Wohnungsnot als Wahlkampfthema

Am 15. Oktober ist es so weit. Da die Geburtsstunden der mit Abstand dümmsten Ideen regelmäßig in Wahlkampfzeiten fallen, kommt es auch jetzt knüppeldick. Auf der Jagd nach der Gunst des Stimmviehs scheint kein Versprechen zu blöd, keine Ankündigung zu unwahrscheinlich zu sein, um nicht gemacht zu werden. Knapp vor Wahlen werden von den Wahlwerbern immer wieder Forderungen erhoben, die sie, sofern es sich um an der Regierung beteiligte handelt, entweder schon längst hättenumsetzen können (wenn sie denn tatsächlich realisierbar wären), oder die besonders schlichten Naturen einreden sollen, die Wahlwerber könnten Flüsse bergauf fließen lassen und die Schwerkraft aufheben.

"Soziale" Themen stehen – zumindest bei den Parteien des linken Spektrums – besonders hoch im Kurs: Höhere Pensionen, zumindest für diejenigen, die überhaupt keine oder nur geringe Beiträge geleistet haben (denn das sei "fair"), hohe Mindestlöhne, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, "bedingungsloses" Grundeinkommen, mehr Geld für die Bildung und – der Dauerbrenner schlechthin – "leistbares Wohnen".

Letzteres ist dem Genossen Andreas Schieder, seines Zeichens umtriebiger Obmann des Parlamentsklubs der SPÖ, ein zentrales Anliegen. Der Mann hat, wie so viele seiner roten Mitstreiter, niemals einen Cent unter Marktbedingungen verdient. Von Jugendtagen an hat er sich voll und ganz der Politik verschrieben. Die reale Welt außerhalb geschützter Werkstätten ist ihm daher naturgemäß absolut fremd. Seine Karriere verlief vom Kreissaal über den Hörsaal in den Plenarsaal. Ein echter Profi also.

Pünktlich vor der Wahl erkennt er nun scharfsichtig, dass Wohnen teuer ist und, besonders in der Hauptstadt Wien, immer teurer wird. Dass es die rotgrün regierte Gemeinde Wien ist, die durch weit über der Teuerungsrate liegende Erhöhungen der Wohnnebenkosten (Müllabfuhr, Abwassergebühren, ec.) einen Gutteil der Schuld daran trägt, ist für ihn natürlich kein Thema. Er hat vielmehr ruchlose Zinsgeier und Mietwucherer im Blick, die klassischen Feindbilder aller roten Klassenkämpfer. Mit Vermietung Geld zu verdienen, trägt für sie den Hautgout des Unanständigen, wenn nicht des Kriminellen.

Wer sich allerdings ein wenig mit den Grundbegriffen der Ökonomie beschäftigt, wird rasch und intuitiv erfassen, was Sache ist: Ist ein stark nachgefragtes Gut knapp, ist sein Preis hoch. Ist das Angebot dagegen groß und die Nachfrage gering, ist sein Preis niedrig. Der Markt als gefühllose, dafür aber absolut unbestechliche Institution, sorgt dafür, dass es zu einem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage kommt. Unter sonst gleichen Bedingungen wird ein erhöhtes Angebot für fallende Preise sorgen.

Wer also einen Angebotsmangel bei gleichbleibender oder gar steigender Nachfrage auszumachen meint, sollte daher was tun? Richtig – er sollte dafür sorgen, dass das Angebot größer wird. Kann das erreicht werden, indem man den Anbietern niedrigere Preise diktiert, wie Andreas Schieder das im Zuge des Wahlkampfs angekündigt hat? Selbstverständlich nicht. Kein bei Sinnen befindlicher Investor wird sich unter diesen Bedingungen im Wohnbau engagieren.

Andreas Schieder ist immerhin ein studierter Ökonom. Das kann dreierlei bedeuten: Entweder werden an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien, der Alma Mater des Mannes, Märchen erzählt. Oder zweitens, der Mann hat das Wichtigste nicht verstanden – was indes die Frage aufwirft, wie er dann zu einem Abschluss kommen konnte. Oder drittens – und das scheint am wahrscheinlichsten zu sein – er stellt die Dogmen seiner vorvorgestrigen Ideologie über die Wissenschaft und erhebt seine Forderungen wider besseres Wissen. Eine Erklärung ist so trostlos wie die andere.

Dass ein Gutteil der verschärften Wohnsituation in Wien einer völlig fehlgeleiteten Sozial- und "Flüchtlings"-Politik der rotgrünen Stadtregierung geschuldet ist, sei hier nur am Rande vermerkt. Aber da die öffentliche Hand – besonders in Wien – über keinerlei Mittel verfügt, die für einen forcierten kommunalen Wohnbau nötig wären, müssen eben, sosehr die (Neid-)Genossen diese Vorstellung auch hassen mögen, private Bauträger einspringen. Eine andere Möglichkeit ist nicht in Sicht.

In dieser Situation ist es keine besonders intelligente Idee, potentiellen Wohnbauinvestoren die Rute ins Fenster zu stellen und mit weiteren Einschränkungen des Vertragsrechts zu drohen, indem man ihnen, nebst einer gewaltigen Fülle von jeden Bau verteuernden Vorschriften, die maximale Höhe künftiger Mieten diktiert. Und zwar auch bei rein privat finanzierten Objekten(!). Damit wird eine positive Verzinsung des eingesetzten Kapitals unmöglich gemacht.

Ideologisch fundierte Einwände, dass schließlich jeder wohnen müsse und der Preis für Wohnraum daher einer politischen Regulierung bedürfe, sind purer Mumpitz. Jedermann muss schließlich auch essen und sich, zumindest in unseren Breiten, bekleiden und dennoch ist – zumindest außerhalb rotgrüner Studentenzirkel – noch niemand auf den schrägen Gedanken verfallen, die Preise für Fleisch, Gemüse, Jeans und Schuhe von der Regierung regulieren zu lassen. Das wäre allerdings ein reizvoller Gedanke – vielleicht kommt ja noch einer darauf.

Fazit: Finger weg vom Mietpreis – und das gewünschte Wohnungsangebot wird sich wie von Zauberhand einstellen. Nachdem linke Apparatschiks aber – allen üblen Erfahrungen zum Trotz – lieber auf ihre grenzenlose Weisheit vertrauen, als auf die Gesetze des freien Marktes, wird die Wohnungsknappheit in den Städten der Alpenrepublik so schnell nicht enden.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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