Verspektiven

Wir haben unser Leben der Politik geweiht!
Vorbei ist jetzt gerade die wahlkampflose Zeit,
die wieder für zwei Jahre zu überbrücken war;
da war uns ziemlich fad halt – und man beschimpft uns gar.
Man will, dass wir regieren, doch das wär‘ kompliziert –
wir wollen, dass nicht einer bei Wahlen bös‘ sein wird.

Dienstreisen gab es nette, doch auch nicht allzu oft;
als Promi oft im Fernseh’n, nur das wird stets erhofft –
bei Fragen reden wir halt so irgendwas gescheit:
für unsre lieben Wähler genügt das jederzeit.
Jetzt gibt es wieder Arbeit: die Wahlen sind nicht weit,
wir können wieder strahlen in unsrer Tüchtigkeit!

Ein paar Mitglieder  der Regierung des Lands Kärnten
besprachen das Problem: sie müssen zur entfernten
und unbeliebten Hauptstadt Wien zum Betteln fahren.
Wie solch Transportprobleme wohl zu lösen waren?
Man nahm die eig‘ne Dienst-Karosse, die nicht kleine,
natürlich mit Chauffeur, und zwar ein jeder seine.
Du armer Bürger! Solch Mentalität der „Spitze“
entlarvt  die Spar-Parolen als bloß schlechte Witze!

Mich hat es schon seit langer Zeit ein jedes Mal „gerissen“,
wenn Journalisten glaubten, dass sie schreiben, reden müssen
von „SPÖ“- und „ÖVP-Ministern“ oder „-innen“.
Will man dem Selbstbewusstsein der Parteien noch mehr dienen?!
Minister sind die Leute immer noch der Republik!
Beim Maiaufmarsch in Wien jedoch war von der roten „Spitze“
erstmals ganz offiziell zu hören, dass die Macht man nütze,
um seine eig’ne  Klientel bevorzugt zu behandeln –
die ÖVP mach‘ es ja ebenso mit ihren Mandeln.
Du armes Land! So wird der Klassenkampf neu aufgeheizt,
zu Neid – und Speichellecken! – alle Bürger aufgereizt;
Demokratiegesinnung Stück für Stück eliminiert,
das Land zerrissen und – schaut euch nur um! – chaotisiert.

Der Wiener ganz besonders meidet anzuecken,
will lieber „Obertanen“- Stiefel lecken.
Für jene schön, die an die Macht sich hieven,
dass wir, wer immer es grad war, nachliefen!
Nur einmal waren Revoluzzer unsre Ahnen,
längst sind wir wieder brave Untertanen.
Zu denken demokratisch gar nicht geht
bei solch Gehorsamkeits-Mentalität.
Zu raunzen – ja; sich wehren – ist uns fremd,
selbst wenn man auszieht uns das letzte Hemd.
Ob ich das nicht zu düster sehen tät‘?
Ich denk‘ halt eindeutig an die Majorität.

Dr. Günther Voith ist Jurist und Unternehmer. Er hat lange die Inzersdsorfer Nahrungsmittelwerke geführt, war Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung, Mitglied des Österreich-Konvents, der Staatsaufgaben-Reformkommission und Lehrbeauftragter. Er hat soeben ein 600-Seiten-Buch „Reimekraut und Schüttelrübern" herausgebracht mit Alltags-Gedichten und Schüttelversen. Sie sind kritisch, persönlich, menschlich, politisch, zum Besinnen und zum Schmunzeln, jedenfalls unterhaltsam, aber keine Lyrik. Zu beziehen um € 28,- inkl. Versand via E-Mail guenter.voith@chello.at.

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