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Die Karlsbadverschwörung - Staatsterror gegen die Revolution

Am 18. Oktober jährt sich das "Wartburgfest" der Deutschen Burschenschaft zum 200. Mal. Die von Martin Luther angestoßene Revolution, die später als "Reformation" in die offizielle Geschichtsschreibung einging, jährt sich kurz danach zum 500. Mal. Zwischen beiden Weltanschauungen besteht eine untergründige Verbindung.

Deren Amalgamierung durch eine radikale burschenschaftliche Gruppe wurde nach dem Wiener Kongress durch einen Staat bekämpft, der seinerseits nicht vor Subversion und Mord zurückschreckte: Das ist die These eines spannenden und geistesgeschichtlich profunden Romans, der vor kurzem erschienen ist. Diese These hat brisante Implikationen.

Zweitwerk eines geistesgeschichtlich versierten Autors

Parlamentsrat Norbert Nemeth, Jurist, Direktor des Freiheitlichen Parlamentsklubs und Autor des Romans Im Schatten des Gracchus, der auf dieser Seite bereits besprochen wurde, beschäftigt sich wiederum mit Ereignissen, die man im weiteren Sinn als Folgen der Französischen Revolution begreifen kann. Die Revolution von 1789 ließ Frankreich im Blut versinken. Ein Produkt der Katastrophe war in gewisser Hinsicht der Usurpator Napoleon, der nun Teile Europas im Blut versinken ließ.

Die Revolution hat aber viele Gesichter – und sie begann viel früher.

Die Handlung: Subversion gegen die Subversiven

Ein Militärakademiker, der den Decknamen Klaus Steinmetz trägt, schleust sich im Auftrag von Friedrich von Gentz, der rechten Hand von Fürst Metternich und vormals erster Sekretär des Wiener Kongresses, in den Kreis der sogenannten "Unbedingten" in Jena ein. Dieser konspirative Zirkel ist im Umfeld der soeben gegründeten Allgemeinen Deutschen Burschenschaft angesiedelt. Die Burschenschaft strebt ein republikanisches und geeintes Deutschland auf lutherischer Grundlage an ("Andere Glaubenslehren werden im Reiche nicht geduldet.").

Die "Unbedingten" wollen diesen Prozeß mittels Attentaten beschleunigen.

Gentz benötigt nun handfeste Beweise für staatsgefährdende Umtriebe der Burschenschaft, um diese verbieten und deren Ideengeber, die "politischen Professoren", ihrer Lehrstühle entheben zu können. Zur Not müssen diese Beweise eben erst geschaffen werden. Steinmetz soll innerhalb der Konspiration deshalb Gewalttaten auszulösen helfen ("Anspannung").

Steinmetz, der sich als Medizinstudent ausgibt, gelingt es, das Vertrauen des Jenenser Philosophieprofessors Jakob Friedrich Fries zu gewinnen und zu seinem Privatissimum eingeladen zu werden. Dort lernt er den konspirativen Kreis der Unbedingten um den Rechtsanwalt und Dozenten Karl Follen und dessen Bruder kennen und kann auch dort einsickern.

Er stachelt einen psychisch labilen Bundesbruder zur Durchführung eines Attentats an, was dieser aber nicht über sich bringt. Steinmetz ermordet den Zauderer mit einer Granate in einer Kapelle und lässt es aussehen, als wäre dieser Opfer seiner eigenen Bombe geworden. Das von Steinmetz dem vermeintlich verhinderten Attentäter untergeschobene Bekennerschreiben lässt aufhorchen: August von Kotzebue, Schriftsteller, Diplomat in russischen Diensten, Spion und "Reaktionär", hätte das Opfer sein sollen.

Dieser wird später von dem Theologiestudenten Karl Ludwig Sand, ebenfalls einem labilen Typen, ermordet.

Ein weiteres Gruppenmitglied scheitert bei einem Attentat und begeht im Gefängnis Selbstmord. Follen, der Kopf der "Unbedingten", der mit martialischer Rhetorik seine Anhänger in den Attentatismus hineingehetzt, sich selbst aber fein herausgehalten hat, zieht sich angesichts des völligen Scheiterns seiner Pläne aus der Affäre, emigriert in die USA, wird unitaristischer Prediger, Professor, Agitator, Abolitionist und Freimaurer. Er kommt bei einem Fährunglück im Jänner 1840 ums Leben.

Gentz und sein Agent Steinmetz sind also erfolgreich: Die Republikbewegung ist desavouiert, die Burschenschaft kommt ihrem Verbot durch Selbstauflösung zuvor. Deutsche Fürsten, die mit den burschenschaftlichen Ideen sympathisierte, ändern ihre Meinung und schließen sich der "Reaktion" an.

In den darauf folgenden Karlsbader Beschlüssen von 1819 wird der Status quo praktisch bis 1848 festgeschrieben.

Welche Implikationen hat diese Handlung?

Zumindest drei:

Protestantischer Terror im Gefolge Luthers: Revolution, Blutvergießen und immer weiterer Zerfall der "Reformation"

Die peniblen Recherchen (im Literaturverzeichnis mit 41 zum Teil hochspezialisierten Titeln nachvollziehbar) führten den Autor zu einer Geistesströmung, die aus einer protestantischen Auffassung des Gewissens abgeleitet wurde. Gemäß dieser Ideologie wird der Adept angeleitet, "in sich hineinzuhören", um auf diese Weise festzustellen, ob "die Stimme Gottes" von ihm die Durchführung eines Attentats verlangt. Da es nun moralisch verwerflich ist, anderen etwas anzutun, was man selbst nicht erleiden möchte, verlangt die Regel, nach erfolgreichem Attentat sein eigenes Leben zu "opfern", also Selbstmord zu begehen.

Da das Gewissen natürlich gegen Mord und Selbstmord Einspruch erhebt, ist die Prozedur der Entscheidungsfindung quälend. Der Autor stellt das mit großer Empathie dar.

Von daher ist der Roman ein überraschender, ja spektakulärer Beitrag zum Lutherjahr: Denn Luther, selbst ein verworrener Charakter und mit sich selbst nicht im Reinen, hatte beispielsweise in seiner Schrift "Von der Freiheit eines Christenmenschen" (1521) zunächst den Bauernaufstand von 1524 begünstigt. Nachdem sich ein Obsiegen der Obrigkeit abzeichnete, wechselte Luther aber die Seiten und ermutigte nun in dem blutrünstigen Schreiben "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" die Fürsten, die Bauern auf jede mögliche Weise ins Jenseits zu befördern.

Betrachtet man das Verhalten des "Reformators" als für dessen Adepten normativ, wird man dem Terror und der Gewalt im Lutherschen System einen prominenten Platz zuerkennen müssen. Der Schwedenkönig Gustav Adolf verstand Luther offenbar in diesem Sinne, als er im Dreißigjährigen Krieg weite Teile Deutschlands und anderer Länder verheerte und entvölkerte.

Da die Lutherschen Lehren frei erfunden sind, fühlten sich viele Nachahmer ermutigt, ihrerseits "Reformationen" durchzuführen. Dabei sind immer weitere Aufspaltungen und schreckliches Blutvergießen die Folge (Calvin, Zwingli, Müntzer etc.).

Überhaupt macht man sich heutzutage keine adäquate Vorstellung über die revolutionäre Dynamik der protestantischen Strömungen: Gentz, selbst Protestant, charakterisiert das Wartburgfest (in der Darstellung des Autors) als "seltsame Symbiose aus protestantischem Gottesdienst und französisch-revolutionärem Volksfest".

Pseudochristliche Utopien und die "permanente Revolution"

Das Titelbild des Romans bringt die religiös-politische Utopie der "Unbedingten" und vermutlich vieler, weniger radikaler Burschenschafter auf den Punkt: Eine Art Christusfigur, mit dem traditionellen Flaus bekleidet und dem Burschenschafterband auf der Brust, steht mit ausgebreiteten Armen ähnlich wie in Rio de Janeiro überdimensioniert auf der Wartburg, die ihrerseits überdimensioniert auf der Erdkugel errichtet scheint.

Es geht also um eine Instrumentalisierung des Christentums zu ausschließlich irdisch-politischen Zwecken. Diese Zwecke können durchaus vielgestaltig sein, wie man heute in einem links-gutmenschlichen Pseudo-Christentum protestantischer und neuerdings auch katholischer Provenienz erkennen kann. Die "Unbedingten" waren nur eine Ausprägung.

Wie wir wissen, ging die Revolution weiter und fand in Lew Bronstein, genannt Trotzki, das böse Genie der "permanenten Revolution", das nunmehr ganz ohne christliche Versatzstücke auskam.

In unseren Tagen betrachtet die Revolution mittlerweile die Burschenschaften als "reaktionär", "rechtsradikal" und zu bekämpfend. Die Revolution bleibt eben nicht stehen.

Staatliche Gewalt als Mittel der Machtausdehnung

"Dass Gentz den Tod von Menschen anordnete oder billigte, ist historisch nicht verbrieft. Unbestritten ist aber, dass die Attentate und Unruhen des Jahres 1819 Metternich ins Konzept passten", stellt der Autor klar und folgert:

"Das sollte uns zu denken geben, vor allem wenn wir uns vor Augen halten, dass im Milieu der Burschenschaft immer wieder ‚besonders radikale‘ Elemente auftauchen. Meinen die es wirklich gut mit der Burschenschaft? Oder ist es eher so, dass systemkritische Kräfte immer wieder Opfer einer Anspannungsstrategie werden?"

Wenn die Staatsmacht zu schmutzigen Mitteln greift, verliert der Staat selbst an moralischer Qualität und Autorität. Wenn nicht moralisch saubere Mittel der Ermittlung und Strafverfolgung angewandt werden, sondern per Infiltration eine "Anspannungsstrategie" verfolgt wird, bei der Tote in Kauf genommen werden – nun, dann ist es letztlich um den Untergang eines solchen Staates auch nicht schade.

In Zeiten, da in Deutschland ein NPD-Verbot vor einigen Jahren daran scheiterte, dass fast alle wichtigen Funktionäre Verbindungsleute des "Verfassungsschutzes" waren, ist das durchaus zu bedenken.

Noch folgenreicher ist der Fall des sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrundes", bei dem es mysteriöse Todesfälle von Zeugen gab, und dessen offizielles Narrativ (radikale Neonazis ermorden Polizistin und friedliche Dönerbudenbesitzer, um sich am Schluss selbst umzubringen, danach stecken sie ihr Wohnmobil in Brand, worauf eine unbeschädigte und blitzsaubere Bekenner-CD gefunden wird) unglaubhaft ist.

Ob der Autor genau diese Sachverhalte im Auge hatte und historisch parallelisieren wollte, kann man naturgemäß nicht sagen. Passen tut die Analogie auf alle Fälle.

Und ganz abgesehen davon, passen die vielen islamischen Terrorakte den Metternichs unserer Zeit offenbar auch ganz gut ins Konzept. Denn sonst wären die Terroristen ja schon längst wirksam bekämpft worden.

Resümee

Der Autor, selbst Protestant und Burschenschafter, ist mit diesem Buch wiederum über seinen eigenen Schatten gesprungen. Das verdient besonders in Zeiten wie diesen hohe Anerkennung.

Die Wahrheitsliebe der historischen Forschung führte den Autor zu einer Darstellung, die jeder Glorifizierung des Protestantismus eine Absage erteilt. Auch die Burschenschaft wird nicht glorifiziert. Denn diejenigen, die nicht zum Kreis der "Unbedingten" gehören, also die überwiegende Mehrzahl, werden im Buch nur blass gezeichnet. Erst ganz am Schluss schreit ein Burschenschafter den vermeintlichen "Unbedingten" Steinmetz an und deklariert: "Für das hirnverbrannte Treiben der Unbedingten haben wir hier wenig übrig! (…) [Die] haben unser Burschenhaus in ein Irrenhaus verwandelt".

Ja, aber das Burschenhaus war für diese Art Radikalismus offensichtlich grundsätzlich offen gewesen.

Das ganze Buch ist von Düsternis durchzogen, moralisch vorbildliche Gestalten kommen nicht vor, auch nicht unter den Staatsmännern. Der Autor konnte aufgrund der Quellenlage nichts Besseres berichten. Die Handlung endet daher wie ein barockes Mysterienspiel, aber ohne den positiven Teil von Versöhnung und Erlösung.

Der Autor lässt am Ende aufblitzen, was der Mensch angesichts des Endes und der Ewigkeit benötigt: "Trost und Vergebung".

Aber in weiten Teilen von Volk und Staat hatte man schon damals im Gefolge Luthers die Kirche verworfen, die den wahren Trost spenden und die Vergebung Gottes autoritativ vermitteln konnte. Die Konspiration von "Aufklärung" und Freimaurerei trug das ihrige zur Apostasie von Staat und Gesellschaft bei. Daher kam das alles.

Das Ende von Charles Follen ist das Symptom des Abfalls von Gott. Dann bleibt nur die äußerste Finsternis.

Buchhinweis

S. Coell, Die Karlsbadverschwörung,
"Zur Zeit"-Edition, W3 Verlagsges. m. b. H., Wien 2017,
224 Seiten
19,99 €

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Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, politisch interessierter Katholik

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