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Schwarz und Blau: Die beiden Programme

Zwei der drei großen Parteien haben nun gleichzeitig ihre Wahlprogramme veröffentlicht, beziehungsweise weitere Teile davon. Das Wichtigste und Erfreuliche daran: Nichts bei Schwarz oder Blau ist völlig unakzeptabel oder miteinander inkompatibel – auch wenn die Erfahrung lehrt, dass vieles insbesondere aus Geldmangel nicht verwirklichbar sein wird. Der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Programmen: Jenes der ÖVP ist viel präziser und voller konkreter Details; die FPÖ hingegen setzt viel klarere Prioritäten.

Der große Unterschied beider Konzeptionen besteht nur gegenüber dem SPÖ-Programm, das von Umverteilung und neuen Steuern nur so wimmelt, an dem vieles absolut schlecht für den Standort Österreich und unsere Zukunft wäre.

Nach Vorlage der Programme dürfte es eigentlich nach dem 15. Oktober nur noch eine Koalitionsperspektive geben, nämlich Schwarz-Blau, auch wenn sich jede der beiden Parteien alles offenhält. Dennoch ist klar: Wenn eine der beiden Parteien letztlich dann doch noch eine Koalition mit der SPÖ einginge, beginge sie einen schweren Vertrauensbruch am Wähler. Der ihr die nächsten fünf Jahre wie ein stinkender Klotz am Bein hängen würde.

Andere Koalitionsvarianten dürften ja schon rein rechnerisch kaum möglich sein. Eine Mini-Chance gäbe es höchstens für Schwarz-Pink. Inhaltlich hat sich bei den Neos zumindest Parteichef Strolz durch vorsichtige Positionsänderungen (etwas mehr Migrationskritik, etwas weniger EU-Fanatismus) in der Tat in Richtung Koalitionsfähigkeit bewegt. Der Rest der Partei eher nicht.

Zurück zu den Großparteien: Am freiheitlichen Programm springt vor allem die ganz klare Priorität für die direkte Demokratie nach Schweizer Muster als oberste und "absolute" Koalitionsvoraussetzung hervor. In der Tat ist eine obligatorische direkte Demokratie der beste, wenn nicht gar einzige Mechanismus, um die seit vielen Jahren offenkundige Reformunfähigkeit des politmedialen System doch noch zu überwinden. Sonst bleibt am Ende wieder alles von der Wirtschaft bis zur Migration und Islamisierung Notwendige in einem dichten Gestrüpp an lobbyistischen, rechtlichen, föderalistischen und sozialpartnerschaftlichen Fallstricken hängen.

Auch Sebastian Kurz hat sich zumindest vor vier Jahren eindeutig für eine echte direkte Demokratie ausgesprochen (freilich damals in seiner Partei nicht durchgesetzt). Dass er jetzt dazu schweigt, ist wahltaktisch zwar verständlich, damit er sich nicht in allzu vielen Diskussionen mit etablierten Strukturen verstricken muss, die um ihre Macht fürchten. Kurz hat sich aber umgekehrt auch noch nie von diesem Ziel distanziert. Dennoch wäre es gewiss transparenter, wenn er noch vor dem Wahltag Klarheit herstellen würde.

Freilich muss man sich bewusst sein: Das konkrete Schweizer Modell stößt auf zwei massive Hindernisse.

  • Das eine ist die Verfassung. Eine echte direkte Demokratie braucht eine Verfassungsänderung, sonst ist das Ganze nur ein leeres Gerede. Es ist aber sehr offen, ob Schwarz und Blau die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit erreichen. Das wird wohl nur dann gelingen, wenn zwei der drei Kleinparteien (Grün, Pink, Pilz) an der Vierprozentklausel scheitern. Oder wenn die Grünen trotz neuerlicher Oppositionsrolle noch dazu stehen, dass auch sie einst die direkte Demokratie gefordert haben.
  • Das zweite ist die EU. Europarecht kann ja rein rechtlich nicht durch nationale Beschlüsse durchbrochen werden, egal ob diese repräsentativ oder direktdemokratisch zustandekommen. Eine direkte Demokratie kann sich also nur auf jene Bereiche beziehen, wo der österreichische Gesetzgeber autonome Kompetenzen hat.

Freilich: Auch die österreichische Neutralität war einst nach dem Muster der Schweiz beschlossen worden. Sie sieht dennoch heute in vielerlei Hinsicht und aus vielerlei Gründen ganz anders aus.

Freilich: Auch die Schweiz als Nichtmitglied muss sich auf Grund ihrer bilateralen Verträge in vielem alternativlos der EU beugen – und hat dort Null Mitsprache. Das hat seit dem Schweizer Referendum zur Beschränkung der Personen-Freizügigkeit ein bisher ungelöstes Problem geschaffen.

Freilich: Es wäre eine juristisch kreative Aufgabe, auch das Stimmverhalten der österreichischen Minister in Brüssel an direktdemokratische Möglichkeiten zu binden. Eine solche Bindungsmöglichkeit gibt es ja auch jetzt schon (Artikel 23f) zugunsten des Parlaments. Und die allermeisten Ratsentscheidungen gehen ja auf jahrelange Vorberatungen innerhalb der Kommission zurück – also ist das Gegenargument nicht wirklich richtig, ein Referendum ginge sich zeitlich nicht aus.

Positiv an der FPÖ hervorzuheben ist zweifellos auch, dass sie offener als andere die Perspektive anspricht, dass Asylberechtigte wieder in ihre Heimat zurück müssen, sobald dort die Bedrohung für sie gebannt ist.

Weniger sinnvoll ist, dass die Partei meint, dass man wegen dieser Perspektive bei den Asylberechtigten auch gleich auf Integrationsbemühungen und Wertekurse verzichten sollte. Denn in vielen Fällen wird selbst bei einer Realisierung des freiheitlichen Vorschlags eine Rückkehr nie stattfinden. Und Wertekurse könnten überdies auch bei einer Rückkehr etwa nach Syrien eine positive Wirkung haben.

Bei der ÖVP würde es endgültig den Rahmen dieses Textes sprengen, alles Interessante und Positive an ihren Programmen herauszuarbeiten. Das gelingt beim Negativen dafür leicht: Die ÖVP drückt sich nicht nur um Aussagen zur direkten Demokratie, sondern auch zur Pflichtmitgliedschaft etwa in der Arbeiterkammer, zu den Zwangsgebühren für den ORF, zu den Bestechungsinseraten für fast alle Medien. Dabei sind das jeweils zentrale Aufgaben für eine Sanierung des Landes.

Umgekehrt gibt Sebastian Kurz aber auch für nichts davon eine Bestandsgarantie ab. Das lässt hoffen und für Koalitionsverhandlungen alles offen. Ich würde es aber auch für durchaus möglich halten, dass Sebastian Kurz in den letzten Wahlkampftagen da zumindest in einem Punkt noch Konkreteres sagt. Schon um wahlkampftaktisch in einem günstigen Zeitpunkt noch neue Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schon um der FPÖ auch da kein Alleinstellungsmerkmal zu lassen.

Logisch wäre freilich gewesen, in einem Programm auch etwas über ORF und GIS zu sagen, wo schon ganz klar das De-facto-Ende der Wiener Zeitung drinnensteht (nämlich als Folge des Ersatzes der heute anachronistisch gewordenen Pflichteinschaltungen durch kostenlose Internet-Veröffentlichungen, womit fast 90 Prozent der Finanzierungsbasis dieser Zeitung wegfallen würden).

Eher lächerlich ist es hingegen, am ÖVP-Programm zu kritisieren, warum das nicht jetzt schon alles verwirklicht worden ist. Denn in einer Koalition mit der SPÖ (und mit Großkoalitions-Fanatikern wie Mitterlehner und Brandstetter) war halt das Allermeiste nicht zu realisieren. Umso wichtiger ist, dass es jetzt im Wahlprogramm steht.

Einige positive Punkte aus dem wichtigen Bildungsbereich seien aber besonders hervorgehoben:

  • Kinder müssen eigene Deutschklassen erfolgreich(!) absolviert haben, bevor sie zum Regelschulbetrieb zugelassen sind;
  • Klares Bekenntnis zum Gymnasium und differenzierten Schulsystem;
  • Zweites verpflichtendes Kindergartenjahr nur bei jenen, wo es mangels Deutschkenntnissen gebraucht wird;
  • Entzug der Zulassung bei Missständen (was eindeutig auf die islamischen Kindergärten zielt);
  • Zurücknahme des Plans, dass alle Kindergärtnerinnen an die Uni müssen (das soll nur noch "schrittweise" für die "Leiterinnen" notwendig werden);
  • Offenbares Abrücken vom Verlangen, Sonderschulen zu schließen (das wird jedenfalls nicht mehr erwähnt, auch wenn im Inhaltsverzeichnis des ÖVP-Programms seltsamerweise das Wort "ein inklusives Schulsystem" steht, was ja ein Codewort für deren Schließung ist – fast klingt das nach einem redaktionellen Versehen nach Streichung diesbezüglicher Passagen im Textteil);
  • Verlangen nach Bildungsangeboten der Schulen im "Umgang mit Geld" und "Staatskunde" (was eindeutig mehr juristische und ökonomische Kompetenz im Lehrangebot und ein klares Abrücken von den früheren großkoalitionären Plänen darstellt, Lehrer-Jobs für Politologen zu schaffen, was ja auf Grund der Uni-Realitäten einen neomarxistischen Einmarsch in die Schulen bedeutet hätte);
  • Wechsel von der bisher nach Jahren gemessenen "Schulpflicht" in die Pflicht zur Erreichung der "Mindestbildungs-Standards";
  • Erhöhte Durchlässigkeit zwischen Privatwirtschaft und Bildungssystem;
  • "Flächendeckende Zugangsregelungen" und "moderate Studienbeiträge" an den Unis.

Im ÖVP-Programm finden sich auch viele andere durchaus wichtige und nett klingende Schwerpunkte, etwa zur – freilich viele Investitionen erfordernden – Digitalisierung ("5G-Pilotland"), etwa zum Bürokratieabbau, zur Beschleunigung von Infrastrukturverfahren oder zur Schaffung einer Religionsbehörde.

Etwas widersprüchlich ist allerdings das schwarze Energiekapitel. Darin findet sich gleichzeitig das Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen, zu den völlig unrealistischen EU-Emissionsreduktionszielen und zu vielen anderen ökologischen Utopien wie aber auch zur "Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unserer energieintensiven Betriebe". Dabei ist völlig klar: Die Verwirklichung jener Ziele würde den Tod großer Bereiche der Wirtschaft bedeuten.

Widersprüche werden halt auch dadurch nicht gelöst, dass man alles Unvereinbare nebeneinanderstellt …

PS: Zur direkten Demokratie darf ich übrigens mein kleines Büchlein "Schafft die Politik ab" empfehlen, das ausführlich deren Vor- und Nachteile untersucht.

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