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Kerns Team: Gemischte Gefühle

Das Kern-Team steht nun also fest – einiges ist positiv überraschend, einiges erstaunlich und einiges lässt beinahe verzweifeln.

Es ist vielleicht verwunderlich, die Betrachtung eines neuen Teams mit zwei der drei verbleibenden Regierungsmitglieder zu beginnen - aber genau diese beiden sagen einiges aus. Sie sind die beiden Repräsentanten der Gewerkschaft. Und an ihnen rührte der neue Mann an der Spitze nicht. Er hat den Gewerkschaftskuschelkurs bei den ÖBB offensichtlich mehr als internalisiert.
Darum verwundert es einen gelernten Österreicher kaum, dass jemand wie Alois Stöger immer noch eines der Schlüsselressorts für die Zukunft des Landes innehat, obwohl er bisher noch nichts gezeigt hat - außer Realitätsverweigerung. Es wird immer gesagt, Stöger habe Steher-Qualitäten – es scheint sich eher um Sitzer-Talente zu handeln.
Sabine Oberhauser hat im Gesundheitsressort bisher ebenso wenig gezeigt – das mag ihrer bedauernswerten und tragischen Erkrankung geschuldet sein oder aber auch bloß dem Umstand, dass dieses Ministerium eigentlich ob seiner Kompetenzlosigkeit verzichtbar wäre. Dass sie nun durch ein zweites Ministeramt „aufgewertet“ wird (sie ist ja nun auch Frauenministerin), bestätigt den Auslastungsmangel.
Hoffnung gibt die Berufung von Sonja Hammerschmid zur Bildungsministerin. Die Molekularbiologin und Vorsitzende der Rektorenkonferenz sowie Rektorin der Veterinärmedizin müsste um den deplorablen Output unseres Schulsystems wissen. Schließlich erleben die Unis alle Tage, dass die nachrückende Studentenschaft längst nicht mehr die notwendigen Bildungsvoraussetzungen, den Willen zu Leistung und persönlichem Einsatz mitbringt. Sie müsste eigentlich die Bildungsreform „von oben“ aufrollen: Wie muss das Schulsystem aufgestellt sein, damit Österreichs einziger „Rohstoff“ – nämlich die besten Köpfe – von Anfang an bestens gefördert und ausgebildet wird. Damit wäre der Erhalt des Gymnasiums ebenso wie die Rückkehr zum Leistungsprinzip in den Schulen eigentlich unumgänglich. Ihr müsste klar sein, dass die Bildungs“vererbung“ zwar nicht gerecht, aber auch ein Vorteil für eine Gesellschaft ist. Dass es daher Harakiri mit Anlauf wäre, durch frühestmöglichen Kindergartenzwang, Gesamtschule und Zwangstagsschule für „Gerechtigkeit“ zu sorgen, indem man allen Kindern die Chancen nimmt. Natürlich: Jedes Kind muss gefördert werden, besonders jedes benachteiligte und schwache Kind, aber das darf nicht länger dadurch geschehen, dass alle Anforderungen an Lernwillen und Lernerfolg fallen gelassen werden, bis endlich nicht mehr nur 25 Prozent, sondern zumindest 70 Prozent Analphabeten aus den Schulen kommen.
Hammerschmid könnte einen echten Richtungswechsel vornehmen: Weg vom ideologischen Kahlschlag ihrer Vorgängerin, hin zu einer Bildungsoffensive, in der es gestützt auf die (vorhandenen) Erkenntnissen der Wissenschaft – ob Pädagogik, Bildungswissenschaft oder Gehirnphysiologie – um das beste Schulsystem für alle Kinder und für die Zukunft geht.
Jörg Leichtfried, der Steirer, kommt aus einem Bundesland, in dem die rot-schwarze Zusammenarbeit noch gut funktioniert. Kern könnte darauf zählen, dass er von diesem Know-how etwas auf die Bundesregierung überspringen lässt. Kaum zu erwarten ist von ihm, dass er seine in der EU gemachten internationalen Erfahrungen im Infrastrukturressort umsetzt – allemal hätte man in allen anderen EU-Staaten längst versucht, die ÖBB zu privatisieren....
Thomas Drozda als Kanzleramtsminister: Ohne ihm die Chance nehmen zu wollen, dass er das Tagebuch noch positiv überrascht – der Mann hat einen der schlimmsten Zuschussbetriebe der an solchen überreichen Bundeshauptstadt zu verantworten. Dass die Vereinigten Bühnen Wien einen kaufmännischen Direktor haben, konnten sie bisher immer gut verbergen. Denn bei der Beseitigung des stetig wachsenden Defizits fiel diesem immer nur eines ein: Der Ruf nach einem Bekenntnis der Politik zu höheren Subventionen. Da mag sich jemand an die ÖBB erinnert fühlen.... Noch jeder Kulturminister hat seine Profilierung immer nur über die Absicherung des warmen Geldregens über alle Kulturschaffenden und solche, die es gerne sein wollen, betrieben. Steuergeld spielt schließlich keine Rolle, das hat er in Wien schon gelernt.
Und schließlich: die neue Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, Muna Duzdar. Hier wollte der neue SP-Chef endlich auch modern sein und eine Muslimin in seinem Team haben. Die Rechtsanwältin mit palästinensischem Migrationshintergrund, mit Erfahrung bei den französischen Sozialisten, im Bundesrat und im Wiener Gemeinderat gehört zum linken Flügel der Wiener SP, der sich durch ein Bekenntnis zu einer schrankenlosen Willkommenskultur definiert. Dass sie deshalb mit Integrationsminister Sebastian Kurz in Konflikt kommen wird, scheint vorprogrammiert – als Frau mit Migrationshintergrund ist sie jedoch ziemlich unangreifbar. Ein taktisch kluger Schachzug Kerns gegen den beliebten schwarzen Jungstar.
Gemischte Gefühle angesichts der Neuen also.
P.S.: Es soll ein Aufatmen nicht unerwähnt bleiben – dass nämlich Sonja Wehsely nicht Ministerin wurde. Sie hat Kern angeblich einen Korb gegeben. Leider fällt dem Tagebuch da Karl Kraus ein und eine Variation zu dessen berühmtem Wien-Zitat: Wehsely bleibt in Wien und das ist eine gefährliche Drohung. Denn, so ließ die linkslinke Stadträtin verlauten, sie will Mikl-Leitner werden. So wie diese Erwin Pröll möchte Wehsely Michael Häupl vor Auslaufen seiner Amtszeit beerben. Was wohl auch ihre einzige Chance auf den Bürgermeister-Sessel ist. Denn über Wahlen wird es ihr auch im Tandem mit Maria Vassilakou nicht gelingen.
 

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