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Beim Barte des Nikolos

Es ist in Zeiten wie diesen ja wirklich nicht das wichtigste Problem, wenn einige katholische Aktivisten dem Nikolo nach dem Krampus nun auch den Bart wegnehmen. Die kirchlichen Kindergärten machen dabei den Vorreiter. Aber der Vorgang ist signifikanter, als man auf den ersten Blick denkt.

Für viele Österreicher liegt das nämlich ganz auf der Linie vieler anderer Entwicklungen. Da wird alles, was irgendwie an christliche und alpenländische Traditionen erinnert, Schritt für Schritt eliminiert – durchaus auch von anpasslerischen Christen selbst.

  • Da werden Weihnachtsfeiern durch „Winterfeiern“ ersetzt.
  • Da steht auf Glückwunschkarten „Seasons greetings“ statt „Merry Christmas“.
  • Da trauen sich etliche europäische Gemeinden nicht mehr, Weihnachtskrippen aufzustellen.
  • Da werden Vater- und Muttertag abgeschafft oder krampfhaft zu „Familientagen“ umfunktioniert, weil es halt Kinder gibt, die keinen leiblichen Vater oder keine Mutter um sich haben (freilich in fast allen Fällen einen Ersatzvater…).

Manche durchaus christlich gesinnte Menschen werden nun einwenden, dass sich manche kleine Kinder vor einem Mann mit Vollbart fürchten. Das wird bisweilen schon stimmen. Dennoch sei dieser Sorge mit Verlaub eine Reihe von Einwänden gegenübergestellt:

  1. Wenn man von Kindern alles fernhalten will, wovor sie sich fürchten könnten, warum dann überhaupt eine Nikolo-Feier? Etliche Kinder werden ja auch noch nie einen Mann mit Bischofsmütze und priesterlichen Gewändern gesehen haben und daher erschrecken, selbst wenn der Mann bartlos ist. Geschweige denn einen, der plötzlich im Wohnzimmer oder Kindergarten steht.
  2. Wenn man schon solche Panik vor Nikolos mit Vollbart hat, warum sagt niemand etwas gegen die Weihnachtsmänner in Einkaufszentren, die alle Vollbart haben (und halt eine rote Mütze statt einer Mitra)? Ist etwa diese reine Kommerzfigur aus dem amerikanischen Kulturkreis weniger anstößig als eine christlich geprägte Figur aus der alpenländischen Tradition?
  3. Warum habe ich in Einkaufszentren noch nie Kinder vor einem solchen Weihnachtsmann schreiend weglaufen gesehen? Warum strömen sie ganz im Gegenteil zu diesem und den von ihm verteilten Zuckerln hin?
  4. Wenn Vollbärte als möglicherweise manche Kinder erschreckende Erscheinungen zu verbannen sind, warum bitte dann nicht auch bei den in Europas Straßen immer zahlreicher zu sehenden Salafisten-Agitatoren? Übrigens: Auch der Massenmörder aus San Bernardino, der mit seiner Frau 14 Menschen getötet hat, hat einen Vollbart getragen...
  5. Warum sind dann nicht auch ganzkörperverschleierte Wesen verboten, die nicht nur für Kinder, sondern auch für viele Erwachsene unheimlich sind?
  6. Warum dürfen Vollbartträger überhaupt noch im Fernsehen auftreten (wie etwa Österreichs bekanntester Meinungsforscher) und werden nicht wie Zigaretten rauchende Menschen total verbannt? Diese bekommt man ja nur noch in den Menschentrauben vor Restaurant-Eingängen zu sehen.
  7. Wenn aus der Welt der Kinder alles verbannt werden muss, was vielleicht dem einen oder anderen Kind Angst einflößen könnte, warum werden dann nicht alle Märchen verboten (in ihnen passieren fast immer schlimme Dinge!)? Warum wird dann nicht das Kasperltheater verboten, in dem Hexe und Krokodil zu den wichtigsten Attraktionen gehören?
  8. Warum lieben Kinder gerade solche Dinge so fasziniert? Und warum wendet sich jede Generation gelangweilt von den sogenannten „Jungscharspielen“ ab, in denen niemand verlieren darf, in denen alles Unangenehme und Böse ferngehalten wird?
  9. Und zu guter Letzt eine entwicklungspsychologische Beobachtung: Wenn von Kindern alles eventuell Furchterregende ferngehalten wird, dann werden sie später im Leben schwerer mit jenen – unvermeidlichen – Dingen fertig werden, die unangenehm sind, die Angst machen. Dann werden sie viel eher zu jenen total verkrampften Political-Correctness-Wesen, wie sie an amerikanischen Universitäten immer häufiger werden (Dort hat eine - katholische! - Privatuniversität einem Professor den Hinauswurf angekündigt, nur weil er  das Recht eines konservativen Studenten verteidigt hat, sich gegen die Schwulenehe auszusprechen. Aber das könnte Schwule kränken!).
  10. Dazu auch eine eigene Lebenserinnerung: Wie stolz war ich, als ich mich nicht mehr vor dem Krampus gefürchtet habe – dessentwegen ich noch im Jahr davor unters Bett gekrochen bin. Da hab ich mich dann richtig erwachsen gefühlt (auch wenn das etwas verfrüht war).

Katholische Funktionäre – ob in der KJ oder in einer kirchlichen Kindergartenstiftung – wetteifern offenbar neuerdings mit den Grünen darin, wer die Verbotskultur schneller ausbreitet. Oder ist die Lust am Verbot gar etwas genuin Katholisches? Was einst das Fleisch am Freitag oder der Schluck Wasser vor der Kommunion oder das Verbot, Evangelisch zu heiraten, gewesen ist, scheint halt jetzt der Bart des Nikolos zu sein.

 

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