Die unheimlichen Parallelen

Dass ein amerikanischer Philosoph „unheimliche Parallelen“ zwischen dem Deutschland der Weimarer Zeit und den USA der 1980er-Jahre diagnostiziert, mag zunächst überraschen. Doch Leonard Peikoff versteht es, in einer brillanten Analyse, die einen historischen Bogen bis in die griechische Antike schlägt, auf zwingende Weise zu begründen, wie er dazu kommt.

Zunächst räumt er rigoros mit einigen gängigen Erklärungen auf, die für die Entstehung des Nationalsozialismus in Deutschland angeboten werden, wie verlorener Weltkrieg, zerstörtes Selbstwertgefühl von Generationen, Hyperinflation, Massenarbeitslosigkeit, politische Polarisierung, etc. All diese Phänomene traten so oder in ähnlicher Form auch anderswo auf, ohne dass sich am Ende eine nationalsozialistische Diktatur etablieren konnte. Peikoff verortet die Erklärung des Phänomens in der dem Denken der meisten Deutschen zugrundeliegenden falschen Philosophie.

Die Begriffsklärungen Peikoffs sind besonders für diejenigen erhellend, die sich mit Philosophie nicht oder nicht intensiv beschäftigt haben. Insbesondere der Erkenntnistheorie widmet Peikoff breiten Raum.

Die Schuld an der besonders in Deutschland grassierenden „Seuche des Kollektivismus“ lastet er im Wesentlichen drei großen Philosophen an: Platon, Kant und Hegel. Diese drei stehen in direkter Opposition zum freiheitlich-individualistischen Denken des Aristoteles. In diesem Punkt deckt sich die Analyse Peikoffs voll und ganz mit jener Ayn Rands.

Wie schon Rand, so wirft auch er Immanuel Kant vor, mit seiner „Kritik der reinen Vernunft“ ein Tor zum Irrationalismus aufgestoßen zu haben, durch das dann – allen voran Hegel, der Apologet des preußischen Absolutismus – eine Reihe von Nachfolgern hindurchgetreten seien. Der auf dem von diesen Männern produzierten Humus gedeihende deutsche Idealismus wurde zum Gegenentwurf zum rationalistischen Denken, das in England herrschte und das letztlich in der amerikanischen Revolution (der Sezession der 13 Kolonien vom englischen Mutterland) seinen höchsten Ausdruck fand.

Peikoff: „Hegels Kollektivismus und Staatsverehrung sind expliziter als alles, was sich in Platons Schriften findet.“ So wird durch ihn das Individuum vollständig marginalisiert, wie im folgenden Zitat aus „Philosophie und Geschichte“ deutlich wird: „Aller Werth, den der Mensch hat, alle geistige Wirklichkeit, er allein durch den Staat hat.“ Die Fundamente des totalitären Staats, wie ihn später die Nationalsozialisten verwirklichen werden, sind zu dieser Zeit schon gelegt. Als diese dann in den 1920er Jahren antreten, die Macht zu erobern, finden sie dafür ideale Voraussetzungen vor, die durch kollektivistisch-autoritäres, jeder Vernunft zuwiderlaufendes Denken geschaffen wurden. Die „deutsche Tugend“ blinden Gehorsams wird am Ende zum Sargnagel von Frieden und Freiheit.

Peikoff beklagt aber auch den vollständigen Mangel an eigenständig denkenden Philosophen in den USA. Letztlich habe man ausschließlich auf aus Europa importierte Ideen gesetzt. John Locke, der als „intellektueller Gründervater“ der Vereinigten Staaten gelten darf, wurde nach und nach durch Immanuel Kant ersetzt, der den Aufstand gegen die Vernunft anführte.

Da moralisches Verhalten durch die zunehmend an Einfluss erlangenden Intellektuellen als „uneigennütziger Dienst an der Gemeinschaft“ definiert wird, haben die Verteidiger des klassischen Laissez-Faire-Kapitalismus auch in den USA einen immer schwereren Stand.

In einem den verschiedenen Stadien der nationalsozialistischen Durchdringung Deutschlands gewidmeten Abschnitt wird die verheerende Wirkung eines Abweichens von der „reinen Vernunft“ deutlich. Relativismus aller Art, der in einer Verwerfung des aristotelischen Prinzips der Identität gipfelt, könnte sich auch in den USA zu einer totalitären Bedrohung auswachsen.

Das englischsprachige Original des Buches erschien bereits im Jahr 1982 („The Ominous Parallels“). Nun liegt endlich eine Übersetzung ins Deutsche vor.

Die unheimlichen Parallelen
Dr. Leonard Peikoff
Juwelen Verlag 2016
377 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3945822-13-5
19,90,- Euro

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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