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An den Pranger mit ihm

Offenbar bringt das Chaos neuer, ungeregelter Systeme die Tiefen der menschlichen Natur zum Vorschein. Eine dieser Tiefen dürfte der Drang sein, andere Menschen öffentlich blosszustellen. Im Mittelalter wurden Menschen an den Pranger, öffentlich zur Schau gestellt, ihre Identität preisgegeben für Schmäh und Spott all jener, die sich moralisch überlegen fühlten oder einfach gerne mit Steinen warfen.

Mittelalterliche Praktiken, sagen wir heute abwertend, wiewohl die an den Pranger Gestellten zuvor zumindest ein Verfahren hatten, im Sinne des damaligen Gesetztes also schuldig gesprochen wurden.

Im 21. Jahrhundert werden uns mit sozialen Medien neue Möglichkeiten des an-den-Pranger-Stellens eröffnet und wir nutzen diese hämisch. Dabei ist Cybermobbing nur eine Facette des Problems, glücklicherweise eine, derer sich die Politik inzwischen bewusst geworden ist. Eine weitere Facette ist die Verbreitung ungeprüfter Anschuldigungen.

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr wurden die Namen "Beschuldigter" öffentlich genannt – ohne Gerichtsverfahren, ohne Gerichtsurteil. Und bislang ohne Konsequenzen. Der jüngste Fall: die beiden Tageszeitungen "Österreich" (05.11.2017) und "Die Presse" (inzwischen entfernt) berichteten über Übergriffsvorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin gegenüber ihrem Vorgesetzten und einem Kollegen vor einigen Jahren. Die beiden Tageszeitungen berichteten – unter namentlicher Nennung der Beschuldigten.

Nun ist das Thema der sexuellen Belästigung, besonders in beruflichen Abhängigkeitsverhältnissen, definitiv eines, welches unsere Gesellschaft zu diskutieren und zu lösen hat. Für den Umgang mit sexueller Belästigung stehen Betroffenen jedoch Möglichkeiten zur Verfügung: der Gang zum Sozial- und Arbeitsgericht, die Gleichbehandlungsanwaltschaft, zivile Verfahren. Einer sich belästigt fühlenden Frau – oder einem sich belästigt fühlenden Mann – stehen die gleichen rechtsstaatlichen Instrumente zur Verfügung, wie Opfern von Gewalttaten, Überfällen oder Vergewaltigungen. Reichen diese rechtsstaatlichen Mittel nicht aus, ist die Politik aufgerufen, neue Instrumente zum Schutz von (in Abhängigkeitsverhältnissen stehenden) Menschen vor sexuellen Übergriffen zu schaffen.

Grundlegend abzulehnen ist jedoch die Praktik des medialen Anprangerns von Beschuldigten – oft ohne "Beweise", oft Jahre später und, vor allem, in Aushebelung der rechtsstaatlichen Wege. Dies birgt mehrere Gefahren: zunächst die persönliche Konsequenz für den Beschuldigten – in Zeiten sozialer Medien bedingt Rufmord noch mehr negative Konsequenzen für das Individuum als der mittelalterliche Pranger – zumal es vor diesem einen Schuldspruch gab.

Zweitens werden rechtsstaatliche Verfahren ausgehebelt: als Gesellschaft haben wir uns auf ein System und jeweilige Strafrahmen geeinigt. Für alle Täter – vom Mörder bis zum Kinderschänder gilt: unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Die Medien sprechen bis dahin vom "mutmaßlichen Täter/mutmaßlicher Täterin". Heute verurteilen Posts und Hashtags, oder diejenigen, die diese Instrumente zielgerichtet und effektiv einsetzen können.

Das zeigt zwei Probleme: einerseits scheinen wir als Gesellschaft den Umgang mit sozialen Medien weitaus weniger im Griff zu haben als gedacht. Öffentliche Shitstorms gegen noch nicht verurteilte oder sogar gegen unschuldige Personen müssen neben Cyber-Mobbings im privaten oder schulischen Rahmen als Problem anerkannt werden. Nachträgliche Klagen wegen Rufmordes können den entstandenen Schaden kaum wieder gut machen.

Zweitens ist die Bereitwilligkeit zweier Tageszeitungen scharf zu kritisieren, die Namen zweier Menschen im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen zu nennen – rein auf die unbewiesenen und unrecherchierten Behauptungen (die Betroffenen wurden im Vorfeld nicht befragt) einer ehemaligen Mitarbeiterin hin. Dies ist kein Journalismus, wie er im 21. Jahrhundert praktiziert werden sollte!

Es braucht eine breite gesellschaftliche Diskussion über Shitstorms und darüber, wie viel Raum wir solchen Erscheinungen geben, wir ernst wir sie nehmen und welche Regeln Tageszeitungen bei der Übernahme solcher Beschuldigungen einhalten müssen.

Mag. Caroline Hungerländer ist in der Fraktion Christlicher Gewerkschafter aktiv und ÖVP-Gemeinderätin in Wien.

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