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Retten wir die freien Berufe

Die Freien Berufe – insbesondere Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater – sind in den letzten Jahren zunehmend unter Druck geraten. Hier sollen sie im Namen der Geldwäsche- und Terrorismusprävention verdächtige Klienten beim Staat melden („Spitzelfunktion“), dort drängen jene, die sich vor zehn Jahren den Weg in die Verfassung gebahnt haben, zunehmend ins Beratungsgeschäft.

Nunmehr wird mit dem geplanten Fall des notariellen Beglaubigungsmonopols (ausgerechnet) zu Gunsten der Banken eine rote Linie mit noch ungeahnten Folgen überschritten. Wenn die Notariatsaktspflicht für den Gründungsakt bei sogenannten Standardgründungen (Ein-Personen-GmbHs) fällt und die obligatorische Beglaubigung der Musterzeichnung des Geschäftsführers durch genau jene Banken durchgeführt werden soll, die die Bestätigung über die Einzahlung des Stammkapitals ausstellen, entsteht ein klassischer Interessenkonflikt. Da von den Banken, so die Erläuterungen, für ihre neuen Dienstleistungen „auch ein gesondertes Entgelt verlangt werden kann“, ist nicht einmal eine Verteuerung des Gründungsvorgangs ausgeschlossen.

All das plant ein Entwurf des Bundeskanzleramtes weniger im Namen der Verbilligung, sondern vielmehr der Beschleunigung des Gründungsvorganges um ein oder zwei Tage.

Eine Verbilligung wäre ein durchschaubar falsches Argument, da eine solche praktisch nicht mehr möglich ist. Die Gründungskosten im Fall einer einfachen GmbH-Gründung sind bereits auf 98 Euro herunternormiert worden. Nur dort, wo der Anwendungsbereich des Billigtarifs im Notariatstarifgesetz ausgeweitet wird (was per se nichts mit dem GmbH-Gesetz zu tun hat), soll es eine Kostenreduktion um „ca 95%“ geben.

Eine Beschleunigung wird mangels rechtskundiger Beratung bei der vermeintlich angesprochenen Gruppe von Start-Ups in der Praxis kaum stattfinden. Wenn dies der Fall sein sollte, dann bei Massengründungen im Konzern.

Schon die seinerzeitige Senkung des Stammkapitals von 35.000 Euro auf 10.000 Euro mit der anschließenden Reparatur einer befristeten „Gründungsprivilegierung“ hat die Problematik von Schnellschüssen aufgezeigt.

Nebenbei ist den Schreibern des Gesetzesentwurfs auch ein handwerklicher Fehler unterlaufen, weil sie übersehen haben, dass nicht nur Notare, sondern – von der Notariatsakts- und Beglaubigungsfunktion abgesehen – auch Rechtsanwälte im GmbH-Gründungsgeschäft tätig sind und daher auch diese die Treuhandfunktion für eingezahltes Stammkapital übernehmen könnten und sollten. Das Ziel der Beschleunigung des Gründungsvorgangs vor den Augen haben die Autoren selbst bei der Formulierung des Gesetzestextes der Eile gegenüber der Qualität den Vorzug gegeben.

Wenn die Banken in Zukunft Musterzeichnungen beglaubigen, wird es auch kein Argument mehr geben, dass Banken nicht auch jeden Geschäftsführerwechsel beglaubigen können. Wie wäre es mit der Beglaubigung der Hauptversammlung einer Ein-Personen-Aktiengesellschaft durch die Hausbank? Bei einer Kapitalerhöhung könnte man sich auch ein bis zwei Tage ersparen. Man könnte meinen, dass die Regierung die Banken nach jahrelanger Drangsalierung durch die Eröffnung eines neuen Geschäftsfeldes versöhnen möchte.

Da der Gesellschafterwechsel schon jetzt im Normalfall nur der unbeglaubigten Meldung ohne Vorlage des Abtretungsvertrages bedarf, braucht es nicht viel Phantasie, um den Weg in die Vulgär-GmbH vorzuzeichnen.

Warum diese vereinfachte Form der Gründung (zunächst?) nur der Ein-Personen-GmbH vorbehalten ist, könnte man auch hinterfragen – und diese Frage wird möglicherweise schon bald den Verfassungsgerichtshof beschäftigen. Prinzipiell ist ja eine „Gesellschaft“(!) mit einer einzigen Person begrifflicher Nonsens. Wir haben uns nur deshalb so sehr daran gewöhnt, weil ein im Firmenbuch eingetragener Unternehmer dem Einkommensteuerregime (und somit einem „normalen“ Spitzensteuersatz von 50%) unterliegt, während eine GmbH 25% Körperschaftsteuer zahlt (den Fall der Neutralität im Fall der sowieso kaum stattfindenden Ausschüttung durch die KESt lassen wir beiseite). Also: In Wirklichkeit hat die Flucht in die Ein-Personen-GmbH rein steuerliche Gründe, die Teile der Gesetzgebung nun auf Kosten der Rechtssicherheit beschleunigen möchte. Alternative: ein zeitgemäßes Steuerregime für Jungunternehmer zum Anfangen.

Der Kapitalismus lebt von einer verlässlichen Rechtsordnung, zu der auch die Formstrenge gehört. Im Falle des Firmenbuchs ebenso wie beim Grundbuch gehören öffentlicher Glaube und Formstrenge untrennbar zusammen. Wer die Formstrenge aufweicht, beeinträchtigt den öffentlichen Glauben, also die Verlässlichkeit in die öffentlichen Bücher.

Die Brechung des Beglaubigungsmonopols zu Gunsten der Banken mag als kleiner Schritt angesehen werden, er bedeutet allerdings einen Dammbruch, der ein bewährtes System der Rechtskultur zum Wanken bringen wird.

Im Justizausschuss des Parlaments – dessen Mitglied ich bin – hätte dieses Gesetz keine Chance. Dort ist die Skepsis zu groß. Wohl daher wurde es dem Verfassungsausschuss zugewiesen (in dem ich nur Ersatzmitglied bin) und wo die Änderung des GmbH-Gesetzes im Deregulierungsgesetz 2017 mehr oder weniger unbemerkt mitgenommen werden soll.

Anstatt viel Energie in Phantomerleichterungen und die Vulgarisierung des österreichischen Rechts zu investieren, bietet das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht eine Menge an Möglichkeiten, der österreichischen Wirtschaft wettbewerbstaugliche Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen (Etablierung eines Konzernrechts, Modernisierung des Aktienrechts, Durchforstung von Berichtspflichten etc., etc.). Seit Jahren erlebt die Wiener Börse einen Rückzugsboom („Delisting“), ohne dass die Politik in irgendeiner Weise reagiert. Ich habe aus meiner Erfahrung in der Gesetzgebung sogar den Eindruck, dass diese Entwicklung gar nicht bemerkt wird. Zu tun gäbe es mehr als genug.

Mag sein, dass die freien Berufe per se nur eine relativ kleine Gruppe von Wählern umfassen. Ihren Stellenwert in einer funktionieren Marktwirtschaft gering zu schätzen und bewährte Grenzen ins Fließen zu bringen, wäre ein Schritt Richtung Verluderung der gesamten Rechtsordnung.

Wehren wir den Anfängen.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Er ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP. 

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