Veränderung unerwünscht

Nachdem mit Heinz Fischer zwölf Jahre lang ein 68er Sympathisant in der Hofburg residiert hat, mehr oder weniger im politischen Dämmerschlaf, folgt mit Systemverteidiger Van der Bellen ein weiterer Repräsentant der linken Hegemonialmacht nach. Der einstige Bekämpfer der Eliten hat die Interessen des sich hinter ihm angesammelten Establishments in den Rang eines Dogmas erhoben, einen möglichen Hofer-Sieg mit schlimmsten Untergangsszenarien verziert und die Stimmbürger gleichzeitig mit regelmäßigem Nazi-Geschrei an ihren unüberwindbaren Schuldkomplex erinnert. Erfolgreich.

Somit wurde die Systemveränderung erst einmal verschoben. Die Mehrheit hat sich für den EU-hörigen Kandidaten entschieden, der sich träge von Widerspruch zu Widerspruch emporgeirrt hat.

Kaum präsentierte sich das Votum pro Van der Bellen, trudelten auch schon die ersten beglückwünschenden Sprüche der Schulterklopfer ein. Was wurde von den Spitzen der Alt-Republik nicht unmittelbar nach der ersten Hochrechnung schon getwittert und gepostet. Man versicherte sich gegenseitig, auf der richtigen Seite gekämpft zu haben und war stolz darauf, dass die als Negativschablone agierende Kampagne zum erwünschten Ergebnis geführt hatte.

Die moralisch Überlegenen, die Vernunftbegabten haben dieses Land nach eigener Auffassung in einem politischen Kraftakt vor schlimmeren Schäden bewahrt. Die Angst, die monatelang innerhalb der Anti-Hofer-Koalition ob des drohenden Verlusts ihrer jahrzehntelang mühsam etablierten Hegemonie in Kultur, Gesellschaft und Politik spürbar war, entlud sich schlagartig in groteske Jubelrufe, welche die neue Lust an der alten Politik in die übliche Phraseologie gossen. 

SPÖ-Klubobbmann Schieder beurteilte den Wahlsieg des Grünen prompt als glückhaftes Ergebnis, das nun in die richtige Richtung weise. Der sozialdemokratische Oberlehrer, tugendhaft und besserwisserisch, ist einmal mehr der Banalität des Gutgemeinten erlegen. Kanzler Kern deutete das Wahlergebnis als Präferenz für eine weltoffene Politik der Chancen. Genau in seinem Sinne.

Die Kleinkoalition kann nun auf Hofburg-Hilfe hoffen, wenn es darum geht, die rot-schwarze Stillstandspolitik weiterzuführen und Neuwahlen weitestgehend zu verschleppen. Vizekanzler Mitterlehner darf sich schadenfroh ins Fäustchen lachen, seine Wahlempfehlung hat dem Professor genügend konservative Stimmen zugeführt, um die Wahl zu gewinnen. Dieser christdemokratische Kniefall vor dem linken Milieu samt politischer Selbstverleugnung obliegt seiner Verantwortung als Parteichef. 

Auch ausländische Akteure zogen moralisch Bilanz: Sigmar Gabriel, SPD-Chef und glühender VdB-Groupie, bezeichnete die Wahl des ehemaligen Sozialdemokraten naturgemäß als Sieg der Vernunft. Der italienische Außenminister Paolo Gentiloni sprach von einem guten Zeichen, noch nicht wissend, dass Parteivorsitzender Renzi im Angesicht des spektakulären Scheiterns beim Verfassungsreferendum seinen Hut ziehen wird. Nicht unerwähnt sei der verbale Beifallssturm des deutschen Bundespräsidenten in spe, Frank-Walter Steinmeier, der bekundete, dass Europa, sprich der EU als supranationaler Werteanstalt, ein Stein vom Herzen falle. Der Vormarsch des Populismus sei nun endlich gebannt.

Die Achse der Guten landete mit ihrem von Hysterie aufgeladenen Populismus-Etikett einen Punktesieg. Letztlich ist dieser Vorwurf ebenso populistisch wie die politischen Mittel, die man beim Gegner anzuprangern vorgibt. Inhaltlich gibt diese Worthülse nichts wieder. Sie dient sich jedem an, der zu bequem ist, eigenständig zu argumentieren, und wird den linken Karren bei den nächsten Wahlen nicht mehr aus dem Mist ziehen.

Mag. Jürgen Pock hat Germanistik und Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz studiert. Redakteur bei „Grazer Woche“ und „Kleine Zeitung“. Pressearbeit Red Bull GmbH. Aktuell Pressesprecher, Kommunikationsexperte und Polit-Blogger.

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