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Digitalisierung: Das Teufelswort

Von Deutschland bis Österreich dominiert das Schlagwort derzeit Koalitionsgespräche, Wahlprogramme, Interessenverbände. Und doch werden so verschiedene Dinge darunter verstanden, dass man nur den Kopf schütteln kann. Noch schlimmer: Manches, was mit "Digitalisierung" gemeint wird, ist richtig und sinnvoll, hinter vielen anderen Interpretationen verstecken sich hingegen absolute Retro-Gedanken.

Sinnvoll und notwendig ist es etwa, wenn man unter Digitalisierung den Ausbau der Versorgung mit schnellem Internet selbst in entlegenen Dörfern meint. Dadurch kann man Landflucht bremsen. Dadurch könnten viele sogar ihren Arbeitsplatz wieder aufs Land verlegen. Wobei es technisch eher fragwürdig ist, wenn man jedes Haus mühsam verkabelt. Das wurde durch Technologien wie 3G, 5G, WLAN ziemlich überflüssig. Diese sind freilich bei uns durch Esoteriker lange behindert worden, die sich vor geheimnisvollen Strahlen gefürchtet haben.

Noch kontraproduktiver war die Rolle von Gewerkschaftern, aber auch manchen Wirtschaftsbranchen: Sie haben gemeint, der Ruf "Digitalisierung!" bedeute Hilfe und Abwehr gegen die elektronische Konkurrenz, bedeute Subventionen für alte Industrien. Sie waren mit ihren Forderungen durchaus erfolgreich. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die EU sieht einen ermäßigten Mehrwertsteuer-Satz für Bücher vor – jedoch nur, solange diese in Papier erscheinen. Wer aber die gleichen Bücher elektronisch, als digitalisiertes E-Book erwirbt, muss mit dem vollen Steuersatz belegt werden, obwohl das viel umweltfreundlicher ist. Das hat der EU-Gerichtshof erst unlängst so bestätigt.

In vielen Branchen haben Europas Staaten Altes um viel Steuergeld geschützt, statt Neues zu ermöglichen, statt dem Neuen wenigstens ein ebenes Spielfeld zu ermöglichen. Und wo die Staaten nicht durch Subventionen in den Wettbewerb eingreifen, tun sie das durch eine gigantische Überregulierung. Man denke etwa an jene Gesetze und Verordnungen, die dem "Datenschutz" dienen sollen. Sie behindern vor allem die Digitalisierung in Europa.

Es ist daher kein Wunder, dass Europa heute von alten Industrien beherrscht wird, dass hingegen alles, was mit Elektronik, Computer, Internet, Mobil-Telefonen zu tun hat, komplett in der Hand amerikanischer und asiatischer Konzerne gelandet ist. Das ist sowohl für die Wirtschaft wie auch die Jobs in Europa schlecht.

Aber auch in Amerika wächst seit Trump die Angst, dass "Digitalisierung" künftige Massenarbeitslosigkeit bedeutet. Das ist dort ebenso wie in Europa Unsinn. Man denke nur, welch riesigen Bedarf es in all den neuen Berufen gibt, die mit Elektronik, Internet, Programmieren zu tun haben. Wichtiger als Jammern und Festhalten an alten Berufsbildern wäre daher, in breiter Front auf diese Tätigkeiten umzuschulen, die wir so dringend brauchen. Ganz abgesehen von dem wachsenden Bedarf in völlig undigitalisierten Berufen rund um Pflege, Bildung und soziale Aufgaben.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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