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Blutig rote Spuren des „Wirtschaftsexperten“ Kern bei ÖBB und Verbund

Nichts außer dem Wiener Rathaus wird von der SPÖ so sehr als ihr unantastbares Privateigentum behandelt wie die Bundesbahn. Das hat sich in den letzten Tagen auch bei der Weitervererbung der Bahn nach dem Aufstieg von ÖBB-Chef Christan Kerns zum SPÖ-Parteichef gezeigt. Das wäre ja an sich noch hinnehmbar, wären nicht gerade diese beiden Imperien (nach der Pensionsversicherung) die für den Steuerzahler teuersten, schuldenträchtigsten und sich am schlechtesten entwickelnden staatlichen Bereiche. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Wahrscheinlich gerade deshalb wollte man nach dem Abgang von Christian Kern und vor der formellen Bestellung eines Nachfolgers nicht einmal ein paar Tage einen Nicht-Genossen vertretungsweise die Spitze übernehmen lassen. Obwohl ein solcher eigentlich aktienrechtlich für die Vertretung Kern vorgesehen gewesen wäre.

Aber der Mann hätte dann ja vielleicht in manche Unterlagen Einblick nehmen können, deren Bekanntwerden unangenehm werden könnte. Deshalb wurde Herr Matthä noch vor seiner formellen Kür zum Kern-Erben sofort als provisorischer Geschäftsträger installiert. Damit alles kontinuierlich unter Genossen bleibt.

Matthä (Scherze, die diesen Namen mit dem Zustand der Bahn verbinden, liegen auf der Zunge, seien aber auch in diesem Fall unterdrückt) wird mit Sicherheit wieder so wie Kern alljährlich skurrile Pressekonferenzen abhalten, in denen er – ohne rot zu werden – einen „Gewinn“ der Bahn bejubeln wird. Und sogenannte Wirtschaftsjournalisten werden das wieder brav und unkritisch in ihren Blättern und im Fernsehen rapportieren.

Die wahren Zahlen, was uns die Bahn in Wahrheit kostet, und was sie uns jedes Jahr mehr kostet, werden dabei gewiss wie bisher unter den Tisch gekehrt werden. Denn sie werfen ein schlimmes Licht auf die Bahn. Daher kann man sie sich nur auf Umwegen beschaffen.

Die Entwicklung der aus dem Bundesbudget erfolgten Zahlungen an die ÖBB zeigt, dass der Spass allein in den letzten drei Jahren um eine halbe Milliarde teurer geworden ist. Da weiß man wenigstens, warum die ganzen Registrierkassen- und sonstigen Folterqualen durch den Finanzminister nötig geworden sind...

 

Das einzig erfreuliche an den Zahlen dieser Graphik: Die Kosten für die ÖBB-Pensionen sind auf Grund einer von früheren Regierungen durchgesetzten Pensionsreform nicht mehr gewachsen. Dafür haben die Gelder (aus unseren Steuerzahlungen) umso mehr zugenommen, welche die Republik für Bau und Betrieb der Bahn zuschießt.

Die Sinnhaftigkeit vieler ÖBB-Ausgaben ist freilich extrem fraglich. So gibt es keine rationale Erklärung, warum praktisch alle großen Bahnhöfe Österreichs in den letzten Jahren komplett neu gebaut worden sind, warum die meisten von ihnen nach dem Krieg sogar schon das zweite Mal neu gebaut worden sind. Das versteht niemand. Ganz offensichtlich besteht die Erklärung vor allem darin, dass sich die ÖBB-Spitze bei den diversen Bundesländern Popularität erkaufen wollte. Bürgermeister und Landeshauptleute lieben halt Bahnhofseröffnungen. Außerdem sind hierzulande die Querverbindungen zwischen Bauwirtschaft, Bahn und Parteipolitik sehr, sehr eng.

Besonders absurd ist dabei, dass man in Wien einen Hauptbahnhof ohne direkten-U-Bahn-Anschluss gebaut hat, und dass zwei andere Großbahnhöfe heute weitgehend unbenutzt sind. Dabei ist der eine erst 1978 fertiggestellt worden, und der andere überhaupt erst 2011. Dieser hat heute primär nur noch deswegen eine gewisse Frequenz, weil ihn die private Konkurrenz „Westbahn“ benutzt.

Die Kaufgeschäfte auf diesen Zombie-Bahnhöfen leiden naturgemäß auch unter dem Fehlen der Passagiere. Sie können – wenn überhaupt – nur noch deshalb überleben, weil sie am Sonntag offen halten dürfen. An diesen Tagen kauft halb Wien dort ein (Es ist gewiss nur ein Gerücht, dass die Gewerkschaft deshalb so stur gegen die Ladenöffnung an Sonntagen kämpft, um die Bahnhöfe zu schützen, wo die Geschäfte eben exklusiv offen haben dürfen…).

In jedem wirklich wirtschaftlich denkenden Unternehmen wären ob der Bahnhofs-Fehlplanungen und Verschwendungen etliche Verantwortliche reihenweise ihren Job los. Nicht doch bei den ÖBB. Es gibt ja keine Eigentümer, die solche Blödheiten bekämpfen würden. Es gibt ja nur uns, die nichts außer zahlen, zahlen, zahlen dürfen.

Ebenso schwer liegen der Bahn – also uns – die diversen Tunnelbauten auf der Tasche. Wobei ja jener durch den Semmering noch eine gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung haben dürfte. Das 33-Kilometer-Loch des Koralm-Tunnels auf einer komplett neuen Strecke zwischen Graz und Klagenfurt durch überwiegend menschenleeres Gebiet wird eine solche hingegen mit absoluter Sicherheit nie und nimmer haben. Man denke nur, dass die ÖBB zeitweise mangels Frequenz den letzten Direktzug zwischen Graz und Linz eingestellt hat (trotz vorhandener Geleise) – und jetzt soll sich eine komplett neue Bahn ins viel unwichtigere Klagenfurt rentieren?

Auch die 55 Kilometer des Brenner-Tunnels werden wohl große wirtschaftliche Probleme haben, solange das EU-Recht nicht erlaubt, die konkurrierende Brenner-Autobahn prohibitiv teuer zu machen. Was eher unwahrscheinlich ist.

Freilich, um der ganzen Wahrheit die Ehre zu geben: Die aberwitzige Menge an Tunnel- (und Bahnhofs-)Bauten ist nicht nur Schuld von ÖBB und ÖGB, sondern mindestens ebenso jene der Bauindustrie und der jeweiligen Bundesländer. Vor allem Jörg Haider hat sich – mit allen anderen Kärntner Parteien – geradezu erpresserisch für den Koralm-Tunnel samt den langen Zulaufrouten in die Schlacht geworfen.

Aber wiederum: Ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen würde sich nicht von der Politik so widerstandslos teure Sinnlosigkeiten aufs Auge drücken lassen. Wie es sich auch nicht – wie in der Kern-Periode – so gefügig allen gewerkschaftlichen Wünschen angepasst hätte.

Wie wenig wirtschaftlich es bei den ÖBB zugeht, merkt man auch daran, dass es der Gewerkschaft gelungen ist, jetzt die Firma Do&Co aus dem Catering in Zügen hinauszudrängen, weil diese im Gegensatz zu den ÖBB nicht nach der Pfeife der Gewerkschaft zu tanzen gewillt ist.

Wird es mit der Bahn so schlecht weitergehen wie in den letzten Jahren? Wird alljährlich der Zwangszuschuss der Steuerzahler für die ÖBB so weitersteigen? Mit großer Sicherheit ja. Denn in Österreich findet das, was anderswo längst in breiter Front und mit weitgehendem Erfolg passiert ist, einfach nicht statt:

Das wäre erstens eine echte(!!) Aufspaltung der ÖBB zumindest in den Infrastruktur-Bereich einerseits (Schienen, Bahnhöfe, Neubau) und den rollenden Verkehr (Personen, Fracht) andererseits. So wie ja auch der Asfinag nicht die auf Autobahnen fahrenden Automobile gehören.

Und das wäre zweitens die Privatisierung des gesamten rollenden Verkehrs (eher nicht der Infrastruktur, weil da Konkurrenz kaum herstellbar ist). Nur durch Privatisierung und Gleichberechtigung privater Bahngesellschaften ließe sich im Interesse von Kunden und Steuerzahlern – freilich nicht der Gewerkschaft – eine kostendämpfende und effizienzerhöhende Konkurrenz zwischen mehreren Bahnunternehmen herstellen.

Ganz zart wagt die ÖVP jetzt nach langem Schweigen wenigstens eine Teilprivatisierung wenigstens für den Gütertransport-Bereich anzudenken. Und immerhin wagt sie kritisch über die Unsummen an Werbung zu sprechen, mit denen die ÖBB sich – und der SPÖ – das Wohlwollen der Medien erkaufen. Zart und leise, nur durch einen Abgeordneten und natürlich nicht auf Regierungsebene. Es könnte ja jemand hören. Aber immerhin.

Die Verbund-Zeit von Kern

Noch einmal zu Christian Kern, der von etlichen nach Inseraten gierenden Medien als „Wirtschaftsexperte“ tituliert worden ist. Was der Rechnungshof freilich über Kerns Tätigkeit beim Verbund (dem mehrheitlich staatlichen Stromkonzern) veröffentlicht hat, rechtfertigt wohl ebenso wie die skizzierten ÖBB-Fakten das Gegenteil dieser Bezeichnung (Rechnungshofbericht 2014/13, Seite 13):

  • Kern hat als für Beteiligungen zuständiges Vorstandsmitglied einen Verlust von 476 Millionen Euro allein in Frankreich zu verantworten (durch die Verbund-Beteiligung bei einem dortigen Stromanbieter).
  • In Italien waren 396 Millionen abzuschreiben.
  • Laut Rechnungshof wurden Risken nicht oder unzureichend erkannt. Es dürften auch Sorgfaltspflichten verletzt worden sein.
  • Und wörtlich: „Die ab 2007 jährlich auftretenden Planabweichungen, die sich ab 2009 stark erhöhten, ließen auf grobe Planungsfehler durch permanente Fehleinschätzungen der Entwicklungen am französischen Energiemarkt schließen.“

Vernichtend? Im medienkorrupten Österreich doch nicht. Dort ist vielmehr solches ein Qualitätsausweis, um zum „Wirtschaftsexperten“ zu werden.

PS: Im – sozialistisch regierten – Italien ist gerade ein Teil der Bahnhöfe privatisiert worden.

Nachträgliche Ergänzung: Noch peinlicher für Kerns ÖBB-Zeit ist das, was jetzt bekannt geworden ist: Die EU-Wettbewerbsbehörden haben schon im Juni Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts eines Kartells mit Preisabsprachen zwischen den ÖBB un den Bahnen einiger Nachbarländer durchgeführt. Mister Saubermann wird immer sauberer...

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