Sicherheit im Rechtsstaat: Leider nur für die Obertanen

Die Zahl der Gewalttaten nimmt zu. Kaum ein Tag vergeht, an dem Presse und elektronische Medien nicht über mit großer Brutalität ausgeführte Straftaten berichten. Ob Menschen auf dem Bahnsteig zu Tode getreten, Wachleute vor Juwelengeschäften mit Waffengewalt aus dem Weg geräumt oder Banken überfallen werden: Die tägliche Gewalt nimmt zu. Die Rede ist nicht vom Kaukasus, von Nigeria oder von Syrien, sondern von Deutschland und Österreich.

Die Frage, ob es sich bei den Tätern mehrheitlich um importierte oder um heimische Individuen handelt, ist zwar keineswegs belanglos, aus der Sicht des Opfers im Fall der Fälle aber unerheblich.

Die Rechtslage ist klar und lässt sich auf den auf römischem Recht gründenden Grundsatz „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ zurückführen. Im Klartext: Es ist erlaubt, sich zu wehren. Das Strafgesetz (in Deutschland: § 32, in Österreich: § 3) normiert den Rahmen.

Der Passus im österreichischen Gesetz ist um einiges ausführlicher formuliert als der im deutschen. Demnach ist jede „notwendige“ Handlung, die zum Schutz von Leib, Leben und Eigentum(!) erforderlich ist, um einen Angriff abzuwehren, straffrei. Gewaltexzesse sind damit indes nicht gedeckt. Wer jemanden erschlägt, der gerade dabei ist, ihm die Zeitung zu entwenden, ist kriminell.

Das sind vernünftige Rechtsgrundsätze. Allerdings erhebt sich sofort die Frage nach Art und Verfügbarkeit der zur Abwehr eines Angriffs „notwendigen Mittel“. Wie muss das „notwendige Mittel“ beschaffen sein, das eine Frau mit einer Höhe von 165 cm und einem Gewicht von 55 kg, oder ein gebrechlicher alter Mann, zur Abwehr eines durchtrainierten männlichen, 95 Kilo schweren Gewalttäters mit Aussicht auf Erfolg einsetzen könnte?

Es ist sinnlos, lange um den heißen Bei herumzureden: Zu Gewalttaten bereite Verbrecher schrecken nicht davor zurück, ihre Opfer schwer zu verletzten oder zu töten. Wie viele Fälle zeigen, sind die meisten von ihnen bewaffnet (und zwar niemals mit legal erworbenen und demnach amtsbekannten Geräten). Brutaler Gewalt kann nicht anders als mit Gewalt begegnet werden. Der Versuch, einen mit einem Revolver bewaffneten Räuber oder Vergewaltiger in ein „gutes Gespräch“ zu verwickeln, um ihn zum Aufgeben zu bewegen, wird in 999 von 1000 Fällen scheitern. Was also könnte ein zur Abwehr eines gefährlichen Aggressors besser geeignetes Instrument sein als eine Feuerwaffe?

Offensichtlich liegt es in der Absicht des Gesetzgebers, den Tätern Vorteile gegenüber ihren Opfern zu verschaffen. Das folgt unzweifelhaft aus der Tatsache, dass der legale Erwerb des einzig wirklich effektiven Verteidigungsmittels zunehmend erschwert wird. Damit nicht genug, wird den (wenigen) unbescholtenen Bürgern, die (noch) zum Besitz von Feuerwaffen berechtigt sind, untersagt, diese auch scharf geladen bei sich zu tragen.

Damit stellt sich der Staat eindeutig und unmissverständlich auf die Seite der Täter, deren (illegale) Bewaffnung zu keinem Moment in Frage gestellt wird. Aktuelles Beispiel: Über die von den Charlie-Hebdo-Attentätern benutzten, automatischen Militärwaffen wurde von der Presse kein Wort verloren. Kriminellen wird diese Art von Werkzeugen einfach unbesehen zugestanden, ohne lange nach deren Herkunft zu fragen. Rechtstreue Bürger dagegen werden zur Wehrlosigkeit verdammt.

Um der Infamie den Hohn hinzuzufügen, lässt der Staat seine Politnomenklatura, beamteten Schergen in Ministerien und Gerichten, etc. von bis an die Zähne mit jenen Waffen ausgerüsteten Agenten beschützen, die zu tragen er seinen (unfreiwilligen) Financiers verweigert.

Georg Zakrajsek von der „Interessensgemeinschaft Liberales Waffenrecht“ (IWÖ) in Österreich kritisiert vehement die mittlerweile gängige Praxis, selbst Polizisten und Justizwachebeamten das Recht zum Führen ihrer Waffen zu untersagen, wenn sie sich außer Dienst befinden. Wird der im Dienst befindliche Polizist tatsächlich zum Sicherheitsrisiko, sobald er seine Uniform auszieht? Muss er deshalb entwaffnet werden? Ist unbescholtenen Untertanen, die ungefragt für den schwer bewaffneten Schutz ihrer Obertanen aufkommen dürfen, grundsätzlich zu misstrauen?

Die Ausübung eines Freiheitsrechtes bedarf niemals einer Begründung. Zu begründen ist vielmehr jede Beschränkung eines Freiheitsrechts. Diese wird nur dann überflüssig, wenn sie nicht auf Recht, sondern auf Gewalt gründet. Und genau das ist der Fall, wenn der Staat Regeln zum Nachteil seiner Insassen erlässt. Er braucht sie nicht zu rechtfertigen. Er braucht niemandem zu erklären, weshalb das Leben des Präsidenten derart wertvoll ist, dass er zu dessen Schutz Dutzendschaften bewaffneter Büttel abstellt, den Bürger aber der Willkür gewalttätiger Krimineller wehrlos ausliefert.

Das „Gewaltmonopol“ darf zwar jederzeit von Kriminellen, nicht aber von gesetzestreuen Bürgern in Frage gestellt werden. Das ist zu akzeptieren. Dass die Frage der Notwehr mit der des Gewaltmonopols nichts zu tun hat, wird ausgeblendet. Dafür wird immer wieder – und zwar gegen besseres Wissen – Notwehr mit Selbstjustiz gleichgesetzt. Das Kalkül ist nur allzu klar: Je hilfloser der Bürger sich dem Treiben krimineller Banden, Einzeltäter und Terroristen gegenübersieht, desto eher ist er bereit, dem Leviathan noch mehr Befugnisse einzuräumen und auf eigene Rechte zu verzichten.

Die Schandtaten der RAF in Deutschland, das durch einen Irren angerichtete Schulmassaker im schottischen Dunblane oder die Geschehnisse vom 11. 9. 2001 in den USA, sind die besten Beispiele dafür. Die vom Staat planmäßig zur Wehrlosigkeit verdammten Bürger scharen sich hilfesuchend um ihren Unterdrücker und betteln förmlich darum, noch stärker überwacht und mit Verboten überschüttet zu werden als zuvor.

Ist ein Bürger einmal kühn genug, sich gegen die Verweigerung des Grundrechts auf Notwehr (die Ausstellung einer Berechtigung zum Führen einer Faustfeuerwaffe) zu wehren und beschreitet den „Rechtsweg“, steht das Ergebnis von Vornherein fest: Der Verwaltungsgerichtshof folgt routinemäßig der Entscheidung der Beamten der Erstinstanz und weist jeden Einspruch ab.

Merke: Liegt der Bürger im Streit mit dem Staat, entscheidet dieser selbst in letzter Rechtsstufe. Praktisch, nicht wahr? Man stelle sich vergleichsweise den Fall eines Streits anlässlich eines privaten Rechtsgeschäfts vor: Eine gelieferte Ware wird reklamiert. Die Beschwerdeabteilung des Unternehmens reicht die Causa an seine Rechtsabteilung weiter und die befindet – ohne weiteres Einspruchsrecht – abschlägig über die Ansprüche des geschädigten Kunden. Völlig absurd, wie jedermann einsehen wird. Kein Richter ist dazu berechtigt, in eigener Sache zu entscheiden.

Weshalb aber erscheint derselbe Sachverhalt plötzlich gar nicht mehr absurd, wenn es um den Umgang des Leviathans mit seinem Untertanen geht?

Die Antwort ist simpel: Wo Staat draufsteht, ist niemals Recht drin. Der „Rechtsstaat“ ist ein Hirngespinst. Es gab ihn – möglicherweise – zur Zeit der römischen Republik. Da galt das Recht gleichermaßen für die politische Führung wie für die Plebs. In der modernen Massendemokratie dagegen ist Rechtsstaatlichkeit Chimäre. Wenn Sie also demnächst auf offener Straße überfallen, niedergeschossen und ausgeraubt werden, machen Sie sich nichts daraus. Trösten Sie sich mit der Gewissheit, dass das einem Minister niemals passieren wird…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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