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Was die Flüchtlingskonvention und die Menschenrechtskonvention wirklich sagen

Wann immer in der politischen Diskussion etwas am Asyl- oder Flüchtlingsrecht restriktiv geändert werden soll, ertönt der Hinweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) oder die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) wie auf ein Tabu, eine unantastbare Monstranz, die da herumgetragen wird. Vor vielen Monaten hat England die Europäische Menschenrechtskonvention außer Kraft gesetzt. Verräterischerweise ist darüber in der Presse fast nichts geschrieben und kommentiert worden.

Man stelle sich vor, Österreich oder Deutschland hätten das getan! Aber tatsächlich ist eben auch unter Geltung von GFK und EMRK vieles machbar, wenn man den politischen Willen dazu hat. Die Konvention wird viel zitiert und wenig gelesen. Gerade hat Frankreich die EMRK teilweise außer Kraft gesetzt. Wir streben eilig dem Polizeistaat zu.

Zunächst: Die GFK stammt ursprünglich vom 28.7.1951, galt nur für Europa, de facto für Flüchtlinge aus dem kommunistischen Machtbereich. Da war es einfach (und diente der Propagierung der westlichen Werte), großzügig zu sein. Erst am 31.1.1967 wurde sie weltweit ausgedehnt. 137 Staaten haben sie heute ratifiziert, auch so illustre wie Somalia, Kongo, Kenia, Sudan, Iran, Israel, Uganda, Jugoslawien oder die Türkei.

Die GFK begründet keine Einreiserechte für Individuen, sie gewährt kein Recht auf Asyl, sie ist ein Abkommen zwischen Staaten, sie normiert – recht interpretationsfähig – das Recht im Asyl, nicht auf Asyl. Das Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bleibt jedem Unterzeichnerstaat selbst überlassen.

Natürlich (Artikel 1 der GFK) kann ein Flüchtling zurückgeschickt werden, wenn ein „Wegfall der Umstände“ eingetreten ist, aufgrund derer er anerkannt wurde.

Die GFK findet auch keine Anwendung auf Personen, die Verbrechen begangen haben (Artikel 1 F), und natürlich hat jeder Flüchtling „gegenüber dem Land, in dem er sich befindet, die Verpflichtung, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften sowie die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung getroffenen Maßnahmen zu beachten“ (Artikel 2).

Artikel 9 verschärft das: „Keine Bestimmung dieses Abkommens hindert einen Staat ... bei Vorliegen schwerwiegender und außergewöhnlicher Umstände daran, gegen eine bestimmte Person vorläufig die Maßnahmen zu ergreifen, die dieser Staat für seine Sicherheit für erforderlich hält.“

Illegale Einreise eines Flüchtlings kann durchaus bestraft werden, nur dann nicht, wenn der Flüchtling „unmittelbar aus einem Gebiet kommt, in dem Leben oder Freiheit bedroht waren“ und „vorausgesetzt, dass er sich unverzüglich bei den Behörden meldet und Gründe darlegt, die die unrechtmäßige Einreise ... rechtfertigen“.

Es ist ebenfalls eine von interessierter Seite wohlkonservierte Legende, dass die Artikel 32 und 33 der GFK die Ausweisung eines jeden anerkannten Flüchtlings verböten (non-refoulment). Die Ausweisung (Artikel 32) ist „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ möglich. Sie ist sogar möglich („zwingende Gründe für die öffentliche Sicherheit“, Artikel 32, Abs. 2), ohne dass der Flüchtling Rechtsmittel einlegen kann.

Das angeblich absolute Ausweisungsverbot des Artikels 33 wird in dessen Absatz 2 so eingeschränkt: „Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.“

Mithin: Jeder Drogendealer könnte ausgewiesen werden. Auch als anerkannter Flüchtling. Auch in ein Land, in dem ihm sehr Gravierendes droht. Auch jeder, der seine Ausweispapiere vernichtet, Pässe fälscht oder verfälscht oder sonstwie – per schwerem Vergehen – selber Ausweisungshindernisse erzeugt. Wer wirklich ernsthaft um Leib und Leben fürchtet, und nur das ist Asylgrund, wird das auch nicht tun.

Schließlich – wie fast alle internationalen Konventionen, zum Beispiel auch der Atomwaffensperrvertrag in seinem Artikel 10 – hat auch die GFK eine Kündigungsklausel (Artikel 44): „Jeder vertragschließende Staat kann das Abkommen jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu richtende Mitteilung kündigen.“ Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr. Außerdem kann (Artikel 45) „jederzeit“ eine Revision dieses Abkommens beantragt werden. Es können auch Vorbehalte errichtet werden.

Es war der Neue-Mitte-Sozialdemokrat Tony Blair, der auf dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Tampere/Finnland (Oktober 1999) die „allumfassende Anwendung der GFK“ gefordert hat und hinzusetzte, zwar seien die Werte der GFK „zeitlos“, aber es sei andererseits „an der Zeit, innezuhalten und ihre Anwendung in der heutigen Zeit zu überprüfen“.

Menschenrechtskonvention

Wenn die guten, „politisch korrekten“ Menschen in der Diskussion nicht weiterkommen, wird als nächstes – quasi als demonstratio instrumentorum – die Europäische Menschenrechtskonvention bemüht, die vom 4.11.1950 datiert (plus mehrerer Zusatzprotokolle). Auch sie erlaubt (Artikel 15) ein Außerkraftsetzen fast aller ihrer Artikel bei vitaler Bedrohung der Interessen eines Landes (etwa „im öffentlichen Notstand“); im Protokoll Nr. 4 vom 16.9.1963 (Artikel 2) wird „im Interesse der nationalen oder öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Verhütung von Straftaten, des Schutzes der Gesundheit oder der Moral(!) oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer“ jedem Staat die Möglichkeit eingeräumt, die Freizügigkeit in seinem Hoheitsgebiet einzuschränken.

Zum Ausländerproblem äußert sich das Protokoll Nr. 7 vom 22. Dezember 1984 deutlich: Unter der Überschrift „Ausweisung von Ausländern“ (Artikel 1, Ab. 2) heißt es, ein Ausländer könne (auch ohne vorher Rechtsmittel einlegen zu dürfen) dann ausgewiesen werden „wenn die Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt“. Sein öffentliches Ordnungsinteresse kann jeder Staat souverän definieren.

Das gilt auch für den Famliennachzug von Ausländern, der in den siebziger oder achtziger Jahren etwa in Deutschland die Hälfte der gesamten Zuwanderung ausmachte. Österreich zum Beispiel kontingentierte diesen Nachzug sehr restriktiv – mit jedem Recht. Dehnt man den europäischen Familienbegriff auf die orientalische Sippenauffassung aus, gibt es auf dieser Bahn kein Halten mehr.

Aus der EMRK folgt das keineswegs zwingend, im Gegenteil. Nach Artikel 8 (der Grundkonvention von 1950), die das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ normiert, ist die Untersagung des Familienzusammenlebens von Ausländern statthaft, „insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt“, die für die „nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung(!), das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist“. In ständiger Rechtssprechung hat der Europäische Gerichtshof – aus Artikel 8 – den Anspruch auf Familieneinheit im Aufnahmeland verneint, wenn es die Möglichkeit gibt für den Ausländer, mit seiner Familie zuhause oder im Ausland zusammenzuleben. Das Gerede, das Familienzusammenleben im Lande der freien Wahl sei ein Wahlrecht, ist nichts als ein moralisch einschüchtern sollender Bluff.

Mag. Peter Meier-Bergfeld, Germanist und Historiker, 1993 bis 2010 Korrespondent des "Rheinischen Merkur" für Österreich und Südosteuropa

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