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Die Leiden des Österreichers an Kita, Tschüs und Bullen

Nicole Schmidhofer heißt die junge Dame. Sie ist attraktiv, Skifahrerin und war bis zum Beginn der jüngsten Ski-Weltmeisterschaft in Sankt Moritz weitgehend unbekannt. Denn bis dahin hat sie keinen einzigen Weltcup-Sieg errungen. Dort aber dann gleich einen Weltmeistertitel.

Selbst wenn sie nie wieder siegen sollte – soll ja schon vorgekommen sein –, werde ich sie immer im Bewusstsein behalten. Weniger wegen Sieg oder Aussehen, sondern weil man seit Jahren nicht mehr einen so breiten Dialekt zu hören bekommen hat. Die junge Dame war wohl, weil zu unbedeutend, noch nicht vom Skiverband sprachlich flachgeschliffen worden.

Herrlich! Es gibt sie also doch noch, die unverfälschte österreichische – und regional sehr verschiedene – Sprache. Zumindest bei Skitriumphen kann sie auch das Fernsehen nicht totschweigen. Sonst hört man eine so ausgeprägte regionale Sprache ja nur noch in den Wirtshäusern des Südburgenlandes und des Bregenzer Waldes.

Die akustische Begegnung mit Frau Schmidhofer lässt nachdenken. Sie enthüllt eine unbemerkte, aber umso nachhaltigere Identitätsverschiebung: Der Dialekt ist völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Stimmen wie die Austro-Popper sind nur noch in Alkohol-Kliniken hinter einem Rollator oder auf dem Zentralfriedhof aus dem Jenseits zu hören.

Das ist nicht nur dem Dialekt, sondern auch der österreichischen Hochsprache passiert. Höchstens, dass bisweilen bei dem einen durch ein kehliges „K“ die Tiroler, oder bei einem anderen durch weiches Konsonanten-Näseln die Kärntner Herkunft noch zu erahnen ist. Bisweilen rutscht auch einem Wiener das Vorstadt-L noch durch. Aber sonst? Totale Ebbe. Auch U-Musik und Rapper-Aggressionen sind nur noch auf Englisch, auf Deutschdeutsch oder im Dialekt des Ruhrgebietes zu vernehmen. Österreichisch ist minderwertig.

Vom ORF bis zur Schule ist unbemerkt, aber nachhaltig das Wissen verloren gegangen, dass dieses Österreichisch – also nicht Dialekt oder Slang – eine gleichwertige Hochsprache ist.

Auch meine Familie leidet darunter, wenn der Nachwuchs deutschdeutsch spricht. Wenn man den Schulkindern erst mühsam beibringen muss, dass in Österreich die Note, die sie nach Hause bringen, „ein Einser“ ist und nicht „eine Eins“, geht gleich viel Freude über gute Noten verloren. Aber so hören sie es nun einmal von ihren Lehrerinnen (die in ihrer Ausbildung viel Gender-Schwachsinn, aber nichts über die österreichische Sprache gehört haben).

Ebenso mühsam zu vermitteln ist Kindern beispielsweise, dass in Wien keine „Fünf“ auf Straßenbahnschienen fährt, sondern nur ein Fünfer. aber selbst gute Lehrer glauben, die eigene Hochsprache sei böse und soll nicht verwendet werden. In der Werbeindustrie hat der Sparstift diktiert, dass diese sich die früher übliche Synchronisierung von Werbespots auf österreichisch erspart. Und beim ORF ist es nackte Kulturlosigkeit, dass er jede Bemühung um das Österreichische eingestellt hat. Dabei ist die kulturelle Identität Österreichs fast die einzige Rechtfertigung der ORF-Gebühren. Statt dessen indoktriniert er seine Moderatoren durch Gender-Quack.

Ist man nur noch ein Don Quixote, wenn man versucht, Produkte zu boykottieren, die in Werbespots als „lecker“ angepriesen werden? Freilich: Auch selbst ist man nicht imstande, ganz auf österreichische Sportübertragungen zu verzichten, obwohl dort neuerdings oft von „Jungs“ die Rede ist, was einem jedes Mal einen heftigen Stich versetzt.

Unlängst bin aber auch ich selbst von einem meiner Söhne (zu Recht) gerügt worden, als ich „hochgehen“ statt hinaufgehen wollte. Es ist eine schleichende, aber erfolgreiche Umerziehung, eine Einebnung aller sprachlichen Alpen.

Auch in der Literatur findet das Österreichische nicht mehr statt: Die heimischen Autoren schreiben nur noch auf deutschdeutsch. Winkt doch „draußen“ ein zehnmal größerer Leser- und Käufermarkt. Daher vergessen sie sofort alles, was sie sonst über die kulturelle Identität Österreichs plappern. Unter dieser verstehen sie längst nur noch die Förderungen aus österreichischen Steuergeldern.

Um die Autorenszene aber nicht nur zu tadeln: Immerhin macht keiner von ihnen bei der furchtbaren Gendersprache mit. Als ich unlängst erstmals in einem an sich guten Krimi von „Dürnsteinerinnen und Dürnsteinern“ las, stammte dieser von – einem ehemaligen Politiker. Also von jemandem aus einer Berufsgattung, die schon immer übel mit Sprache umgegangen ist.

Zurück zum Deutschdeutsch. Viele Autoren von Fernsehkrimis schrecken selbst in vermeintlicher Hochsprache nicht vor tiefen Slang-Ausdrücken wie „Bullen“ für Polizisten zurück. Seit vielen Jahren – war es zuletzt im Kottan? – hat man nicht mehr eines der heimischen Pendants zu den „Bullen“ gehört. Wie etwa „Kiberer“ oder „Grüne“ oder „Wachmann“. Man muss fast schon froh sein, dass in Deutschland wenigstens der „Schupo“ außer Sprachmode gekommen ist. Sonst wäre der wohl auch schon einmarschiert. Mit gewisser Schadenfreude beobachtet man, dass inzwischen aber auch schon die „Bullen“ selbst wieder in einer Abwehrschlacht liegen – nämlich gegen die amerikanischen „Cops“.

Dafür haben sie in der österreichischen Landwirtschaft einen Vormarsch begonnen. Ich war jedenfalls völlig perplex, als meine bäuerlichen Verwandten (in der tiefsten Steiermark) von einem „Bullen“ geredet und einen „Stier“ gemeint haben.

Absolut unausrottbar ist das „Verklagen“ geworden. Dabei ist das eine im österreichischen Recht völlig unbekannte Tätigkeit. Jahrelang habe ich Journalisten – offensichtlich vergeblich – beizubringen versucht, dass es das Wort in Österreich gar nicht gibt. Dass man hier entweder „anklagt“ (der Staatsanwalt beim Strafgericht) oder schlicht „klagt“ (was jeder von uns tun kann, der bei einem Zivilgericht eine Forderung einzutreiben versucht).

Verloren scheint auch das österreichische Match gegen „Kartoffel“ und „Tomate“. Wer es nicht glaubt, suche einmal in Speisekarten oder Märkten nach Erdäpfeln und Paradeisern. Selbst mein Windows-Rechtschreibprogramm mit seinen hunderttausenden Wörtern kennt die saftigen roten Früchte nicht. Sie sind halt ein Fehler. Aus.

Ebensowenig aufhaltbar scheint der Einmarsch der „Mütze“. Oder jener des „Tschüs“. Das österreichische Gegenstück „Servus“ ist zwar noch nicht tot, aber die deutschen Sprachimperialisten haben es (unabsichtlich oder durch einen bewussten Trick?) sinnentleert: Während klar ist, dass „Servus“ nur unter Menschen verwendet wird, die per Du sind, verwenden es Deutsche skurrilerweise gegenüber Österreichern, mit denen sie per „Sie“ sind. Das klingt zwar furchtbar, ist aber herablassend-leutselig gemeint. Freilich: Selbst der Urkärntner Armin Assinger begeht in seiner Sendung ständig diesen Fehler (um "Grüß Gott“ zu vermeiden?).

Besonders absurd ist der Vormarsch der „Kita“. Hat doch der „Kindergarten“ einst sogar die englische Sprache erobert, und dort die „Nursery“ marginalisiert. Und jetzt geht er selbst langsam unter.

Deutschdeutsch ist auch bei der Aussprache im Vormarsch. Da hört man etwa Kinder von einer Giraffe reden, die wie eine Kompilation von "Gier" und "Affe" klingt und die nicht mit "Sch“ anfängt. Und dass China mit einem "K“ als Anfangsbuchstabe gesprochen wird, ist ebenso unbekannt.

Tapfer verteidigen die Österreicher hingegen die eigene Sprache erstaunlicherweise ausgerechnet bei Ausdrücken, die es erst seit wenigen Jahren gibt, etwa beim E-Mail. „Das“ Mail aus Österreich bleibt unverdrossen sächlich, während aus Deutschland „die“ Mail zurückkommt. Man sieht: Man kann sich ja auch auf österreichisch verständlich machen.

Insgesamt scheint die Vereinheitlichung der Sprache aber unaufhaltsam. Warum? Weil  in Österreich heute immer mehr deutsche Fernsehsender gehört werden? Weil der ORF die österreichische  Sprache für überflüssig hält? Weil Österreichisch für viele zum Fehler geworden ist? Weil an den Universitäten von allzu vielen deutschdeutschen Professoren kaum noch irgendwo österreichische Sprach-, Geschichts- und Kulturidentität vermittelt wird? Weil die Österreicher halt einen kulturellen Minderwertigkeitskomplex haben? Weil dumme Lehrer Slang mit Hochsprache verwechseln? Weil die Probleme bei etlichen Produktbezeichnungen rund um den EU-Beitritt von den großen Internationalisten rund ums Außenministerium nur lächerlich gemacht worden sind? Wurzelt das Absterben des Österreichischen im mangelnden Identitäts- und Selbstbewusstsein der Menschen selber? Oder darin, dass der Unterschied zwischen österreichischer und deutscher Hochsprache zu klein ist, als dass man sich seiner überhaupt bewusst wäre? 

Es spielen wohl all diese Aspekte mit.

Andererseits: Die Schweizer pflegen ihr Schweizerdeutsch mit großer Intensität. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 

Egal: der Österreicher freut sich jedenfalls, wenn Frau Schmidhofer auftritt. Noch ist Österreich nicht verloren.

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form in der neuen, sehr kulinarisch gestalteten Vierteljahreszeitschrift Frank&Frei erschienen, an der viele prominente Autoren, insbesondere auch Gastkommentatoren des Tagebuchs mitwirken. Probeexemplare können bestellt werden unter:

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