Österreich als Griechenland der Alpen

Die Farce um Griechenlands Staatsschulden nimmt immer groteskere Züge an. Das gerissene Duo Tsipras/Varoufakis erweist sich als den Brüsseler Spitzen in taktischer Hinsicht turmhoch überlegen. Mit immer neuen Finten und einer trickreichen Doppelstrategie guter Bulle, böser Bulle (der Regierungschef mimt dabei den kooperationswilligen Reformer, während der listige Finanzminister bereits „Plan B“, den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone, vorbereitet), schaffen sie es wieder und wieder, Zeit zu gewinnen und damit die Kosten für ihre „Partner“ immer weiter in die Höhe zu treiben.

Im Lande der Phäaken weiß man: Ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone könnte den Anfang vom Ende der europiden Esperantowährung bedeuten. Man weiß auch: Die Sehnsucht der EU-Nomenklatura nach einer Fortführung des längst gescheiterten Euro-Experiments ist groß genug, um dafür unbegrenzte Kosten für die europäischen Steuerzahler in Kauf zu nehmen.

Da ein Ende mit Schrecken also nicht abzusehen ist, wird das grausame Spiel weitergehen – zum Schaden der Bürger Europas, für die der südliche Balkan zum Fass ohne Boden geworden ist. Hier zeigt sich der Fluch der bösen Tat: Selbst aufgestellte Regeln (wie das Bailout-Verbot und der Ausschluss einer Staatsfinanzierung durch die EZB) unbekümmert zu brechen, führt Euroland immer tiefer in die Krise. Seine Wettbewerber in Übersee dürfen sich schadenfroh zurücklehnen und über das Finanz- und Wirtschaftsdesaster in der Alten Welt freuen.

Derweil auf gesamteuropäischer Ebene der kollektive Irrsinn täglich neue Höhe erklimmt, geht auch der politische und wirtschaftliche Niedergang Österreichs stetig weiter. Die rotschwarze Versagerkoalition sieht nicht den geringsten Handlungsbedarf und steuert demzufolge auch nicht entsprechend dagegen. Ganz im Gegenteil! Auf die zunehmende Zahl von Firmeninsolvenzen und den Umstand, dass das Investitionsniveau immer weiter absinkt, reagiert sie nicht etwa mit einer beherzten Entlastungsoffensive für die Unternehmen, sondern mit einem als „Steuerreform“ verkauften Belastungspaket zu deren Lasten. Die traurige Tatsache, dass kaum ein Regierungsmitglied je einen Tag außerhalb geschützter Werkstätten verbracht hat, manifestiert sich in einer zutiefst marktwirtschaftsfeindlichen Politik.

Besonders bitteres Detail: Der mit einer ganzen Menge Vorschusslorbeeren bedachte Finanzminister, der als einer der wenigen Bundespolitiker über betriebliche Erfahrungen verfügt, ist zum fiskalischen Großinquisitor mutiert und wird sich nach Umsetzung der „Steuerreform“ als Totengräber für viele Kleingewerbebetriebe erweisen.

Dass Österreich in allen wirtschaftsrelevanten Rankings seit Jahren ständig an Boden verliert, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Die US-Bloomberg-News beurteilen Österreich gegenwärtig schon als „eine der trägsten Ökonomien Europas“. Der Chef des über die Schuldenentwicklung der Republik wachenden Fiskalrates, Bernhard Felderer, sieht Österreich – absolut zurecht – bereits als „Griechenland der Alpen“. Denn trotz gegenwärtig günstiger Begleitumstände, wie niedriger Treibstoffpreise, einem geringen Zinsniveau und – euroschwächebedingt – günstigen Exportkonditionen, kann er keine Aussichten auf einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Alpenrepublik erkennen.

Felderer ortet vielmehr eine „aggressive Haltung gegenüber den Unternehmen“ (die nicht gerade geeignet ist, die Investitionsneigung zu beflügeln) und attestiert dem Land die „Weltmeisterschaft in der Besteuerung der Bevölkerung“. In der Tat zeigt die, nach Kanzler Faymann, „größte Steuerreform der Zweiten Republik“, wohin der Hase läuft: Eine Senkung der Steuerquote ist damit nämlich nicht verbunden. Lediglich die Steuerbürden werden noch ungleicher verteilt – nämlich noch ein Stück mehr von den Minderleistern zu den Leistungsträgern.

Um die gesamte Abgabenlast zu senken, was dringend erforderlich wäre, müssen substantielle Einsparungen auf der Staatsausgabenseite vorgenommen werden. Daran allerdings denkt niemand in der Regierung. Die durch die „Steuerreform“ bedingten Ausfälle bei der Lohnsteuer sollen daher zum Großteil durch eine Mehrbelastung der Unternehmen kompensiert werden. Was für ein fataler Fehler – angesichts der durch steigende Kosten und zunehmenden Wettbewerbsdruck angespannten Lage.

Eine längst überfällige Senkung der Lohnnebenkosten, von der ein kräftiger Konjunktur- und Beschäftigungseffekt ausgehen könnte, kommt im durch und durch proletarisierten Land der Hämmer nicht in Frage. Ganz im Gegenteil werden immer neue Ideen präsentiert, mit denen die Beschäftigungskosten noch weiter in die Höhe getrieben werden.

Ein schwacher Trost, dass – siehe weiter oben im Text – die österreichische Bundesregierung keineswegs das Monopol auf Unverstand und Niedertracht hält…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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