Terror, Amok, Geiselnahme - Der Krieg rückt näher

Einsatzzüge des Roten Kreuzes und Feuerwehren nerven Autofahrer gelegentlich, wenn Straßenabschnitte und Tunnels wegen Übungen geschlossen werden müssen. Der Pfändertunnel, der die österreichische A14 mit der deutschen A96 verbindet, wird hie und da – meist vom Abend bis in die Nachtstunden – wegen diverser Übungen blockiert.

Was für die Verkehrsteilnehmer lästig erscheint, ist absolut unerlässlich, denn im Notfall soll alles klappen, und es hat in den letzten Jahren immer geklappt. Nicht nur mein Adrenalinspiegel steigt gewaltig, wenn die Rettungsmannschaften in den Tunnel einfahren, aber ohne regelmäßige Übungen ist das nicht zu machen.

Für Katastrophen gibt es geordnete Vorgehensweisen. Es gibt eine festgelegte Reihenfolge (Feuerwehr zuerst); es werden bestimmte Funkkanäle verwendet; es kommen so genannte Patientenleitsysteme zum Einsatz; und bei ganz großen Katastrophen rücken die so genannten K-Züge des Roten Kreuzes aus. Sie verfügen über Zelte, Feldbetten, Dieselaggregate, Scheinwerfer, Gulaschkanonen und anderes Material, das regelmäßig gewartet und ergänzt werden muss. Die Pläne und Vorgehensweisen sind eine Folge jahrzehntelanger Erfahrungen.

Die Polizei, die bei Großkatastrophen bisher eher am Rande beziehungsweise im Nachhinein tätig war, muss nun als dritte Organisation und mit zentraler Bedeutung mit ins Boot geholt werden. Im Innenministerium gibt es eine Arbeitsgruppe, die den Arbeitstitel "Terror – Amok – Geiselnahme" (TAG) trägt. Ziel dieser Arbeitsgruppe ist es, Vorgehensweisen bei Terroranschlägen neu zu definieren. Wenn die Richtlinien fertig ausgearbeitet sind, wird es zu gemeinsamen Übungen von Rettungsorganisationen, Feuerwehren und Polizeikräften kommen.

Ein Rettungskommandant, der jetzt über diese ministerielle Arbeitsgruppe und die ersten bisher bekannten Details die Mannschaften – zur Zeit noch rein informativ – informiert hat, sagte, dass wir uns auf "Kriegsszenarien" einstellen müssen. Niemand wünscht sich das, aber wenn es soweit ist, müssen wir gerüstet sein. Es ist anzunehmen, dass am Ende auch das Bundesheer mit einbezogen wird.

Selbstverständlich wird kein Politiker in der Öffentlichkeit von Krieg sprechen, wenn die neuen Maßnahmen publik werden sollten. Es wird eher von "Updates", "Upgrades", "Verbesserungen", "neuen Szenarien", "verbesserte Sicherheitsmaßnahmen" usw. die Rede sein. Aber wir alle sollten uns nichts vormachen. Die nicht enden wollenden Terroranschläge (euphemistisch "Einzelfälle") in Europa haben dazu geführt, dass sich die Behörden und Rettungsorganisationen auf zumindest kriegsähnliche Vorfälle vorbereiten müssen, auch wenn dies natürlich so nicht beim Namen genannt werden wird.

Euphemismus ist und bleibt das oberste Gebot der Politik. Die schlimmen und schmutzigen Dinge müssen eh Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Polizisten und Soldaten beseitigen.

Mag. Dr. Rudolf Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, promovierter Genetiker, pensionierter AHS-Lehrer für naturwissenschaftliche Fächer und Informatik und ehrenamtlicher Rettungssanitäter und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz in Vorarlberg.

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