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Der Vorzugsschüler als Durchfallkandidat

Justizminister Josef Moser hat durch Rücktrittsdrohungen eine nachträgliche Budgeterhöhung erpressen wollen. Als er damit nicht durchgekommen ist, hat er offensichtlich eine nervliche Krise erlitten und sich mit "Blutvergiftung" ins Spital zurückgezogen. Bei allen guten Wünschen für eine baldige Besserung ist eine ganze Reihe von Fehlern des letzten Jahres zu konstatieren, die sich nun konzentriert zu rächen beginnen. Von Fehlern Mosers, aber auch von Sebastian Kurz.

Diese Fehler im Einzelnen:

  1. Josef Moser selbst hat als Rechnungshofpräsident sehr geschickt das Image aufgebaut, er wüsste (fast als einziger), wie man den Staat saniert. Sogar ein Moser-Buch ist so großspurig betitelt: "Der Zustand der Republik und wie sie noch zu retten ist". Dazu wurde immer wieder von hunderten Vorschlägen gesprochen, mit deren Umsetzung das ganz einfach ginge, die freilich kaum jemand genau analysiert hat.
    Viele Journalisten und Politiker haben vielmehr diese Selbstdarstellung dankbar transportiert, schrieben sich doch die entsprechenden Kommentare dann fast von selbst. Ständiges Motto: Blöde Regierung greift fix und fertige Sanierungsideen nicht auf.
    Freilich: In Redaktions-, Rechnungshof- und Oppositions-Stuben ist es viel leichter, alles besser zu wissen, denn in der Realität das auch umzusetzen. Denn die konkrete Umsetzung vieler auf dem Papier gut klingender Vorschläge (von Moser wie auch anderen) stößt im wirklichen Leben sofort auf beinharte Interessen, sobald es konkret wird. Und diesen Interessen gelingt es sehr häufig, die zuerst so nach Reformen rufende Öffentlichkeit dagegen zu mobilisieren.
    Dabei sind besonders die Gewerkschaften, die Bundesländer, die Sozialpartner, die Gemeinden, die Umweltlobby, die Sozialindustrie, die Tierschützer und die sich jeweils durch eine bestimmte Reformabsicht in ihrer Wichtigkeit bedroht fühlenden Beamten ein schier unüberwindliches Reformhindernis.
    Sich mit diesen Interessen erfolgreich anzulegen, bräuchte den entschlossenen Einsatz der Regierungsspitze. Den es seit Wolfgang Schüssel aber nie gegeben hat. Den man nicht durch Anschrauben eines pompösen Aufgabenschilds "Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz" an der Tür eines Neoministers an diesen abschieben kann. Das bräuchte viel mehr, was aber bisher nicht stattfindet.
  2. Das hängt mit einem weiteren Fehler zusammen – der in diesem Tagebuch schon mehrfach aufgespießt worden ist: Sebastian Kurz hat sich bewusst fast nur mit politischen Anfängern umgeben. Er hat alle erfahrenen und kampferprobten ÖVP-Politiker beiseitegewischt, wie beispielsweise die Herren Lopatka, Amon, Kopf, Rupprechter oder Schelling.
    Diese Strategie sichert zwar seinen Status als im Kontrast zur Umgebung noch viel heller leuchtendes politisches Genie; das verhindert auch Widerspruch und Intrigen unter den ihm jeweils persönlich verpflichteten Ministern und Klubobleuten.
    Dadurch fehlt aber dem ÖVP-Chef der auch für jeden Top-Mann notwendige Widerspruch. Dadurch sind Menschen in Spitzenämter gestiegen, die dem wirklich beinharten politischen Job nicht gewachsen sind.
    Etwa nervlich wie bei Moser. Aber auch eine Reihe von Frauen in der Regierung erweckt den Eindruck, sich aus Unsicherheit am liebsten ständig verstecken zu wollen. Die meisten scheinen zur politischen Argumentation in der Öffentlichkeit gar nicht imstande. Und auch das Sebastian Kurz am nächsten stehende Regierungsmitglied, Kanzleramtsminister, Regierungskoordinator und Freund Gernot Blümel, hat bisher zu allen Fragen wortreich absolut nichts gesagt – was auf Dauer aber zum Mega-Problem wird. Kurz wird also wohl noch öfter mit Moser-artigen Krisen konfrontiert sein.
  3. Es ist eine groteske Pointe der Politik, dass mit Moser ausgerechnet jener Minister, der wie ein Super-Spar-Zampano angetreten ist, als erster (und neben dem Verteidigungsminister fast einziger) mit der Aussage in die Öffentlichkeit getreten ist, dass er in seinem Bereich das Budget nicht einhalten kann, das die Regierung jedoch bisher als großen Erfolg verkündet hat.
    Damit ist der Vorzugsschüler plötzlich zum Durchfallkandidaten geworden. Moser wurde in den letzten Wochen fast stündlich zwischen den beiden Polen "Regierungsloyalität" und "Loyalität zu Richtern und Staatsanwälten" hin- und hergerissen. Damit hat er freilich gezeigt, dass er eben nicht der Zampano ist, dass er nicht über den Dingen steht, sondern von diesen gebeutelt wird.
  4. Ein weiterer Fehler Mosers war, seine Rücktrittsdrohung vor mehreren Gesprächspartnern ausgesprochen zu haben. Damit war klar, dass die Drohung nicht vertraulich bleiben kann. Dabei wäre der einzige, der ihm noch helfen könnte, sein Partei- und Regierungschef. Und jetzt ist der gar nicht im Lande. Ein absurdes Timing.
  5. Freilich, Kurz selber hätte schon vor seiner Chinareise den Problemkreis "selbstbewusste Richter vs. einen verunsicherten Minister" erkennen müssen. Es hat aber keine erkennbare Aktion von ihm gegeben, mit der sich der Bundeskanzler für eine Lösung engagiert hätte. 
    Dabei wären durchaus zwei alternative Strategien möglich gewesen. Einerseits hätte Kurz die Budgetlücke rasch mit dem Argument "Missverständnis" füllen lassen können – das hätte freilich andere Minister, die auch sparen müssen, unruhig gemacht. Oder er hätte sich offensiv den protestierenden Richtern und Staatsanwälten entgegenstellen können – dafür gäbe es eine Reihe guter Argumente, die auch in diesem Tagebuch schon mehrfach angesprochen worden sind (wie etwa hier, hier, hier und hier). Aber Kurz hat weder das eine noch das andere getan.
  6. Kurz muss dringend erkennen, dass seine Hauptaufgabe jetzt das Management der eigenen Regierung, Koalition und auch Partei ist, wenn er will, dass die Dinge gut weitergehen. Und das ist zweifellos zeit- und energieraubend, aber dringend notwendig. Denn jetzt ist in der ÖVP wirklich alles auf ihn zugeschnitten. Da ergreift kein anderer mehr eine Initiative.
    Es ist zwar sicher schön, dass der österreichische Bundeskanzler international derzeit als "der" europäische Superstar herumgereicht wird (man vergleiche das nur mit den peinlichen letzten zehn Jahren!) Es ist auch nett, dass Kurz bei dem reichlich überdimensionierten Betriebsausflug der Republik nach China gute Figur macht (wobei freilich der tiefere Sinn der Monsterreise nie wirklich klar geworden ist, denn die unterschriebenen Verträge waren ja ohnedies längst vorbereitet gewesen).
    Aber der wichtigste Job des Bundeskanzlers liegt genau in dem, was Schüssel gerne mit der Rolle des Hirtenhundes beschrieben hat: ständig um die eigene Herde kreisen, sie zusammenhalten und in die richtige Richtung bringen. Noch dazu, wenn die Herde aus lauter Anfängern besteht und eben alle Macht bei Kurz liegt.
    Dennoch ist es zugegebenermaßen eher unerwartet, dass vorerst die ÖVP-Mannschaft dem Bundeskanzler mehr Probleme bereitet als die der FPÖ (trotz heftiger Bemühungen der Sozialministerin, ebenfalls zum Obersorgenkind zu werden).
  7. So richtig es ist, dass die Regierung ihre eigene Agenda durchzieht, so falsch ist es, dass sie dort zu keiner raschen Reaktion imstande ist, wo halt einmal auch der Opposition eine gewisse Mobilisierung gelingt.
    Siehe zuletzt das Thema AUVA, wo die Schließung einer Sozialversicherungs-Bürokratie von den Betroffenen geschickt, aber unrichtig als Schließung von hervorragenden Spitälern verkauft wird. Siehe den plötzlich aufgepoppten Themenkreis Forschung und Daten; auch da hat die Regierung, hat der Wissenschaftsminister bisher nicht zu agieren vermocht.
    Mangels politischer Routine hat die Kurz-Mannschaft keine Zweitschlagfähigkeit.
  8. Alle miteinander in der Regierung – aber natürlich als Hauptschuldiger der dafür zuständige Justiz-( usw.) Minister – haben übersehen, dass Richter und Staatsanwälte gewerkschaftlich und in ihrer Mobilisierungskraft heute ein viel härterer Brocken sind, als es einst die Eisenbahn-Gewerkschafter waren. Sie sind sehr intelligent, sie haben viel Zeit, noch mehr Selbstbewusstsein und fühlen sich auf Grund der verfassungsrechtlichen Unabhängigkeit als über der Demokratie stehend, als legibus solutus.
    Ihnen steht ein neuer Minister gegenüber, der viel weniger Ahnung von der sehr selbstbewussten Justiz hat als alle seine Vorgänger. Und die waren alle reichlich schwach.
    Eigentlich hätten sich das Justizministerium und die Regierung daher intensiv auf ein hartes argumentatives Duell mit diesen Gegnern vorbereiten müssen. Dieses hätte als unvermeidlich erkannt werden müssen, sobald man daran geht, ihnen Dienstposten zu streichen.
    Aber dazu hätte man den Mut haben müssen, auch Richter und Staatsanwälte mit Vorwürfen zu konfrontieren, etwa in Hinblick auf viele unnötige Aktionen der Staatsanwaltschaft, oder auf die Dienstauffassung mancher Richter. Dazu hätte man politische und noch mehr Justiz-spezifische Kompetenz haben müssen – die es aber derzeit weder in Regierung noch Parlament gibt. Da gibt es bei der ÖVP lediglich einen neu ins Parlament eingezogenen Linzer Rechtsanwalt, von dem man bisher keinen Ton gehört hat. Parlamentarisch erfahrenere Anwälte oder sonstige Justizexperten hat Kurz hingegen auch im Parlament als verzichtbar angesehen.
  9. Last not least: Ein Minister, der zumindest den Auftrag hat, alle anderen Bereiche zu reformieren, wird in der ganzen Bürokratie, wird von allen Ministerkollegen nicht sonderlich geliebt werden. Da wird keiner aufstehen und sagen: "Ich verzichte noch auf weiteres Geld, damit Moser überleben kann." Die kämpfen eher um eigene Überleben.

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