Der Ball, die Demo und die schleichende Zensur

Der folgende Artikel ist am 18. Jänner erstmals auf der Bloggerplattform fischundfleisch.com erschienen. Wer von Fisch und Fleisch noch nichts gehört hat hier ihre Beschreibung: „f+f wurde von deutschen und österreichischen Journalisten ins Leben gerufen, die sich für die Vielfalt von Themen und Meinungen einsetzen. Unsere Basis: Die Meinungsfreiheit sowie die Gleichbehandlung aller Menschen. Jede Meinung, die gesetzlich zugelassen ist, dürft Ihr auf unserer Plattform veröffentlichen.“

Am Freitag, 29. Jänner, haben die Betreiber den Beitrag offline gestellt ohne mich, den Autor davon in Kenntnis zu setzen. Erst auf Nachfrage erklärten sie mir, sie hätten den Artikel nach einem heftigen Shitstorm auf Facebook und Twitter rechtlich prüfen lassen und wegen unrichtigen Fakten offline nehmen müssen. Sonst würden ihnen Geldstrafen drohen.

Andreas Unterberger hat freundlicherweise zugestimmt, meinen Artikel zu veröffentlichen. Er ist nun, da der Ball schon vorbei ist, um Details der diesjährigen Demo reicher, stilistisch ein wenig geglättet, aber unverändert und keines der angeblich bestrafbaren Fakten ist weggelassen worden.

Die Quintessenz des Balles: Linke bezeichnen alle als Nazis, die den Ball besuchen, Rechte werden geschützt von der Staatsmacht, Linken skandieren hirnlose Parolen auf den Straßen, am Ende der Nacht gibt es heisere Kehlen, Blasen auf den Füßen und berauschte Ball- und Demobesucher. Außer Spesen nix gewesen! Wer zahlt die Kosten für die enorme Polizeipräsenz rund um diesen Unfug? Wir, die 99 Prozent, denen dieser Ball vollkommen egal ist!

Die heurige Demonacht verlief weitgehend friedlich, doch gab es wie immer Potential zur Gewalt. Insgesamt gab es neun Festnahmen und 14 leicht verletzt Polizisten bei einem Scharmützel in der Herrengasse. Die Organisatoren sprechen von 10.000 Demonstranten, die Polizei von 5.000, die Frage bleibt im Raum stehen, irgendwer kann nicht zählen, aber dazu maße ich mir kein Urteil an.

Der Akademikerball hat nichts am Lauf der Welt geändert, genauso wenig wie die rund 65 anderen Bälle der Saison: nur das eben dieser anders als alle anderen ein riesen Polizeiaufgebot benötigt, dass Ihnen und mir, den Steuerzahlern dieses Landes, geschätzte 1,5 Millionen Euro gekostet hat. Wie kommen wir eigentlich dazu?

„Besorgte“ Aktivisten haben Anfang der neunziger Jahre den Opernball als lohnendes Demonstrationsziel entdeckt. Die Proteste gegen den Opernball wurden immer gewalttätiger, sie erreichten im neuen Millennium den Höhepunkt, der verstärkende Faktor war die Angelobung der schwarz-blauen Regierung. Der Zenit war erreicht und ab 2006 wurden die Demos ruhiger bis sie 2010 ihr Ende gefunden haben. Die Demonstrationen gegen den Opernball wurden unattraktiv, doch es wurde ein neues Ziel gefunden.

Die Linken haben den Wiener Korporations-Ball gefunden. Dreißig bis vierzig Jahre hat es den WKR-Ball, der jetzt zum Akademiker-Ball geworden ist, gegeben und niemanden hat er gestört. Jahrelang unbeachtet von der Linken, wurde er witzigerweise sogar erst nach dem Ende der schwarz-blauen Regierung gefunden. Und es wurde wieder demonstriert.

Aber warum muss die Allgemeinheit zahlen für den Spaß von ungefähr 5.000 Demonstranten, von denen viele keine Steuern zahlen, weil sie Studenten sind? Die Linken wollen den Ball verbieten, ich will die Demo verbieten, gleiches Recht für alle! Warum müssen alle Bier trinken auf einer Demo? Ich habe mir einige Demos angeschaut, aus sicherer Entfernung, was von den Demos bleibt ist Dreck, leere Bierdosen schön verteilt auf der Straße! Was noch bleibt von Demos: besprühte Wände mit dummen Parolen. Die Umwelt verdrecken gehört anscheinend zu einer guten Demo gegen mutmaßliche Nazis dazu.

Wenn es handfeste Beweise gäbe, dass die Herrschaften auf diesem Ball wirklich Nazis sind, wäre ich hocherfreut! Schließlich ist in Österreich nationalsozialistische Wiederbetätigung ein Straftatbestand. Die Polizei könnte ohne Wenn und Aber einige Ballbesucher hops nehmen, wenn nicht sogar den ganzen Ball mit demokratischen Mitteln verbieten. Das Problem wäre gelöst und die Innenstadt würde sich nicht jedes Jahr im Jänner zum Hochsicherheitstrakt verwandeln. Verdammt noch mal, warum haben die Linken nicht endlich einmal Beweise für ihre Behauptungen? Wie jedes Jahr tragen unsere linken Freunde nur die Anschuldigungen auf Plakaten durch die Innenstadt, zu mehr reicht es nicht.

Ich bin Demokrat, diskutiere und streite gerne um die Dinge, die mir wichtig sind. Der demokratische Rechtsstaat gehört da definitiv dazu; ich würde im Prinzip auch sofort für ihn spazieren gehen. Es wurde mir auch nahegelegt, gegen den Ball zu demonstrieren, weil es doch meine Pflicht ist, gegen Nazis zu demonstrieren. Aber warum hätte ich mit den Linken gegen die vermeintlichen Nazis demonstrieren sollen?

Die deutschnationalen Idioten sind für mich – als österreichischen Patrioten, Anhänger einer konstitutionell weitergeführten k. u. k. Monarchie, burgenländischen Kroaten, mütterlicherseits Slowake, und glühenden Europäer – genauso verwerflich. Nur ein Deutschnationaler ist für mich nicht gleich ein Nazi! Ich bin überzeugter Antisozialist, daher bin ich auch gegen die NSDAP. Ob die Sozis nun rot oder braun sind, ändert ja nichts an der Tatsache, dass sie Sozialisten sind und für mich eine menschenfeindliche Ideologie verfolgen. Der realexistierende Sozialismus ist für mich kein Fremdwort, ich habe ihn noch erlebt, ich habe gesehen, wie die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang gelebt haben!

Warum soll ich also mit den Linken gegen diesen Ball demonstrieren? Sie haben immer schon brav demonstriert, wenn ihnen ihr ideologisches Gegenüber im Westen nur den kleinsten Anlass dazu gegeben hat: 1968, haben auf den Demos gegen den Vietnamkrieg alle brav „Ho, Ho, Ho Chi Minh!“ gerufen. In den achtziger Jahren hat die Friedensbewegung gegen die Pershing-II-Mittelstreckenraketen und die NATO demonstriert. Es wurden viele Gründe gefunden zu demonstrieren.

Wo aber war der Protest der Linken, als die Sowjetunion in der Tschechoslowakei einmarschiert ist? Wo war der linke, wütende Mob vor der sowjetischen Botschaft? Warum hätte ich mit diesen sozialistischen Feiglingen in einer Reihe stehen sollen, die unwidersprochen die Knechtung meiner Slowakei erlaubt haben? Warum muss ich gegen Nazis demonstrieren, mit diesen sozialistischen Waschlappen, die nichts unternommen haben, die brav gekuscht haben, als kroatische Oppositionelle von Tito in Gefängnisse gesperrt wurden? Die Sozialisten haben dazu geschwiegen und jetzt demonstieren sie gegen ein paar Witzfiguren, die auf einem Ball tanzen! Diese Doppelmoral ist durch nichts zu überbieten.

Die handfesten Beweise für die Verbrechen der Sowjetunion und ihrer Bruderstaaten mit sozialistisch-kommunistischen Ideologien gibt es und gab es schon damals. Doch haben die Linken, die sich ja so gerne die Menschrechte auf ihre Fahne heften, deswegen jemals etwas getan? Nein, sie haben geschwiegen! Sie haben sich Che-Guevara-T-Shirts gekauft, diesen Mörder zu ihrem Idol erhoben und zu den Verbrechen in unsern Nachbarländern geschwiegen.

Und um nur ja nicht die eigene Ideologie infrage zu stellen, deren praktische Umsetzung so grandios gescheitert ist, die Millionen von Menschen das Leben gekostet hat, verstecken sie sich hinter Fehlinterpretationen. Nein, den wahren Sozialismus-Kommunismus hätte es nie gegeben hinter dem Eisernen Vorhang, dort wäre ja die reine Lehre des Marxismus völlig verfälscht worden.

Österreich ist klein geworden. Und doch hätten wir eine verpflichtende moralische Verantwortung für unsere alten Kronländer und allernächsten Nachbarn gehabt, mit denen wir über 500 Jahre engstens verbunden waren! Wir hätten für sie das Wort ergreifen und diese Verbrechen anprangern müssen! Die Sozialisten in diesem Land waren und bleiben schweigende Lämmer, sie erheben sich gegen Witzfiguren und werden gewalttätig. Doch für die Freiheit und Menschlichkeit haben sie nicht demonstriert, als sie es hätten tun müssen! Diese Schuld werde ich der Linken immer vorhalten, da gibt es kein Pardon.

Martin Prikoszovich, geboren 1972, Angestellter bei einem Telekommunikationsunternehmen, politisch aktiv in einer Partei (ÖVP), Mitgründer des Austrian Institute of Economics and Social Philosophy, 08/15 Bürger und Blogger.

 

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