Frontex und die Schließung der Mittelmeerroute

Außenminister Kurz hat in seiner Eigenschaft als OSZE-Vorsitzender den Marine- und Frontexeinsatz im Mittelmeer inspiziert. Seine danach publizierte Äußerung "der NGO-Wahnsinn muss ein Ende finden" hat hohe Wellen geschlagen, ist aber nachträglich durch einen italienischen Staatsanwalt bestätigt worden. Sein jüngster Vorstoß nach einer effektiven Schließung der zentralen Mittelmeerroute, analog zu der von ihm initiierten und gelungenen Schließung der Balkanroute, ist von Bundeskanzler Kern als "Vollholler" bezeichnet worden.

Das bezog sich insbesondere auf die Meinung des ÖVP-Obmannes, Seenotrettung dürfe nicht automatisch ein Ticket nach Europa sein. Kern meint, Überschriften produzieren sei zu wenig, die Eindämmung der Migration aus Afrika werde Jahre dauern und die Bevölkerung müsse auf die dadurch entstehenden Kosten schonend vorbereitet werden. Einig sind sich die beiden Herrn in der Ansicht, dass nur die EU Akteur sein kann.

Diese unterschiedlichen Meinungen sollten uns zu einem Rückblick veranlassen. Im November 2015 wurde vom Europäischen Rat im Einvernehmen mit einer Reihe afrikanischer Staatschefs der Aktionsplan von Valletta zur Eindämmung der Migration verabschiedet. Dieser Aktionsplan umfasst:

  1. Bekämpfung der Ursachen für irreguläre Migration und Vertreibung,
  2. Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich der legalen Migration und Mobilität,
  3. mehr Schutz für Migranten und Asylwerber,
  4. Verhinderung und Bekämpfung der irregulären Migration, der Schleusung von Migranten und des Menschenhandels und
  5. Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Rückführung und Rückübernahme.

Der Volltext des Aktionsplanes erweckt den Eindruck, die EU wolle die ideale Welt erschaffen. Sie hat dafür 31 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 vorgesehen. In Anbetracht der afrikanischen Bevölkerungsexplosion, der am Kontinent herrschenden staatlichen Misswirtschaft (siehe den Abstieg Südafrikas) und der Dominanz der Stämme werden die Ziele des Aktionsplanes wohl nie erreicht werden.

Die jährlich steigende Migrantenzahl und die Erklärung des Europäischen Rates nach der Junisitzung 2017 zeigen eine Verschlechterung der Lage. Die Erklärung lautet auszugsweise:

"Der Verlust von Menschenleben und die anhaltenden Migrationsströme auf der zentralen Mittelmeerroute, die vornehmlich von Wirtschaftsmigranten genutzt wird, sind eine strukturelle Herausforderung und bleiben vordringliches und schwerwiegendes Anliegen. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden die Kontrolle wiederherstellen müssen (Hervorhebung durch den Autor), um eine Verschlimmerung der humanitären Krise zu vermeiden.

Zu diesem Zweck müssen sie jetzt entschlossen handeln, indem sie die Koordinierung und Umsetzung sämtlicher Elemente der Erklärung von Malta, des Partnerschaftsrahmens und des gemeinsamem Aktionsplanes von Valletta intensivieren, was durch ausreichende finanzielle Ressourcen untermauert sein muss. Dazu gehört auch die Fortsetzung und Intensivierung der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern einschließlich der Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit bei Such- und Rettungstätigkeiten, die nach wie vor hohe Priorität hat.

Die Ausbildung und Ausrüstung der libyschen Küstenwache sind Schlüsselkomponenten des Konzeptes der EU und sollten beschleunigt werden. Die IOM und das UNHCR bleiben wichtige Partner, auch im Hinblick auf die Erleichterung der freiwilligen Rückkehr und die Verbesserung der Aufnahmebedingungen. Die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländer muss verstärkt werden, um den Migrationdruck an den Landgrenzen Libyens und anderer Nachbarländer zu mindern. Der Europäische Rat betont in diesem Zusammenhang wie wichtig es ist, die gemeinsame Einsatztruppe der G5 in der Sahelzone zu unterstützen. Dort bleibt ebenso wie anderenorts die Zerschlagung der Geschäftsmodelle der Schleuser und Menschenhändler ein vorrangiges Ziel, das auch durch eine bessere Kontrolle des Handels mit von ihnen verwendeter Ausrüstung verwirklicht wird. Zudem sollen weitere Anstrengungen unternommen werden, damit echte Fortschritte bei der Rückkehr- und Rückübernahmepolitik erzielt werden.

Aufbauend auf dem neuen Rückkehr-Aktionsplan sollen auf EU-Ebene umgehend und unter Nutzung aller verfügbarer Hebel – erforderlichenfalls auch durch eine Neubewertung der Visapolitik gegenüber Drittländern – gut funktionierende Rückübernahmeabkommen und pragmatische Vereinbarungen mit Drittländern eingeführt werden. Bilaterale Vereinbarungen von Mitgliedsstaaten mit Drittländern tragen ebenfalls zur Erreichung des Zieles bei."

Bundeskanzler Kern vertritt voll die Arbeitshypothesen des Europäischen Rates, wenn er kundtut, die Eindämmung der Migration übers Mittelmeer werde Jahre dauern und enorme Kosten verursachen. Ob die Eindämmung angesichts der afrikanischen Zustände überhaupt gelingt, ist stark anzuzweifeln. Festzustellen ist, die EU verabsäumt es, ihre Interessen nach Unterbindung der Migration zu definieren und laviert stattdessen, um ja nirgends anzustoßen, wirkungslos herum. Außenminister Kurz tritt für den sofortigen Stopp der Migration über das Mittelmeer ein und schlägt dazu die Rückführung der aus Seenot Geretteten in Auffanglager in Libyen vor. Die Kritiker bringen nur Gründe vor, warum das nicht geht, keiner unterzieht sich der Mühe darüber nachzudenken, wie diese Idee verwirklicht werden könnte. Libyen als Staat existiert nicht. Die von der EU anerkannte Regierung übt nur über einen Teil des ursprünglichen libyschen Staatsgebietes die Macht aus, der andere Teil zerfällt in mehrere Herrschaftsbereiche.

Wenn die EU der anerkannten libyschen Regierung im Gegenzug zur Errichtung von Auffanglager ihre Unterstützung im Kampf gegen die Diadochenregime gewährt und dies aus dem 31 Milliarden-Topf entsprechen absichert, so wird diese Regierung dem Ersuchen sicher entsprechen. Das Auffanglager wird zu Lasten der EU betrieben und kostet Libyen nichts. Das Lager sollte sogar der Aufsicht des UNHCR unterstellt werden, die EU führt dort die Prüfung der Asylanträge durch.

Asylanträge sollten nach strengen Maßstäben beurteilt werden. Abgelehnten Asylanwärtern sollte durch finanzielle Anreize die freiwillige Rückkehr in ihr Heimatland schmackhaft gemacht werden, um so die fehlenden Rücknahmeabkommen zu kompensieren. Je rigoroser diese Linie verfolgt wird, umso rascher spricht sich in den Herkunftsländern der Migranten die Änderung der EU-Haltung zur Migration herum. Dies dämpft den Migrationswillen und ist die wirkungsvollste Methode zur Schlepperbekämpfung. Es ist auch eine wirkungsvolle Methode, um das Vertrauen der EU-Bevölkerung in die Union wieder teilweise herzustellen. Nur teilweise deswegen, weil es noch eine Reihe unbefriedigender Problemfelder, wie etwa die Haftungsunion, gibt.

Rudolf Wirthig war Offizier beim österreichischen Bundesheer

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