Viktor Orbán – Ein Stürmer in der Politik

In dieser Adventzeit war wieder viel von Demonstrationen in Ungarn zu hören. Besorgte Bürger hätten in 20 Städten „gegen Korruption und Freunderlwirtschaft [!]“ (so am 17.12. die Nachrichtensprecherin ausgerechnet des Österreichischen Rundfunks in unfreiwilliger Komik) demonstriert und sogar Straßen blockiert. Denn die dortige Regierung sei korrupt und total undemokratisch.?
So so.

Diese Art Stimmungsmache der Massenmedien („Berichterstattung“ wäre das falsche Wort) geht nun schon länger so dahin. Wenn man sich zudem im Internet zugängliche Videoaufnahmen von Sitzungen des Europäischen Parlaments, bei denen der ungarische Regierungschef anwesend war, ansieht, ist man von der unverhohlenen Feindseligkeit seitens linker und „liberaler“ Politiker äußerst unangenehm berührt. Gewalttätige Anti-Orbán-Demonstrationen in Budapest (wie vor kurzem – und offiziell gegen die Internetsteuer) lassen analog zu Farbenrevolutionen ausländische Subversion befürchten.

Was hat dieser Mann nur angestellt?

Dieses Jahr erschien die deutsche Übersetzung eines äußerst lesenswerten Buches des polnischen Journalisten Igor Janke über den derzeitigen Erzfeind und Buhmann Nummer eins einer medialen Nomenklatura: Viktor Orbán – Ein Stürmer in der Politik.

Biographisches…

Janke zeichnet das Leben Orbáns von der Kindheit und Jugend über die Zeit des Militärdienstes (während dessen er wegen der Ausrufung des Kriegsrechtes in Polen 1981 dramatische Tage erlebte) und der Studentenzeit bis zu seinem Eintritt in die Politik nach. Dabei verwendet er aufgrund Orbáns Begeisterung für den Fußball als „Fan“ genauso wie als aktiver Spieler häufig einschlägige Metaphern (woher sich auch der Buchtitel erklärt).

Als junger antikommunistischer Aktivist und aufstrebender Mitgründer des „Bundes junger Demokraten“ (FIDESZ) war Orbán „liberal“. Aufgrund couragierten Auftretens am 16. Juni 1989 gegen die sowjetische Besatzung wurde er schlagartig populär. Er und seine Mitstreiter waren zum Spott gegen traditionelle Strukturen und Werte geneigt. Im Parlament benahmen sich die FIDESZ-Mandatare deswegen anfänglich betont rüpelhaft.

Janke berichtet von der Einflussnahme des US-Milliardärs und „Philanthropen“ George Soros auf die FIDESZ-Bewegung im Jahr 1993: „[Soros] versuchte sie davon zu überzeugen, dass die Welt heutzutage von einer liberalen Elite beherrscht werde. (…) Er sagte, dass Europa alles ablehne, was christlich, traditionell oder national sei.“

Der Milliardär versuchte, FIDESZ zu einer Koalition mit dem „Bund freier Demokraten“ (SzDSz) und den Postkommunisten(!) zu überreden, was Orbán ablehnte: „Das widerspräche dem, was wir vertreten“ (147).

Er wird immer „konservativer“ und bringt die Partei auf einen patriotischen und christlichen Kurs. Der calvinistische Pastor Zoltán Balog wird zum geistlichen Mentor Orbáns.

Janke zeigt an vielen Beispielen, dass Orbán starken Gestaltungswillen und große Durchsetzungskraft besitzt: Auch die Abwahl 2002 nach vier Jahren als Ministerpräsident und die knappe Wahlniederlage 2006 konnten ihn nicht demotivieren. Der Zweidrittel-Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen 2010 war die Frucht geduldiger (und an die Grenze der Selbstausbeutung gehender) Arbeit. Seitdem gestaltet Orbán das Land mit einem starken Mandat des ungarischen Volkes.

…Brisantes…

Höchst aufschlussreich ist das 21. Kapitel, in dem über die Ereignisse des Herbstes 2006 berichtet wird. Was man damals in den gleichgeschalteten deutschsprachigen Medien praktisch nicht oder nur mit Lügen vermischt erfahren hat, war ein unfassbarer Gewaltexzess der Polizei gegen die Bürger, die von den Lügen und der Schuldenpolitik der sozialistischen Regierung Gyurcsány aufgebracht in Budapest und anderen Städten auf die Straße gegangen waren. Im Österreichischen Rundfunk war etwa typischerweise von „Rechtsextremisten“ die Rede, gegen die die Sicherheitskräfte vorgegangen wären.

Janke dazu:?
Die westlichen Medien verweisen bis heute nicht gern auf die Aktivitäten der Regierung Gyurcsány, welche die ungarische Wirtschaft in den Abgrund und die Ungarn in tiefe Frustration gestürzt hatten. Sie schreiben nicht über die allumfassende Korruption, den Filz und die Lügen, die sich unter der vorangegangenen Führung als Last auf die Gesellschaft gelegt hatten. Sie erinnern nicht daran, wie brutal die Polizei 2006 gegen die von den Worten des sozialistischen Ministerpräsidenten aufgebrachten Demonstranten vorgegangen war“ (291).

…und Grundsätzliches

Janke zeichnet Orbáns Überzeugungen nach, die sich von einem totalitär auftretenden europäischen Konformitätsdruck und dessen Lieblings-Gesslerhut, dem sogenannten „Antifaschismus“, der billig, inhaltsleer und völlig blind für die Gräuel des Kommunismus ist, entfernten:

„Orbán verwehrte sich stets von Neuem dagegen, dass Menschen als Faschisten beschimpft werden, die ungarische Patrioten sind, die Traditionen pflegen, die die Erinnerung an die ungarische Vergangenheit am Leben erhalten. Besonders, weil die Anschuldigung des Faschismus von solchen erhoben wird, die [bei der Niederschlagung der Befreiungsbewegung 19]56 viele Ungarn ermordet haben, sagt er heute. Auf diese Ängste und Verdachte baut sich die gegenseitige Antipathie auf, die darin gipfelte, dass die Liberalen, die sich anfangs als harte Antikommunisten gezeigt hatten, 1994 eine Koalition mit den Postkommunisten schlossen, nur um den, ihrer Meinung nach, in der Wiederkehr befindlichen Nazismus aufzuhalten“ (130f).

Sehr erfreulich und im heutigen Hauptstrom-Journalismus völlig unüblich ist die Würdigung für die geistige Entwicklung Orbáns in Richtung des christlichen Glaubens: „Einerseits wurde er immer konservativer, wobei seine Ehefrau Anikó Lévai eine gewisse Rolle spielte, die aus einer traditionellen, katholischen Familie stammte. Orbán wandte sich mit wachsendem Interesse der Kirche als Institution zu und mit der Zeit auch dem Glauben“ (137).

Orbán, selbst nicht Katholik sondern Calvinist, hatte eben erkannt, dass es die Weichenstellungen des Staatsgründers König Stephan des Heiligen waren, nämlich Taufe und Glaube, durch die sich grausame Barbaren zu einem hochstehenden Kulturvolk entwickelten. (In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass genau dieser Zusammenhang in künstlerischer Freiheit in der 1983 in Budapest uraufgeführten und im ungarischen Kulturraum sehr populären Rockoper István a király, „König Stephan“, unbefangen und ohne Berührungsängste thematisiert wird.)

Besonders gegen die christlichen Bezüge der neuen ungarischen Verfassung wird erbittert Sturm gelaufen.

Gelten die Spielregeln der Demokratie ausgerechnet für Ungarn nicht?

Ist es normal, dass eine Regierung, die nach anerkannten Wahlregeln eine Zweidrittelmehrheit erhält, von der Presse im Ausland – und im Inland (!) – verunglimpft und verleumdet wird?

Orbán und seine Koalition aus FIDESZ und Christlich-demokratischer Volkspartei (KDNP) ist von seinem Volk gewählt worden, um dessen legitime Interessen zu vertreten. Und er leistet Widerstand gegen die sich häufenden illegitimen Angriffe:

Nach Jankes Worten löste Orbáns rhetorischer Gegenangriff gegen die frechen Anwürfe des grünen Europarlamentariers Daniel Cohn-Bendit (ehemaliger „Kinderfreund“, wie wir uns erinnern) in Ungarn einen „Begeisterungssturm“ aus. Das Volk solidarisierte sich und brachte bei einem Friedensmarsch in Budapest etwa 400.000 Menschen zur Unterstützung Orbáns auf die Straße (man beachte: in einem Land mit 10 Millionen Einwohnern).

Soweit erinnerlich, war in den westlichen Medien davon nicht die Rede.

Ist „Demokratie“ also nur das, was eine bestimmte Nomenklatura aus Eigeninteresse dekretiert?

Hat das europäische Establishment eventuell nicht vergessen, dass sich Ministerpräsident Orbán im Jahr 2000 gegen die infamen Angriffe auf die damalige österreichische Regierung – und somit das Wählervolk – mit Österreich solidarisiert hatte?

Und wie es mit der Pressefreiheit unter sozialistischen Vorzeichen wirklich aussieht, ist ohnehin notorisch:
„Als die Sozialisten 2002 wieder an die Macht kamen, gingen sie brutal gegen die rechten Medien und die Journalisten vor, die nicht mit ihnen an einem Strang zogen. Es kam zu regelrechten Massenentlassungen. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurden die Entlassungsschreiben vor der Eingangstür verteilt. Damals protestierte die große, weite Welt jedoch nicht!“ (310)

Überrascht uns das?

Resümee

„Ich hatte mehr als ein Jahr lang die Gelegenheit, aus nächster Nähe einen der interessantesten Politiker unserer Zeit zu beobachten“ (343). Janke ist aber bei aller Sympathie für seinen Gesprächspartner nicht unkritisch, was einzelne Maßnahmen der Regierung Orbán betrifft. Insofern ist das Buch keine Lobhudelei.

Auch der Rezensent möchte nicht den Eindruck einer Vorab-Heiligsprechung o.ä. erwecken. Das muss man heute leider schon immer dazusagen, weil in einem Umfeld fast flächendeckender Hetze gegen einen patriotischen Politiker jedes Wohlwollen und jede Fairness diesem gegenüber mit Nasenrümpfen und Augenverdrehen kommentiert wird: „Er ist aber auch nicht der Messias.
Nein, ist er eh nicht.

Ein großes Verdienst Jankes ist die Publikation eines ausführlichen Interviews mit Orbán am Ende des Buches, in dem sich beherzigenswerte Aussagen finden:
„Europa muss sich aus der Falle der Geldmärkte herauswinden. Das bezieht sich in erster Linie auf die Eurozone. In den letzten Jahrzehnten haben die Geldmärkte die Politik beherrscht“ (340).

Und:?
„Die europäische Krisensituation können nur die starken Nationalstaaten lösen. Nationale Führerpersönlichkeiten, die über eine starke politische Position verfügen. So muss man das Wahlergebnis in Ungarn 2010 auffassen. Die Ungarn haben die Situation gut erkannt und mir daher eine so starke Ermächtigung gegeben“
(342).

Ein Resümee des Buches wird sein, dass sich an der ungarischen Geschichte zeigt, was auch sonst historischer Erfahrungswert und innerliches Gesetz gleichzeitig ist, nämlich dass die „Liberalen“ Wegbereiter und Steigbügelhalter der Sozialisten sind und damit dem totalitären Willkürregime zuarbeiten.

Darum hatten Papst Leo XIII., Donoso Cortés und Eric Voegelin schon recht, dass nur eine konservative, selbstbewusste und starke Regierung ein Abrutschen in das revolutionäre Chaos mit unvermeidlich anschließender Diktatur verhindern kann.

Ein kleiner Kritikpunkt ist – das hat der Rezensent dem Verlag schon mitgeteilt – die Oberflächlichkeit des Lektorats, dem viele Interpunktions- und Syntaxfehler entgangen sind. Das lässt das Buch manchmal gewissermaßen als „Exilantenliteratur“ erscheinen und gibt ihm an manchen Stellen ein gewisses Samizdat-Gepräge (was andererseits auch einen gewissen Charme besitzt).

Ein anderer Punkt der Beanstandung ist, dass ein im süddeutschen Raum an der Grenze zu Österreich angesiedelter Verlag ohne weiteres die übliche deutsche Toponomastik für ungarische Städtenamen hätte verwenden können. Dem ungarischstämmigen Verleger wäre kein Stein aus der Krone gefallen, wenn er „Székesfehérvár“ einmal einführt und dann weiterhin „Stuhlweißenburg“ schreibt.

An manchen Stellen erscheinen auch die Fußballmetaphern etwas des Guten zuviel.

Schließlich muss der Leser damit rechnen, dass ein polnischer Autor vermehrt polnische Bezüge herstellt. Dem einschlägig versierten politischen Beobachter werden die entsprechenden Namen und Fakten vertraut sein, den anderen wird man weitere Konsultierungen empfehlen.

Diese Kleinigkeiten können das Gesamtbild des interessanten und gut lesbaren und für unsere Zeit wichtigen Buches nicht trüben.

Es sei besonders allen empfohlen, denen ein Europa freier Nationen am Herzen liegt. Daher gebührt dem Autor Dank wie auch dem Verleger – und natürlich Herrn Orbán selbst.

Igor Janke, Viktor Orbán – Ein Stürmer in der Politik, Schenk Verlag, Passau 2014 (Originalausgabe bei Demart SA, Warschau 2012), Deutsch von Karlheinz Schweitzer, 344 S., 20.50 [A] http://www.schenkbuchverlag.de/

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist, Amateur der ungarischen Sprache

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