Wer mit Wem? Eine Entwirrung

Es ist die zentrale Frage der letzten Tage vor der Wahl: Wen muss ich wählen, um welche Koalition zu bekommen? Was so kontrovers diskutiert wird, ist in Wahrheit gar nicht so kompliziert. 

Wenn die Umfragen auch nur ansatzweise stimmen, dann sollte man sich auf folgende Erkenntnisse einstellen:

1.) Eine Stimme für eine der kleinen Parteien ist eine Stimme für eine Oppositionspartei.

Die stimmenstärkste Partei wird mit zwei der Kleinparteien nicht einmal dann eine Mandatsmehrheit haben, wenn die dritte Kleinpartei nicht ins Parlament kommt. Die Phantasien über eine "Dirndlkoalition" sind zwar amüsante politische Spielchen, haben aber mit der Realität nichts zu tun. Ich will die Rolle einer guten Opposition gar nicht kleinreden, man sollte sich aber dessen bewusst sein.

2.) Die drei großen Parteien liegen inhaltlich ausreichend nahe beieinander, um miteinander zu regieren.

Christian Kern hat die Migrationseuphorie seiner Partei beendet und Anfang des Jahres in seinem "Plan A" auch ein paar Signale Richtung Wirtschaft gesandt. Es gibt damit zwischen allen drei großen Parteien ausreichend große Schnittmengen, um eine Koalition zu bilden.

3.) Der Zweitplatzierte regiert lieber mit dem Drittplatzierten. 

Egal, um welche Partei es sich handelt: Wer auf Platz zwei liegt, regiert lieber als Kanzler mit dem Drittplatzierten, als den Juniorpartner der stärksten Partei zu geben. Denn bislang hat es noch nie ein Juniorpartner geschafft, anschließend die Kanzlerpartei zu überholen. Zwar wird der Bundespräsident den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragen, aber es gibt in allen Koalitionsverhandlungen ausreichend Gelegenheiten, die Gespräche scheitern zu lassen.

4.) Die SPÖ hat ihre FPÖ-Aversion abgelegt. 

Christian Kern hat die Ausgrenzung der FPÖ nach 31 Jahren beendet. Zwar muss ein Koalitionspakt mit den Freiheitlichen noch durch einen Bundesparteitag, aber dort ist eine Mehrheit aus vier Gründen sicher:

  • Der Widerstand der Wiener SPÖ verliert mit dem bevorstehenden Abgang von Michael Häupl dramatisch an Gewicht.
  • Dass Kurz an der SPÖ vorbeizieht, nehmen ihm viele persönlich übel. Die ÖVP in Opposition zu schicken, wäre eine tiefe Genugtuung für sie.
  • Der SPÖ stecken die Jahre in der Opposition noch in den Knochen. Wieder von den Schalthebeln der Macht abgeschnitten zu werden, will man unter allen Umständen verhindern.
  • Die Abstimmung über einen Koalitionsvertrag wird wohl zeitgleich mit der Abstimmung über den neuen Parteichef Hans Peter Doskozil erfolgen. Es ist undenkbar, ihn zu installieren und gleichzeitig seinen fertig ausverhandelten Koalitionspakt abzulehnen.

Ich bin mir sicher: Diese Argumente sind auch stark genug, falls die SPÖ auf Platz drei landen sollte. Lieber macht man Strache zum Kanzler als Kurz.

5.) Die FPÖ kann sich in einer Regierung mit der SPÖ besser profilieren. 

Ich finde die Argumentation des Presse-Chefredakteurs Rainer Nowak bestechend: Gerade weil einander die Programme von ÖVP und FPÖ so ähneln, ist der Anreiz für die Freiheitlichen wesentlich größer, mit der SPÖ zu regieren. Nur dort können sie eigene Akzente setzen und sich vom Regierungspartner abheben. Nowak ist überzeugt: Sollten FPÖ und SPÖ gemeinsam 96 Mandate erreichen, werden sie miteinander regieren. Die letzten Umfragen prophezeien Blau-Rot bis zu 98 Mandate.

Conclusio

Das ergibt trotz der verwirrenden Diskussionen über künftige Koalitionen eine relativ simple Zusammenfassung:

  • Wer will (oder zumindest damit leben kann), dass Blau-Rot kommt, wählt FPÖ oder SPÖ.
  • Wer die ÖVP in der Regierung (vermutlich mit der FPÖ) haben will, muss sie wählen.
  • Wem es genügt, die Opposition zu stärken, wählt eine der Kleinparteien.

Und wer gar nicht taktisch wählen will, wählt einfach die Partei, deren Programm ihm am meisten zusagt.

Mag. Florian Unterberger ist Pressesprecher bei einer internationalen Anwaltskanzlei, Vater von vier Kindern und kirchlich engagiert.

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