Die Rettung des Kontinents Indebitamento: Ein satirisches Märchen

Governatos, ein Provinzherrscher des Kontinents Indebitamento, wollte Wahlen gewinnen und beliebt sein. Daher borgte er sich Geld vom Bankier Pecuniarius. Die geborgten Staatsanleihen nutzte Governatos, um das geborgte Geld in Form von Subventionen und Gratifikationen an seine Günstlinge zu verteilen. Diese Methode war sehr erfolgreich.

Bald borgten alle Bankiers und Investoren den Herrschern Geld, das diese an ihre Untertanen verteilten, um es später von den Steuerpflichtigen durch höhere Steuern wieder einzutreiben.

Die Angewohnheit der Herrschenden, mehr Geld auszugeben, als sie durch die Steuern der Untertanen eingenommen hatten, nannte man Deficit Spesa. Als der berühmte Ökonom Keynesianus die ideologische Basis dafür lieferte, verbreitete sich die Methode rasch auf dem Kontinent. Alle Regierungen, Banken und Zentralbanken betrieben eifrig Deficit Spesa und schöpften Fiat Money aus der Luft, indem sie zukünftige Steuereinnahmen ihrer Untertanen schon im Vorhinein gegen Zinsen an sie verteilten. Auf diese Weise wuchs der Schuldenberg der Staaten bzw. deren Untertanen von Tag zu Tag…

Die Investitionen der Unternehmen sanken, das Bruttoninlandsprodukt stagnierte, obwohl man bald auch Zigarettenschmuggel, Prostitution und später auch Korruptionsgewinne ins Bruttoinlandsprodukt einrechnete. Die Inflationsrate stieg, obwohl man immer mehr verschiedene Warenkörbe zusammenstellte, die immer wieder angepasst wurden. Die Verschuldung der Haushalte wuchs kontinuierlich und immer weniger Untertanen wollten sparen, nicht einmal die kleinen Sparer und Konsumfuturisten, die Geschäftsbanken jahrzehntelang brav mit negativer Realverzinsung gesponsert hatten.

Der Unternehmer Entrepreneros machte den Governatoren und Investoren den Vorschlag, direkt in die Unternehmen zu investieren – statt den wenig effizienten Umweg über die Zession zukünftiger Steuereinnahmen der Untertanen in Form sogenannter Staatsanleihen zu nehmen.

„Das kann ich leider nicht! Die Kreditgewährung an Unternehmen und Private ist sehr erschwert worden, man könnte sagen, Unternehmenskredite sind verbaselt worden“, antwortete Pecuniarius. „Geschäftsbanken, die Kredite an Private und Unternehmen vergeben, müssen große Nachteile in Kauf nehmen. Denn für die Zession zukünftiger Steuereinnahmen haftet der Steuerzahler, aber nicht für einen Kredit in die Realwirtschaft. Daher brauche ich für Kredite, die ich direkt an die Unternehmen gebe, mehr Eigenkapital als für Staatsanleihen oder andere Blasenpumpen“, seufzte Pecuniarius traurig. Der Kontinent Indebitamento war offensichtlich dem Untergang geweiht.

Da geschah das, was man später als „das Wunder der Inversion“ bezeichnete: Durch den Mut eines Governatos in einer kleinen, abgelegenen Provinz wurden die Kreditvorschriften über Nacht vollkommen auf den Kopf gestellt: Plötzlich mussten die strengen Kreditvorschriften von Basilea nicht mehr auf Unternehmenskredite, sondern auf Staatsanleihen und Derivatprodukte angewendet werden. Umgekehrt erhielten Klein- und Mittelbetriebe günstige langfristige Kredite für Investitionen in die Realwirtschaft, ohne dass die Banken dafür zusätzliches Eigenkapital vorhalten mussten. Und schließlich erhielten die privaten Haushalte jenen Teil der von ihnen bezahlten Steuern als Pauschale zurückgezahlt, der für die Zinsentilgung der Staatsanleihen der letzten 20 Jahre vom Staat über höhere Steuern abgeschöpft wurde.

Man nannte es „Wunder der Inversion“. Denn die Umkehrung der Kreditvorschriften führte dazu, dass die Fehlleitung der Finanzströme schlagartig beseitigt wurde.

Als die strengen, restriktiven Vorschriften von Basilea III auf alle Finanzgeschäfte ohne realwirtschaftliche Basis angewendet wurden, reduzierten sich diese auf ein Minimum, die Blasen implodierten und auch die Spekulation mit Derivatprodukten und Rohstoffkontrakten verschwand.

Hingegen führte die Freigabe der Kredite an Unternehmen für innovative Produkte und Dienstleistungen zu einer Renaissance der Investitionen in die Realwirtschaft und die Rückzahlung von Zinsen für Staatsanleihen an die Haushalte zu einer Entschuldung der Privathaushalte. Die Wirtschaft atmete auf. Denn die Unternehmer und Banken nutzten die Chance, um wieder in neue Technologien und Produkte zu investieren, die Haushalte zahlten ihre Schulden und konsumierten wieder verstärkt die Produkte und Dienstleistungen, sodass das Bruttonationalprodukt kontinuierlich stieg und neue Arbeitsplätze entstanden.

Als man erkannte, welchen positiven Effekt die simple Umkehrung der Kreditvorschriften in der Provinz gehabt hatte, übernahm man dieses Inversio-Prinzip für den gesamten Kontinent.

Es dauerte nur wenige Monate und der Kontinent Indebitamento war weltwirtschaftlich und geopolitisch wieder auf Erfolgskurs.

(Leider nur Fiktion – aber manchmal ist die Lösung scheinbar komplizierter Probleme ganz einfach)

Mag. Walter Schönthaler, 60, ist seit drei Jahrzehnten als Unternehmensberater und Geschäftsführer bekannter Markenartikler (Felix-Austria, Manner, Spitz, PEZ) tätig und unterrichtet an der Webster University und der FH Wr. Neustadt.

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