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Der Armeniergenozid und einige fällige Konsequenzen

Am 24. April jährt sich zum 100. Mal die handstreichartige Verhaftung armenischer Honoratioren, Intellektueller und Führungspersonen in Konstantinopel, Auftakt zum ersten Völkermord im 20. Jahrhundert. Die Wissenschaftler nehmen heute an, dass etwa eineinhalb Millionen Armenier ermordet worden sind und etwa eine halbe Million anderer Christen: syrisch-orthodoxe Aramäer, Assyrer, katholische Chaldäer und andere. Auf Armenisch wird dieser Genozid „Aghet“ (Katastrophe) genannt, auf Aramäisch „Seyfo“ (Schwert).

Das jungtürkische Komitee für Einheit und Fortschritt, das zunächst von den Armeniern im Osmanischen Reich in der Hoffnung auf Verbesserungen der politischen Lage unterstützt worden war, nahm die Verbindung armenischer Gruppen mit dem Zaren zum Vorwand, die Türkei gewaltsam ethnisch zu homogenisieren. Das dabei eingesetzte Mittel war die „Umsiedlung“ in die syrische Wüste (Deir-ez-Zor). Dabei war der Tod durch Erschöpfung und durch die Übergriffe der lokalen Bevölkerung einkalkuliert bzw. beabsichtigt.

Ob die jungtürkischen Drahtzieher nun in einem relevanten Sinn „Moslems“ waren oder nicht, ist eine religionsphilosophische Frage. Nominell waren sie es sicher. Andererseits scheint die explizite islamische Doktrin als solche nicht die entscheidende Rolle gespielt zu haben. Aufgrund der schillernden Qualität der islamischen Lehre bzw. Lehren ist es allerdings schwer zu sagen, was nun zum Islam gehört und was nicht.

Viel eher war es daher wohl das im Islam vorhandene Bewusstsein, dass das Leben von „Ungläubigen“, daher auch das von illoyalen Subjekten, wenig wert ist. Daher war es eher der übersteigerte Nationalismus, das Türkentum als solches, und die Götzen der Französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, der die Jungtürken motivierte. Auch scheint der preußische Nationalismus eine inspirierende Rolle gespielt zu haben. Schließlich ist es der im Namen des Komitees erwähnte „Fortschritt“, der auch in anderen Ideologien zur Begründung unglaublicher Gräueltaten herhalten musste.  

Andererseits lief der Genozid sehr wohl nach den Regeln des Dschihad ab: Im islamischen Staatswesen lebende Christen, also nicht gleichberechtigte Bürger sondern „Schutzbefohlene“ (Dhimmis), die mit ausländischen Mächten kollaborieren bzw. dieser Kollaboration bezichtigt werden, verlieren ihren Schutz. Das islamische Volk durfte sich nach eigenem Selbstverständnis somit an den Opfern schadlos halten. (Gemäß dem meisterlichen Werk von Gisèle Littman vulgo Bat Ye’or: „Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. 7. – 20. Jahrhundert. Zwischen Dschihad und Dhimmitude.“ Auch wenn man nicht jede pro-zionistische Schlussfolgerung der Autorin für das 20. oder 21. Jahrhundert mitvollziehen will).

Man wird also resümieren können, dass der Völkermord an zwei Millionen Christen 1915 und den folgenden Jahren bis zum Vertrag von Sèvres 1920 (eigentlich bis zum Vertrag von Lausanne 1923) sowohl islamischen als auch „modernen“, westlichen ideologischen Weichenstellungen geschuldet ist. Islam und „Moderne“ haben hier reibungslos ineinandergegriffen.

Dass sich diese Kooperation heutzutage fortsetzt, sehen wir einerseits im Nahen Osten, in dem der „Westen“ Dschihadisten gegen säkulare Regimes aufrüstet, und andererseits im „Westen“ selbst, wo vom Christentum apostasierte, „modern“-relativistische Gesellschaften sich ohne nennenswerten Widerstand islamisieren lassen.

Die Gespenster von 1915 – heute wieder aktiv

Der „Islamische Staat“, eine Kreatur sowohl aus den Eingeweiden des Islam selbst wie auch sinistrer westlicher Geostrategen, zerstörte in diesen Monaten die armenische Kirche und das Märtyrermonument in Deir-ez-Zor in Syrien. Diese Stadt war das Ziel der Deportationsmärsche 1915 gewesen. Nicht nur, dass der Westen den Genozid von 1915 nicht anprangert und die Türkei zur Anerkennung desselben auffordert, er unterstützt auch den islamischen Terror, um einen missliebigen Staatsmann in Syrien loszuwerden. Wenn die Geschichte nicht gründlich aufgearbeitet und Sühne geleistet wird, wird die Situation noch schlimmer.

Kurdische Selbstbesinnung

In dem ganzen Drama ist es eine erfreuliche Meldung, dass sich eine maßgebliche kurdische Autorität zu einer Anerkennung kurdischer Mitschuld am Genozid durchringen konnte und die nachgeborenen Armenier um Vergebung für die Verwicklung ihrer Vorfahren bat. Es handelt sich um den türkischen Parlamentsabgeordneten Ahmet Türk von der Kurdenpartei BDP. Das ist als nobel zu werten. Nachdem nur die Wahrheit frei macht, ist das auch ein Schritt in die wahre geistige Freiheit und ein befreites Zusammenleben der verschiedenen Völker.

Kurden waren von der türkischen Autorität als Werkzeuge der Vernichtung verwendet worden. Man hatte sie aufgefordert, sich an armenischem Eigentum zu bedienen sowie ihre Frauen und Kinder zu entführen.

Aber nicht alle machten bei diesem grausamen Treiben mit. Kurden und Türken versuchten, Menschen zu retten. Bekannt ist, dass die Armenier oft ihre Kinder in letzter Minute bei kurdischen oder türkischen Familien abgaben, bevor sie sich in die Marschkolonnen einordnen mussten.

Übrigens waren auch nicht alle türkischen Gouverneure willfährig. Es gab türkische Beamte, die sich weigerten, die Befehle zur Vernichtung der Armenier auszuführen.

Allen diesen Menschen gebührt unsere Hochachtung. Sie zeigen, dass viele Menschen immer wieder besser handeln, als ihre kulturell-religiösen Vorgaben es vorschreiben bzw. erlauben würden.

Ein lokaler Bezug: Wien und die Mechitharistenpatres

Für Österreich ist es eine relevante Information, dass dem Völkermord auch drei Patres des Wiener Mechitharistenklosters und vier Patres des Venediger Mechitharistenklosters zum Opfer fielen.

Die Mechitharisten führen sich auf den Ehrwürdigen Diener Gottes Abt Mechithar von Sebaste (1676 – 1749) zurück, der Anfang des 18. Jahrhunderts mit seiner Mönchsgemeinschaft katholisch geworden war und die Regel des heiligen Benedikt annahm. In Wien existiert die Gemeinschaft seit 1811. Ursprünglich handelt es sich um einen von Venedig getrennten Zweig. Seit 2000 sind beide Zweige wieder vereinigt.

Alle sieben Geistlichen hätten 1915 die Möglichkeit gehabt, sich in die Sicherheit nach Europa abzusetzen. Sie wollten aber bei ihrem Volk bleiben.

Insofern unterschieden sie sich von Geistlichen aller Rangstufen, die eher ihre Bequemlichkeit und den Applaus der Welt suchen.

Nachdem in diesen Tagen ohnehin vieles zu den Ereignissen vor hundert Jahren publiziert werden wird, seien hier zwei eigenständige Schlussfolgerungen gezogen:

Politische Konsequenzen: Österreich, Ungarn und Deutschland

Es wäre angemessen, dass sich Österreich und Deutschland als Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches endlich zu einer Anerkennung des Genozids und – analog zu den Kurden – einer wie großen oder geringen Mitschuld auch immer durchringen könnten. Leider hat dieser Tage gerade Deutschland aus Angst vor politischen Komplikationen mit der Türkei das Wort „Völkermord“ gestrichen. Das ist ein völlig falsches Signal.

In einer Zeit, da die Türkei in übersteigertem Selbstbewusstsein und aggressiver, imperialistischer Außenpolitik an osmanische Großmachtphantasien anknüpft, wäre das ein wichtiger Schritt zu deren Eindämmung. Die Anerkennung des Genozids würde die derzeitige türkische Führung auch darauf hinweisen, dass ihre Verbindung mit islamischem Radikalismus wie dem IS verwerflich ist.

Das gilt auch für Ungarn, ebenfalls Nachfolgestaat.

Mit Besorgnis muss man nämlich registrieren, dass sich in Ungarn, vor allem in der rechten Opposition, turanische Tendenzen breitmachen. Es geht dabei um die Ideologie, wonach die Turkvölker wie die Magyaren und andere Nationen einen gemeinsamen Ursprung in Zentralasien, eben in „Turan“, hätten und verwandt wären. Daraus leitet sich die (politisch natürlich nicht praktikable) Idee eines Zusammenschlusses dieser Völker ab.

Näher an der Praktikabilität wäre allerdings eine politische Union aller Staaten bzw. Völker, die eine Turksprache sprechen. Diese Pläne werden ernsthaft von der türkischen Führung erwogen. Dass es ausgerechnet ungarische Kräfte gibt, die angesichts von etwa 160 Jahren Türkenjoch in Ungarn (1526: Niederlage von Mohács – 1687, 2. Schlacht von Mohács), mit solchen Wahnideen kokettieren, ist unverständlich. Cui bono? Wer kann an solchen Weichenstellungen ein Interesse haben?

Es wäre fatal für Europa, wenn sich zusätzlich zu einigen Balkanstaaten nun auch Ungarn den neo-osmanischen Großmachtbestrebungen öffnen würde.

Was unser österreichisches Heimatland betrifft, so müsste es noch grundsätzlicher die eigene Rolle in der unglücklichen Konstellation des beginnenden 20. Jahrhunderts einer kritischen Revision unterziehen. Es widerspricht jeder inneren Logik, dass Österreich-Ungarn mit seinem eigenen Erbfeind verbündet war – und zu allem Überfluss noch mit Russland, immerhin ein nominell christliches Reich, im Krieg stand. Die Verwicklung mit dem Deutschen Reich, das zugunsten des Projektes Bagdad-Bahn die türkische Unterstützung brauchte, hat sich für Österreich nicht als segensreich erwiesen. Und sie hat natürlich jedes Eingreifen in das Christenpogrom unmöglich gemacht – wobei es nicht klar ist, wie viel die österreichischen Autoritäten wirklich darüber wussten. Wie ich höre, nicht viel.

Kirchliche Konsequenzen

Aufgrund der schon erwähnten inneren Verflochtenheit zweier ideologischer Motive des Christengenozids von 1915, nämlich des „modernen“ (im Sinne der französischen Revolution) und des islamischen, müsste sich die Katholische Kirche zu einer feierlichen Wiederanknüpfung an das ältere Lehramt durchringen. Das würde eine unzweideutige Verurteilung des „modernen“ Geistes als säkulare Pseudo-Religion als auch des Islams als christologische Häresie bedeuten.

Der am II. Vatikanischen Konzil versprühte Optimismus hat sich genau fünfzig Jahre später als trügerisch erwiesen – ganz abgesehen davon, dass er aufgrund der damals noch rezenten Ereignisse ohnehin nie gerechtfertigt war. Am Konzil hat man auch die Trennung der Christenheit und ihre doktrinäre Uneinheit zu wenig klar benannt.

Im 20. und 21. Jahrhundert hat sich die Christenverfolgung zugespitzt. Nur eine radikale Bekehrung der Christenheit, eine Abkehr vom Glaubensabfall und eine Bemühung um volle Einheit in der vollen Wahrheit kann gleichsam exorzierend das Böse bannen.

Von daher wird die Christenheit die entsprechende Konsequenz ziehen müssen. In Österreich müssten die Bischöfe hier in aller Eindeutigkeit vorangehen.

Einstweilen sei aller Opfer von 1915 in tiefer Trauer gedacht. Und auch dem türkischen Volk sei gesagt, dass nur die Wahrheit frei machen kann.

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist, Publikations- und Vortragstätigkeit ist Gründungsmitglied der „Plattform Solidarität mit verfolgten Christen".

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