechter Staat im 21. Jahrhundert nicht mehr bieten. Er muss seine knappen Mittel zukunftsgerichtet einsetzen, eben für den Nachwuchs und für dessen Bildung. Die Finanzkrise, die eine Abkehr vom Schuldenkurs erzwingt, bietet Chancen, sich von Überflüssigem zu trennen und auf das Wesentliche zu besinnen. Die ordnungspolitische Herausforderung nach der Krise besteht darin, eine neue Balance von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft zu finden, die Freiheit mit Verantwortung kombiniert.

Philip Plickert ist Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der Beitrag ist Teil des Sammelbandes „Konservative Korrekturen“(edition noir, ISBN: 978-3-9502494-2-2), der einige sehr mutige Analysen und Konzepte zu einer neuen konservativen Standortbestimmung enthält.

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Hier Berlakovich, Wrabetz und Leitl, dort Spindelegger drucken

Und wieder haben wir in diesem Land ein Woche voller Ärgerlichkeiten hinter uns, von denen es gar viele nachzutragen gibt. Und einen kleinen Lichtblick, für den diesmal Michael Spindelegger verantwortlich ist, dem freilich auch besonders viele Dummheiten auch aus seinen eigenen Reihen gegenüberstehen.

Beginnen wir wieder mit dem Megaskandal ORF. Da gibt es in der neuen ORF-Führung eine einzige Person, die nur links, aber keine deklarierte Sozialdemokratin ist, nämlich die neue Fernsehintendantin Zechner. Ihr wurde schon vor Amtsantritt von Alexander Wrabetz die gesamte Kompetenz für die Fernsehinformation entzogen, also für das Herzstück jedes öffentlich-rechtlichen Senders. Diese Information untersteht künftig ausschließlich Wrabetz und dem Chefredakteur Dittlbacher. Das sind zwei Politruks mit lupenreinem SPÖ-Lebenslauf. In anderen Ländern wäre das ein Riesenskandal (und Frau Zechner schon wieder zurückgetreten). Aber bei uns ist ja dieser Wrabetz auch von blauen, orangen und grünen Stiftungsräten (sowie einigen gekauften Schwarzen) wiedergewählt worden. Dabei hat knapp vor der Wiederwahl dieses Mannes ein SPÖ-Kurator zugegeben, dass Wrabetz vor jeder Diskussionssendung bei ihm anfragt, ob der Teilnehmerkreis auch genehm sei. Irgendwie bleibt man da fassungslos.

Eine der dümmsten medialen Belästigungen ist die alljährliche Verkündung eines Wortes und Unwortes des Jahres durch einen an sich völlig unbedeutenden Grazer Umwelt- und Erziehungswissenschaftler (was auch immer diese beiden Disziplinen miteinander oder mit Sprache zu tun haben sollen). Jetzt sucht der Mann neuerlich, und zwar nicht nur Wort und Unwort, sondern auch einen Spruch und einen „Unspruch“. Hätte er auch nur den Rest eines Sprachgefühls, dann müsste er diesen Ausdruck gleich direkt zum Unwort des Jahres prämieren. Aber in Wahrheit ist diese Worte-Nominierung keine Aktion eines um die Sprache besorgten Mannes, sondern nur ein weiterer Schritt, um auch die Sprache links zu besetzen, wie die Beispiele der letzten Jahre zeigen.

Österreich rühmte sich diese Woche wieder einmal, die niedrigste Arbeitslosigkeit Europas zu haben. Und viele inseratengespickte Medien plapperten das nach. Jedoch keines verweist auf die Tatsache, dass die Österreicher im Schnitt um volle vier Jahre früher in Pension gehen als der Rest Europas. Würde man diese Hunderttausenden Menschen zu den Arbeitslosen dazuzählen, wäre Österreich einer der negativen Spitzenreiter in Sachen Arbeitslosigkeit. Wo haben Sie das gelesen?

Unter den ÖVP-Ministern ist Nikolaus Berlakovich zweifellos der unintelligenteste. Anders ist es nicht zu erklären, dass er im kommenden Jahr „E10“, also die Beimischung von zehn Prozent Biosprit zum Benzin, einführen wird. Nach dem Desaster in Deutschland mit der gleichen Maßnahme und dem gewaltigen Protest der dortigen Autofahrer ist dem Mann wohl wirklich nicht mehr zu helfen, wenn er nun den Deutschen nacheifern will. Nur weil daran ein paar Leute aus der Landwirtschaft und Agrarindustrie ganz gut verdienen, und weil sich das Ganze mit der CO2-Hysterie gut verkaufen lässt. Ganz abgesehen davon ist es absolut unethisch, landwirtschaftliche Flächen statt für die Produktion von Lebensmitteln für Treibstoffanbau zu verwenden. Dieser Treibstoffanbau treibt naturgemäß die Lebensmittelpreise nach oben, wie schon für den Preisanstieg des Jahres 2008 etliche Studien bewiesen haben. Und wenn sich Berlakovich auf einschlägige EU-Beschlüsse ausredet, darf man ihn daran erinnern, dass diese nicht ganz ohne seine Mitwirkung zustande gekommen sind.

Die Konjunkturprognosen verschlechtern sich als Folge der Schuldenkrise. Und was tut da der Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl? Er fordert gleich einmal postwendend neues Geld aus der Staatskasse für die Wirtschaft. Glaubt er vielleicht, dass es eine Entschuldigung für solche Dummheiten ist, wenn auch die Arbeiterkammer mit ähnlichen Forderungen – freilich zugunsten anderer Begünstigter – auftritt?

Da will natürlich auch sein Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nicht zurückbleiben. Er forderte sofort nach Bekanntwerden der Konjunkturprognosen mehr Staatshaftungen für Unternehmen, die sonst keinen Kredit bekommen. Pikanterweise tat er das in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Parteiobmann, in der dieser eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse vorschlug. Interessant: Haftungen für nicht kreditwürdige Unternehmen haben offenbar nichts mit weiteren Schulden zu tun. Zumindest in der Logik eines Experten vom Range Mitterlehners.

Dass diese ÖVP-Schuldenbrems-Pläne nichts mit einem ernsthaften Willen zum Sparen zu tun haben, sondern nur mit einer neuen Attacke auf unsere Brieftaschen, machte nun auch der niederösterreichische Häupting Erwin Pröll klar: Er forderte nun auch Steuererhöhungen - aber natürlich nur solche, die die Bauern nicht treffen, sondern lediglich solche Mitbürger, die sich ihr Einkommen erarbeiten. Damit ist klar, dass die Äußerung des ÖVP-Parteiobmannes über Einkommensteuererhöhungen kein einmaliger Ausrutscher war.

Zu guter Letzt doch auch noch ein Lob für einen Politiker der heute besonders viel gescholtenen ÖVP. Michael Spindelegger, der als Parteichef offenbar seine Partei wirklich als Steuererhöhungspartei positionieren will, machte wenigstens als Außenminister etwas Vernünftiges. Er bekam einen unter skurrilen Mord-Vorwürfen in Dubai festgehaltenen Arzt wieder frei; und er protestierte energisch gegen das Todesurteil für einen christlichen Pastor im Iran. Dessen einziges Delikt: Er weigert sich, den christlichen Glauben aufzugeben. Was für einen ehemaligen Moslem nach der Scharia, dem auch schon an unseren Schulen gelehrten islamischen Strafrecht, zwangsläufig ein todeswürdiges Verbrechen ist. Vielleicht öffnet dieses Todesurteil doch einmal den vielen Dummköpfen die Augen, die noch immer glauben, der Islam wäre eine Religion wie jede andere. Dabei wird dieser Islam in wenigen Jahrzehnten auch bei uns die Mehrheit stellen, wenn keine energischen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wie sie etwa Thilo Sarrazin vorschlägt, wie auch dieser Blog schon eine ganze Reihe vorgeschlagen hat.
Übrigens: Wo hat man über dieses Todesurteil gelesen? Davon, dass darüber mindestens so viel wie über einen Schuldirektor geschrieben wird, der einem renitenten Buben eine Ohrfeige gegeben hat, wollen wir ja gar nicht träumen . . .

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Wenn man einmal so viel Lobenswertes erfährt drucken

Endlich gibt es wieder eine ganze Menge erfreulicher Dinge zu vermelden. Ganz abgesehen vom Wetter. Wir danken Barbara Prammer, Silvio Berlusconi, den Wiener Grünen, der FPÖ, der Schweiz (gleich zweimal), Wilfried Haslauer, der Wiener Stadtverwaltung, dem Land Niederösterreich und dem Bauernbund.

Ein wirklich süßer Einstieg in diese Lobesakkumulation ist das Eingeständnis der amtierenden Präsidentin des Nationalrats: "Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden“. Das hat sie (oder einer ihrer Geisterschreiber) wirklich schön auf den Punkt gebracht. Offen bleibt nur, warum ein Verlag aus dieser Orientierungslosigkeit von Barbara Prammer und ihrer Partei gleich ein ganzes Buch gemacht hat.

Silvio Berlusconi ist zuletzt immer wieder negativ aufgefallen. Für seine Ankündigung, alle Tunesier abzuschieben, die in den letzten Monaten nach Lampedusa "geflüchtet" sind, verdient er aber Anerkennung. Ganz im Gegensatz zu den weltfremden Gutmenschen in Medien und Linksparteien, die in den vergangenen Monaten voller Krokodilstränen die Weiterwanderung der Tunesier nach Österreich verlangt haben. Wenn Berlusconi seine Ankündigung auch noch zu realisieren imstande sein sollte – was noch sehr genau abzuwarten ist –, dann werden ihm zu Recht wieder viele Italiener seinen peinlichen Altherrentrieb für junge Mädchen nachsehen. Dies schon deshalb, weil alle drohenden Alternativen vielleicht zu larmoyantem Moralismus, aber sicher nicht zu energischem Handeln imstande sind.

Der nächste Lobesabsatz geht – wieder einmal – in die Schweiz: Dort hat nun auch ein Gericht die Strafe von immerhin 1400 Franken gegen muslimische Eltern bestätigt, weil diese ihre Töchter schon ab dem siebenten Lebensjahr nicht in den Schwimmunterricht geschickt haben. Das Gericht fand eine rundherum souveräne Begründung für sein Urteil – mit der einzigen Ausnahme, dass es das Tragen von Ganzkörper-Badeanzügen erlauben will.

Das bringt uns gleich zum Lob für die Freiheitlichen, die einen Vorstoß für Schuluniformen gewagt haben. Eine solche Schuluniforms-Pflicht würde nicht nur Kopftuch- und andere Unsinnigkeiten verbieten. Sie würde auch den schädlichen – und für manche weniger gut gestellte Eltern sehr belastenden – Markenfimmel beenden, der in etlichen Schulen unter den Kindern herrscht. Geradezu köstlich, wie manche Medien reflexartig zubeißen, nur weil ein Vorschlag von den Freiheitlichen kommt.

Noch einmal die Schweiz: diesmal als positiver Kontrast zur österreichischen Korruptions- und Gewerkschaftsbahn ÖBB. Die SBB erzielten auch zum Halbjahr einen Gewinn – und kündigen dennoch einen deutlichen Stellenabbau und Einsparugnsmaßnahmen an. Was fällt eigentlich dem ÖBB-Politruk Christian Kern dazu ein? Er schimpft auf seine Vorgänger.

Besonders großes Lob hat sich dieser Tage der Salzburger Schwarze Wilfried Haslauer verdient. Der bisher eher durch Fadesse aufgefallene Mann fand plötzlich Worte, auf welche die verbliebenen ÖVP-Sympathisanten seit Jahren gewartet haben. Er wagte es nicht nur, einige Wahrheiten auszusprechen, wie etwa, dass Werner Faymann „ein Kunstprodukt, geklont von seinen Beratern, politisch blutleer“ sei, der sich durch Steuergeld eine angenehme Berichterstattung kaufe, und der das „destruktive Element“ in der Regierung sei. Haslauer machte auch in einer seit längerem unüblich gewordenen Deutlichkeit seiner Partei klar, wohin der Weg gehen müsse: inhaltliche Erneuerung, mehr Selbstvertrauen – und Rückbesinnung auf bürgerliche Werte. Dass Michael Spindelegger postwendend auf Distanz zu Haslauer gegangen ist, trübt das Salzburger Spätsommerhoch freilich wieder aus Osten deutlich ein.

Im Wiener Gemeindebau ist ohne viel Aufsehens etwas passiert, was noch vor wenigen Jahren die üblichen Medien und viele Rotgrüne in laute „Faschismus!“-Warnrufe ausbrechen hätte lassen: In den Gemeindebauten sind nämlich 2800 Überwachungskameras aufgestellt worden. Angesichts von Kriminalität, Import uneuropäischer Sitten (sowie Mieter) und Vandalismus war das dringend notwendig geworden. Und kein Mieter regt sich über die Kameras auf, sondern viele freuen sich.

Auch die Wiener Grünen schaffen es zum ersten Mal auf die Lobesliste: Sie verlangen die Ausweitung der Parkpickerlpflicht auch für Bezirke außerhalb des Gürtels. Das wäre in der Tat dringend notwendig. Denn die Gebührenpflicht innerhalb des Gürtels lässt Zehntausende die Wohngebiete außerhalb des Gürtels mit ihren Autos überschwemmen, wenn diese in der Nähe von U-Bahn oder Straßenbahn liegen. Was dort nun mancherorts die Parkplatzsituation für die Wohnbevölkerung schlimmer macht als im innerstädtischen Bereich. Besonders ärgerlich ist ja, wenn viele der Autos aus Niederösterreich, dem Burgenland, der Steiermark, Deutschland, Polen, Tschechien oder der Slowakei dort oft wochenlang unbewegt stehen bleiben.

Weil aus Rechnungshof-Berichten sonst immer nur das Negative zitiert wird: Aus dem Sommer ist noch dickes Lob des Kontrollorgans für die Dienstrechtsreform der niederösterreichischen Landesbediensteten nachzuholen. Die Rechnungshofer fanden „in weiten Bereichen ein Referenzmodell für ein modernes, leistungsorientiertes Dienst- und Besoldungsrecht“. Wer hätte das den Pröll-Aktenträgern zugetraut?

Last not least dickes Lob für den Bauernbund, weil er Thilo Sarrazin nach Österreich bringt. Ist doch Sarrazin zusammen mit Jan Fleischhauer und Henryk Broder sicher das Beste und Mutigste, was es in Deutschland an politischen Autoren zu finden gibt. Wer noch einen „Kurier“ vom vergangenen Sonntag daheim herumliegen hat, sollte unbedingt das große Interview mit ihm nachlesen (oder gleich das große rote Sarrazin-Buch wieder hervorholen) und sich an messerscharf begründeten Erkenntnissen erfreuen. Wie:
- Integration ist in erster Linie eine Bringschuld;
- die Probleme mit dem Facharbeitermangel haben wir durch Zeugungsverweigerung und die Förderung des  türkischen Zuzugs selbst eingewirtschaftet;
- die Schulergebnisse der Türken sind auch in der Türkei selbst sehr schlecht, denn sie sind primär das Produkt kultureller Vererbung und nicht eines Versagens der österreichischen oder deutschen Schulen (was ja behauptet wird, um die Qualität dieser Schulen endgültig zu zertrümmern);
- oder der Vorschlag, Zuwanderer sollen für mindestens zehn Jahre keine Sozialtransfers bekommen, weil viele ja überhaupt nur dieser Sozialtransfers wegen herkommen.
Die Tatsache, dass eine wichtige ÖVP-Organisation Sarrazin ins Land holt, macht Hoffnung, dass die hiesigen Schwarzen nicht denselben Fehler machen werden wie die deutschen Schwarzen, die Sarrazin verteufelt haben, ohne ihn gelesen zu haben. Auch ein Sozialdemokrat kann nämlich mehr Recht haben als andere. Wenn nun auch noch Sebastian Kurz einen halben Tag in ein Gespräch mit Sarrazin investieren sollte, statt sich noch weiter bei Küberl&Co anzubiedern, dann wäre das das Schlagobers-Häubchen dieser langen Lobes-Liste.

 

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Aus fürs Glücksspiel – und wann kommt das Aus für Drogen? drucken

Wien schafft das Glücksspiel ab. Damit wird es in der Hauptstadt – wie in einigen anderen Bundesländern – Spielautomaten nur noch in den wenigen staatlichen Spielkasinos geben. Gut oder schlecht?

Nun, mir persönlich wird nichts abgehen. Ich selbst habe nur zweimal in meinem Leben solche Glücksspiele betrieben, einmal, als mich jemand zur freiwilligen Deppensteuer an den Finanzminister bei einem Lotto-Jackpot überredet hat, und einmal, als ich bei einem Besuch in Las Vegas einen Vierteldollar in einen Automaten geworfen habe, sozusagen als Tribut an den Geist des übrigens durchaus faszinierenden Ortes.

Auch halte ich die zahllosen Spielsalons, die sich in absteigenden Vierteln und Straßen der Stadt breit machen, für städtische Pestbeulen, trotz oder gerade wegen der Chrom- und Glas-blinkenden Fassaden. Vor allem aber ruiniert die Spielsucht alljährliche Tausende Menschen und Familien. Das sieht man manchem schon auf den ersten Blick an, der vor einem dieser Spielsalons herumlehnt.

Also scheint alles klar. Auch der satte zweistellige Millionenbetrag, den dadurch die Gemeinde Wien verliert, scheint diese gesellschaftlichen Kosten nicht wert. Freilich wird das schon ein wenig problematischer, wenn am gleichen Tag eine unglaubliche Sparwelle in den Wiener Spitälern bekannt wird. Dort müssen nach Angaben der Wiener Ärztekammer die planbaren Operationen um 20 Prozent reduziert werden. Was halt heißt, dass Menschen immer länger – beispielsweise – auf die Hüft- oder Knieoperation warten müssen, trotz oft unerträglicher Schmerzen.

Die Gemeinde spart ja offensichtlich lieber bei den Gesundheitsausgaben als bei den Inseraten aus dem Gemeinde-Imperium zur Erhaltung der Wohlmeinung von „News“, „Heute“, „Österreich“, „Falter“ oder „Kronenzeitung“ (und vieler anderer, wenn auch in geringerem Umfang).

Noch problematischer wird es, sollte etwa auch der Bund alle Spielautomaten und Internetwetten, Lotterien und Casinos schließen. Denn es ist eine absolute Illusion, dass dann Spiellust und Spielsucht aus der Welt sein werden. Die gibt es wohl, seit die Menschen leben.

Ein solcher totales Verbot wird daher zwei ganz andere Folgen haben: Erstens wird dann unglaublich viel Geld an ausländische Internet-Anbieter möglicherweise dubioser Spiele führen. Was die Republik sehr teuer kommen wird. Immerhin sind derzeit allein die Casinos Austria der zweitgrößte Steuerzahler des Landes.

Und zweitens wird dann mit Sicherheit das passieren, was in den USA nach dem totalen Alkoholverbot der Zwischenkriegszeit passiert ist (das dann ausgerechnet in der Depression 1933 aufgehoben worden ist): Die Organisierte Kriminalität wird sofort den Markt erobern und dicke Gewinne machen. Beim Alkohol geschah das durch gewaltige Preiserhöhungen während der Prohibition, beim Spielen wird das zusätzlich durch betrügerische Manipulationen in privaten Spielklubs erfolgen.

Also ist es wahrscheinlich doch nicht so klug und ethisch wertvoll, was da Grüne und die SPÖ-Basis derzeit in Wien durchsetzen. Sollten sie wirklich ehrliche Gutmenschen sein, dann hätten sie im übrigen ein viel wichtigeres Kampffeld: den Kampf gegen die Drogensucht. Diese ruiniert die Menschen nicht nur wie das Spielen finanziell, sondern auch körperlich. Wobei die 8000 Toten jährlich allein in Europa ja nur die Spitze des Eisbergs an ruinierten Drogenopfern ist. Drogenkonsum und Drogenhandel – insbesondere jene Zuwanderer-Gruppen, die ihn weitgehend kontrollieren, – stehen aber unter dem eisernen Schutz der Grünen, damit auch automatisch immer der SPÖ und der Medien.

PS.: Damit mir nur ja niemand gleich eine Lüge vorhält: Ein Spiel um Geld betreibe ich schon mit großer Leidenschaft, nämlich das Tarock. Dieses Spiel macht nämlich  nur dann einen Sinn, wenn es dabei um – wenn auch wenig – echtes Geld geht, da sonst nicht ernsthaft gespielt wird. Wie viel Prozent am Tarock aber nun mit Können, mit Psychologie, mit Gedächtnisfähigkeiten, mit Erfahrung, mit Risikoeinschätzung und wie viel mit reinem Glück zu tun haben, wird sich nur schwer klären lassen. Diese Frage bietet aber jedenfalls den Fans des Spiels langen Gesprächsstoff in einschlägigen Kaffeehäusern.

Und jedenfalls gilt eines: Durch Tarock vernichtete Existenzen sind mir nicht bekannt.

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Wie ist das Verhältnis von Ärzten zu Krankenpflegern in ausgewählten Staaten? drucken

Wieviel Krankenpflegepersonal kommt in ausgewählten europäischen Staaten auf einen Arzt (2009)?

 

Quelle: WKÖ

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Dörfler und die Gewerkschaft drucken

Natürlich sind die jüngsten Ideen des Herrn Dörfler ein belangloser Sommerfüller, über den in wenigen Tagen niemand mehr reden wird. Natürlich wäre die von ihm vorgeschlagene Abschaffung der Gewerkschaft in vielerlei Hinsicht rechtswidrig. Natürlich erinnert der Vorschlag an rote und braune Diktaturen, welche die Gewerkschaften immer sofort durch regimenahe Organisationen ersetzen.

Das ändert freilich nichts an der Verantwortung der Gewerkschaften für die gegenwärtige Finanzkrise. Denn sie haben immer mit all ihrer Macht – und die ist zumindest bei schwachen Regierungen ziemlich groß – auf immer noch mehr Schulden gedrängt, damit die Wünsche ihrer Klientel erfüllt werden. Sie taten dies oft unter dem Vorwand einer kruden ökonomischen These: Durch Defizite würde das Wachstum angekurbelt werden; dieses wieder würde dann erlauben, die Schulden abzubauen.

Diese These ist nur abgrundtief falsch. Aus vielerlei Gründen:

  • Erstens haben die Gewerkschaften trotz des jahrzehntelang (nicht zuletzt auf ihren Druck hin) erfolgten Anschwellens der Staatsschulden nie dieses „Dann“ als erreicht angesehen, das endlich einen Schuldenabbau erlauben würde.
  • Sie haben zweitens ignoriert, dass inzwischen die Zinsen für die Staatsschulden das größte Hindernis für weiteres Wachstum geworden sind.
  • Sie haben drittens übersehen, dass von diesen Schulden die Gläubiger – also die Besitzer von Geld – weit mehr profitieren als die Gewerkschaftsmitglieder.
  • Sie haben viertens nicht begriffen, dass einzig unternehmerische Dynamik für Wachstum sorgen kann, die dauerhaft nur durch Deregulierung – also Abschaffung bürokratischer Schikanen – befeuert werden kann (Es ist ja kein Zufall, dass in Wien mit seinen bürokratischen Exzessen und seiner tief verwurzelten Korruption bei Baugenehmigungen oder Unternehmensgründungen die Arbeitslosigkeit ständig stark steigt, während sie österreichweit zuletzt tief gesunken ist).
  • Sie haben fünftens nicht durchschaut, dass der Großteil höherer Konsumausgaben ins Ausland fließt (für asiatische Industrieprodukte, für Reisen, für den Import von Energie usw.).
  • Und der ÖGB ist sechstens spätestens seit den Skandalen um Bawag oder Konsum der totalen wirtschaftlichen Ahnungslosigkeit überführt. Was eigentlich dazu führen sollte, dass kluge Regierungen immer das Gegenteil dessen tun, was Gewerkschaften wollen.

Das Alles ist ein guter Grund, aus der Gewerkschaft austreten. Immerhin ist der ÖGB-Mitgliedsbeitrag ja sehr geschmalzen und niemand weiß so genau, wofür das viele Geld verwendet wird. Das alles kann aber in einem Rechtsstaat niemals Grund sein, einen privaten Verein zu verbieten. Oder das auch nur zu verlangen.

Rechtlich fragwürdig ist freilich auch das sogenannte Streikrecht, also die Tatsache, dass ein Streik nicht – wie sonst jede Arbeitsverweigerung – den Arbeitgeber zu einer fristlosen Entlassung berechtigt.

Gerhard Dörfler hat durch seinen Vorschlag auf Biertischniveau aber auch von der viel wichtigeren Diskussion um die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer abgelenkt. Denn diese Institution kostet jeden österreichischen Arbeitnehmer monatlich 0,5 Prozent seines Gehalts. Ob er ihr angehören will oder nicht. Das ist keineswegs ein niedriger Prozentsatz, hat die Forderung nach 0,5 Prozent mehr doch bei Kollektivvertragsverhandlungen schon Streikdrohungen ausgelöst.

Während die Wirtschaftskammer – deren Existenzberechtigung ebenso fragwürdig ist – die Beiträge ihrer Mitglieder in den letzten Jahren wenigstens deutlich gesenkt hat, schneidet die Arbeiterkammer weiterhin bei jeder Gehaltserhöhung stillschweigend, aber heftig mit. Und sie denkt nicht daran, sich mit einem geringeren Prozentsatz zu begnügen, sondern stößt wilde Drohungen aus, wenn man auch nur von der Möglichkeit einer Beitragskürzung spricht.

Dabei sind die Tätigkeiten der Arbeiterkammer sehr überschaubar. Ihr Hauptzweck ist es, propagandistische Vorfeldorganisation der SPÖ zu sein. Sie ist der Hauptberater des Werner Faymann. Und sie macht in jedem Wahlkampf durch bestellte „Studien“ Stimmung für die SPÖ. Der Rest ist zum Vergessen

In Zeiten, wo die Belastung jedes Gehaltszettels durch Steuern und Abgaben in Österreich deutlich höher ist als in allen Nachbarländern, wäre es das einzig Sinnvolle, diese Zwangsmitgliedschaften überhaupt abzuschaffen. Private Vereine wie die Gewerkschaft dürfen hingegen von der Politik nicht angerührt werden.

 

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Eine Krake namens Staat drucken

Die Realeinkommen sinken seit Jahren in der gesamten Eurozone. Und das, obwohl die Wertschöpfung andauernd durch Automatisierung und Rationalisierung, Outsourcing und diverse andere „…-ungs“ laufend höher wurde. Der Arbeiter, Angestellte und Selbstständige fragt sich andauernd, wer denn Nutznießer dieser Wertsteigerung sein sollte; denn wenn alle unsere gesamten Lohnkosten (also die Bruttomarge eines Selbstständigen und die Bruttokosten eines Arbeiters oder Angestellten) aus der Wertschöpfung zur Gänze abgedeckt werden (müssen!), dann bleibt ein erträglicher Restbetrag an „Gewinn“ über. Die Linken meinen nun, das gehe in den Hals der gierigen Superreichen, und deshalb müssen diese Leute noch mehr steuerlich belastet werden. Stimmt das?

Und damit sind wir beim Stichwort.

Könnte es sein, dass all unsere Bemühungen „quasi umsonst“ waren, weil der einzige wirklich „Gierige“ hier die „Umverteiungswut“ des Staates war? Dass die Gewinne aus Wertsteigerungen so maximal um die drei bis sieben Prozent, die Gewinne des Staates aber über zwei Drittel (Nettoverdienst etwa 48 Prozent des Bruttoeinkommens (amtlich) plus Arbeitgeberanteile (ca zwanzig Prozent) plus Mehrwertsteuer beim Konsum (zwanzig Prozent) ergibt über alles gerechnet mehr als zwei Drittel der Lohnkosten!) der Wertschöpfung ausmachen?

Also deshalb ist zwar der Neidreflex, der künstlich aufgestachelt und populistisch von allen Parteien genutzt wird, die Basis der staatlichen „Abzockerei“, aber das beeindruckt scheinbar niemanden. Alles das, was jeder Europäer mühsam an Mehrwert produziert, wird in die Tasche der „Solidarität“ gepumpt. Durch kalte Progression, also das nicht vorhandene Inflationsbereinigen der Löhne und Einkommen und die Bindung der Steuersätze an nominelle Fixwerte ergibt sich eine laufende weitere Steigerung der staatlichen Einkünfte.

Die Begründung dazu folgt auf den Fuß: Wir wollen doch ein solidarisch „abgesichertes Leben“; alles, was sozial ist, muss hier finanziert werden. Kindergärten „umsonst“ (den ich als Steuerzahler bezahlen muss, nichts ist umsonst!); Schulen kostenfrei (die ich… usw); Unis umsonst (wer zahlt das jetzt?). Kindergelder, Alleinerziehergelder, Müttergelder, Vätergelder, Krankengelder, … kein Ende abzusehen, der Phantasie sind hier keinerlei Grenzen gesetzt – wenn es nach den Linken geht, wo es um Sicherheit und Gerechtigkeit aus sozialistischer Sicht, im bürgerlichen Lager aus Klientelbefriedigungs- Sicht geht.

Bald behält der Staat unsere gesamte Wertschöpfung zurück und gießt sie nach Gießkannenprinzip als großer „Gönner“ und „Wahlzuckerlverkäufer“ wieder aus! Mehr noch: denn schon jetzt werden nicht wenige Steuern von längst versteuerten Werten eingehoben (es soll eine Erbschaftssteuer, höhere Grundstückssteuer, Steuer auf Steuer, usw kommen). Das hat sich kein Adel, kein Robbin Hood, kein römischer Kaiser je erlaubt.

Sofortiger Volksaufstand wäre die Folge gewesen. Heute gehen die Bürger wie die  Schafe zur Schlachtbank und akzeptieren das Ganze unreflektiert! Und das ist noch nicht alles: Der Staat vergreift sich über Staatsanleihen auch an unserem Ersparten: er greift ungeniert auf das Kapital der Banken zurück, um noch mehr „quasi- Umverteilung“ und „soziales Gefüge“ zu gestalten, wohl wissend, dass diese Beträge nie mehr zurückbezahlt werden können… Er häuft eine Schuldenlast auf den Bürger (der das alles über die Wertsteigerung mittels seiner Arbeit zu bezahlen hat!), die dieser sich privat niemals getraut hätte, aufzunehmen. Und das alles, um Wähler bei Laune und die Partei an der Macht zu erhalten!

Aufwachen und Konsequenzen ziehen

Wann um Himmels Willen wacht denn der Bürger einmal auf? Oder sind alle Bürger im Sozialismus- Pardies- Drogenrausch? Warum ist das so? Weil hier der Staat ein Eigenleben als massivster Abzocker der Weltgeschichte aufgebaut hat?

Natürlich hat der Staat hier einen Moloch Kafkanischen Zuschnitts geschaffen. Ein Drittel der Ertragsarbeit in beinahe allen Staaten der Union ist… Beamtenarbeit. Also jene Leute, deren Mehrwertschöpfung von den Steuern der Allgemeinheit bezahlt werden müssen. Das heißt: Nach Abrechnung ihres an den Staat zu bezahlenden fünfzig Prozent Anteils (den Arbeitgeberanteil bezahlen sie nicht, denn dann würde der Staat sich selbst Geld in die Tasche schieben) müssen sie sich für die Arbeit des Nettogehalts rechtfertigen.

Was haben sie für diese weiteren fünfzig Prozent für die Allgemeinheit geleistet? Dieser Rechenschaftsbericht, der regelmäßig vom Rechnungshof in Österreich und Kontrollfunktionen in der EU eingehoben und veröffentlicht wird, ist meistens vernichtend und zeigt keine Wirkung! Welche Wirkung sollte er denn zeigen? Anzeigen und strafrechtliche Verfolgung von Politikern ist nur im Gesetzesbruch anwendbar. Nicht unter normalen Haushaltsbedingungen – was hier „politisch“ gemeint ist.

Nein, die Konsequenz müsste in einer Demokratie spätestens bei Wahlen zum Ausdruck kommen. Geldverschleudernde Politiker sollten nicht mehr gewählt werden, solchen Parteien sollten Denkzettel verpasst, und sie in der Bedeutungslosigkeit versenkt werden.

Aber die Praxis sieht anders aus: Die staatlichen Gauner und Abzocker werden immer wieder gewählt, weil sie natürlich für ihr Versagen immer andere populistische Feindbilder (böse Reiche, die EU, die USA, die Globalisierung, die Banker, die Börsenmakler, Ratingagenturen, usw..) aufbauen und an die Wähler (um Zustimmung heischend!) appellieren, ihnen doch Freibriefe zur Verfolgung dieser „Feinde“ bei den Wahlen zu geben. Daraus und aus den Dauermandaten lässt sich natürlich locker ein ganzes Netzwerk an Macht (Gewerkschaften, Kammern, usw) aufbauen, die das ganze Leben der Bürger umschließen, unter Frischluftnot ersticken oder im Sozialdrogenrausch dahin vegetieren lassen.

Ein Ausbrechen daraus wäre einer Revolution, dramatischer als der von 1794, würdig. Da wir aber Sicherheit wollen und Blutvergießen schmähen, damit auch den dafür notwenidgen Kampf gegen diese staatliche Ausbeutung massiv ablehnen, akzeptieren wir wie Behinderte diesen Zustand.

Dennoch: wir brauchen eine Europäische Initiative. Jetzt! Denn dieses Politikgebilde zeigt nicht nur Risse, sie ist gerade im Einstürzen. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien sind die Ersten, die den Zusammenbruch des „Sozialistischen- Gerechtigkeits- Paradiesversprechen- Kartenhauses“ erleben. Alle anderen, auch Österreich und Deutschland, werden folgen!

Man kann einem Bürger nicht zwei Drittel seiner Wertschöpfung wegnehmen, im Sinne von „Solidarität“, die dann über Wohlverhaltenskanäle verteilt wird. Irgendwann „überlauert“ der Bürger dann, dass er hier der Verlierer ist. Und wenn noch nicht, dann ist es zehn Minuten nach Zwölf, hier zu starten!

Denn was hat man uns doch vor einem halben Jahrhundert versprochen: Wir werden Nutznießer der Rationalisierung der Wirtschaft werden durch mehr Freizeit, höhere Einkommen bei gleichbleibenden Preisen usw. Das Gegenteil ist eingetreten! Und die Nutznießer waren nicht  die „Reichen“, sondern der Leviathan Staat, der Krake, der seine Abzockerhand in jedem Winkel menschlicher Tätigkeit hat. Es wird allerhöchste Zeit, dieses Ungeheuer aus dem Verkehr zu ziehen…

DI Fritz Richter ist Technischer Physiker, in der Systemtheorie arbeitend, Consultant für Business Process Management und Qualitätssicherung.

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Sage und Wirklichkeit drucken

Er war ob eines Betts bekannt,
wie mühlos nachzulesen,
denn auf dem Bett, nach ihm benannt,
ist’s kein Plaisir gewesen.

Zwar freundlich lud er jeden Gast,
doch ging der dann zu Bette,
hat dessen Länge nie gepaßt,
darauf stand jede Wette!

Den Hausherrn hat die Differenz
indes nicht ruhen lassen,
für ihn war stets die Konsequenz,
den Gast ans Bett zu passen:

Mit einem Beile, wird erwähnt,
verkürzte er die Langen
und Kurze hat er langgedehnt,
brutal und unbefangen!

Drum ist’s nicht bloß von Relevanz,
mit wem ins Bett wir gehen,
sogar in wessen Bett kann ganz
fatal sein, wie zu sehen.

Und wenn wer so besessen scheint,
schier alles zu normieren,
liegt’s nah, dass er was andres meint –
auch das gilt’s zu kapieren!

Prokrustes nämlich hatte dick
es hinter beiden Ohren
und nützte den Zwei-Betten-Trick –
wer reinfiel, war verloren.

Ob in dem großen Bett gestreckt,
ob kurzgehackt im kleinen,
sind letztlich alle sie verreckt
beim Schindwerk, dem gemeinen.

Nur seht, wie’s heut’ in ihrem Reich
Prokrustesjünger treiben:
Sie machen gleichfalls alle gleich,
dass selbst sie gleicher bleiben!

Doch Brüssel ist nicht Attika –
denn wenn wir noch so schäumen,
es ist nun mal kein Theseus da,
um endlich aufzuräumen…

Pannonicus

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Fekter und der Golden Handshake: Kleine Ursache - große Wirkung? drucken

 Maria Fekter ist eine mutige Frau. Sie will erstmals einen Anreiz abschaffen, früher als gesetzlich vorgesehen in Pension zu gehen. Weg mit den Steuervorteilen für „Golden Handshakes“ – das wird das Problem des Frühpensionisten-Paradieses Österreich nicht lösen, aber es ist ein Anfang.

Besser gesagt: wäre ein Anfang.
Denn unsere vereinigten Besitzstand-Wahrer in Gewerkschaft, Arbeiterkammer und – wieder einmal im Gleichschritt – Wirtschaftskammer heulen schon auf - unter der Devise „Wehret den Anfängen“. Sie haben auch Sozialminister Hundstorfer wieder auf Linie gebracht, der kurzfristig seine Gewerkschafterseele dem Ministerverstand untergeordnet hatte, als ihn Fekter mit überraschendem Geschick auf ihre Seite gezogen hat. Er musste schnell seiner Gesprächsbereitschaft abschwören.
Also wird es wieder keinen ersten Schritt geben dürfen, unhaltbare Zustände zu reformieren? Dabei sollte jeder wissen, dass unterlassene Handlungen eine Lawine unangenehmer Folgen auslösen. Besonders in einem Land, das jede Stunde eine Million Euro an Zinsen für seine Staatschulden zahlen muss. Und dem jede internationale Expertise bescheinigt, dass die laschen Pensionsregelungen ins Desaster führen werden. Es führen viele Wege nach Griechenland.
Die Emotionen rund um den Fekter-Vorstoß legen aber ein prinzipielles Problem in unserem Land offen.
Es gibt viele, allzu viele Bereiche, die von Grund auf reformiert werden müssen, will man nicht einen Kollaps des jeweiligen Systems riskieren. Die Liste ist zur Genüge bekannt – Pensionen, Verwaltung, Spitäler, ÖBB und so weiter. Kommissionen tagen, Vorschläge werden gemacht, Ergebnisse werden angekündigt, verschoben, ihre Präsentation vergessen. Das Warten auf den großen Wurf findet kein Ende. Die Problemzonen bleiben, wachsen, steuern auf die Unlösbarkeit zu.
Die Mutlosigkeit der Verantwortlichen wächst. Der Stillstand wird bleiern. Und so wursteln wir weiter. Nicht bis zum St. Nimmerleins-Tag, nur bis nichts mehr geht.
Maria Fekter versucht es jetzt anders herum: Sie will einen ersten Schritt setzen. Einen kleinen Schritt. Aber er könnte einen Dammbruch auslösen. Viele kleine Schritte können auch ans Ziel führen – wenn dahinter ein Masterplan steht. Wenn man vorher kalkuliert hat, wohin der Weg führen soll.
Die reflexartige Ablehnung der Handshake-Reform (des Reformerls, sozusagen) ist auszuhalten. Sie kann wegargumentiert werden, weil das Problem zu erklären und für die meisten zu durchschauen ist. Bei allen großen Reformen wäre das nicht möglich: Da tun sich die populistischen und die von Partikularinteressen gesteuerten Gegner viel leichter, alles abzuschmettern. Sie wissen ja, dass große Änderungen auf viele bedrohlich wirken, weil sie schwer zu durchschauen und zu verstehen sind – und dann bei Wahlen abgestraft werden. Wie damals bei der letzten Reform, die diesen Namen verdient hat, der Pensionsreform der Regierung Schüssel.
Hoffen wir, dass Maria Fekter unbeugsam bleibt. Hoffen wir, dass sie einen größeren Plan verfolgt. Und hoffen wir, dass sich so notwendige Änderungen auf Samtpfoten einschleichen.
Wenn ihr das gelingt, dann wissen wir wenigstens, warum wir fortan die Töchter-Söhne besingen sollen.

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Wie die Gewerkschaft den Binnenmarkt zerstört drucken

Am Schluss will es meistens niemand gewesen sein. Doch diesmal sind die Täter bekannt: Gewerkschaften, Arbeiterkammer und EU-Bürokratie sind die Haupttäter, die EU-Gesetzgeber (Parlament, Regierungen und Kommission) wie auch die österreichische Finanzbürokratie sind Nebentäter. Es geht um einen geradezu unglaublichen weiteren Zuwachs an bürokratischen Exzessen. Dieser wurde durch das europäische Entsenderecht und die angebliche Dienstleistungs-„Freiheit“ ausgelöst.

Diese hat zehnmal mehr Bürokratie ausgelöst, als vorher für den gleichen Vorgang in der angeblichen Dienstleistungs-Unfreiheit notwendig gewesen ist. Wenn es überhaupt eine bürokratische Regelung dafür gab.

Der Sachverhalt, den mir ein Tagebuch-Leser vorgelegt hat, ist klar: Er betreibt ein Software-Entwicklungs-Unternehmen in Wien und hat einen deutschen Kunden an der Angel. Ein Mitarbeiter dieses Kunden macht kurz in Wien Station, um die Kooperation zu besprechen. Und man trifft sich am Wiener Flughafen zu einer Besprechung, ehe der Deutsche wieder abreist.

Was aber eröffnet der angereiste Gesprächspartner als erstes: Er müsse für die österreichische Finanz ein zweiseitiges Formular ausfüllen, so wie seit Jahresbeginn jeder in dienstlichem Zusammenhang nach Österreich kommende EU-Bürger. Selbst wenn die Anreise nur einem halbstündigen Gespräch dient. Der penible Deutsche hatte das Formular gleich mit.

Geht es noch absurder? Warum lässt man die Gewerkschaften den einzigen wirklichen Sinn der EU so zynisch ruinieren, nämlich den, einen gemeinsamen Markt herzustellen? Glaubt irgendein Politiker, solche Bürokratie-Exzesse wären sinnvoll oder gar populär?

Das Motiv der Gewerkschaft ist angeblich die Verhinderung von Lohndumping, also von zu billigem Arbeiten durch EU-Ausländer in Österreich. Nun: Diejenigen, die solches vorhaben, werden sich ganz gewiss auch durch solche Fragebogenschikanen nicht aufhalten lassen.

Dieses seit Jänner vorgeschriebene Formular der österreichischen Finanz (ZKO 3) ist nur als reine Schikane zu bezeichnen – auch in weniger lächerlichen Fällen als bei jenem Gespräch mit einem deutschen Kunden. Denn das Formular macht beispielsweise keinen Unterschied, ob da ein Auftraggeber oder ein Auftragnehmer anreist. Denn auf diesem Formular sind für jede einzelne „Entsendung“ nicht weniger als 48 Rubriken auszufüllen. Für viele davon braucht man schon einen eigenen Rechtsberater, um zu erkennen, was oder wer da eigentlich gemeint sein soll. Oder weiß der werte Leser beispielsweise, wer im konkreten Beispiel das sein soll: „Beauftragte Person (Weisungsberechtigt gegenüber der entsandten Arbeitnehmerin/dem entsandten Arbeitnehmer)“? Wer ist da zugleich „beauftragt“ und „weisungsberechtigt“?

Das einzige, was diese kranke Bürokratie offenbar noch zusammenbringt, ist die krampfhafte Vergenderung aller Formulare. Dadurch werden diese freilich noch viel unverständlicher, wohl auch für die Formular-Verfasser.

Sosehr man aber die Bürokratie tadeln muss: Die Hauptschuld bleibt bei den Gewerkschaften – den österreichischen an der Spitze! –, die solches durchgesetzt haben. Sie haben der europäischen Idee eines gemeinsamen Marktes zur Förderung von Frieden und Wohlstand viel mehr Schaden angetan, als es die oft getadelten Europaskeptiker je geschafft haben.

Diese aber können sich ins Fäustchen lachen. Das antieuropäische Geschäft besorgen andere, die Gewerkschaften und die diesen willfährigen Politiker und Bürokratien. Die Ernte wird natürlich bei den Europagegnern landen.

Mir bleiben da nur noch zwei Fragen: War nicht Österreich so stolz darauf, in seiner Präsidentschaft die den ganzen Unsinn auslösende Dienstleistungsrichtlinie durchgebracht zu haben? Wundert es wen, wenn es sich dieser Deutsche künftig zehnmal überlegen wird, wieder einen Auftrag nach Österreich zu vergeben, wenn das mit so viel Schikanen erschwert wird?

PS: Und wenn jetzt manche meinen, nur ein Deutscher kann das alles so penibel ernst nehmen, dann haben sie vielleicht recht. Aber was ist das für ein Staat, was für ein Europa, das ständig Regeln ausspeit, die niemand mehr ernst nehmen kann und will? Und wo, wie in einer Negativ-Lotterie, halt bisweilen manche Übeltäter erwischt und bestraft werden, und die anderen munter weitertun. Denn anders als rechtswidrig kann man da gar nicht weitertun.

 

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Jeden Sonntag Kindergarten drucken

Eigentlich ist es ein typisches Sommerthema, mit dem Politiker halt irgendwie versuchen, auch in mageren Zeiten in die Zeitungsspalten zu kommen. Aber es zeigt doch paradigmatisch die Doppelbödigkeit der Politik.

Gabriele Heinisch-Hosek, ihres Zeichens Frauenministerin, fordert kürzere Ferien der Kindergärten. Eine Forderung, die man nur unterstützen kann – sofern man sie nicht bezahlen muss. Wozu auch die Ministerin nichts sagt. Sie konkretisierte ihre Forderung in Interviews aber auch noch durch den Zusatz: Die Öffnungszeiten der Kindergärten sollten unabhängig von der Arbeitszeit und Urlaubslänge der Kindergärtnerinnen gesehen werden. Auch da natürlich volle Zustimmung.

Nur bitte: Warum gilt das gleiche logische Prinzip nicht auch für den Handel? Dort wird vor allem von SPÖ-Seite so getan, als ob längere Öffnungszeiten auch zum Oktroi längerer Arbeitszeiten und zu Ausbeutung führen müsste. Was natürlich ein absoluter Unsinn ist. Das nicht nur deshalb, weil gleichzeitig recht widersprüchlich immer wieder behauptet wird, die Frauen würden im Handel in Teilzeitjobs gedrängt, weil ihnen zu wenige Vollzeitangebote gemacht werden. Funktionärinnen wie Heinisch-Hosek können einfach nicht begreifen, dass fast jeder Mensch andere Bedürfnisse hat. Viele Handelsangestellte wollen gar nicht mehr Stunden arbeiten und dadurch mehr verdienen. Für andere hingegen wäre bisweilen ein Sonntag ein schöner Zusatzverdienst. Aber die Partei weiß es offenbar immer besser als die Menschen selber.

Dabei gäbe es in so manchen Handelsgeschäften zum Unterschied von den Kindergärten sogar jemanden, der sich darum drängt, die Mehrkosten zu bezahlen: nämlich so manche Unternehmer, die sich etwa am Sonntag zusätzliche Umsätze erwarten. Im Handel wäre das Problem also signifikant kleiner als bei den Kindergärten.

Im übrigen ist Heinisch-Hosek auch für den öffentlichen Dienst zuständig. Auch da wäre es mehr als verdienstvoll, wenn die Ämter viel länger offen hielten, als die reine Arbeitszeit ermöglicht. Aber auch da macht die Ministerin – natürlich – nichts.

Glaubt sie etwa wirklich, für die Bürger seien die den Bedarf ignorierenden Öffnungszeiten nur im Kindergarten ein Problem? Dann lebt sie halt wie viele Politiker auf dem Mond und nicht in diesem Land.

 

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