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Sexueller Missbrauch - die ignorierte Pandemie

Die Faktenlage ist erdrückend: Schon seit Jahrzehnten wird anhand unzähliger Fälle deutlich, welche dramatischen Dimensionen und welch unglaubliches Zerstörungspotenzial sexueller Missbrauch aufweist.

Jüngst wurde dies erneut eindrücklich bestätigt: Nicht nur durch die hunderten Fälle von Missbrauch im englischen Fußball, sondern auch durch die hunderten Fälle des Missbrauchs von Turnern und Turnerinnen in den USA. In Österreich läuft gerade ein Prozess gegen das Sportidol Seisenbacher. Hunderte missbrauchte Menschen, viele davon für ihr Leben schwer gezeichnet, machen einfach nur wütend!

Was dabei wirklich verblüfft und sprachlos macht ist die Erkenntnis, welche Schlüsse aus diesen erschütternden Berichten eben nicht gezogen wurden und werden. Wie reagiert die Politik darauf, die so oft dazu neigt, jede x-beliebige Kleinigkeit zum Anlass zu nehmen, um sofort mit neuen Gesetzen zu kommen. Angesichts einer Pandemie des sexuellen Missbrauchs, werden die Hände in den Schoß gelegt. Man hofft offensichtlich völlig naiv darauf, dass das nur Einzelfälle wären und es sich schon bessern wird. Oder dass die betroffenen Organisationen eben selbst Maßnahmen ergreifen werden, um das in der Zukunft zu verhindern. Wer in Österreich hat sich denn nach den Vorkommnissen in Sportvereinen in England und den USA mit der drängenden Frage befasst, wie denn das in österreichischen Fußballklubs und Turnvereinen läuft? Und: Wie sind Kinder in Musikschulen, Musikvereinen, beim Tennisclub, bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem Schiverband etc, etc geschützt?

Man scheint nach wie vor unhinterfragt davon auszugehen, dass in all diesen Organisationen ja nur Ehrenmänner/frauen tätig sind – oder doch nicht? Die Dunkelziffer an Opfern, die es in all diesen Bereichen geben muss, ist mit Sicherheit absolut erschreckend. Doch solange diese schweigen, geht man davon aus, dass es überhaupt kein Problem gibt. Bis dann schlussendlich (oft erst nach vielen Jahren), wie nun in England und den USA, der Damm bricht. Dann ist das Erstaunen riesig.

Solche weichen Zugänge sind aus folgenden Gründen mehr als blauäugig!

  1. Mit sexuellem Missbrauch muss zwingend überall dort gerechnet werden, wo ein starkes Machtgefälle besteht und z.B. ein Trainer nahezu allmächtig und unhinterfragt agiert.
  2. Die Erfahrung lehrt, dass mit Missbrauch jedenfalls dort gerechnet werden muss, wo besonderen Vorbildern gehuldigt wird. Wo – wie bei bestimmten Stars, also bei Trainern, Lehrern, Musikern, Künstlern etc. – Kinder und ihre Eltern ein hohes Interesse daran haben, dort ausgebildet zu werden und in diesem Zirkel dabei sein zu dürfen.
  3. Wer als Trainer etc. nahezu sakrosankt ist, hat potenziell eine hohe Chance, mit einer eventuell bestehenden Neigung zu Missbrauch lange Zeit unbehelligt durchzukommen. Und er wird möglicherweise im Laufe vieler Jahre eine riesige Anzahl an Opfern produzieren.
  4. In Organisationen, die ein hohes Ansehen genießen, die in der Öffentlichkeit sehr präsent sind und deren Imagewerte eine heile Welt suggerieren, mit Verantwortungsträgern, die Experten in ihrer Disziplin sind, die aber für Missbrauchsgefährdungen blind sind, finden Missbrauchstäter oft ein für ihre Zwecke nahezu ideales Umfeld.
  5. Kinder zu schulen, sich zu wehren, ist gut, greift aber für sich genommen zu kurz. Auch potenzielle Täter müssen in den Blick genommen werden.
  6. Missbrauchstäter sind „Meister der Manipulation“. Sie sind wahre Experten darin, ihre Umgebung zu manipulieren und über ihre wahren Motive zu täuschen. Sie sind – meist durch lange Jahre der Erfahrung, mit Missbrauch durchzukommen – äußerst raffiniert darin, ihre Opfer massiv einzuschüchtern und unter Druck zu setzen, sowie gleichzeitig die Umgebung bereits vorsorglich gegen die Opfer aufzubringen. Falls dann einmal doch etwas durchsickern sollte, kann man das problemlos der ja allseits bekannten Tatsache zuschreiben, dass diese Menschen ja „nicht ganz dicht“ und keinesfalls glaubwürdig seien. Sie würden ja nur einen bekannter Weise honorigen und integren Menschen böswillig „anpatzen“ wollen.

Viel zu oft wird nach wie vor übersehen, dass sexueller Missbrauch keinesfalls die Ausnahme ist, der Kometeneinschlag, der nur alle Jahrhunderte einmal vorkommt und gegen den man sich nicht wirksam wappnen kann. Gerade die Reaktionen jüngst in England und in den USA offenbaren eine dramatische Unkenntnis der oben skizzierten Dynamiken, wenn regelmäßig nach dem Bekanntwerden eines Missbrauchsskandals von den Verantwortungsträgern mit dem Brustton der Überzeugung gesagt wird: „Wir sind völlig überrascht, damit haben wir nicht gerechnet!“

Falsch: Mit sexuellem Missbrauch müssen alle Organisationen rechnen, insbesondere diejenigen, die sich Kindern und Jugendlichen widmen.

Wer in einer solchen Organisation Verantwortung übernommen hat und es verabsäumt, sich mit dem Gefährdungspotenzial des sexuellen Missbrauchs intensiv zu befassen, kann sich im Falle des Falles im 21. Jahrhundert nicht mehr auf ein „Überrascht-Sein“ ausreden, sondern hat seine Verantwortung einfach in einer grob fahrlässigen Art und Weise nicht wahrgenommen. Eine Verantwortung, die natürlich vorrangig im Schutz der anvertrauten Kinder und Jugendlichen bestehen muss, denn alles andere ist sekundär.

Aus den schier allgegenwärtigen Missbrauchsereignissen und Missbrauchsgefährdungen müssen endlich wirksame Schlussfolgerung gezogen werden:

  1. Auch wenn sexueller Missbrauch nicht generell verhindert werden kann, müssen Regierungen endlich Regelungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen erlassen. Die Hoffnung auf die Selbstorganisation der Institute reicht absolut nicht aus.
  2. Organisationen müssen rechtlich dazu gezwungen werden, wirksame Präventionssysteme gegen sexuellen Missbrauch etablieren. Selbst gute Präventionssysteme können Missbrauch nicht ausschließen. Sie können aber ein sogenanntes „täterfeindliches Umfeld“ schaffen. Solche Organisationen sind dann für potenzielle Täter schon deshalb nicht attraktiv, weil die Chance, dort missbrauchen zu können und/oder damit durchzukommen, für sie als viel zu gering erscheint.
  3. Verantwortungsträger in Organisationen, die sich der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen widmen, müssen im Themenbereich des sexuellen Missbrauchs nachweislich auch selbst geschult sein.
  4. Organisationen einer bestimmten Größenordnung müssen in Analogie zu Sicherheitsvertrauenspersonen, Sicherheitsfachkräften, Brandschutzbeauftragten, Brandwarten, Ersthelfern, Betriebsärzten etc. auch über speziell geschulte Missbrauchsbeauftragte verfügen. In nicht wenigen Institutionen ist ja die Gefahr des sexuellen Missbrauchs um ein Vielfaches höher als die Gefährdung der physischen Sicherheit! Und die langfristigen Folgen eines erlittenen Missbrauchs wesentlich belastender als ein falsches Sitzen vor einem Bildschirm.

Durch das Untätigsein der Regierung in einem Bereich, der gerade in vielen Vereinen ein enormes Schadenspotenzial aufweist, ist Missbrauch nach wie vor Tür und Tor geöffnet. Später ist man dann wieder unglaublich überrascht. Nennt man das immer noch Heuchelei?

Mag. Johannes Leitner ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Leiter eines genossenschaftlichen Revisionsverbandes, Steuerberater und war langjähriger Leiter einer christlichen Laiengemeinschaft im Raum Wien. Er ist Mitautor des 2012 erschienenen Buches „Sexueller Missbrauch in Organisationen; Erkennen-Verstehen – Handeln“

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