Freiheit und Verhetzung

Die geplanten Änderungen im Strafgesetzbuch schlagen mir zunehmend auf den Magen. Während die Intention, die Strafdrohungsrelation für Gewaltdelikte einerseits und Vermögensdelikte andererseits neu zu ordnen, zu begrüßen ist, stoße ich mich an drei anderen Reformvorhaben. Im Schatten einer guten Idee finden im Sexualstrafrecht, bei der Verhetzung und beim Landfriedensbruch bedenkliche Angriffe auf Freiheit und Eigentum statt.

Greifen wir die Verhetzung heraus. Soweit Verhetzung pönalisiert wird, die auf Gewalt abzielt, hat das Strafrecht seinen Platz. Diskutierenswert ist freilich, warum gerade bestimmte Gruppen unter den Schutz des Gesetzes fallen (wie zum Beispiel Rothäutige), andere aber nicht (wie zum Beispiel Rothaarige).

Problematisch erscheint das Aufstacheln zum Hass und die Beschimpfung in einer Weise, die geeignet ist, die im Gesetz genannten Gruppen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Unter anderem nennt das Gesetz als schutzwürdige Gruppe Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder eine nach dem Kriterium der sexuellen Neigung definierte Gruppe. Pädophile gehören also möglicherweise zu jenen Menschen, die nach dem Gesetzeswortlaut geschützt sind („Sexuelle Neigung“).

Vermutlich wird die ausweichende Antwort der Gesetzesautoren sein, dass „das ja so nicht gemeint war“. Dann aber bedeutet die neue Verhetzungsbestimmung, dass diese selektiv ausgelegt werden muss – eben nach politischer Beliebigkeit. So könnte man interpretieren, dass Menschen mit nationalsozialistischer Weltanschauung nicht, solche mit kommunistischer Weltanschauung sehr wohl geschützt sind.

Aktuell diskutiert wird auch die Flugtauglichkeit depressiver Personen („geistige Behinderung“). Vor dem Flugzeugabsturz in den Alpen wird es wohl eher so gewesen sein, dass das Herabsetzen dieser Gruppe im Zusammenhang mit der Flugtauglichkeit unter den Verhetzungsparagrafen gefallen wäre, nunmehr eher nicht.

Besonders gespannt bin ich im Zusammenhang mit der Neudefinition der Verhetzungsbestimmung auf das Verhalten all jener, die sich noch vor ein paar Wochen mit den Worten „Je suis Charlie“ für die Meinungsfreiheit einsetzten oder zumindest so taten. Wenn ich mir die Karikaturen von Charlie Hebdo so ansehe – insbesondere hinsichtlich diverser Kirchen – sehe ich ein weites Betätigungsfeld für österreichische Gerichte auf Basis den zukünftigen § 283 StGB.

Die Beliebigkeit hält Einzug in das Strafgesetzbuch und pervertiert somit die Idee des Gesetzes.

Letztlich findet noch ein besonders bemerkenswerter Tabubruch Eingang in das Verhetzungsstrafrecht. Verbrechen im Sinne der § 321 bis 321f StGB (Völkermord etc), die von einem inländischen oder internationalen Gericht rechtskräftig festgestellt wurden, sollen bei Billigung, Leugnung, gröblicher Verharmlosung oder Rechtfertigung strafbar werden.

Dies bedeutet einerseits die Erweiterung des Strafrechtskatalogs durch die Rechtsprechung. Wenn ein Bezirksgericht rechtskräftig feststellt, dass beispielsweise die Chinesen an den Tibetern Völkermord begangen haben, wird sich jeder Rechtsunterworfene – auch Chinesen, die in Österreich Urlaub machen – daran zu halten haben. Wie man von der Rechtskraft Kenntnis erhalten soll, bleibt derzeit unklar, da ja im Allgemeinen nur die Entscheidung der Höchstgerichte, aber nicht alle rechtskräftigen Entscheidungen österreichischer Gerichte veröffentlicht werden.

Andererseits muss man sich auch fragen, wie weit die historische Völkermord-Judikatur zurückreichen wird. Wenn etwa ein Gericht einmal feststellt – und sei es in einem zivilrechtlichen Kreditschädigungsstreit – dass die Römer an den Karthagern Völkermord begangen hätten, könnte es sei, dass man sich mit dem berühmtesten Zitat von Cato dem Älteren auf strafrechtliches Glatteis begibt.

Den österreichischen Gerichten die Funktion eines großen Ministeriums für (Geschichts-)Wahrheit zuzuschreiben wäre ein schwerer Fehler. Der noch größere Fehler besteht darin, das Strafrecht zur politischen Waffe zu schmieden.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Er ist seit der letzten Nationalratswahl Abgeordneter auf der Liste des Team Stronach.

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