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Die wahre Lehre aus dem US-Shutdown

In regelmäßigen Abständen gibt es in den USA einen "Shutdown". Die Medien berichteten aufgeregt über oberflächliche Details wie geschlossene Nationalparks, die durch Schließung vieler Behörden angeblich entstandenen zusätzlichen Kosten, die erbitterte Aversion zwischen US-Demokraten und Republikanern, sowie die (natürlich immer negative) Rolle von Präsident Trump. Dahinter steckt aber ein viel grundsätzlicheres Problem, das auch jedes andere Land für seine eigene Situation genau analysieren sollte.

Sollte, aber nicht tut.

Der US-Shutdown zeigt nämlich die Sinnlosigkeit von Schuldenbremsen. Er ist ja nur eine logische Folge einer solchen Bremse im US-Recht. Ähnliche Mechanismen sind auch in etlichen anderen Ländern eingeführt worden oder in Diskussion.

Das dahinterstehende Motiv: Die Politik macht ständig neue Schulden, weil sie sich ständig mit noch mehr Wählerbestechungen Stimmen kaufen will. Zu viele Schulden sind aber fast immer schlecht für Stabilität und Zukunft. Der vordergründig logische Schluss, um sie zu verhindern, sind Schuldenbremsen, sind Verbote, ab einer gewissen Schwelle Kredite aufzunehmen.

Auch die EU hat den Mitgliedsstaaten solche strikten Bremsen anzulegen versucht (ihre großen Projekte dazu heißen etwa Maastricht, "Europäisches Semester" oder "Sixpack"). Von Europa bis Amerika hat es beim Beschluss solcher Schuldenbremsen jedes Mal viel Selbstlob der Politik gegeben: "Endlich wird jetzt ernsthaft gespart. Künftig gibt es endlich keinen Ausweg mehr, als wirklich zu sparen und nicht nur darüber zu reden."

Künftig. Denn die Erfahrung nicht nur der USA zeigt mittlerweile, dass diese Hoffnung eine leere war, dass alle Bremsen gegen die Schulden weitgehend unwirksam sind. Kaum kommt nämlich der Zeitpunkt, da eine solche – ja immer nur für die fernere Zukunft beschlossene – Bremse endlich greifen und die Aufnahme weiterer Kredite verbieten würde, beschließt die Politik einen "Contrarius actus". Mit denselben gesetzlichen Mechanismen, mit denen einst eine Schuldenbremse eingeführt worden war, wird dann eine Milderung, eine Aufhebung, eine weitere Verschiebung des Schuldenaufnahmeverbots beschlossen.

Diese Lockerung der Bremsen wird in der Propaganda der Regierungen dann immer als alternativlos betont: Das müsse leider, leider sein. Sonst würden lebenswichtige Strukturen von den Schulen bis zu den Spitälern, von der Feuerwehr bis zur Polizei kollabieren. Das könne man ja nicht wollen und deshalb müsse man das Schuldenverbot leider, leider aufheben. Von den wahren Kostenlawinen, also vor allem vom Sozial- und Wohlfahrtsstaat redet man natürlich nicht. Diese können freilich nur schlecht mit kurzfristiger Wirkung gestoppt werden.

So gut wie alle diese Schuldenbremsen haben sich langfristig als bloße populistische Scheinmaßnahmen entpuppt. Es ist dabei immer nur unter lautem Trommelwirbel beschlossen worden, dass man irgendwann in der Zukunft sparen würde. Aber nie haben solche Beschlüsse wirklich die Gegenwart betroffen (Raucher und Übergewichtige kennen das: Fast alle haben schon x-Mal beschlossen, ab nächstem Silvester mit dem Rauchen aufzuhören oder mit der Essdisziplin anzufangen …).

Das ständige Schuldenmachen ist freilich keine Naturgesetz. Selbstverständlich wäre es Staaten/Ländern/Gemeinden/Sozialversicherungen möglich, ausgeglichen zu wirtschaften. So wie das jedes Unternehmen, jeder Haushalt, jeder Einzelmensch tun kann, tun muss. Für sie wären die Sanktionen bei dauernder Schuldenmacherei schlimm: Konkurs, Gehaltsexekution, Pfändungen auch des privaten Besitzes bis hin zum Fernsehapparat.

Daher nehmen Privatmenschen Kredite etwa zum Hauskauf nur dann auf, wenn sie sich die Annuitäten auch leisten können. Gewiss gibt es Ausnahmen, aber das ist die Regel. Und immer mehr schauen auch die Banken darauf, dass ein Kreditnehmer wirklich kreditwürdig ist. Bei Staaten schauen sie nicht. Denn die können ja in der Tat die Bürger immer mehr auspressen, wenn ihnen die Schulden über den Kopf wachsen.

Die Politik verhält sich ganz anders als Privatmenschen. Sie beschließt – besonders intensiv meist dann, wenn die Sozialdemokraten mitzureden haben, aber keineswegs nur dann –, ständig neue Schulden. In Österreich beschließt die Politik  sogar drei Tage vor einer Wahl noch neue Milliardenausgaben – im Glauben, damit doch noch einige Wähler überzeugen zu können.

Wenn die Schuldenbremsen also Mist sind, erhebt sich die Frage: Gibt es gar kein funktionierendes Rezept gegen die Schuldenmacherei? Es gibt in der Tat kein Patentrezept. Aber die Erfahrung zeigt, dass sich die Staaten unter folgenden drei Umständen relativ am vernünftigsten verhalten:

  1. Unmittelbar nach wirklichen Katastrophen: So haben Österreich und Deutschland nach 1945 vorbildlich gewirtschaftet. Sie haben aus den drei Jahrzehnten davor gelernt und sind zur einstigen Tugend der Sparsamkeit zurückgekehrt. Dabei hätte gerade das erste Vierteljahrhundert des Wiederaufbaus genug populistische Argumente geliefert, dass man neue Schulden machen müsse. Aber man machte damals so gut wie keine – und entfachte damit ein Wirtschaftswunder. Eine Generation später sind diese Lernprozesse freilich vorbei.
  2. Durch wirklich große und weitsichtige Persönlichkeiten: Ludwig Erhard, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder, Wolfgang Schäuble in Deutschland, Bill Clinton und Newt Gingrich in den USA, Reinhard Kamitz und Wolfgang Schüssel in Österreich, Margaret Thatcher in Großbritannien, Vaclav Klaus in Tschechien, Leszek Balcerowicz in Polen. Sie alle haben sich nicht dem populistischen Druck zum Schuldenmachen hingegeben, sondern gespart, bis es geschmerzt hat – und dadurch mittelfristig eine tolle Blüte ihrer Länder ausgelöst. In dieser Blüte ist auch bald der ob des Sparens anfangs laut beklagte Schmerz rasch vergessen worden (in Deutschland etwa redet heute niemand mehr darüber, dass Hartz IV anfangs als furchtbar denunziert worden ist).
  3. Durch die direkte Demokratie: Wie insbesondere das Schweizer Beispiel zeigt, handeln Bürger meist deutlich verantwortungsbewusster als Politiker. Denn sie wissen: Wenn sie leichtfertig Wohltaten beschließen, sind sie es zu hundert Prozent selber, die mit den Konsequenzen, also vor allem Schulden, Fehlinvestitionen oder Inflation, fertig werden müssen. Politiker haben hingegen logischerweise nur einen existenziellen Horizont bis zum nächsten Wahltag. Sie wissen: An diesem können sie leicht in ein tiefes Loch stürzen und nicht mehr herauskommen. Deshalb werden sie umso verantwortungsloser, je näher der Wahltag rückt. Was kümmert sie der Schuldenberg vom nächsten Jahrzehnt …

Natürlich gäbe es auch noch die vierte Situation des Notsparens, wenn einem keine Bank mehr Geld leiht. Aber diese Möglichkeit ist ja vielerorts, insbesondere in der EU abgeschafft, wo man sich ja via EZB das Geld selber druckt.

In allen drei zuvor aufgezählten Situationen eines in jeder Hinsicht erfolgreichen Sparens hat sich gezeigt: Wer nur kurzfristig spart, spart meist dumm. Die größten Effekte erzielt man, wenn man langfristig spart, wenn man Subventionen und vor allem den immens teuren Wohlfahrtsstaat klein hält, wenn man den Menschen klarmacht, dass sie nur in echter Not (wie Krankheit) von der Allgemeinheit leben können, dass sie aber sonst eigenverantwortlich sind, dass der ständig bequemer werdende Wohlfahrtsstaat langfristig eine der größten Lügen der Geschichte ist.

All das kann man aus der amerikanischen Nationalparks/Freiheitsstatuen-Groteske geradezu bilderbuchartig lernen. Das hätte man auch schon früher begreifen können. Es ist daher doch irgendwie erstaunlich, dass offenbar kein einziges Medium zu diesem Lernprozess bereit ist, dass nirgends mehr als das übliche Trump-Bashing zu lesen ist, dass wohl bald wieder laut nach Schuldenbremsen gerufen wird.

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