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Der Raubzug

Es war ein schlechter Tag für den österreichischen Parlamentarismus. Es war ein schlechter Tag für die  Steuerzahler und die Zukunft dieses Landes. Es war ein schlechter Tag für die Unternehmer. Aber es war ein guter Tag für die Gewerkschaften, für Mindestpensionisten, für Notstandsbezieher, für Lehrlinge und Behinderte. Und es war für mich der Tag, an dem ich erstmals ernsthaft mit der Perspektive zu rechnen begonnen habe, dass während der nächsten fünf Jahre eine rot-blaue oder blau-rote Regierung amtieren wird, nachdem ich bisher eigentlich lange überzeugt war, dass es eine schwarz-blaue geben wird. Während Rot-Schwarz wohl endgültig undenkbar geworden sein dürfte.

Tatsache ist: Eine rot-blau-grüne Allianz hat an einem einzigen Parlamentstag gegen den Willen der restlichen Abgeordneten das – jährliche! – Defizit der Republik um Hunderte Millionen Euro vergrößert. Wobei ja zu den jetzt schon in dieser Größenordnung errechneten Belastungen für den Steuerzahler noch etliches dazukommen wird. Denn wenn man etwa die Notstandshilfe finanziell deutlich attraktiver macht, werden sich automatisch mehr Menschen als jetzt für diese Variante entscheiden, und nicht mehr nach einem Job suchen. Solche Fälle gehen in die berechneten Kosten noch gar nicht ein.

Das alles ist schlimm und dumm

  • in einem Land, das selbst im gegenwärtigen Konjunkturzwischenhoch ein Defizit macht;
  • in einem Land, dessen Wohlfahrtssystem schon vor diesen Parlamentsbeschlüssen eines der teuersten der Welt gewesen ist;
  • in einem Land, wo jeder Pensionist im Schnitt 200 Euro pro Monat mehr bekommt als deutsche Pensionisten, und wo die Menschen überdies deutlich früher in Pension gehen als anderswo;
  • in einem Land, das eine der jetzt schon höchsten Abgabenbelastungen der ganzen Welt hat (diese ist im Laufe meines Lebens von 29 auf 43 Prozent gestiegen);
  • in einem Land, dessen Verschuldung schon weit über den Maastricht-Grenzen liegt, selbst wenn man die gigantischen und durch keinerlei Rücklagen gedeckten Pensionszusagen für die Zukunft nicht einberechnet, wie es gesetzlich jeder Kaufmann tun müsste, wenn er eine Bilanz erstellt (was zu einer echten Staatsverschuldung nicht von 84 Prozent des BIP wie jetzt offiziell angegeben führen würde, sondern von 315 Prozent!).

Dass die Staatsverschuldung in Italien oder Griechenland noch deutlich höher ist, ist nur ein gelinder Trost. Auch die Tatsache, dass die weltweite Konjunktur anzieht, ändert absolut nichts an der Dummheit der Parlamentsbeschlüsse. Ebensowenig tut das der deshalb seit einigen Monaten eingetretene leichte Rückgang der österreichischen Arbeitslosenzahlen. Bewegen sich doch diese auf viel höherem Niveau als am Ende der schwarz-blauen Zeit 2007, da Österreich bei vielen Parametern Europarekordler war.

Es gibt also für all diese Parlamentsbeschlüsse Fünf nach Zwölf keinerlei Rechtfertigung. Sie sind purer Populismus, der nicht vorhandenes Geld ohne wirkliche Notwendigkeit an die Wähler verstreut. In der Hoffnung, dass man dadurch noch einige Voten aus der XYZ-Schicht gewinnen könne.

Überdies hat man mit den Parlamentsbeschlüssen nicht nur das Budget, sondern auch die Wirtschaft belastet. Die Anhebung der finanziellen Rechte von Arbeitern an die von Angestellten wird einige Branchen sehr teuer kommen. Besonders absurd: Die parallele Existenz von Arbeiter- und Angestelltenbetriebsräten bleibt dennoch bestehen. Das ist teuer und unflexibel – schafft jedoch viele Posten für Gewerkschaftsfunktionäre.

Und den Banken wird verboten, die Kosten einer Bargeldabhebung bei bankfremden Bankomaten den Kunden weiterzuverrechnen . Das wird aber in Wahrheit das Leben für alle Bankkunden erschweren. Entweder die Banken werden dazu übergehen, die Geldabhebung bei Fremdbankomaten unmöglich zu machen. Oder aber sie werden jeden Kunden in einem großen Bürokratieaufwand zur Entscheidung zwischen zwei Konto-Varianten zwingen: ein teures Konto mit vollem Gratis-Bankomat-Zugriff und ein billiges ohne einen solchen.

Diese von Sozialminister Stöger ausgedachte Bankomat-Regelung ist dabei sicher nicht imstande, auch nur einen Wähler für Rot, Blau oder Grün zu gewinnen. Sie zeigt aber, dass die beschließenden Abgeordneten keine Ahnung haben, wie Wirtschaft funktioniert. Im Kleinen wie im Großen.

Eine nicht nur sinnlose, sondern auch schädliche Überregulierung.

  1. Dass dabei auch die Grünen Rot-Blau verstärkt haben, ist ein weiterer Beweis, dass die Grünen eine linke Umverteilungspartei sind, die sich bloß hinter der Tarnung eines harmlosen Umweltschützers (mit einigen Spleens in Sachen Gender, Schwule und Global-Warming) verbirgt. Und denen sogar der Schutz von wertvollem Kulturgut und Stadtästhetik völlig wurscht ist (siehe Heumarkt-Hochhaus, siehe den Bau einer großen Bierhalle im Belvedergarten).
  2. Bei der SPÖ überrascht solcher Populismus am wenigsten. Sie war immer schon die Partei, die am tiefsten in fremde Taschen zur Bedienung der eigenen Klientel gegriffen hat. Seit ihr "Welcome-Refugees"-Kurs so jämmerlich gegen die Wand gedonnert ist, hat sie doppelt dringend eine Ablenkungsstrategie gebraucht. Und eben geglaubt, diese in uralten Soziallizitations-Rezepten gefunden zu haben.
  3. Die Freiheitlichen wiederum müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr Wirtschaftsprogramm nur ein Pro-Forma-Akt gewesen ist, dass dessen Erstellung bei externen Experten überhaupt nur deshalb in Auftrag gegeben worden ist, damit man halt auch eines hat. Dass das nicht sehr ernst zu nehmen war, hätte man freilich auch schon merken können, als die FPÖ zur Präsentation dieses Programms den Oberösterreicher Haimbuchner ins Fernsehen geschickt hat, der zwar einer der wenigen wirklichen Wirtschaftsexperten in der Partei ist, der aber weder in die Ausarbeitung des Programms involviert gewesen ist, noch dieses überhaupt gekannt hat. Das einzige, was man bei diesem Raubzug zu Gunsten der Freiheitlichen sagen kann: Die SPÖ hatte noch viel mehr populistische Gesetzentwürfe vorbereitet, aber bei den anderen ist die FPÖ nicht mehr mitgezogen.

Das Allerschlimmste aber ist, dass sich nun neuerlich ein Unsinn wiederholt hat, der schon bei den Wahlen 2008 und 2013 passiert ist: In der Panik der letzten Wahlkampftage wird tief in die Staatskasse gegriffen, nur um ja "sozial" dazustehen.

  • Dabei ist völlig klar, dass genau dadurch (und durch die Reformunfähigkeit der letzten zehn Jahre insbesondere beim teuersten Belastungspunkt, den Pensionen) dann jeweils ein oder zwei Jahre später große Belastungspakete notwendig geworden sind.
  • Dabei haben alle Parteien nach jenen Wahlen dann immer geschworen, dass das nie mehr passieren darf.
  • Dabei ist diese Unsitte eines Raubzugs im letzten Parlamentsmoment eine fast rein österreichische. In anderen westlichen Ländern agieren die Parteien hingegen nicht so primitiv, oder zumindest die Mehrheit nicht. In Deutschland haben nicht einmal die Linksparteien trotz einer parlamentarischen Mehrheit und trotz eines derzeit ausgeglichenen Staatshaushaltes in den letzten Parlamentstagen in die Bundeskasse gegriffen.
  • Dabei wäre es im Interesse der Zukunft dieses Landes sogar dringend nötig, das nicht mehr finanzierbare und zu Missbrauch geradezu einladende Wohlfahrtssystem etwas zu beschneiden. Aber statt dessen hat man es noch weiter ausgeweitet.

Da ist es nur noch peinlich, wenn jetzt manche entschuldigend sagen: Eh alles richtig, aber dieser Raubzug auf die Staatskasse war weniger teuer als die einst von einem Werner Faymann angeführten.

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